Der Abend
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Sönigsberg, 1. Dezember.
Zu Anfang November verkündeten der Vorsigende und die Kreisführer des Landwirtschaftsverbandes Ostpreußen", einer Unterorganisation des Landbundes, die Zahlungsunfähigkeit der oftpreußischen Landwirtschaft. In einem offenen Brief an den Reichspräsidenten wurde erklärt:
Die Landwirtschaft der Provinz Ostpreußen , in ihrer Gesamtheit genommen, ist am Ende ihrer Kraft und zahlungsunfähig. Die Barlöhne werden nur zu zwei Dritteln der vollen Höhe ausgezahlt.
Die Sozialversicherungsbeiträge werden nicht mehr abgeführt.
3infen sind nur in Höhe von 3 Proz. zu bezahlen. Diesen Beschlüssen sind auf Betreiben der Zentrale fast sämtliche Kreisabteilungen des Landwirtschaftsverbandes in Ostpreußen mit mehr oder weniger scharfen Erflärungen beigetreten. So hat Der Kreislandwirtschaftsverband Gerdauen in seiner Generalperjammlung folgende Maßnahmen beschlossen:
1. Wir können ab 1. November 1931 für Hypotheken
die Löhne und Gehälter weiter zu senken, aber das Schaustück der Preissenfung diftatorisch zu behandeln.
Inzwischen wird heute von einem Teil der Presse das Gerücht verbreitet, dieser neue Lohnsenkungsplan sei inzwischen von der Regierung zurüdgestellt worden, bis ein Erfolg der Preissenfungsaktion sichtbar geworden sei. Man darf annehmen, daß bei der morgigen Aussprache auch diese Dinge behandelt werden.
Die Regierung gibt übrigens auf die erwähnten Meldungen nur ausweichende Auskünfte. Es sei noch nichts beschlossen, aber die Tendenz gehe selbstverständlich dahin, die Preissentung wirksam zu machen und der Lohnsenkung vorangehen zu lassen. Mit solchen Erklärungen fann man nichts und alles anfangen.
Beruhigende Erklärungen abgeben."
1. und 2. Stelle nicht mehr als 3 Proz, für weitere Eintragungen Der italienische Freiheitsflieger Bassanesi, nehmen. Immer haben die Nationalsozialisten das Brinzip
und Bankdarlehen nicht mehr als 6 Proz. pro Jahr bezahlen.
2. Alle Zahlungen an die öffentliche Hand ( Steuern, Abgaben und Soziallaffen) fönnen nicht mehr bezahlt werden, bis die Rentabilität der oftpreußischen Landwirtschaft dies gestattet.
der am Dienstag abend vor den Funktionären der Sozialdemokratie Berlins sprach. Ihm wurden herzliche Ovationen dargebracht.
Wie die Nazis ihre wahren Absichten tarnen. Hitler hat die hessischen Verfasser des Putschdokumentes vorläufig taltgestellt. Man braucht das nicht tragisch zu angewendet, ihre wahren Absichten möglichst zu verschleiern, bis sie die Macht zu ihrer Durchführung haben würden. Ein sehr schönes Beispiel dieser Heuchelei auf neudeutsch " Tarnung" geheißen bietet die Zeitschrift Deutsches Recht", die sich im Untertitel ,, Monatsschrift des Bundes nationalsozialistischer deutscher Juristen"
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Die Brautentassenbeiträge sind unerschwinglich und Sozialdemokraten beim Reichskanzler. nennt. In Seft 4/5 dieser Zeitschrift verbreitet sich ein Re
fönnen mit mehr aufgebracht werden. Wir wollen gern vom 1. Nonember 1931 ab den Arzt für unsere Arbeiter fostenlos ftellen, wogegen der Arbeitnehmer die Apothete felbfi bezahlt.
3. Landwirtschaftskammerbeiträge dürfen nur die Höhe von 50 Proz. des Beitrages von 1931 erreichen und bezahlt werden. 4. Zwangsversteigerungen aller Art haben bis zur Rentabilität und Sanierung der Landwirtschaft zu unterbleiben.
5. Die Barlöhne an Hofgänget, Freiarbeiter, Frauen und Obermelter
fönnen wir nur noch mit 70 Proz. des jetzigen Cohnes vom 1. November 1931 ab zahlen.
Um diesen letzteren Beschluß in seiner ganzen Ungeheuerlichkeit verstehen zu können, muß man wissen, daß der Monatslohn eines Vollarbeitsfähigen über 21 Jahre einschließlich aller Natu ralien zur Zeit im Provinzdurchschnitt ohne die Sozialabzüge nicht ganz 45 m. beträgt, während der Stundenlohn eines Freiarbeiters, der eine Familie zu ernähren hat, etwa 37 Pf. ausmacht. Diese Zahlen beweisen, daß die Landarbeiterföhne in Ostpreußen die weitaus niedrigsten in ganz Deutschland sind.
Mit welchen Mitteln man die gefaßten Beschlüsse zur Durch= führung bringen will, geht aus einem Satz der Entschließung des Kreislandwirtschaftsverbandes Neidenburg hervor, in dem es
heißt:
Besprechungen am Donnerstag.
Die bereits angekündigte neue Besprechung der Führer der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion mit dem Reichskanzler Dr. Brüning ist auf Donnerstag festgesetzt worden. In dieser Besprechung wird, wie zu erwarten, auch sehr deutlich der Plan der Regierung zur Sprache gebracht werden,
Heute abend
große republikanische Massenkundgebung im
Sportpalast!
handlung benötigen und die infolge der Beschlüsse des Landwirt| „ Wir sind bereit, in der kommenden Not feft zusammen- schaftsverbandes weder einen Krankenschein ausgehändigt noch Geld zum Besuch des Arztes erhalten. Dafür zwei Dokumente. Das erste: zustehen und mit jedem Berufsgenossen, der nicht mit uns an einem Strang zieht, den persönlichen und wirtschaftlichen Verkehr abzubrechen."
Die Entschließungen beginnen bereits unter dem Druck der Boykotterklärungen sich in sehr erheblichem Maße auszuwirken. Auf vielen Großgütern haben die Arbeitgeber ihren Arbeitern schriftlich die Mitteilung zukommen laffen, daß bei den nächsten Lohnzahlungen nur zwei Drittel des Tariflohnes zur Auszahlung kommen. Der allgemeinverbindliche landwirtschaftliche Tarifvertrag eriftiert für die Großagrarier nicht mehr! Die Krankenkassen erhalten von den Großbesizern die Abmeldung ihrer Arbeiter von den Kassen, obwohl sie die Arbeitnehmer weiterbeschäftigen. Die Existenz von 250 000 Landarbeitern ist bedroht; die ostpreußische Wirtschaft, die Handwerker, der Mittelstand stehen durch den aus politischen Gründen inszenierten Maffekonkurs vor ihrer wirtschaftlichen Vernichtung. Ostpreußen ist in Gefahr. Nicht die Polen oder Litauer bedrängen heute die exponierte Provinz, wirtschaftlicher Berrat einer zum Sterben verurteilten Großgrundbefizerkaste rührt an den Grundlagen des staatlichen, nationalen und wirtschaftlichen Seins.
Leere Versprechungen sind es, wenn in dem offenen Brief an den Reichspräsidenten erklärt wird, das Interesse der Arbeiterschaft, des Mittelstandes solle gewahrt bleiben. Schon heute werden die einzelnen Krantenfaffen, überlaufen von Arbeitern, die ärztliche Be
Ich verlangte gestern von Herrn G. in G. einen Krankenschein, um zum Arzt zu gehen. Herr G. lehnte dieses mit dem Bemerken ab, daß er mir keinen Krantenschein ausstellen könne, da er die Zahlungen an die Krankenkasse eingestellt habe und eine Krankenkasse nicht mehr existiere. Sie sei durch Beschluß des Kreislandwirtschaftsverbandes aufgehoben worden.
Und ein anderes:
v. g. u. F. B.
Das Kind meiner Tochter ist erkrankt und bedarf ärztlicher Behandlung. Herr K. verweigerte jedoch die Ausstellung eines Krantenfcheines mit der Begründung, daß er von jetzt ab feine Beiträge zur Krankenkasse mehr bezahle. Er riet meiner Tochter, vorläufig abzuwarten.
Einen Schein hat meine Tochter nicht erhalten, ebenfalls fein Geld, um die ärztliche Behandlung für ihr Kind zu beschaffen. D. g. u. J. B.
Recht und Gesetz gilt nur noch für die Proleten, nicht aber für die Befißer einiger 1000 Morgen ostpreußischen Landes. Es ist geradezu eine Ironie des Schicksals, daß ausgerechnet in dieser Zeit den Saboteuren in der oftpreußischen Landwirtschaft das neue Dfthilfegeichen? mit seinem weitgehenden Schutz zuteil wird. Während man in Ostpreußen eifrig bemüht ist, durch die Herbei führung des mirtschaftlichen Ruins der gesamten oftpreußischen Be
gierungsrat i. R. Ernst v. He ŋdebrand über die Frage, ob den deutschen Juden ohne Aenderung der Reichsverfassung ihre Staatsbürgerrechte entzogen werden können. B. Heydebrand befürchtet, daß eine solche Maßregel in der übrigen Welt böses Blut erregen könne. Aus diesem Grunde schlägt er vor:
Es ist daher zu empfehlen, nicht sogleich allzu grausige Folgen an die ersten Maßregeln zu knüpfen, vielmehr mit Rücksicht auf das Mißtrauen des Auslandes, das Gerechtig= Peitsgefühl der Gerichte(!!!) und das zarte Gewissen etwaiger Koalitionsgenossen sich damit zu begnügen, ein Judenverzeichnis aufzustellen, ihm die Staatsangehörigkeit abzusprechen (§ 17 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes), sie nicht mehr wählen und Beamte werden zu lassen im übrigen aber zunächst alles auf fi ch beruhen zu lassen und allerseits beruhigende Erklärungen abzugeben, bis sich die neue Rechtslage einigermaßen gefestigt hat.
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Beruhigende Erklärungen wer denkt da nicht an Hitlers Eid in Leipzig , an die jetzigen Erklärungen der nationalsozialistischen Reichsleitung zu den hessischen Doku
völkerung die Grundlagen jeder Rentabilität zu vernichten, versucht das Reich trog feiner eigenen verzweifelten wirtschaftlichen und finanziellen Situation, die daniederliegenden ostpreußischen landwirtschaftlichen Betriebe wieder rentabel zu gestalten.
Die Bandarbeiterschaft wird die Zerreißung der Tarifverträge nicht dulden, sie wird sich die Krankenkassen, die durch ihre tätige Mitarbeit zu wahren Helfern der ostpreußischen arbeitenden Landbevölkerung geworden sind, nicht zerschlagen lassen. Sie fordert in diesem Kampfe die Unterstützung aller derer, die noch Sinn für Recht und Gesez haben, insbesondere die Unterstügung der zu= ständigen Reichs- und Staatsbehörden. Keine finanziellen Unterstügungen, teine wirtschaftlichen Erleichterungen den Landwirten, die der Parole des Landwirtschaftsverbandes Ostpreußen folgen! Unerbittliche Anwendung der bestehenden Gesetze! Jede Milde oder Nachgiebigkeit würde nur die Position der wirtfchaftlichen Hochverräter stärken. Sind sich doch die ostpreußischen Arbeitgeber selber bewußt, daß diese ganze Aktion in ihrer Gesamtheit nicht wirtschaftlich bedingt ist. In der Entschließung des Landwirtschaftsverbandes Osterode heißt es:
„ Es ift Ehrenpflicht auch von den Berufskollegen, die wirtschaftlich noch besser stehen, diese Aktion mitzumachen." Besser als mit dieser Erklärung fann die Machination des Landwirtschaftsverbandes gar nicht gekennzeichnet werden. Ostpreußens Arbeiterschaft, die ihre Staatsgefinmung in den Abstimmungstagen des Jahres 1920/21 bewiesen hat, darf und muß verlangen, daß Recht und Gesez in Ostpreußen wieder zur Geltung gebracht merden. Carl Jacker, M. d. R.