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BERLIN  

Donnerstag

3. Dezember 1931

= Der Abend

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Nr. 566

B 283

48. Jahrgang

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Winterhilfe von Bergmagnaten

Kaligeld für Gewerkschaftsfeinde

In der Deutschen   Bergwerfs- Zeitung" erschien vor einigen Tagen ein vier Spalten langer Auffah ,, Winterhilfe", gezeichnet von Rosterg  , dem Allgewaltigen des größten Kali­konzerns, der Wintershall A.-G. Es ist schon sehr verdächtig, wenn in der Deutschen Bergwerks- Zeitung", dem Organ der schärfften sozialen Reaktion, zur Winterhilfe" das Wort ergriffen wird und wenn ein Konzernbeherrscher sich darüber ausläßt, wie man den schuldlosen Opfern des fapitalistischen Wirtschaftssystems, den 5 Millionen Arbeitslosen und ihren Familien, über den Winter hinweghelfen fann.

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von sogenannten Wirtschaftsführern tennengelernt, aber die Winter­

Der staatsgefährliche Hochruf

Peinlicher Zwischenfall nach der Reichsbanner- Kundgebung

Nach der Riefenfundgebung des Reichsbanners im Sportpalast  | minister Severing festgenommen worden waren. Ausdrücklich sagt fam es gestern nacht zu einem Zwischenfall, der dringend der Auf- der Polizeipräsident, daß gemeinsames Verlassen einer nicht ver­eines angemessenen Kreises um den Versammlungsort nicht als Aufzug oder verbotene Demonstration gilt. Ein

Wir haben ja in den legten Monaten allerhand an Vorschlägen lärung bedarf: ein Ministerialrat vom Reichspoftminifterium botenen Versammlung durch eine größere Teilnehmerzahl innerhalb wurde von der Schußpolizei festgenommen, weil er ein hilfe, die in der Bergwerfs- Zeitung" von Rosterg   empfohlen wird, och auf den preußischen Ministerpräsidenten Einschreiten der Polizei habe in solchen Fällen zu unterbleiben.

übersteigt doch das gewohnte Maß. Hier stellt ein Industrieführer die

politischen und sozialen Pläne der Großindustrie

so unverhüllt dar, daß wir der Deffentlichkeit dieses Programm nicht vorenthalten möchten.

Rosterg   hat eine besondere ,, Winterhilfe" zu empfehlen, nicht etwa die Nuzbarmachung der überschüssigen Warenvorräte für die bedürftigen Millionen von Arbeiterhaushalten, nicht etwa eine gerechtere Verteilung der noch vorhandenen Arbeitsgelegenheiten, sondern vielmehr Arbeitszeitverlängerung ,,, eine Stunde täglicher Mehrleistung der Arbeitnehmerschaft!"

In der Hauptsache interessiert uns der Aufsatz deswegen, weil hier unter dem Dednamen ,, Winterhilfe" ein Industrieführer geradezu einen

Haßgesang gegen die Gewerkschaften

vom Stapel läßt und einen Propagandaartifel für die National­sozialisten schreibt. An den heutigen Zuständen so erfahren

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Otto Braun   ausgebracht hatte.

Wir erfahren über den Vorfall von unterrichteter Seite: Ministerialrat Knoener vom Reichspostministerium ging mit der Gattin des Redakteurs der Illustrierten Republikanischen Zeitung, Wiegner, und der Gattin des technischen Leiters des Reichs­banners, Neidhardt, vom Sportpalaft in der Richtung des Potsdamer Plazes. Die Straße war voll von Menschen, die, begeistert von der gemaltigen Kundgebung, immer wieder in Hoch­und Heilrufe auf die Republik   ausbrach. Der Ministerialrat befand sich an der Kurfürstenstraße, an der Ede hielt ein Privat­fraftwagen mit zwei höheren Offizieren der Polizei. Der eine Offizier, Major Lewit, gab der Besatzung eines in nächster Nähe haltenden Mannschaftsautos den Befehl, die Straße zu säubern. Der Ministerialrat brachte jetzt ein Hoch auf den preußi schen Ministerpräsidenten Braun aus, in das Hunderte von Menschen begeistert einstimmten. Darauf ließ der Major den Ministerialrat verhaften. Knoener sagte, daß es sich doch um keine

Höchstens sei im weiteren Umkreise durch die Polizeibeamten er­mahnend und mit dem Ersuchen um Auflösung vorzugehen. Ein Einschreiten sei nur gegen offenbar böswillige Personen und gegen absichtlichen ruheftörenden Lärm zulässig. In Fällen wie dem vom 24. November, bei dem dem preußischen Innenminister Severing Ovationen bereitet wurden, sei grundsäglich von einem Einschreiten abzusehen. Knoener hat das Hoch auf den preußischen Ministerpräsidenten ausgebracht, um zu bekunden, daß er ein treuer Staatsbürger der Republik   sei und daß ihm jede Bös= willigkeit fernläge. Gerade diese Bekundung aber hat zu seiner Festnahme geführt.

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Vorschriften des Polizeipräsidenten eine Festnahme wegen Kund­Wir erfahren von zuständiger Stelle, daß nach den klaren gebungen für die Republik   und ihre Vertreter nicht gerecht­fertigt war. Die sofort eingeleitete Untersuchung wird dent peinlichen Vorfall und die seltsame Rolle, die Major Lewit dabei

mir an der Krise des Monopolfapitalismus, dem Bankrott des ſtaatsfeindliche Kundgebung handele und daß er das Hoch doch auf spielte, hoffentlich sehr bald klären.

deutschen   Unternehmertums sind einzig und allein die Gewerk­schaften schuld".

,, Unser Schicksal sind lediglich die Gewerkschaften. Wenn die nicht sein würden, dann würde der Zustand in unserem Lande heute ganz anders sein. Dann würden wir nicht am Boden liegen, sondern dann würde das deutsche Volt sicher an besserer Stelle stehen."

Die lebenswichtigste Aufgabe ist also nach Herrn Rosterg   die Ausschaltung und später die Vernichtung der Gemert­fchaften. Als Bundesgenossen hierfür betrachten die Unternehmer, wie aus Rostergs Ausführungen hervorgeht, die Nationalsozialisten, die das ganze System ändern müssen,

das heißt

die Rechte der Arbeiterschaft zerschlagen

den preußischen Ministerpräsidenten ausgebracht habe. Der Offizier erklärte, daß öffentliche Ruhe und Sicherheit gestört worden seien, er greife deshalb ein. Der Ministerialrat begab sich in das Revier seinen Dienstausweis und forderte unverzügliche Freilassung. in der Alvenslebenstraße, überreichte dem diensttuenden Beamten Der Wachthabende wandte sich an den Reviervorsteher, der erklärte, er müsse erst mit dem Major sprechen. Ein Ersuchen Knoeners, den Polizeipräsidenten oder den Vizepräsidenten telephonisch zu unterrichten, wurde von dem Reviervorsteher als unvereinbar mit feinen Dienſtvorschriften abgelehnt. Nach längerer Zeit kam der Major und gab Knoener seinen Ausweis mit dem Bemerken zurück, er könne nach Hause gehen.

Der Ministerialrat stützte sich bei seinem Hoch" auf den Runderlaß des Polizeipräsidenten Grzesinsti  vom 27. November, der erging, als nach einer Kundgebung im und auch die verfassungsmäßigen Rechte der Gewerkschaften auf- Herrenhaus Baffanten wegen Hochrufen auf den preußischen Innen­heben sollen.

,, Wenn durch einen politischen Umschmung bei der nächsten Wahl die Majoritätsverhältnisse geändert werden, könnte ich mir denken, daß dann mit einem Rud es möglich sein würde, das System zu ändern."

Diese Ergüsse zeigen wieder einmal deutlich die Verbindung zwischen Groß industrie und Nationalsozialisten. Hier wird auch unverblümt ausgesprochen, wozu das Unternehmertum den Nationalsozialismus braucht: als Schußztruppe im Kampf gegen die Gewerkschaften, als Werkzeug zur Zerschlagung der sozialen Rechte der Arbeiter. Das Großziehen einer solchen Schuttruppe foftet freilich eine ganze Menge Geld. Aber die gleichen Konzerne, die angeblich unter der Last der Löhne und der Sozialleistungen zu­sammenbrechen, fönnen es sich ja leisten, Millionenbeträge zur Unterstützung der faschistischen Bewegung in Deutschland   aus­zuteilen.

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Wenn Rosterg einmal die Millionensummen, die in den letzten Jahren bei der Wintershall A.-G. aus dem ,, Dispositionsfonds" gezahlt und über General­unfosten" verbucht worden sind, aufgliedern wollte, dann würde sich zeigen, daß die Summen, die zur Unter= stütung von reaktionärer Politik und Presse" durch seine Hand gegangen sind, noch höher waren als die phantastisch hohen persönlichen Sonderspesen in diesem Konzern. Wir würden uns von einer Aufklärung des Herrn Rosterg über diese Ausgaben mehr Aufhellung zum Thema Industrie und Nationalsozialismus   versprechen als von seinen Attacken

in der Bergwerks- Zeitung".

Aber diese Selbstentlaroung großindustrieller Führer, die ganz offen eingestehen, marum sie den Nationalsozialismus fördern, ist zugleich eine neue Entlarvung der Nationalsozialisten.

Der verlaufene Wähler.

Macht mir den rechten Flügel stark

Hugenberg

Sugenberg: Salt- halt! Mich solltest du doch ftart machen!"

Naziüberfall auf Reichsbanner.

Erfolgreiche Abwehr nationalsozialistischer Wegelagerer.

leute, die von der kundgebung im Sportpalast heim­In der vergangenen Nacht wurde eine Gruppe Reichsbanner­fehrten, in Moabit   von Hakenkreuzlern überfallen. Die national­sozialistischen Burschen waren aber an die Unrechten gekommen, das Reichsbanner wehrte die Wegelagerer erfolgreich ab.

An der Ecke Brückenallee und Flensburger Straße in Moabit   befindet sich ein nationalsozialistisches Ber fehrslotal. Nach den Vorgängen besteht kein 3meifel, daß sich die Hitlergardisten auf die Lauer gelegt hatten, um einzelne Reichsbannerleute abzufangen und nach der üblichen Methode niederzuschlagen. Als ein kleiner Trupp Reichsbanner­leute am Lokal vorüberging, stürzten die Nazis auf die Straße und hieben auf die Reichsbannerleute ein. Eine nachfolgende Reichs­bannergruppe fam den Bedrängten zu Hilfe. Jetzt flüchteten die Nazibanditen in das Lokal zurück, dabei wurden einige Scheiben und Stühle zertrümmert. Die Polizei trennte die Streitenden und nahm insgesamt 39 Personen fest. Die Festgenommenen wurden nach ihrer Vernehmung auf dem Polizeipräsidium wieder entlassen.

Lewit seines Postens enthoben.

Wie wir kurz vor Schluß des Blattes erfahren, ist Major Lewit von seinem Posten entfernt wor­den. Der Minister des Innern hat sich disziplinarische Maßnahmen vorbehalten.

Die Darstellung des Reichsbanners. Von den überfallenen Reichsbannerkameraden wird noch folgendes erklärt:

Gleich zu Beginn der Prügelei, die, wie gesagt, mit Stein­würfen der Nazi begann, eilten die Kameraden Fränkel und Popper in das Lokal von Sandow, Flensburger Str. 3, und alarmierten von dort das Ueberfallfommando, das in fürzester Frist zur Stelle war. Wir stellten uns sofort dem Führer des Ueberfallkommandos zur Verfügung und waren bereit, mit einer Anzahl Zeugen unsere Aussagen sofort auf der Polizei zu machen. Daraufhin gab uns der Führer des Ueberfallkommando- Wagens den Rat, uns sofort auf das Revier 21 in der Klopstockstraße zu begeben, um dort unsere Zeugenaussagen zu machen. Auf der Wache erschien dann Herr Major Lewit und der Reviervorsteher, Herr Haupt­mann von Plüstom. Merkwürdigerweise wurden von den Nazis nur vier Siftierte auf das Revier gebracht, und amar nur die vier, die bei der Prügelei verwundet worden