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Nr. 156.

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für 1896 unter Nr. 7277.

Norwärts

13. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr vormittags geöffnet.

Fernsprecher: Xut 1, Nr. 1508 Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin ".

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Bivilisation.

Dienstag, den 7. Juli 1896.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3:

So der leitende Staatsmann von Japan . Wir möchten| Orleans für eine jährliche Pension verschachert. Der junge einmal einen der leitenden Staatsmänner Europa's , 3. B. Herzog von Orleans ist ebenso in der Klemme wie die Geistlich Ueber die europäische Zivilisation und über den Kultur- einen deutschen im Gespräch mit ihm sehen und hören, Gott der Kriege ihn wieder auf den Thron seiner Väter sehen feit: er ist rathlos. Bleibt er ruhig in der Erwartung, daß der werth der Religion hat sich einem Korrespondenten wie er seinem atheistischen Kollegen beweist, daß die dem Gott der Kriege ihn wieder auf den Thron seiner Väter sehen der Daily News" gegenüber der leitende Staatsmann Christenthum zugethanenen Staaten mit ihren 24 Millionen werde, so geräth er in Vergessenheit; er muß sich also irgend­wie bemerkbar machen, er muß handeln. Aber das Vorgehen Japans , Marquis Ito , dem hauptsächlich die moderne bis an die Zähne bewaffneten Soldaten und ihren Millionen eines Brätendenten in dieser tapitalistischen Welt wirkt, wenn es Umgestaltung seines Vaterlandes zu verdanken ist, in fol- Prostituirten und den ungezählten Geldsäcken, Geldsäcken, die nicht im Parlament stattfindet, nur lächerlich, und er ist aus gender sehr bemerkenswerthen Weise ausgesprochen: 200 Millionen Proletarier ausbeuten, eine höhere Kultur Frankreich ausgewiefen. Er versuchte sich gegen dieses " Es ist ein Irrthum zu glauben, wir seien ganz vertreten, als der japanische Atheismus. Herrn Jto aber Scherbengericht aufzulehnen. Als er mündig geworden im Bann der westlichen Kultur und hätten unsere rathen wir, wenn er nach Deutschland kommt, sich sehr war, überschritt er die Grenze und verlangte als Soldat eigene Kultur aufgegeben. Japan ist weit von einer Ent- vorsichtig auszudrücken. Aehnliche Worte, wie der japanische mit den jungen Männern feines Alters in das nationalisirung entfernt, und wünscht seine historische Kontinuität Staatsmann sie gebrauchte, auf den Krieg angewandt, Seer eingestellt zu werden. Ein Polizeikommiffar nahm ihn zu bewahren. Das ist für die Japaner um so mehr Pflicht, als beim Kragen und ließ ihn ins Gefängniß sperren, wo er sich in sie sehen, daß die europäischen Völter feineswegs haben dem Schreiber dieser Zeilen drei Monat Gefängniß den plattesten Albernheiten erging, nur um wieder die freie Luft beffer, fittlicher und ebler find, als die eingebracht. athmen zu können. Dieser alberne Dummejungenstreich brachte ihm nur den schönen Spitznamen Gamelle") ein wegen seines unerfättlichen Appetits eine Eigenschaft, mit der die Natur alle Glieder des Hauses Bourbon erblich belastet hat. Dazu tommt, daß diese Anwandelungen zum Handeln den alten Orleanisten unbequem sind, die nicht wünschen, daß man viel Aufhebens von ihnen mache, und die, nur um mit der repu blikanischen Regierung in Frieden zu leben, der Meinung sind, ihr König solle weiter in partibus infidelium**) herrschen.

"

Die französische Klevisei

in Möthen.

Es blieb also der Geistlichkeit nichts weiter übrig, als sich den Thatsachen zu fügen, die Republik anzubeten, die bis zu diesen Tagen für sie der Gipfel aller Schändlichkeit gewesen war, und das Bolt zu umschmeicheln. Doch gerade da liegt der Hafe im Pfeffer. Wie kann man die Gunst dieses viel- Millionen- köpfigen Herrschers gewinnen?

Japaner." Dabei wies Jto besonders auf das in Waffen Ja, wir haben es in der Kultur herrlich weit starrende Europa und auf die Bestrebungen der gebracht." europäischen Völker hin, einander die Rehlen ab. zuschneiden". Aber auch abgesehen davon, macht sich nach Ito's Versicherung die Reaktion gegen das allzu schnelle Vor­gehen vor zwanzig Jahren geltend, und die jüngere Generation steht bei weitem weniger unter dem Einfluß westlicher Ideen, als jene, welche damals aufwuchs. In sehr bemerkenswerther Weise äußerte sich Paris , 3. Juli. Jto über die Frage, ob die Erhaltung der Religion im Die französische Geistlichkeit fucht ihren Weg nach Damaskus . öffentlichen Interesse liege. Sein englischer Besucher sprach So lange ein König oder Kaiser an der Spitze des Staates nämlich sein Bedauern darüber aus, daß man es in Japan mit stand, war ihr die Rolle vorgezeichnet: fie diente knechtisch der religiösen Bräuchen und dem Glauben nicht sehr genau nehme. taiserlichen oder föniglichen Mehrheit einerlei welcher. War Darauf bemerkte Marquis Jto lächelnd etwa folgendes: Die diese Mehrheit es doch, die alle Dienste bezahlte, jede Gunst meisten Japaner ziehen vor, nach Vernunft, vertheilte tura Vortheile bot, deren Genuß aus feder Hand Wissenschaft und nach dem, was sie mit willkommen. ihren Sinnen fassen tönnen, zu leben. Ich habe Aber die Republik des allgemeinen Stimmrechtes brachte den Die Pfaffen sahen die Sozialisten an der Arbeit und sie bes Duldung für alle Religionen durchgeführt, Klerus aus dem Geleise seines alten Dienstverhältnisses, feiner merkten deren wachsenden Einfluß auf die Maffen. Das war aber ich betrachte die Religion felbft als ganz alten Gewohnheiten. Jetzt ist das Volk der Souverän der ersehnte Weg: man mußte es nur den Sozialisten nachmachen! überflüssig für das Leben eines Boltes. Die und die Herren Geistlichen wiffen nicht, was thun, um die Der Papst gab das Zeichen mit seiner berühmten Enzyklika, und Wissenschaft steht über dem Aberglauben, und Gunst des neuen Herrn" zu erlangen. die Pfaffen und Pfäffchen, die sich bisher nur dem Seelenheil des Religion ist Aberglaube, wie sie sich auch Bunächst befolgte der Klerus das Beispiel des heiligen Voltes gewidmet hatten, begannen nun auch um sein leibliches nennen möge, und deshalb ist sie eine mög- Petrus: er verleugnete den alten Herrn und den monarchistischen Wohl besorgt zu sein. Sie stiegen zum Volte herab und gingen liche Quelle der Schwäche für eine Nation. Glauben. Es ist wahr, die Monarchisten haben den Klerus bebend und zitternd in die öffentlichen Versammlungen, als wenn Als der große Journalist Fukuzawa vor einigen Jahren für erbittert und zur Verzweiflung gebracht, indem sie es verab- fie in eine Löwengrube hineinstiegen. Diesen Neophyten( neugeborenen Annahme des Christenthums als Staatsreligion eintrat, habe ich fäumten, die Herren der Lage zu werden. Der eifrigste Bediente Jüngern) des christlichen Sozialismus oder sozialen Christenthums diesem Gedanken erst freundlich gegenübergestanden. Aber ich kann nicht dienen, wenn er feinen Herrn hat. gelang es aber nicht, die Arbeiter für sich zu gewinnen. Dagegen habe mich schnell davon überzeugt, daß es für einen Staat Es ist jetzt schon über 25 Jahre her, seit die Republik aus gewannen fie ein schlechter Trost für diesen Mißerfolg! nicht rathsam sei, sich mit Religion und den gerufen ward; es gab damals zu viel Leute mit Ansprüchen auf die Ungnade der Arbeitgeber, von denen sie bisher fette Pfründen tieferen Angelegenheiten der Seele zu befassen. Ich den Thron- und während diese Thronkandidaten sich herumzantten, bezogen hatten, um den Arbeitern die Unterwerfung unter die bedauere nicht die in Japan fa ft allgemeine Neigung zu wer der richtige Herr sei, wuchs die Republik und schlug tiefe Leiden dieses irdischen Jammerthales und die Aussicht auf ein freierer Gesinnung und Atheismus, weil ich dies Wurzeln. Der Tod war auch so gütig, etliche dieser Thron- glückliches Leben jenseits des Grabes zu predigen. Diese neuen nicht für eine Quelle der Gefahr für die Gemeinschaft halte. fandidaten von der Bühne zu entfernen. Der junge Sohn Peter von Amiens ***) mit ihren pseudo- sozialistischen Phrasen Solange die Leute erzogen sind, werden sie Napoleon's ging nach Afrika und ließ sich dort von den Zulus werden nur den einen Erfolg haben: eine Steigerung auch moralisch sein; schon der Sintoismus( eine alt- todischlagen er hatte gehofft, aus dem schwarzen Erdtheil, des Erfolges der Sozialisten. japanische Weltanschauung) hat gelehrt, daß man auch ohne ähnlich wie einst sein Großontel Napoleon I. aus Egypten, mit Der Papst hat die bedauerlichen Ergebnisse auch wohl ers Beten, lediglich durch sittliches Handeln, den Schuß der Götter dem Heiligenschein des Ruhmes zurückzukehren. Der Herzog erringe." Seine Meinung über die Wirkungen der westlichen Zivili- von Chambord , die letzte Hoffnung der Legitimisten, folgte*) Gamelle heißt auf deutsch : Futternapf; namentlich die sation faßte Marquis Jto dahin zusammen, daß man schon zu fühlen seinem Beispiel und stieg traurig in's Grab. Dann Soldatenschüssel. beginne, die lettere fei nicht so schön wie die alte. tam der" rothe" Prinz Napoleon ( Plonplon) an die **) Lateinisch in den Erdtheilen, in den Ländern der Un­Sie mache die einzelnen und die Nation unzufriedener, er- Reihe, der zwei Sprößlinge als Erben der bonapartistischen gläubigen. Der Papst ernannte nach der Entdeckung von schwere das Leben, mache es unfreundlicher, minder schlicht und Ueberlieferungen hinterließ; und schließlich der Graf von Paris , Amerika Bischöfe auch für die Landstriche, wo nur Heiden verwickelter. Sie erschwere überhaupt den Kampf um das der Vertreter der Familie Orleans . Jetzt haben blos noch die wohnten. Diese Bischöfe hatten natürlich nichts zu thun und Dasein, aber in diesem Kampfe kräftige sich auch der National Orleans Ansprüche auf den Thron, denn der Sohn des Prinzen ihr Amt war ein bloßer Titel. charakter." Napoleon hat seine Thronfolgerrechte an den Herzog von***) Der erste Prediger der Kreuzzüge.

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Rienzi.

Der letzte der römischen Volkstribunen. Roman von Edward Lytton Bulwer .

Bei diesem gefürchteten Namen- dem Namen eines der kühnsten Männer und des verwegenſten Freibeuters seiner Beit- entfärbten sich selbst Martino's Wangen und seine Begleiter stießen einen Schrei des Ent sezzens aus.

Und dieser, mein Kamerad," fuhr der Ritter fort, , ist Euch wahrscheinlich besser bekannt, als ich, und Ihr crkennt ohne Zweifel in ihm Rudolf aus Sachsen , ein braver und tüchtiger Mann, besonders, wenn er für seine Dienste ordentlich bezahlt wird."

und, was auch ihre ursprüngliche Bedeutung sein mochte, feit längerer Zeit zum Sprichwort geworden, um den Haß gegen die Colonna zu bezeichnen.

Adrian, der jetzt beschäftigt war, Frenen aufzuheben, und wieder zu sich selbst zu bringen, würdigte seinen Gegner feiner Antwort und überließ es Monreal , ihm zu antworten.

Ich habe nie geglaubt, Signor," sagte jener in faltem, verächtlichem Tone, daß Du treu gegen irgend etwas sein tönntest, am wenigsten gegen etwas Lebendiges!"

"

Entschuldigt, edler Ritter," sagte Adrian, indem er emporblickte, wenn ich mich noch nicht ganz der Dankbar teit widme. Ich weiß genug vom ritterlichen Brauch, um zu fühlen, Ihr werdet anerkennen, daß meine erste Pflicht

Signor," sagte Adrian zu seinem Gegner, der stumm mich hierhin ruft." und überrascht die beiden Neuangekommenen mit starren D, also ein Mädchen war die Ursache des Streites, Blicken ansah; Ihr seid jetzt in meiner Gewalt. Seht! und ich brauche nicht zu fragen, wer Recht hatte, wenn ein unsere eigenen Leute kommen auch schon!"

Und in der That sah man Fackeln aus dem Palast des Stephan Colonna sich nähern und bewaffnete Männer eilten herbei.

Mann als Nebenbuhler mit solcher Uebermacht wie jener Schurke auftritt." Ihr täuscht Euch, Herr Ritter ; ich habe nur ein Lamm vor dem Wolf gerettet."

" Für Deinen eigenen Schmaus. Meinetwegeu!" ent gegnete der Ritter schalthaft.

" Geh ruhig nach Hause und wenn Du morgen oder an einem andern Tage allein, Lanze gegen Lanze, wie es ritterlicher Brauch im Reiche ist, mich treffen willst, oder Adrian lächelte und schüttelte verneinend mit dem Kopf. auch Trupp gegen Trupp und Mann gegen Mann, nach römischer Sitte, so wirst Du mich finden; hier ist mein Pfand."

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das Mädchen nicht auf der Straße lassen; er konnte sie keinem anderen anvertrauen; und als sie jetzt an seinem Busen lag, war sie ihm, in dem Bewußtsein des Schutzes, das dem menschlichen Herzen so wohl thut, schon theuer geworden. Er theilte daher denen, die sich jetzt um ihn versammelt hatten, in furzem die Ursache des Kampfes mit und befahl den Fackelträgern, ihm nach Hause zu leuchten.

" Ihr, Herr Ritter ," sagte er, indem er sich an Mon real wendete, werdet, wenn Ihr nichts Angenehmeres zu gesagt habe, mich als Gast beehren."

" Ich danke, Signor," antwortete Monreal , auch ich habe meine eigenen Angelegenheiten. Auf Wiedersehen! ich werde Euch bald wieder aufsuchen. Ich wünsche Euch eine füße Nacht und angenehme Träume!"

Die ungeheure Ausdehnung Roms und die geringe Be völkerung machten manche Straßen ganz verlassen. Der Adel konnte daher lange Reihen von Gebäuden theils gegen die Feinde in seinem eigenen Stande, theils gegen das Volk bes festigen; die zahlreichen Verwandten und Klienten wohnten in der Nähe und bildeten so zu sagen kleine Höfe und Städte für sich.

Die Wohnung Adrian's befand sich dem Palast Stephan Colonna's, feines mächtigen Anverwandten, fast gerade gegenüber. Die schweren Thore wurden, als er anfam, geöffnet, er stieg die breite Treppe hinauf und trug seine schöne Laft in ein Zimmer, welches fein gebildeter Geschmack mit einer für jene Zeit ungewöhnlichen Bracht ausgestattet hatte. Alle Statuen und Büsten waren aufgestellt, lombardische Tapeten zierten die Wände und bedeckten die schweren Stühle.

Er war in der That etwas verlegen wegen seiner Lage. Wenn er auch ein Liebhaber des schönen Geschlechts war, so wollte er doch die Uneigennüßigkeit seines Benehmens Das nenne ich wacker gesprochen," sagte Monreal , nicht verkannt wissen, und auch denn es war seine Ab­und wenn Du das letztere wählst, so will ich, mit Deiner sicht, sich bei dem Volke beliebt zu machen, den Ruf, den Erlaubniß, auch von der Gesellschaft sein." er unter den Bürgern seinem Muth zu verdanken haben Martino antwortete nichts; er nahm den Handschuh würde, nicht dadurch beflecken, daß er Jrene, deren ,, Holla! Lichter her und Wein!" rief der Seneschall. auf, schob ihn in den Busen und ging schnell davon; als Schönheit er noch nicht bemerkt hatte, in seine eigene" Laß uns allein," sagte Adrian, als er auf die bleichen er jedoch einige Schritte entfernt war, tehrte er sich um, Wohnung bringen ließ, und doch blieb ihm für den Augen- Wangen Frenen's blickte, von deren Schönheit er jetzt bei ballte die Fauft gegen Adrian und rief mit zitternder Stimme blick nichts anderes übrig. Sie gab tein Zeichen des dem hellen Licht sich überzeugte und eine süße, doch in ohnmächtiger Wuth:" Treu dem Tode!" Lebens von sich. Er kannte weder ihre Verwandten, noch leidenschaftliche Hoffnung beschlich sein Herz. ihre Wohnung. Benedetta war verschwunden. Er konnte l ( Fortsetzung folgt.)

Diese Worte waren einer der Sinnsprüche der Orsini