Heinrich Heining: Echo
Eduard schob die Mündung des Revolvers gegen seine Schläfe, drückte ab, fiel um und war tot.
Der helle knappe Knall war die eindeutig formulierte Antwort auf die blödsinnigen Fragen, die ihm während der dreiundzwanzig Jahre seines irdischen Wandels das Leben in Gestalt trächzender Tanten, prügelnder Lehrer, weichbirniger Unteroffiziere, neugieriger Universitätsprofessoren und einer treulofen Frau vorgelegt hatte.
Eduard wähnte, als er in dieser feindlichen Sekunde den scheinbar befreienden Abzugshebel zog, mit der pauschalen Antwort gleichzeitig für immer jeder weiteren Belästigung enthoben zu sein. Er hatte sich geirrt.
Die unvorstellbar minzige Zeitspanne, das zeitliche Molekül einer vielfach zerstückelten Sekunde, die der Bleikern für seinen zerstörenden Weg vom Eintritt in die Schläfenwand bis ins Gehirn benötigte, vergewisserte Eduard seines Irrtumes. Es war nicht ersehntes Ende; es war verfluchter Beginn.
Nach einer verschleierten, start überblendeten Introduktion schob fich der krächzende Tantenchor in den Vordergrund der Szene. Eduard hörte wieder, was er vor zwanzig Jahren gehört. Die feifende Santilene geistig und körperlich verschnürter Erziehungshyänen überfiel ihn, weil, als sein Schaukelpferd sich einem eleganten Galopp widersetzte, er ihm zur Strafe den Schwanz ausgerissen hatte.
Er fah, wie Großaufnahmen eines Filmes, die physiognomischen Steckbriefzeichen der vor Jungfernschaft, Geiz und Alter entarteten Tyrannen. Zwischen linkem Nasenflügel und der Stelle, wo andere Menschen die Oberlippe haben, wuchs die Warze einer Tante zu dräuender Realität, und der falsche rote Zopf ihrer pädagogischen Affistentin, hineingepflanzt in ergrautes Haargefträuch wie ein Biz in eine Sterbestunde, lohte fnallig, wippend und gefahrbringend. Es war furchtbar.
Der stinkende Schulraum nahm ihn auf. An grauen Wänden klebten die schäbigen Deldrude des alten Frizz, des Unterganges der Armada und der Pilzfamilien. Der riesige Kanonenofen hatte gute Laune und fandte seine sengende Hize über die fünf ihm benachbarten Bänke, auf deren einer er, Eduard, lange Wintervormittage braten mußte, dieweil, hinter hohem Katheder und brüchiger Brille verborgen, der Lehrer die Seele seiner erzieherischen Talentlosigkeit, den Stock schwang.
Die Bilder rasten. Schon stand er auf pfüßigem Kasernenhof, beugte dreißigmal, ohne Notwendigkeit und Ziel dieser Attion zu erkennen, die Knie, legte sich lang in den Dred, weil es der betreßte Dompteur zischend gebot.
Der Filmstreifen rollte jagend; ein Bild peitschte das andere; schonungslos demonstrierte der geheimnisvolle Regisseur die Flut der Ereignisse.
sin dem Augenblick, in welchem ein kraftvoller Mädchenblick die wüste Bildserie abschnitt und Eduards Augen und Seele traf, fuhr ein Licht in dieses Lebensbild. Szenen von großartiger Schönheit schienen den Efel des ersten Teiles endgültig zu verscheuchen.
formte sich die verfniffene Visage des zischenden Dompteurs; die
Das Licht erlosch. Aus marternd langsamer Ueberblendung pochgeschrobene Stimme des Paradeplages zerschmolz zu weicher, fließender, werbender Stimme eines Galans. Die affettierte Gebärde des fommandierenden Dummtopjes verwandelte sich in die geschmeidige Süßlichkeit eines geilen Salunken.
Mädchenkopf und Dompteur begegneten fich; Mädchenkopf und Dompteur fanden sich.
Eduard fah sich hinter Schnapsnebeln in einer Spelunte. Eduard sah sich, im Chaos seiner möblierten Eristenz, erwachen. Ein Entschluß entsprang dem Willen. Das Bild leuchtete auf. und frommte dem Examen. Szenen folgten, der Arbeit verhaftet: Er arbeitete. Arbeit schluckte die Qual. Zudem war sie nüßlich
Nathan Gurdus:
"
Schreibtisch, Bibliothek, Hörsaal, Seminarräume, Buchberge. Eduard gewann Fahrwasser.
Durch das Gefrigel engmaschiger Quellennachweise drückte fich das Bild des Universitätsprofessors mit furzer Figur und langen Haaren. Im Eramensraum verteidigte sich Eduard mutig gegen dessen Neugierde. Die Neugierde des Professors erwies sich stärker als Eduards Mut.
Er stand auf der Straße. Es regnete. Ein entfalteter Regenschirm spazierte über den Fahrdamm. Eduard entdeckte unter dem schwarzen Dach Mädchenkopf und Dompteur.
Im gleichen Augenblid trippelte der Professor, dessen Neugierde siegreicher war als Eduards Mut, vorbei. Eduard sagte, er, der Professor, könne ihn.
Im möblierten Grauen lag Eduard auf dem verlebten Sofa, dem Liebesdenkmal vieler Generationen und Semester. Er meinte. Er stand auf und kramte in der Schreibtischlade. Eduard schob die Mündung des Revolvers gegen seine Schläfe, drückte ab, fiel um und war tot.
Der helle tnappe Stnall war bie eindeutig formulierte Antwort auf die blöfinnigen Fragen, die ihm während der dreiundzwanzig Jahre seines irdischen Wandels das Leben in Gestalt frächzender Tanten, prügelnder Lehrer, weichbirniger Interoffiziere, neugieriger Universitätsprofessoren und einer treulosen Frau vorgelegt hatte. Wiederum, mit unbestechlicher Konsequenz, wurde das ersehnte Ende zu verfluchtem Beginn.
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Eduards Leib ruht, gemäß der goldverschnörkelten Aussage des Grabsteines, in Frieden. Der Geist aber rast zwischen Schaufelpferdepisode, Dressurdarbietungen des Kasernenhofes, Mädchenkopf, Examen und dem hellen knappen Knall im Kreise, unaufhörlich, emig, ein entsetzliches Perpetuum mobile.
Wenn mir folgerichtig und hartnädig Eduards Schicksal und die unaufhaltsame Wiederkehr jenes Augenblices, in welchem der zerreißende Bleikern zwischen Schläfenwand und Gehirn mit dem Tod eine nochmalige Reportage des Lebens erzwingt, überdenken, laufen wir Gefahr, verrückt zu werden.
Wir wollen es also unterlassen und in der merkwürdigen Geschichte nur die etwas exzentrische Schilderung eines Schidsales sehen, die weniger die Präzisionsarbeit der Gedanken als die herzliche Teilnahme an Eduards Unglück herausfordert.
Marcella d'Arie: Annie Besant Annie Besant
, die damals noch Anni Wood hieß, ist im Jahre 1847 als Kind eines englisch - irländischen Vaters und einer Irländeria in London geboren worden. In bürgerlichen Verhältnissen aufwachsend, verlebte sie eine ruhige und glückliche Kindheit. Das sehr religiös veranlagte Kind verbrachte viele Stunden über den Büchern der Kirchenväter und den Lebensgeschichten der Heiligen. Es tat ihm leid, nicht in einer Zeit zu leben, in der die Christen das Märtyrertum auf sich nahmen, um ihrem Glauben treu zu bleiben. Meine einzigen Leidenschaften", schrieb sie später, waren Christus und meine Mutter". In dem Glauben, mit diesen ihr Leben lang auszukommen, heiratete sie, der Mutter zu Gefallen, den protestan= tischen Geistlichen Frank Besant. Von der physischen Grundlage der Ehe mußte die Zwanzigjährige nicht mehr als ein kleines Kind und die Wirklichkeit vermundete ihre traumverlorene Seele. Fünf Jahre lang lebte dann die junge Frau in der kleinen Pfarre. Ob= wohl sie zwei Kinder hatte, versenkte sie sich in Betrachtungen und Grübeleien, ganz außerstande, den Haushalt zu leiten, und war, wie fie später selbst zugab, eine recht schwere Prüfung für ihren Mann.
Für einen wahrhaft religiösen Menschen ist nichts schrecklicher als der Zweifel, der sich in die Seele schleicht, sich in ihr einnistet und immer mehr ausbreitet. Sie vermochte nicht, die Güte Gottes in Einklang zu bringen mit den ewigen Strafen in jenem und mit dem Elend und Schmerz in diesem Leben. Und es erschien ihr als Lästerung und ward ihr zur Qual, dieses Unvermögen, wo sie doch aus der Religion den Sinn und Inhalt ihres Lebens gemacht hatte.
als mahr schien. Nach einem langen Scheidungsprozeß spricht das Gericht die Tochter der Mutter zu und den Sohn dem Vater.
So sehn mir Annie Besant im Alter von fünfundzwanzig Jahren: mittellos, mit einem Kinde, das fie fast allein erhalten muß, und der alten Mutter, die im Geheimen das Berhalten der Tochter verwirft, die unfähig ist, sie zu verstehen, und entsegt über die in jenen Zeiten furchtbare Beschuldigung des Atheismus. Und dies alles im puritanischen, unbeugjamen, mitleidslosen England von 1874! Annie Besant arbeitet als Krankenpflegerin, als Gou vernante, erfährt, wie schrecklich es ist, Hunger zu haben und nichts zu essen. Ihr eigenes Elend läßt sie das Elend des Volkes besser verstehen, von dem sie bisher nichts mußte. Sie fragt sich auf einmal, ob nicht all das Geld und all die fittliche Energie, die man der Religion zumendet, besser dazu dienten, die Not des Volkes 3 lindern. Und so wirft sie sich in den Kampf für den Atheismus.
Ihr Gefährte und Helfer in diesem Kampf wird der radikale Politiker Bradlaugh , mit dem fie feit 1874 zusammenlebte. Sie entfaltet eine leidenschaftliche Agitation für die künstliche Geburtenbeschränkung, macht eine Neuausgabe des Wertes von Malthus , das verboten war. Man schleppt sie vor Gericht. Sie wird mit Schmuh beworfen, der infamsten Dinge beschuldigt. Die Tochter wird ihr entzogen, sie wird als sittlich unmürdig hingestellt, sie zu erziehen. Aber sie bereut nichts. Sie ist überzeugt, zum Besten des Volkes zu handeln. Und dabei war diese Frau, die eine der größten Rednerinnen aller Zeiten war, die furchtlos dem öffentlichen Standal die Stirn bot, in ihrem privaten Leben ein schüchternes Geschöpf,
durch die geringste Feindseligkeit verlegt, und litt furchtbar unter den schmutzigen Angriffen. Aber sie achtete dieses Leiden nicht, weil sie glaubte, damit andern zu nüzen.
Das Elend der Massen, das sie zur Kampagne für den Atheis lismus. Mit Bradlaugh zufammen gründet sie eine Zeitschrift The mus getrieben hatte, führte sie dann in die Gedankenwelt des Sozi
Endlich, nach dreijährigem Ringen gab Annie Besant den Kampf auf. Die Religion ihrer Kindheit war ihr zusammengebrochen, und fie fühlte sich grenzenlos allein. Und jetzt zeigte sich zum erstenmal ihre fast übermenschliche Wahrheitsliebe, die nach meiner Ansicht das wesentliche Kennzeichen ihrer vielseitigen Persönlichkeit war. Nun sie den Glauben verloren hatte, wollte sie an den Kulturhandlungen nicht mehr teilnehmen.. Dazu war ihr die Religion eine zu lebendige und heilige Sache gewesen. So mußte ihr Mann sie vor die Ent- Link", die die Hungerlöhne, die Höhlen des Elends, die Kinderausscheidung stellen, entweder die äußeren Formen der Zugehörigkeit au der Kirche, deren Priester er war, beizubehalten, oder das ge= meinsame Leben aufzugeben. Sie hatte zu wählen zwischen ihrer zwischen Elend und Wohlstand Sie entschied sich für das, was ihr Wahrheit und dem Kompromiß, was gleichzeitig die Wahl bedeutete
Chinesisch- Japanische Momentbilder
In der Mandschurei stehen sich zwei Völker bewaffnet feindlich| deuten: Ich ziehe meinen Atem ein, damit er dein erlauchtes gegenüber Die Welt fühlt ein neues Völkermorden nahen und Gesicht nicht berührt!" europäische Kriegstheoretiker sprechen allwissend: Na ja, JapanChina. Da mußte ein Krieg fommen, bei dieser Erbfeindschaft der
beiden Bölker!"
Wie immer das Wort„ Erbseindschaft" ein leerer Begriff als Beruhigung für Kriegshezer gedacht ist, so ist es auch in Afien! Wieder soll ein Völkermorden mit der„ Erbfeindschaft" zwischen zwei Nationen entschuldigt merden.
Erbfeindschaft? Haßt der chinesische Kuli und Bauer den japanischen Arbeiter und Bauer? Sollte zwischen dem werttätigen Bolk dieser beiden Länder eine„ ,, Erbfeindschaft" bestehen?! Nun, mie immer verstehen die Herren Kriegstheoretiker unter dem Wort Bolt Generäle!
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Bir die wir im ehemaligen asiatischen Rußland chinesische und japanische Proletarier Schulter an Schulter für gemeinsame Intereffen und Ideale haben kämpfen sehen, wissen, wie verlogen auch in Asien die Phrase von„ Erbfeindschaft" zwischen Völkern ist. Ausgehetzt von den Führern der Nation" stehen sich jetzt Menschen derselben Rasse, Klasse, nur in anderer Uniform gegenüber.
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Friedlich lebten chinesische und japanische Gewerbetreibende und Arbeiter in Sibirien und selbst in der„ Kriegs"-Mandschurei zusammen. Die Japaner sind auf fremdem Gebiet meistens Handmerfer. Handwerker von erstaunlicher Begabung. Chinesen stehen den Japanern auf diesem Gebiet aber auch nicht nach. Besonders gesucht, waren immer chinesische Schwerarbeiter. Für einen Groschen Lohn arbeiten diese Menschen zwischen 18 und 20 Stunden täglich In der Mandschurei gibt es aber auch viele reiche Chinesen. Die Ehrlichkeit der chinesischen Kaufleute und der kleinsten Gewerbetreibenden ist weltberühmt. Ein Handschlag gilt ihnen mehr als in Europa ein notariell beglaubigter Bertrag. Es war die größte Beleidigung für einen Chinejen, wenn man ihn bat, einen Wechsel zu unterschreiben. Sein Versprechen ist heilig und geht übrigens nie, wie ein Wechsel, zu Protest". Einem chinesischen Kuli fann man wahrhaftig sicherer das Geld anvertrauen als einem Großbanfier in USA. !
Auch in Japan ist die Ehrlichkeit des Volkes bekannt. Es ist bezetenend, daß es Türschlösser in japanischen Häusern gar nicht gibt. Die Polizei weiß genau bet einem großen Diebstahl, daß der Täter micht im Armenviertel, sondern in den Lurushotels des Europäerviertels zu suchen ist.
Gewiß gibt es Räuberbanden in China , aber das sind entmurzelte Menschen, Produkte des ewigen Generalstrieges.
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Capanische Höflichkeit, das ist ein Kapitel für fid).
Schon der japanische Gruß zeigt diese seibst für den Orient außerordentliche Höflichkeit der Japaner. Eine tiefe Berbeugung, ein zischendes Hineinsaugen des Atems. Diese Prozedur foll be
Nie hört man in Japan Schimpfen oder Streit. Wenn ein japanischer Polizist bei der Offupation in Sibirien eine Verhaftung vornahm, so sagte er:„ Leider muß dein Diener dich, hochgeborener Sohn eines hochgeborenen Baters. verhaften!" Es tat nichts zur Sache, daß der hochgeborene Sohn" später mit größter Höflichkeit erschossen wurde! Leider hört die Höflichkeit des Japaners bei seiner Frau auf. Die Japaner find die Engländer Asiens . Trotz ihres Hungers nach allem Modernen tragen sie alle überlieferten Berücken" weiter. Eine typische alte japanische Besuchszeremonie sei erzählt:
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Wenn ein Japaner samt seiner Frau zu Bekannten eingeladen wird, so fäßt er nach alter Sitte zunächst seine Frau auf der Straße stehen und betritt allein das Haus. Der Gastgeber weiß natürlich genau, daß unten die Frau wartet, und beginnt sofort: Oh, welche Blume steht vor meinem Haus?" Der Mann der wartenden Frau aber beginnt sich zu verbeugen und zu murmeln: ,, Keine Blume ist es, sondern die Magd deines Dieners, und laß sie stehen!" Diesem widerspricht nun der Gastgeber und singt ein Loblied auf die Frau des Gastes, dessen Pflicht es aber ist, die eigene Frau herunter zusetzen. So geht der höfliche Streit eine halbe Stunde hin und her, dann endlich entschließt sich der Mann, seine Frau herauszuholen!
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beutung, die endlosen Arbeitstage vor die Oeffentlichkeit bringt. Streifs werden organisiert und unterstützt, die großen Unterneh mungen angegriffen, deren Aktien in der Börse steigen, während die nerin, Journalistin, vor keiner Polemik zurückschreckend, zu jeder Arbeitslöhne fallen. Das Land wird aufgerüttelt. An der Spitze der Bewegung steht unermüdlich und furchtlos Annie Besant : RedMühsal bereit. Ihr Name ist jetzt in der ganzen Welt bekannt.
Aber mitten im schärfsten Rampf überfällt sie oft die Empfindung, daß dies nicht ihr Weg sei. Und die unermüdliche Sucherin, die jahrelang die Geisteswelt der großen Materialisten durchforscht hat, nähert sich nun den indischen Religionen und den Okkultisten des Abendlandes. Und je mehr sie sich diesem Studium hingibt, um so verheißender erscheint es ihr. Endlich lernt sie die Präsidentin der theosophischen Gesellschaft fennen, die Russin Blavatsky . Und damit tritt sie vor das, was ihr der letzte und endgültige Lebensinhalt wurde, für den sie zweiundvierzig Jahre kämpfen wird, vor das, was ihr Problem löst und ihren Durst stillt. Und wieder muß sie wählen zwischen ihrer Wahrheit und dem Kompromiß. Annie Besant , die nun zweiundvierzig Jahre alt ist, die die ganze Weft als Agitatorin, Atheistin, Sozialistin kennt, findet den Mut, ihren neuen Glauben öffentlich zu bekennen, dem schlimmsten Feind, der Lächerlichkeit, die Stirn bietend. Und dabei weiß sie, daß Charles Bradlaugh , ihr Lebensgefährte feit fiebzehn Jahren, sie nicht verstehen, sie lächerlich finden wird, wie tausend andere. Aber wieder opfert sie alles ihrer neuen Wahrheit. Offen bekennt sie sich zur Theosophie und predigt die allgemeine Brüderlichkeit, im Namen der Gottheit, die in jedem menschlichen Wesen verborgen ist, immer die gleiche, die jeder in sich erwecken kann. In den Schoß dieser Gottheit, die gleichzeitig Schöpfer ist und ein Teil jedes Geschöpfes, werden die Seelen zurückkehren, nachdem sie gewandert sind von Leben zu Leben.
Neue Kämpfe, neue Feinde, neue Beschuldigungen, von der schwarzen Magie bis zum Wahnsinn. Unter den Theosophen selbst findet sie Gegner; die früheren Freunde haben sich von ihr abgezum andern, nach Asien , nach Europa , nach Amerika , nach Austra= wandt. Schon eine alte Frau, reist sie von einem Ende der Welt lien, gründet Zeitschriften, Gesellschaften, Tagesblätter, spricht vor ungeheuren Mengen, bald begeisterten, bald feindseligen, niemals
Der Japaner braucht nicht zu effen, nicht zu trinken, tagelang, müde, niemals entmutigt. aber sein tägliches heißes Bad muß jeder haben!
Das Kind wird in Japan nicht nur geliebt, sondern verehrt. Alte Männer und Frauen erheben sich von ihren Sitzen in der Straßenbahn, wenn ein Kind eintritt. Das Schlagen eines Kindes, menn so etwas in Japan überhaupt vorkommen fann, würde mit schweren Gefängnisstrafen bestraft werden. Die Japaner leben für ihre Kinder. Am liebsten heiratet ein Japaner deshalb eine Frau, die mit in die Ehe wenigstens ein uneheliches Kind ibringt, weiß er doch dann, daß die Frau fruchtbar ist.
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Ein Chinese unterhält sich in der Mandschurei mit einem Japaner meistens Russisch . Beide können viel leichter Russisch als die Sprache des Rajsenbruders erlernen. Wobei aber gesagt werden muß, daß das Russisch der Japaner und Chinesen zwar von ihnen, nicht aber von den Russen verstanden wird.
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Wir denken: Wie kann man bloß einen Chinesen vom anderen unterscheiden?! Sie sehen doch alle gleich aus!
Ein chinesischer Genosse sagte zu mir: Ihr Europäer seht alle gleich aus, dieselben rötjelhaften Gesichter!" So ist es. Bieles Wunderliche jehen wir ir jien und staunen und spotten manchmal. Wer weiß, mas chinesische und japanische Kollegen an uns alles tomijch, fremd und wunderlich finden!
Im Jahre 1910 führt ihr der Zufall in einem indischen Dorse einen Knaben entgegen, in dem sie große seelische Kräfte ahnt. Sie nimmt ihn zu sich, widmet sich ganz seiner Erziehung, glaubt, daß er der größte Theosoph, der Verkünder der neuen Wahrheit werden würde. Im Jahre 1922 organisiert sie in Ommen in Holland das erste Feldlager, damit die Menschen aller Länder die Worte des jungen Mannes hören können, den heute die Welt unter dem Namen Krishnamurti fennt.
Aber Krishnamurti bekennt sich auf einmal zu anderen Ideen als die der Annie Besant . Er löst den Orden des Sterns" auf, gibt den Feldlagern eine andere Bedeutung, erflärt offen, fein Theosoph zu sein. Und die alte Frau, die immer von ihren Freunden verlassen worden war, wenn sie einen neuen Weg gewählt hatte, verläßt Krishnamurti nicht. So fannte man sie noch im vorigen Jahre im Lager von Ommen sehen, stillschweigend und aufmerksam den Ideen zuhörend, die nicht die ihren waren, nicht die, für die sie den jungen Inder zu erziehen geglaubt und für die sie selbst zweiundvierzig Jahre lang gefämpft hatte.
Wir wollen hier nicht ergründen, was wahr war an ihren verschiedenen Wahrheiten, denen sie sich immer von neuem zum Opfer brachte, noch wollen mir ihre Bedeutung auf sozialem und philosophischem Gebiet würdigen. Uns genügt es, etwas über ihr Lebea gesagt zu haben, aus dem hervorgeht, daß sie viel geirrt haben mag aber auch in ihren Irrtümern groß war.