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BERLIN Montag 7. Dezember

1931

10 Pf.

Der Abend

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Spätausgabe des Vorwärts"

48. Jahrgang

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Warnung in letzter Stunde!

Gewerkschaftsprotest gegen Lohnfenfung und Eingriff ins Tarifrecht

Der Vorsitzende des ADGB. , Genosse 2 eipart, hat

den Reichskanzler Dr. Brüning den folgenden

Brief gerichtet:

Sehr verehrter Herr Reichskanzler.

Die Wahlen in Wüttemberg

Aus der Unterredung, die auf Ihren Vorschlag meine Sozialdemokratie stärkste Partei in Stuttgart / Nazis 21 Prozent der Stimmen

Kollegen am Sonnabend mit dem Herrn Reichsarbeits­nimister hatten, ist uns zur Kenntnis gekommen, daß die bevorstehende Notverordnung eine weitere Lohn= und Gehaltssenkung bringen soll, dergestalt, daß an einem bestimmten Zeitpunkt die Tariflöhne ohne Nücksicht auf die Geltungsdauer der Verträge und unter Ausschaltung des ordentlichen Schlichtungsverfahrens durch gesetzlichen Zwang auf den Stand 10. Januar 1927 herabgesezt werden.

Gegen solche Absichten erheben wir in letter Stunde nochmals entschiedensten Protest. Wir warnen die Reichsregierung, den Weg der Lohnfenfung noch weiter zu gehen und wir protestieren insbesondere gegen den geplanten Eingriff in das Tarifrecht. Die voraus sehbaren Folgen, die sich hieraus ergeben müßten, wird auch die Regierung nicht tragen können; wir erklären schon heute, daß wir jegliche Verantwortung ablehnen.

Die neue Notverordnung.

Brüning will sie im Rundfunk anfündigen.

Das Reichskabinett tritt heute vormittag um 10 Uhr zur legten Beratung der neuen Notverordnung zu­sammen. Die Veröffentlichung der Verordnung wird spätestens am Mittwoch erfolgen. Am Dienstagabend wird der Reichs= fanzler fich zu den neuen Maßnahmen im Rundfunk äußern. Borher beabsichtigt er einen Empfang der Presse.

Die Berordnung will das Problem der Lohn- und Preissenkung zugleich regeln. Alle Borstellungen gegen diese Absicht scheinen nur insofern Erfolg gehabt zu haben, als man entgegen den anfänglichen Plänen die Schlichter in das Lohnsenkungsverfahren eingeschaltet und Lohnsenkungen nach dem Wortlaut der Verordnung nur unter der Borausseßung gewisser Preissentun­gen erfolgen sollen. Die Gehälter der Beamten werden um 9 Pro3. getürzt werden, und zwar wird die Kürzung erstmalig am 1. Februar in Kraft treten. Die Gütertarife der Eisenbahn erfahren eine Kürzung von 25 Broz. ab 16. De­zember. Die Invalidenrenten werden nicht weiter gekürzt. Auch von der Herabjeßung des steuerfreien Eristenzminimums iſt Abstand genommen worden. Dagegen wird die Umsatzsteuer von 0,75 Proz. auf 2 Proz. erhöht.

Die neue Verordnung wird zugleich Maßnahmen gegen den Waffenmißbrauch und den Terror enthalten. In ihr wird zugleich bis über Neujahr ein sogenannter Burgfrieden verfügt werden.

Werbefonntag für die Partei.

Die gestrige Flugblattverbreitung.

Am gestrigen Sonntag fand in allen Bezirken Groß- Berlins eine Flugblattverbreitung der Partei statt, in der eine Sonderausgabe des Borwärts" mit einer Darstellung über das hessische Schanddokument der Nationalsozialisten verteilt wurde. Die Funktionäre der Partei zogen unermüdlich treppauf und treppab. Oft genug tam es mit Hausbewohnern und Passanten zu lebhaften Aussprachen, und immer und immer wieder konnten die sozialdemo­fratischen Werber feststellen, wie notwendig und wichtig es ist, gerade über diese Borgänge und ihre politische Bedeutung Auf­flärungen in breiteste Massen des Volkes zu tragen.

Ueberall hat das Bekanntwerden der Hochverratspläne und Blutdokumente der Nationalsozialisten wie eine Bombe gewirkt und manchen, der bisher den Nationalsozialisten nachgelaufen ist, davon überzeugt, daß mit folchen politischen und wirtschaftspolitischen Kindereien die Gefundung unseres Boltes nicht möglich ist. Die Nationalsozialisten felbst waren recht fleinlaut, und unsere Flug­blattverbreiter find ausnahmsweise tam non ihnen belästigt worden.

Stuttgart , 7. Dezember. ( Eigenbericht.)

Der Ausgang der württembergischen Gemeindewahlen läßt sich im Augenblick noch nicht übersehen, weil die Abstimmungsergebnisse

aus den Städten, insbesondere aber aus dem Lande nach dem

württembergischen Gemeindegesetz erst im Laufe des heutigen Tages in Stuttgart bei der amtlichen Wahlleitung eintreffen. Vorläufig

liegt nur das Gesamtergebnis von Stuttgart - Stadt vor. Es zeigt das gleiche Bild wie alle Wahlen der letzten Zeit. Der Radikalismus auf der Rechten und Linken hat auch in der württembergischen Hauptstadt seinen Aufstieg auf Kosten der bür­gerlichen Mittel fortgesetzt. Die Sozialdemokratie hat gegenüber ihrer bisherigen Stärke einen Berlust von etwa 15 Pro3. 3u verzeichnen.

Die Wahlbeteiligung war in Stuttgart äußerst rege. Sie betrug 80 Proz. gegenüber 53,3 Proz. bei den letzten Gemeindewahlen im Jahre 1928. Ein Bergleich der Wahlergebnisse mit den Stimm­ziffern der Reichstagswahl des Jahres 1930 ist insofern erschwert, als die Zahl der Wahlberechtigten durch die Vorschrift der ein­jährigen Ortsanfäffigkeit bei der Gemeinderatswahl erheblich geringer ist. Andererseits werden auch die Bergleichsziffern von der letzten Gemeinderatswahl vom Jahre 1928 wegen verschiedener Eingemein­dungen den veränderten Berhältnissen nicht ganz gerecht. Abgesehen davon befrug die Wahlbeteiligung damals in Stuttgart nur 53 Pro3.

Das Ergebnis von Stuttgart .

In Stuttgart blieb die Wahlbeteiligung gegenüber der Reichstagswahl von 1930 um rund 6 Proz. zurück. Es erhielten Stimmen:

Sozialdemokraten. Nationalsozialisten Kommunisten Deutschnationale Zentrum..

-

.. 46 810

44 599

Stimmen Mandate 7 7

1928 40 611

37 803

6

14 906

19 525

3

15 381

1930 60 198 22 587 38 414 18 394

O

18186

3

12 042

23 104

3

35 953

1

4 037 4.960

Bürgerliche Einheitsliste. Christl- Sozialer Boltsdienst. 9075 Kommunistische Opposition. Frauenliste

19 615 51 897 11 332

In der Bürgerlichen Einheitsliste sind Demokraten, Deutsche Volkspartei , Volksrechtspartei und Nationale Volksgemeinschaft zusammengeschlossen.

Adolf I. gibt Interviews

www

" Jede Einfuhr fremder Waren hört auf. Wir werden synthetischen Labaf rauchen..."

Das Ergebnis im Lande.

besondere die aus den Induſtrieſtädten, zeigen, daß sich die Sozial­Die bisher aus dem Lande vorliegenden Einzelergebnisse, ins­die stärkste Partei bleiben dürfte. Ein Einbruch der Nazis demokratie verhältnismäßig gut geschlagen hat und durchweg in die marristische Front ist nirgends erfolgt.

In Eltingen, einem Ort von 3000 Einwohnern in etwa 16 Kilometer Entfernung von Stuttgart , hielten sich bisher die sozialdemokratischen und kommunistischen Gemeinderatsmandate mit völlig verändert. Jetzt haben Sozialdemokraten und denen der bürgerlichen die Waage. Am Sonntag hat sich das Bild Kommunisten in Eltingen die Mehrheit, obwohl die Nazis auch Eltingen mit dem Maul bereits erobert hatten.

In Honau bei Reutlingen gewann die Sozialdemokratie ebenfalls ein Mandat und erlangte damit die Hälfte der Gemeinde­ratssitze überhaupt.

In Göppingen marschiert die SPD . weit vor den National­sozialisten. Das Göppinger Ergebnis ist: SPD . 2870, KPD . 1100, Zentrum 1100, Deutschnationale 800, Demokraten 650, National­sozialisten 1450.

von denen das Ergebnis von Stuttgart bisher das günstigste Die Ergebnisse der württembergischen Gemeindewahlen, für die Nationalsozialisten ist, zeigt das gleiche Gesetz wie die Wahlen in Hessen . Trotzdem wirft es wie eine Berichti gung des Eindrucks, der bei manchem im Inland wie im Ausland durch die hessischen Wahlen hervorgerufen worden ist. Denn die Wahlen von Württemberg zeigen die Gren zen, auf die die Radikalisierung stößt.

-

Die Nationalsozialisten haben in Stuttgart ihre Stimmenzahl verdoppelt und zwar abermals ausschließlich auf Kosten der bürgerlichen Parteien! Der Prozeß der Radikalisierung weiter bürgerlicher Schichten zeigt sich auch hier. Dennoch ist die Sozialdemokratische Partei die stärkste Partei geblieben. Der Anteil der national­sozialistischen Stimmen an der Gesamtstimmenzahl beträgt 21 Prozent.

Da bleiben immer noch 30 Prozent bis zu der Mehrheit, von der die nationalsozialistische Propaganda so großmäulig redet. Ganze 21 Prozent der abgegebenen Stimmen, und damit erheben die um Hitler den Anspruch, Deutschland regieren zu wollen! Nahezu den­selben Anspruch könnte nach dem Wahlergebnis von Stuttgart die Kommunistische Partei erheben!

Es handelt sich bei dem Ergebnis von Stuttgart um ein ausgesprochen städtisches Ergebnis. Es lehrt, daß die städtische Bevölkerung für die plumpe Demagogie und die Heilsbotschaften der Nationalsozialisten viel weniger zu­gänglich ist als die Landbevölkerung. Die Ergebnisse aus den Industriegemeinden lehren das gleiche. Wer das Ergebnis von Hessen einfach auf das Reich überträgt, begeht einen gewaltigen Fehler. Die nationalsozialistischen Bäume wachsen auch nicht in den Himmel. Die Front der Arbeiterparteien ift gänzlich unerschüttert.

Das Ergebnis von Stuttgart führt die Hitlerschen Pro­pagandareden auf das richtige Maß zurück. Es ist ein falter Wasserstrahl gegen den Paroxysmus des Größenwahns, der nach den Hessenwahlen die Hitler - Leute ergriffen hat. Die, Tagwacht" zum Wahlausfall.

Stuttgart , 7. Dezember. ( Eigenbericht.) In ihrem Kommentar zu den Gemeindewahlen in Stuttgart verweist die sozialdemokratische Schwäbische Tagwacht" darauf, daß in dem Zweikampf zwischen Nationalsozialisten und Sozial­demokratie die Sozialdemokratische Partei den Sieg davongetragen habe. Die Nationalsozialistische Partei habe ihre ganze Kraft auf Stuttgart tonzentriert. Trogdem habe sie nur 21 Broz der Stimmen zu erobern vermocht, und das