Landitörzer:
Der uralte persische Rabbi Tibur knirschte mit den Zähnen. Es| fonnte glauben, von Seeräubern überfallen zu sein. Kreischend und war nicht zu sehen, aber man hörte es. Er stand vor mir wie ein wild gestikulierend stürzten sie sich auf das Gepäck der wenigen dunkler Klotz und nicht einmal die gelben Streifen auf seinem Aussteigenden. Burnus waren in der Dunkelheit zu erkennen.
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Sand", murmelte er ,,, Wüstensand. Versuch es einmal selbst, mein Sohn. Er weht über das Meer und dringt in deinen Mund. Morgen früh sind wir in Afrika . Noch zwei Tage später und ich bin im heiligen Jerusalem , in das ich fahre, um dort zu sterben. Ein heißer Wind kam von dort her, wohin unser Schiff ruhig und gleichmäßig fuhr. Ich sperrte den Rachen auf und klappte ihn nach einer Weile wieder zu. Er knirschte ganz fein zwischen den Zähnen. Sand, Wüstensand, afrikanischer Sand in der Nacht auf dem weiten Mittelländischen Meer. Ich geriet in einen Taumel. ,, Libur , ist es wirklich schon afrikanischer Sand, sind es wirklich winzige Teilchen des schwarzen Afrika , die wir im Munde haben?" Tibur nichte. ,, Morgen wirst du aussteigen, und auf afrita nischem Boden spazieren gehen. Morgen trennen mir uns. Gotf fei mit dir, junger Wirrkopf."
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Es war lange nach Mitternacht , aber niemand dachte ans Schlafengehen. In Gruppen saßen Zionisten aller Nationalitäten beisammen, rauchten, sprachen dumpf oder sangen. Leise zerflatterten die unsäglich traurigschönen Lieder der jüdischen Auswanderer in der märchenhaften Nacht. Wir standen an der Spizze des Schiffes. Drei Schritte von uns tauerte eine Gruppe zerlumpter Araber, die aus Marseille zurückkehrten, weil sie, wenn schon, lieber in ihrer Heimat verhungern wollten. Ihre Frauen und die Anzahl der Kinder schliefen seit langem im muffigen Zwischended.
Tibur war ein alter Mann und vielleicht deshalb auch noch nicht müde. Es war die lezte Nacht auf dem Meer.. Die vorherigen elf Abende ist er pünktlich um 9 Uhr schlafen gegangen. Weil er ein heiliger Mann war, verbrachte er die Tage mit dem Lesen seines ungeheuren heiligen Buches. Er hat dem Koch ein paar Franken geschenkt und dafür brühte ihm dieser täglich dreimal eine Kanne Kaffee von phantastischen Dimensionen auf, die Tibur beim Lesen so nach und nach austrant. Er saß dabei an einer mindgeschützten Stelle fest in seinen Burnus gehüllt und war unnahbar. Aber Tibur war schon sehr flapprig und weil ich die Freundlichkeit besaß, für ihn die Kanne dreimal am Tage von der Kombüse an seinen Blak zu schleppen, wurde ich sein Freund.
Wir glitten durch die Nacht.
Tibur, der fromme persische Jude, der vor dem Sterben noch eine heilige Mission erfüllen will, und ich, der junge Landstreicher, den die Bücher und Bilder verrüdt gemacht hatten. In der Ferne glitt ein Lichtchen vorüber. Unwirklich weit. Die Glocke auf unserem Schiff schlug 6 Glasen. Wir fuhren in ein ungewisses Dämmern hinein. Aber es wurde nicht fühler. Tibur hockte auf einem Seilhaufen. Die Araber lagen lang auf den Planken.
Und dann strömten sie nach und nach zu uns, an die Spize, denn dort, wohin wir steuerten, wurde der Himmel rosa. Einer rannte ins Zwischendeck hinunter und weckte die Schlafenden. Fäuste stießen gegen die Türen der Kabinen. Sie tamen aus den Löchern getrochen und das Morgenrot beflammte ihre sehnsuchsvollen Gefichter. Wie eine fromme Gemeinde standen wir zusammengedrängt an der Spize des Schiffes und ffarrten beglückt nach Südosten. Es war fast hell geworden.
Ganz in der Ferne por uns lag ein gelber Streifen, Auf dem Streifen minzige Bäumchen, von der Form, als hätte man Buscheln in den Sand gesteckt. Es maren afrikanische Palmen
Kampf um die Koffer schon auf dem Schiff.
Eine ältere französische Dame hielt mit beiden Armen ihren Koffer umflammert, den ihr zwei braune Gesellen entreißen wollten. Dort wurde eine arme Reisetasche von drei der an Bord Gefommenen, beinah zerrissen. flapperten mit Wechselgeld und niemand wußte, wie er sich ihrem Sie schreien Hotelnamen, heulten, Ansturm erwehren sollte.
Ein paar Seile wurden an Bord geworfen. Zehn Männer arme zogen unseren Koloß an die Mauer. Knirschend rieb sich die Bordwand an der Kaimauer. Und nun Woge wälzte sich der Strom der Leute, die am Kai standen, über Wie eine ungeheure Bord. Alles überflutend, sprangen sie mit nackten Füßen über Kisten, Lagebäume und Gepäck. Ihr brausendes Geschrei ließ die Luft erzittern. Wie ein Bienenschwarm flebten zehn Männer an einem Koffer. Affen wollten sie verkaufen, Papageien und falsche Ketten. Die Aussteigenden blickten halb verrückt gemacht auf ihre Koffer und glaubten, sie nie wieder zu bekommen. Die Luft dröhnte vom Gebrüll der Araber, die Augen tränten vom Glizern und Gleißen der schreienden Farben.
Auf dem Oberded saß Libur an seinem alten Platz und blickte lächelnd auf das Gewimmel. Neben ihm stand die soeben frisch gefüllte riesige Kaffeekanne. Ich war mit ein paar Säßen bei ihm oben. Lebe wohl, Tibur, zum letzten Male. Laß es dir gut gehen."
Er war ernst geworden. ,, Lebe wohl, Wirrtopf", sagte er. Dann murmelte er ein hebräisches Gebet. Wir gaben uns die Hand. Mit ein paar Sägen war ich wieder unten. Ich drängelte mich durch die brüllenden Menschenhausen. Der Paß war schon vorher erledigt. Dann runter das Fallreep.
Dr. Kurt Floericke : Eine Vogelstadt
Als ich um die Jahrhundertwende zur Vorbereitung für das Eindringen in das innere Marokko kleine Spähausflüge unternahm, Fez gelegenen Stadt Altazar- Elkebri, die damals etwa 10 000 Einführte mich der Weg auch nach der halbwegs zwischen Langer und wohner zählen konnte. Wir tamen erst ziemlich spät in der Nacht einzutreten, sondern im Zelte außerhalb zu übernachten. Aber am an, und ich zog es deshalb vor, nicht mehr in die Stadt selbst nächsten Morgen erschien ein vornehmer Araber und bot mir sein Landhaus für die Zeit meines Aufenthaltes als Quartier an, wovon sich mir, als ich den Weg zu meinem neuen Heim zurücklegte! Es ich natürlich gern Gebrauch machte. Aber welch ein Anblid bot Bogelkolonie! Massenhaft waren meine gefiederten Lieblinge verfah wahrhaftig aus, als befände ich mich in einer ungeheuren treten, namentlich die Störche in schier unglaublicher Zahl vor handen. Auf den Häuschen standen allenthalben Storchenneſter, oft drei und vier auf einem einzigen Dache, und die Langbeiner Menschen. Heute werden sich durch die französische„ Civilisation" tummelten sich recht ungescheut unmittelbar vor den Augen des gab es in der ziemlich weitläufig gebauten Stadt entschieden mehr diese Verhältnisse ja wohl gründlich geändert haben, aber damals Störche als Menschen. Man wäre am liebsten immer mit dem
Regenschirm spazieren gegangen, denn alle Augenblide kam aus der
blauen Luft ein tüchtiger Kotballen auf uns nieder. Aber die Einwohner waren daran gewöhnt und fümmerten sich nicht viel darum. Da auch bei ihnen der Storch als heiliger Bogel gilt und noch die allgemeine Tierliebe des Mohammedaners hinzukommt, so fiel es niemandem ein, den Störchen wegen ihrer duftigen Willkommens grüße etwa gram zu sein.
Auch sonst gab es in der Stadt unglaublich viel Bogelleben, und nächst den Störchen spielten mohl die reizenden fleinen Falkenarten die Hauptrolle. Daneben fehlte es natürlich auch nicht an den gewöhnlichen fleinen Vogelarten, und als eine besonders gute Be
Der Traum, tausendmal im dumpfen, armseligen Zimmer geobachtungsquelle ermies sich der bei meinem Hause angebrachte träumt, hatte Wirklichkeit angenommen. Ich stand auf afrikanischem Boden. Die Sehnsüchte, tausendmal in der verfluchten Fabrik gefühlt, sollten Wirklichkeit werden.
Ich stand mitten unter den lauten Menschen am Kai, aber teiner..wollte meinen Koffer tragen, denn ich hatte feinen. Und feiner bot mir einen Affen an, denn meine Hosen waren zerbeult. Ueber das Fallreep strömten Haufen von Arabern, die meisten mit leeren Händen. Immer noch zankten sich drei um einen Koffer. Aengstlich trippelten die Besizer der Koffer hinterher.
Plöglich ein Gewühl. Kreisend stieben sie dann auseinander. Drei Männer liegen am Boden und schlagen aufeinander ein. Drei Meter vor ihnen steht das Streitobjekt. Ein großer lederner Reisetoffer. Und während sie sich gegenseitig die Fäuste in die Gesichter stoßen, geht seelenruhig einer mit zerrissenem Burmus an den Koffer, wirft ihn sich auf das breite Kreuz, schreit Hotel d'Afrique-?" und trottet drei Meter vor dem Reisenden in das Innere der glühend heißen Stadt.
Polizisten in weißen Gewändern stürmen rücksichtslos durch die Menge und schlagen mit ihren Knüppeln auf die Blutenden am Boden. Die springen auf und rennen jeder in einer anderen Richtung davon.
Bom Oberdeck blidt immer noch mit lächelnder Ruhe mein Freund Tibur herunter. Uebermorgen ist er in Jerusalem . Ich stehe neben einem Schuppen und suche ein wenig Schatten. Aber hier ist kein Schatten, die Sonne steht bereits senkrecht am Himmel. Alfo, auf den in die Stadt. Tibur wird mich nicht mehr erventennen, wenn icy winte. Id greife in die Tasche und ziehe mein Ich Taschentuch heraus. Ein Stüd Papier fällt mit auf den heißen afrikanischen Boden. Es ist ein 100- Franken- Schein. Kein anderer als er, der persische Jude, kann ihn mir heimlich hineingesteckt haben. ,, Tibur " brülle ich. Aber meine Stimme geht im Geschrei der braunen Menschen unter. Mein Taschentuch weht hin und her. Aber Tibur hat alte Augen und kann mich nicht mehr sehen. Sterbe sanft in deinem Jerusalem , alter ehrwürdiger Kaffeetrinker, denke ich, und blicke andächtig dankbar auf den 100- FrankenSchein. Dann schlendere ich in die erste beste Gasse.
Ganz plöglich lagen inir por dem Kai. Eine Unmenge Schiffen, die auf der Reede lagen, hatten wir passiert. Reine 100 Meter vor uns stand auf dem Kai eine riesige Menschenmauer in schreiender Buntheit. Plöglich löften sich einige Boote von der Kaimauer, um in schneller Fahrt auf uns loszuschießen. Das erste war an der Bordwand. Mit fagenartiger Geschicklichkeit ergriff ein Araber ein Seil, das an der Seite des Schiffes herunterhing und fletterte an Dec. Ein paar andere machten es ihm gleich. Und. das war nur der Anfang. In ein paar Minuten war das Schiff von in schmierigen Lumpen gehüllten Männern überflutet. Man
Michail Sofchiſchenko: Die Badeanstalt
Man sagt, Bürger, in Amerika soll es porbildliche Badeanstalten geben. Du kommst hin, ziehst dich aus, tust deine Sachen in einen befonderen Raften und gehst dich waschen. Kein Mensch macht sich Sa die geringste Sorge megen Diebstahls oder so; man braucht nicht mal eine Nummer. Höchstens, daß mal ein ganz besonders Bor sichtiger zum Bademeister sagt:„ Good bye, gib mal schön acht!" Unser Amerikaner wäscht sich, tommt zurück und erhält seine Wäsche schön sauber gewaschen und geplättet. Das Hemd schneeweiß, die Unterhosen gestopft und geslicht. Das ist ein Leben!
Ueber unsere Badeanstalten kann man sich ja auch nicht beklagen. Waschen kann man sich bei uns auch. Aber mit den Nummern hapert es bei uns.
Borigen Sonnabend ging ich in die Badeanstalt.( Schließlich fann man doch nicht nach Amerika fahren.) Man gab mir also zwei Nummern Eine für die Wäsche, die andere für Mantel und Mütze.
Wo soll aber ein nackter Mensch die Nummern lassen? An den
Bart kann man sie sich doch nicht binden. Ich band also an jeden Fuß eine Nummer und ging hinein. Die Nummernt flatschten beim Gehen an die Füße. Das war nicht sehr angenehm. Aber gehen muß man doch. Ich mußte sogar sehr piel gehen. Ich mußte mir nämlich eine Schüffel suchen. Ohne Schüssel kann man sich dort nicht waschen Ich mache mich also auf die Suche nach einer Schüssel. Was sehe ich da? Ein Bürger wäscht sich in drei Schüsseln: In der einen steht er. in der zweiten wäscht er sich den Kopf, und die dritte hält er frampfhaft mit der linken Hand fest, damit sie ihm feiner wegnimmt. Ich lange nach seiner dritten Schüssel, will sie ihm wegnehmen. Aber er läßt sie nicht los. Was fällt dir ein," sagt er, fremde Sachen zu stehlen! Gib nur acht, daß ich dir nicht mit der Schüssel eins auswische! Dann hast du nichts zu lachen".
Ich erwidere:„ Wir sind nicht mehr unterm Zarenregime. Jetzt wird nicht mehr mit Schüsseln gehauen. So ein Egoismus! Andere wollen sich doch auch waschen. Wir sind doch hier nicht im Theater." Aber er dreht mir den Rücken zu und wäscht sich unbefümmert weiter.
Ich fann doch schließlich hier feine Prügelei mit ihm anfangen," denke ich. Und jetzt wird er sich absichtlich drei Tage lang waschen."
Ich gehe also weiter.
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Nach einer Stunde sehe ich, wie irgend so ein Onkel ganz in Gedanten oder ob er sich nach der Seife gebückt, die ihm meggerutscht ist? seine Schüssel losgelassen hat. Jedenfalls habe ich mir diese Schüssel zu Gemüte gezogen.
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Jetzt habe ich also eine Schüssel, aber feinen Platz zum Sitzen. Und wie soll man sich im Stehen waschen?
Gut! Ich stehe also, halte die Schüssel in der Hand und wasche mich.
Aber um mich herum
Wäsche gewaschen. Der eine reinigt seine Hosen, der andere schrubbt Herr, du mein Gott!- wird große seine Unterhosen, der dritte wäscht wer weiß was noch alles. Raum hat man sich gewaschen, so ist man schon wieder schmuzig. Dabet sprigen sie, die Teufel, und einen Krach machen sie; man verliert wahrhaftig die Lust, sich zu waschen. Hol fie der Teufel," denke ich. ,, werde mich zu Hause fertig. waschen."
Ich gehe in den Vorraum. Man händigt mir meine Wäsche aus. Alles gehört wirklich mir, nur die Hosen nicht." Bürger," sage ich,
Bademeister sagt:" Wir haben hier nicht die Löcher zu bewachen. , bei meinen war hier ein Loch, und bei diesen ist es da." Aber der Wir sind hier nicht im Theater."
Gut! Ich ziehe also diese Hose an und gehe, um meinen Mantel zu holen. Man händigt mir aber den Mantel nicht aus. Man verlangt die Nummer. Die Nummer habe ich aber am Fuß vergessen. Ich muß mich also wieder ausziehen. Ich ziehe die Hosen aus, suche meine Nummer; die Nummer ist nicht da. Die Schnur hängt doch am Bein, aber die Nummer ist fort. Ich reiche dem Bademeister die Schnur, aber er nimmt sie nicht. Auf die Schnur fann ich feinen Mantel herausgeben," sagt er. Da fönnte jeder kommen und eine Schnur bringen. So viele Mäntel haben wir gar nicht. Warte, bis alle fort sind; dann geb' ich dir den, der übrig bleibt."
" Brüderchen," sage ich, wenn nun aber der allerschlechteste übrig bleibt. Ich werde dir die Merkmale fagen: Die eine Tasche ist taput, und die andere ist nicht vorhanden. Und was die Knöpfe betrifft," sage ich, so ist der oberste da, die unteren aber find gänzlich abwesend."
Er hat ihn mir dann doch ausgehändigt. Und die Schnur hat er nicht genommen.
Ich ziehe mich also an und gehe auf die Straße hinaus. Plöglich fällt mir ein, daß ich meine Seife vergessen habe. Ich gehe wieder zurüd. Aber was meinen Sie? Im Mantel läßt man mich nicht hinein.
" Ziehen Sie sich aus!" sagt man mir.
Ich kann mich doch wahrhaftig nicht zum dritten Male ausziehen," sage ich. Ich bin doch hier nicht im Theater. Ersetzen Sie mir wenigstens den Wert der Seife!"
Das tun sie nicht.
Dann nicht! Wie sie wollen. Ich gehe also ohne Seise. Der Leser ist sicher neugierig, zu erfahren: Was ist das für eine Badeanstalt? Wo befindet sie sich? Wie ist die Adresse? Was für eine Badeanstalt? Nun, eine ganz gewöhnliche. Eine für'n Groschen.( Aus dem Russischen übectragen von Alma Lepère.)
Garten. Hier ficherten Turmfalfen, jauchzte der Feigenfresser seine wohltänende Strophen, tamen Reiher über das Stadtbild gezogen, ergößten uns possierliche Wiedehöpfe, die bei uns so scheu find und dort selbst das dichteste Marktgemühl belebten. Die Storchenneſter Hand hineinfassen konnte. Sie waren größtenteils auch von einer standen teilweise so niedrig, daß man vom Fußboden aus mit der Unmenge Spaßen bevölkert. Kurz, das Städtchen Altazar- Elfebri bot uns auf Schritt und Tritt Gelegenheit zur Beobachtung eigenartigsten Vogellebens. Die Vögel haben bald herausbekommen, daß ihnen der Mensch nichts tut und haben deshalb nahezu alle Menschenfcheu abgelegt. Wie mag es heute mohl dort aussehen?
Walter A. Persich:
Der Tag beginnt viel später...
jedenfalls kann man um vier Uhr früh in den richtigen Stadtgegenden Ist es eigentlich schon hell? Es kommt auf die Jahreszeit andie der Tag um diese Zeit beginnt, bevor er begonnen hat! mehr als ein paar Brot- oder Milchleute an der Arbeit sehen, für tausend schaffende Hände am Werk, im Sommer fahren in der Frühe Straßenreinigung und Straßenbau hält bestimmt die Sprengwagen, denen die Kolonnen der Straßenkehrer folgen, in Schmutzrollen über das Pflaster und im Winter geht es mit Hü" der Uebergangszeit schurren und rattern die Wagen mit den riesigen und Hott" zur Schneeabfuhr, damit die Straßen für die Kolonnen Ausbesserungen an Schienen der Straßenbahnen werden gleichfalls der Hunderttausende in den eigentlichen Tagesstunden passierbar find. blaue, herrlich- romantische Licht der elektrischen Gebläse, mit denen in notwendigen Fällen nachts vorgenommen weithin zuckt das man schweißt, vor dem fahlen Himmel auf Schritte weiter im Straßenbahndepot werden die Wagen für den ein paar hundert Tagesbetrieb hergerichtet, das heißt gewaschen, gescheuert, Frauen sprizen und überschütten die fahrbaren Gehäuse mit reinigendem reiben Messing und Scheiben blant, Männer hantieren mit WasserNaß. Schließlich und endlich im Morgengrauen erscheinen Schaffner und Führer, um ihre Wagen in Betrieb zu nehmen und schütterid und flingelnd saust der erste Wagen durch die Straßen, hie und da an einer Haltestelle die noch verschlafenen Früharbeiter gemeinsam mit verschollenen Nachtbummlern aufzunehmen.
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Borher arbeiten vor den heißen Defen die Bäder, überstäubt von Mehl und Hize, im Telephonamt gähnt die Nachtbesetzung der Ablösung entgegen, in den Elektrizitätsstationen sind ununterbrochen mit Zentralheizung haben neu zu feuern, damit der Morgen gut überwachen, die Portiers von Amts-, Geschäfts- und Privatgebäuden die Maschinen und Schalterbretter, die Zeiger der Strommesser zu durchgeheizte Zimmer findet, im Umkreis der Städte sind Hunderte von Wagen, Pferdegespanne, Autos, Güterzüge in Bewegung, die Schlachthöfen wird das Bieh angeliefert, auf den Gemüsemärkten alle den täglichen Bedarf frischer Lebensmittel herbeirollen, auf den schichten sich die Waren, einstweils ungeordnet, an den Verkaufs ſtänden. Die Nachtpatrouille der Polizei marschiert ihre letzte Runde diener der Hotels sind mit Stiefelpuzen, Anzugbürsten, Vorbereitung ab, im Kriminalgewahrsam werden die Papiere Eingelieferter für die erste Bernehmung gesichtet oder Photos herausgesucht ,, die Hausder Abfahrt der Reisenden, die Frühzüge benutzen wollen, beschäftigt. Der Nachtportier ristiert einen kleinen Halbstundenschlaf und die
Taxichauffeure duseln vor sich hin, bis ein versprengter Fahrgast doch noch einen Wagen nimmt.
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Jetzt marschieren die Laternenanzünder durch die Straßen, um das überflüssig werdende Licht abzudrehen, die Bahnhöfe öffnen, Schalterbeamte, Gepäckträger, Zugbegleiter, Streckenbeamte arbeiter beziehen ihre Posten, Zugschilder werden gehißt, der Bahntelegraph arbeitet fieberhaft Zeitungshändler warten nervös por den Portalen der Druckereien, um die Morgenausgaben in Empfang zu nehmen denn auch die Rotationspreffe und alle die Bedienenden, vom Chef des Dienstes bis zum Segerlehrling, haben Nachtschicht.
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Nachtschicht hat auch die Post für Telegramm und Eilbriefhinaus müssen, Nachtarbeit hat der Künstler, dem die späten dienst, für Fertigstellung der Sendungen, die mit den ersten Zügen Stunden manche Inspiration bringen, und Früharbeiter ist ein anderer Künstler, der seine Werke im Licht der ersten Morgenstunden zu schaffen gewohnt ist.
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In den großen Kontorhäusern haben bis jetzt die Fenster grell geleuchtet, dort und in den Bergnügungsstätten haben die Reinmachefrauen ein paar Stunden souverän geherrscht und in den Induſtrien, die, vielleicht infolge glücklicher Augenblicks- oder Saisonfonjunktur mit Aufträgen gesegnet sind, surrten weiter die Maschinen, wurde Rohstoff verarbeitet, fannte die Nacht und der frühe Morgen feine Ruhe...
Die stille Fassade der Straßen ist ein Täuschungsmanöver von fast mittelalterlicher Herkunft: die Stadt fennt keine Minute Ruhe! Der Tag beginnt viel später aber die Arbeit ist... ein„ laufendes Band"!
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