Beilage
Freitag, 11. Dezember 1931
Drama unterwegs
und ein Autor, der sich nicht wiedererkennt
Möglichkeiten.
Auch die Darsteller haben sich nunmehr, trotz der unmöglichen Drei Wege führen ein Drama zum Theater: der private, der Regieauffaffung, in ihren Rollen gefunden. Man probiert längst halbprivate und der legendäre.
Der private Weg ist in zwei Fällen gangbar: erstens, wenn der Autor mit dem Direktor verwandt, verschwägert oder durch finanzielle Fäden verbunden ist; zweitens, wenn der Autor, ein willkürliches und unwahrscheinliches Erempel, eine Koryphäe zur Schwiegermutter hat und ihr, des Familienglüds und der Kunst halber, eine massive Rolle auf den zarten Leib schreibt.
Der halb private Weg hat eine Kurve, an der einige Männer stehen, die entweder im Bühnenverlag oder im Theaterbüro nicht ohne Einfluß sind. Dieser Einfluß, wofern der Autor ihn sich dienstbar machen will, sett Ausfluß an Spesen voraus. Dichter find meist dieses Ausflusses unfähig und müssen sich somit die Benutzung des Einflusses versagen.
Sie gehen den dritten, den legendären Weg. Er ist fast ungangbar, fein Ziel meist illusorisch. Er führt den Autor, bar aller privaten oder halbprivaten Schrittmacher, über den Bühnenveririeb, der Zentrale für dramatisches Geistesgut.
Wir wollen uns mit dem Schicksal eines Dramas befassen, das, ein Wunder der Zeit, auf diesem Wege seine theatralische Sehnsucht in einer Provinzstadt erfüllt sieht.
Spedition.
Im Bühnenverlag treffen sich, frisch dem Geklapper der Schreibmaschine oder dem sanften Druck der Füllfeder entronnen, die fertigen Dramen, türmen fich, einem Papierlager gleich, zu hohen Stapeln und lagern nun in friedsamer Gemeinsamkeit. Dieser Lagerung folgt dann eine weitere Lagerung. Endlich, nach noch maliger Lagerung, tritt der Leftor in Auftion, einer jener unglücklichen Menschen, deren Beruf es ist, zu lesen, zu lesen und zu lesen. Selbstverständlich gilt auch für diese Tätigkeit die Nachhilfe der Routine, und ein geschickter Lektor vermag durch Stichproben schnell zu ent- und unterscheiden, ob Stoff und Form des Dramas seine sofortige Rücksendung in des Schöpfers Hand, weitere Lagerung oder eine Vertiefung des fritischen Bemühens empfehlen.
Hat aber, in gefegneter Stunde, der Leftor ein Stück gefunden, dessen Eigenart, nach dem Gutdünken des Prüfers, ein Geschäft verspricht, wandert es zwecks Vervielfachung erneut in die Schreibmaschine. Die Manuskripte werden dann an die Bühnen versandt.
Die Spedition hat ihrer Pflicht genügt. Das Drama ist unterwegs.
Rotstift.
Es ist eine bekannte Tatsache, daß, wenn es sich um Dinge der dramatischen Technik oder Aesthetik handelt, hundert Sachverständige hundert Meinungen haben.( Der Zeitzahn, pon Ariftoteles bis Alfred Kerr , fonnte an diesem Gesetz nicht nagen.) Wenn nun die fpedierten Dramenpatete in den Theaterbüros, nach gebräuchlicher Lagerung, geöffnet werden und steptische Dramaturgen fich der Stücke annehmen, geschieht etwas, was wir erstens nicht er= martet hätten, was aber zweitens auch unserer Schilderung wenig dienlich ist: fie schiden sie zurüd.
Da wir aber weiterfommen müssen und zudem Freunde junger Talente sind, machen wir die fast illusorische Unwahrscheinlichkeit zu einer frohen Tatsache und sehen, Zeugen eines denkwürdigen Vorganges, den Dramaturgen lächeln. Er sagte nicht etwa: Das Etüd ist gut. Er sagt: Das Stüd ist Mist; aber wenn ich die Hälfte streiche, einige Szenen umstelle, die Aktschlüsse ändere und die Dialoge frisiere, wird es, zur Not, gehen.
Also spricht der Dramaturg, zückt den Rotstift und beginnt. Es ergibt sich nun ein ganz seltsamer Tatbestand. Gerade die Stellen, die der Autor für die wirkungsvollsten und wichtigsten des ganzen Stückes hielt, sind nach dem Urteil des dramaturgischen Chirurgen unmöglich; umgekehrt aber findet er einige Szenen ganz brauchbar, deren Wert und Zweckmäßigkeit bisher der Dichter angst voll bezweifelte. Das Stüd verwandelt sich. Die Form nähert sich den Notwendigkeiten des praktischen Theaters. Der Dramaturg freut sich seiner Zauberkunft und wittert, dank seiner Arbeit, einen Erfolg. Der Dichter hingegen verzweifelt, empfindet den Verlust des fleinsten Sazes oder die geringfügigfte Umände rung fast als einen physischen Schmerz und droht, das Stück zurückzuziehen. Er tut es aber nicht.
Regie.
Das gerupfte, umgebaute, neu gefüllte Drama mandert nun in die Regiesißung, wo sich interessante Debatten entspinnen. Der mit der Inszenierung beauftragte Regisseur macht deren Uebernahme davon abhängig, daß die unmögliche Handlung des unmöglichen Stückes umgefrempelt wird. Dann schlägt er die Hollenbesetzung vor, die, wie übrigens auch die Zeitverpflanzung, ein geringschäßiges Lächeln des Dramaturgen herausfordert. Dieser refigniert im weiteren Verlauf der Sizung, da ihm, gemäß der Natur der Dramaturgen, das alles zu dumm ist.
Die Darsteller erhalten ihre Rollen. Mit den kriegerischen Auswirkungen dieses winzigen Vorganges innerhalb des Ensembles fönnen wir uns nicht befassen. Sie sind furchtbar und finden ihren Ausgangspunkt bei allen den Mitgliedern, die nicht in einer tragen den Rolle des Stückes beschäftigt sind.
Die Proben beginnen. Die Arrangierproben verlaufen um so lebhafter, als der Regisseur zu seinem Entsetzen bemerkt, daß alle seine Schauspieler eine Auffassung von ihrer Rolle haben, die seine Regieabsichten auf den Kopf stellt. Also gibt es Krach. Er ist geräuschvoll und hartnäckig. Der Hauptdarsteller droht, seine Rolle niederzulegen. Er tut es aber nicht.
Inzwischen tut im Atelier der Bühnenbildner das Seine. Der Regisseur hat mit ihm genau die räumlichen und dekorativen Bedingungen der Inszenierung besprochen.( Die Besprechungen Regisseur- Bühnenbildner sind niemals eintönig, da der Regisseur stets den Bühnenbildner, der Bühnenbildner wiederum den Regisseur für ahnungslos hält). Wenn nun Stadt, Wald, Feld und Wiese nach Ansicht des Bühnenbildners mit struktivem Elan und farben technischer Bravour auf Leinflächen gezaubert, auf die Bühne transportiert werden, um sich ihrer bildnerischen Funktionen zu erfreuen, findet der Regisseur, daß alles unmöglich ist. In Wirklichkeit findet er das natürlich nicht. Aber es ist am Theoter ein Prinzip, 3u nächst alles unmöglich zu finden. Der Regisseur droht, die Inszenierung cinem minderbegabten Kollegen zu überlassen. Er tut es aber nicht.
ohne Buch, die Souffleuse hockt zischend im Kasten, Scheinwerferlicht irrt suchend auf schillernden Prospekten, die Hauptdarsteller agieren in Kostüm und Maske: das Drama nähert sich seinem Ziele. Das geschriebene Wort gewinnt tönenden Klang, die erdichtete Szene räumliche Gewandung, und die vom Dramaturgen umgemodelten Aktschlüsse beweisen ihre Wirkkraft.
Generalprobe: alles unmöglich; Krach; Weinkrämpfe. Der Intendant droht, das Stück abzusetzen. Er tut es aber nicht. Am Ziel
Der Kenner wußte bereits nach dem Tumult der Generalprobe um den Erfolg. Krach bei der Generalprobe ist heilige Garantie für eine erfolgreiche Aufführung.
Der laute Beifall des Publikums verscheucht den Kummer eines Mannes, der weinend im Hintergrunde saß, weil er sein Stück nicht mehr erkannte. Fazit: Erfolg.
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Der Abend
Spalausgabe des Vorwärts
Von Heinrich Heining
Der Bühnenvertrieb triumphiert ob seiner Entdeckung, der Leftor wußte es sofort, der Dramaturg pocht auf die Kunst seines rotstreichenden Zauberstabes, der Regisseur sieht, nach Betonung der Unmöglichkeit des Stüdes, in seiner allein möglichen Inszenierung die Ursache des Erfolges, die Darsteller, jeder natürlich für sich), erklären energisch und akzentuiert den Triumph aus den schöpfe= rischen Kräften ihres Gestaltungstriebes, die Souffleuse lobt sich beglückt für ihre rettenden Eingriffe in gefährlichsten Situationen, der Verwaltungsdirektor zählt, im Geiste und pränumerando, die Silberlinge der nächsten dreißig Vorstellungen.
Der Dichter aber schüttelt das talentierte Haupt und wandelt fürbaß in Fröhlichkeit, weil das Stück gefiel, in Zweifeln freilich, ob überhaupt das Stück von ihm war, in der Hoffnung aber, sein nächstes Drama in der von ihm fonzipierten Urform aufgeführt zu sehen. Fröhlichkeit Zweifel Hoffnung: der verzehrende Dreiklang dieser Gefühlsmischung tönt, seit Ewigkeiten, in des. Dichters Welt.
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England Sport? Jawohl!
Das Fazit einer Reise
Der fremde Besucher, der nach England tommt und nichts oder fast nichts von England weiß, der mit offenen Augen der Neugier alles betrachtet und aufnimmt, der mit Staunen eine sich überall auswirkende und fast geheiligte Tradition wahrnimmt, der seine fontinentalen Begriffe und Vorstellungen nach und nach korrigiert und allmählich nur und zögernd Unvereinbares findet und in seiner Begriffswelt bisher Zusammengehörendes reinlich trennt, fommt doch mit einer festen Vorstellung in ein Land, das vielen von uns auf einem Gebiete von ,, klassischer" Bedeutung ist: er verbindet den Begriff ,, England" sofort mit dem Begriff Sport". Und in der Tat nimmt ja der Sport als ein Teil der englischen Lebensform, die der Kontinent im Laufe der letzten Jahrzehnte von England übernommen hat, eine hervorragende Rolle ein. Die englische Lebenshaltung, durchaus und im besten Sinn ,, bürgerlich", fonnte naturgemäß nur von einer kleinen Schicht übernommen und nach geahmt werden. Aber ein Teil dieser Lebensform war allen zugänglich und wurde alsbald, da er einem Bedürfnis der Zeit entgegentam, mit Begeisterung und hemmungsloser Hingabe akzeptiert. Die großstädtischen Massen fanden im Sport ein Gebiet, in dem sich die verbindenden menschlichen Instinkte nicht nur ausleben, sondern austoben fonnten. Diese Bewegung hat in ihrem Fanatismus fast ein religioses Gepräge, und tatsächlich nimmt sie bei den Massen eine Art religiöse Ersatzstellung ein( man beobachte das Bublikum eines Sechstagerennens). Sie entwickelte ihre eigene Terminologie, und ausgeschlossen aus der Gemeinschaft der Sportgläubigen ist nur, mer sich in ihrer Umgangssprache nicht verſtän digen tann. Hier ist noch der letzte Zaungast, der kleinste Knirps aus Berlin NN. ein Fremdsprachler. Denn wohl alle die geheimnis vollen Worte und Abkürzungen find englisch - amerikanischen Ursprungs.
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Von Richard Junge
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gen, wenn er sich sportlich betätigen mill, seinem Werfsport. verein beizutreten. Denn die größte Ueberraschung für den fremden Besucher fremden Besucher England, dieses klassische Land des Sports, hat keine Sportanlagen für das Volk. Man fucht vergebens die Stadien und Sportplätze, die bei uns auch fleine Ge= meinden gebaut haben in der Erkenntnis, daß ein Sportplaz weniger Kosten verursacht, als ein Krankenhaus zu unterhalten. Nichts von alledem in England. Der Sport ist bis vor etwa sechzig Jahren das Privileg einer Oberschicht gewesen, und erst mit dem Entstehen der modernen Großstädte, des Proletariats ist er zu einer Angelegenheit der Massen geworden. Aber die aufkommende Sportbegeisterung fand keine oder nur ungenügende Möglichkeiten, sich in prattische Betätigung umzusetzen. So wurde der Sport zu einem tapitalistischen Geschäft von Berufsspielern und den Vermietern der Plätze.
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Und auch ein Geschäft für die Presse. Die englische Senfationspresse nicht nur, sondern jede Zeitung füllt einen großen Teil ihrer Spalten mit Sportnachrichten. Die gute Bresse ist gezwungen, mitzumachen eine Frage ist freilich, wie weit das als Zwang empfunden wird, bei der umfassenden Bedeutung des Sportsund für die Sensationspresse besteht das A und O des Lebens überhaupt nur im Sport. Bezeichnend dafür, aber attch für die Haltung der Leserschaft, auf die sie rechnet, mar das Plakat einer eng lischen Zeitung: Ein Sportplay, das Spiel hat noch nicht begonnen, einer der Spieler springt vor Freude in die Höhe: Hurra, mir haben gewonnen, es steht in der Y- News!"
Spieler. Das Recht zum Spiel" wurde geradezu zu einer Erst allmählich wurden aus den zuschauenden Massen auch selbst fozialpolitischen Forderung erhoben. Die Gemeinden bauten zwar keine Sportanlagen, aber sie stellten menigstens ihre Paris wird mit derselben Begeisterung und vielleicht mit mehr ursprüngund Wiesen zur Verfügung, und auf diesen primitiven Plätzen
Man tut gut daran, wenn man England entdecken will, möglichst oft sich auf Sportplägen und bei sportlichen Veranstaltungen aufzuhalten. Nichts damit zu tun haben wollen wird leicht als Snobismus ausgelegt. Natürlich gibt es auch Eng- licher Freude gespielt wie auf dem vornehmen Lords Cricket Ground. länder genug, denen der Sport nicht ein Wert erster Ordnung ist, aber dann sind sie doch wenigstens nicht von den bekanntesten sportlichen Vorgängen nicht so ahnungslos, daß sie nicht morgens in der Tram vom gestrigen Sieg der heimischen Mannschaft oder einem anderen das öffentliche Interesse in höchstem Maße erregenden Spiel sprechen können. Man nimmt sich die Morgenzeitung vor und sicht die Sportnachrichten durch, wenn man nicht als Außenseiter in einer Welt leben will, die aus der sportlichen Sphäre ethische und fittliche Forderungen und Verpflichtungen ableitet, die mit Vorliebe die Begriffe fair" und foul" vom Sportplatz ins tägliche Leben und auch in die Politik überträgt.
Natürlich erkundigt man sich zunächst nach Arbeitersport organisationen. Aber man begegnet selbst bei Labourgenossen einem verständnislosen und nicht selten abweisenden Lächeln. Arbeitersportorganisationen in unserem Sinne gibt es gar nicht. Und warum auch? Was hat der Sport mit Politik zu tun?" fragte man mich, und es hielt schwer, den englischen Genossen aus der Leidens- und Heroengeschichte der deutschen Arbeiterbewegung, aus der feindlichen Stellung des Staats und der bürgerlichen Gesellschaft und nicht zuletzt der bestehenden Sportorganifationen selbst der aufkommenden sozialistischen Bewegung gegenüber die naturnotwendige Entstehung einer gesonderten Arbeitersportbewegung zu schildern. Der englische Genosse begreift das nicht ganz, denn genau so mie das religiöse Bekenntnis kein Hindernis ist, sich irgendeiner Partei anzuschließen, ist auch die Parteiangehörigkeit kein Grund, diesem oder jenem Sportverein nicht beizutreten.
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Der Grund für diese Haltung ist in einer auch heute noch weitgehenden geistigen Homogenität zu suchen, wie wir sie, wenigstens seit der Entstehung des Proletariats, nicht gekannt haben. Gewiß gibt es auch in England Not und Elend auf der einen Seite ( die sich ungeschminkter und grauenhafter äußern als bei uns) und das provokatorische Leben der Society, der oberen Zehntausend, auf der anderen Seite. Aber die Mittelschicht ist größer, fie schafft die gemeinsame Plattform, die wie lange noch? Demokratie, Parlamentarismus, überhaupt das Anerkennen gemeinsamer Werte möglich macht, und unter diesen auch den Sport. So ist es zu verstehen, daß die verschiedensten sozialen Schichten in derselben Mannschaft vereint sind; hartnädige und erbitterte politische Gegner auf dem Sportplatz friedlich nebeneinanderstehen und dem Sieger zujubeln. Und mehr noch: daß auch der organisierte Arbeiter so etwas durchaus in Ordnung findet und sich auch keineswegs entrüstet, wenn ein Genosse dem Werksportverein der Firma, bei der er beschäftigt ist, angehört. Unmöglich für einen flaffenbemußten deutschen Arbeiter, in einem Werksportverein zu spielen. Er weiß ja auch sehr gut, daß es da in den meisten Fällen weniger auf den Sport antommt. In England jedoch ist der Arbeiter sehr oft fast gezwun
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Mit den herrlichen Anlagen der reichen Sportklubs oder auch mancher Bläge privater Unternehmer haben die Sportfelder der Massen wirklich kaum noch den Namen und nur noch den Zweck gemeinsam. Aber manche Arbeitersportpläße" fönnen sich sehen lassen koladenfabrik Cadbury besichtigt, erhält zum Schluß nicht das sind Anlagen von Werksportvereinen. Wer die Scho= nur eine Schokoladenprobe, sondern wird auch noch mit einem großen Auto durch die Gartenstadt Bournville gefahren. Da geht es vorbei an herrlichen, gepflegten Blägen für alle Sportübrigens Männer und Frauen getrennt und jeder im Betrieb Beschäftigte hat das Recht zum Spiel( über die Werksportorganisation). Nicht alle Werksportanlagen find so schön, aber mit dem Notwendigen versehen sind sie immer.
arten
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Wie lange noch? Wie lange noch wird der sich auch in England immer zuspizende Klassenkampf eine neutrale Zone gestatten, cine Sphäre, in der es feine politischen und wirtschaftlichen Gegner, sondern nur Sportsleute gibt?
Platz für die brotlosen Junglehrer! Ein alter Lehrer schreibt uns:
Lehrer müssen jung sein oder jung bleiben, sonst leiden die Kinder Not! So ungefähr sprach Minister Grimme am 12. September im Landtag und legte damit den Finger auf eine gefährliche Wunde. Denn ein Biertel aller Lehrer ist zu alt geworden. Aber vor dem 66. Lebensjahre können sie nicht pensioniert werden, also muß man sie gütlich veranlassen, den Junglehrern Plaz zu machen. Das würden sie auch tun, wenn nicht am 1. Oktober die älteren Lehrer( in Rektor- und Konrektorstellen besonders) stark im Gehalt gekürzt worden wären, damit auch der nunmehrige Pensionssaz. Am 4. November wurde verordnet, daß vom 60. Lebensjahre an ohne ärztliches Attest die Pensionierung gestattet sei. Aber das perfing nicht bei der kurz vorher gekürzten Pension, die ohnehin so knapp geworden war und bei jeder kommenden Gehaltskürzung gleichermaßen weiter gemindert wird. In der nächsten Woche wird dem Landtag der Urantra g 7982 vorgelegt, der anscheinend ähnlichen Ueberlegungen des Ministers entspricht. Es sollen näm= fich die alten Lehrer, die bis zum 31. Dezember 1931 den Antrag einreichen, noch nach dem Ge halt vom 30. September 1931 penfioniert werden. Das wird helfen! Biele werden Platz machen, wenn auch diese Vergünstigung nur bis zum 65. Lebensjahr gilt, dem Zeitpunkt, wenn sie unter jeder Bedingung gehen müssen. Rechnet man zu der Unterstützung, die jeder entlassene Junglehrer erhält, die Ersparnis bei den Pensionierungen, dann kann nicht mal von einer Mehrausgabe gesprochen werden. Dafür ist aber Junglehrernot und Kindernot behoben!