Morgenausgabe
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48.Jahrgang
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Freitag 18. Dezember 1931
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
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Laval in Nöten.
Selbstverschuldete Schlappe.- Parlamentstumult um die Wahlreform.
Paris , 17. Dezember.( Eigenbericht.)
In der Kammer fam es heute abend, mie zu erwarten war, zu einer neuen, durch grenzenlose Tumulte ausgezeichneten Debatte über die ahireform, bei der sich das Kabinett Laval, das sich bereits einige Stunden vorher im Senat in einer be. drängten Position befunden hatte, eine blamable Niederlage zugezogen hat, für die es allein die Schuld trägt. Der Aeltesten ausschuß der Kammer hatte heute nachmittag bei der Festsetzung des Arbeitsprogrammes für die nächsten Tage sämtliche Anträge des Vorsitzenden der Wahlrechtskommission, Mandel, eine besondere
Sigung für die Wahlreformdebatte am Sonnabend, dann am Montag und schließlich am Mittwoch vorzuschlagen, abgelehnt. Mandel hatte darauf erklärt, daß er vor dem Plenum trotzdem verlangen werde, am Mittwoch eine Sigung für diese Debatte abzuhalten.
Als am Schluß der Nachmittagssigung der Kammer das Arbeitsprogramm des Aeltestenausschusses dem Hause zur Genehmi gung unterbreitet wurde, verlangte für den Abg. Mandel Minister präsident& aval, wahrscheinlich von seiner getreuen Mehrheit" dazu gezwungen, die Anberaumung einer Gigung am nächsten Mittwoch für die Wahlreformdebatte. Dieser Antrag der Regierung rief auf der linken Seite des Hauses um so größeres Erstaunen hervor, als fich der Ministerpräsident bisher völlig neutral in diefer Angelegenheit verhalten hatte, ja jogat, wie erzählt wird, gestern, auf Mandel einen Drud auszuüben versucht hatte, in die Bertagung der Wahlreform einzuwilligen, ha angesichts der Obstruktion der Linksparteien die ganze gefeggeberische Arbeit der Rammer lahmgelegt werden würde.
die Linksparteien fchon vor dem ersten Wahlgang dieselben Wahlbündnisse abschließen würden,
die die Rechtsparteien planen. Dasselbe brachte noch deutlicher der frühere Borsitzende der Radikalen, Daladier , zum Ausdrud, der mutig erklärte, daß er seit seiner ersten Wahl in die Kammer immer nur ein 3deal verfolgt habe, nämlich die Einigung der Linfsparteien. Schließlich griff noch Léon Blum in die Debatte ein und verteidigte, während der Tumult in der Kammer immer größer murde, die Obstruktionspolitik der Sozialisten gegen diese angebliche Wahlreform, die darauf hinauslaufe, der Minderheit der Wähler die Macht im Parlament zu sichern.
Nach einer erregten Geschäftsordnungsdebatte wurde schließlich über den Antrag der Regierung, eine Debatte über die Wahlreform am Mittwoch anzuberaumen, abgestimmt. Auf einen von fünfzig Mitgliedern der Linksparteien unterzeichneten Antrag erfolgte namentliche Abstimmung auf der Tribüne, für die nach der Geschäftsordnung eine Stunde Zeit gelassen werden muß.
Um 10 Uhr wurde das Ergebnis der Abstimmung verkündet: Mit 234 gegen 228 Stimmen lehnte die Kammer die Mittwoch figung ab. Die Linfe begrüßte das Ergebnis mit ungeheurem Beifall und mit dem an die Regierung gerichteten Ruf„ De miffion!"
Abgeordneter Mandel gab sich mit diesem Reinfall nody nicht zufrieden und verlangte jegt eine Unterbredjung der Sizung, um darauf sofort eine neue Sigung zur Besprechung der Wahlreform abzuhalten. Dieser Antrag löfte natürlich mieber einen ungeheuren Lärm aus. Die Linte protestierte gegen diefen der Tagesordnung widersprechenden Antrag, so daß der Kammerpräsident ihn ablehnen mußte. Das Haus einigte sich fchließlich nach einer erregten Debatte darüber, daß Mandel morgen den Wahlrechtsausschuß um ihre Ansicht über die Folgen, die aus der Ablehnung der Mittwoch am Ende der morgigen Nachmittagssigung der Kamuner befannt geben foll. Troß dieser zu erwartenden neuen Debatte tann man aber schon jet sagen, daß der Wahlreformvorschlagenda gültig begraben ist.
Herriot bekämpfte im Namen der Radikalen den Antrag der Regierung und geriet dabei in eine erregte Auseinandersegung mit Mandel, der ihm unter anderem zurief, sein Berhalten in dieser Frage sei seiner unwürdig, zumal zahlreiche Rahifale in der Kommission selbst für die Abschaffung des zweiten Wahl- figung zu ziehen sind, befragen und den Beschluß der Kommission tampfes eingetreten feien. Herriot schloß seine von häufigem Tumult der Rechten und Beifall der Linten unterbrochenen Ausführungen mit der Erklärung, daß, wenn die Kammer die Wahlreform ver abschieden sollte,
Für Hoover Moratorium
aber gegen Schuldenstreichung.
Washington, 17. Dezember. Der Finanzausschuh und der Ausschuß des Repräfentantenhauses nahm das Hoover- Moratorium an.
Sodann nahin der Ausschuß foflgende Entschlchießung an: ..Hiermit wird ausdrücklich erklärt, daß es der Politik des Kongreffes zumiberläuft, daß irgendwelche SchuldDerpflichtungen auswärtiger Länder an die Bereinigten Staaten irgendwie gestrichen oder herabgesezt werden. In dieser Entschließung darf nichts als Anzeichen einer gegenteiligen Politik gedeutet oder als Ausdrud dafür aufgefaßt werden, daß man zu irgendeiner Zeit einen Wechsel dieser Politif in wohlwollende Erwägung ziehen würde."
England und die Privatschulden.
Paris , 17. Dezember. ( Elgenbericht.) Der englische Botschafter Cord Tyrell hat dem französischen Außenministerium am Donnerstag eine Abschrift der am Mittwoch dem französischen Botschafter in London überreichten englischen Nole zur Reparationsfrage übermitten laffen. Das Dokument umfaßt 20 Schreibmaschinenfeifen und ist in sehr freundschaftlichem Ton gehalten. Die englische Regierung spricht in ihm die offnung aus, daß sie mit der französischen Regierung zu einer Einigung über die kurzfristigen kredite und die Reparationen gelangen werde. Während aber die franzöfifche Regierung in ihrer Note die Aussicht ausgesprochen hatte, daß das Brotlem der Kredite vollkommen unabhängig von dem der Repara. fionen zu regeln fel, foll die englische Regierung nach einer Agenturmeldung ihre Forderung auf Verknüpfung der beiden Fragen aufrechterhalten und ein Vorrecht für die Rückzahlung der kurzfristigen Kredite fordern.
Sonderausschuß beurteilt Reichsbahn günstig. Basel , 17. Dezember.( Eigenbericht.) Das Interkomitee für die Deutsche Reichsbahn
des Sonderausschusses der B33. tam am Donnerstag zu bar Subfolgerung, daß die Reichsbahn weniger als die Eisenbahnen amberer Zänder burd die Rüdwirtungan der Belmirtschaftsteise
in Mitleidenschaft gezogen sei, ihre Lage gesund sei und der Betrieb nach Beendigung der Krise rasch wieder geminnbringend gestaltet werden könne.
Kreismitgliederversammlungen
Heute, Freitag, den 18. Dezember, 19% Uhr: 3. Kreis Wedding . Pharusfäle, Müllerstr. 142. Referent: Dr. Julius Moses , M. d. R.
8. Kreis Spandau. Seiz Festsäle, Schützenstr. 2-4. Referent: Anton Reißner, M. d. R.
9. Kreis Wilmersdorf. Bittoriagarten, Wilhelmsque 114/115. Referent: Friedrich Stampfer , M. d. R.
12. Kreis Steglik. Lichterfelder Festsäle, Zehlendorfer Str. 5. Referent: Franz Künstler , M. d. R. 13. Kreis Tempelhof . Birkenwäldchen, Tempelhof , Manteuffel
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ftraße.
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14. Kreis Neukölln. Bergschlößhöhe, Karlsgartenstr. 6-11. Referentin: Mathilde Wurm , M. d. R. Ref.: Kurt Heinig , M. d. R. Achtung, Kreisfunktionärkonferenz. 16. Kreis Köpenick . Stadttheater. Köpenick . Friedrichstr. 6. Referent: Dr. Kurt Löwenstein , M. d. R. Thema in allen Versammlungen:
,, Die politische Lage
und die neue Notverordnung"
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Poftichedkonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3. Dt. B.u.Disc.- Gel., Depofitent., Jerusalemer Str. 65/66.
Das Schuldennet reißt.
Zur Krise der Reparationen.
Im amerikanischen Abgeordnetenhaus hat Präsident Hoover den Gesezentwurf über sein Ein- Jahr- Moratorium für die Kriegsschulden einbringen lassen. Gleichzeitig foll der Senat einen Schuldenausschuß einsetzen, der die Zahlungsfähigkeit der europäischen Schuldnerstaaten prüfen und zu neuen Vereinbarungen über die Kriegsschulden die Befugnis haben soll. Im Einverständnis mit dem Präsidenten hat man diese Form gewählt. Man will einen offenen Kampf der beiden Parteien um die Schuldenverträge während einer tiefen, die Leidenschaften und Interessen allzu stark aufrütteln den wirtschaftlichen Krise vermeiden. Der Senat soll auf seine Verfassungsbefugnis, mit Zwei- Drittel- Mehrheit Berträge abzuschließen, verzichten zugunsten eines Ausschusses, dem beide Parteien angehören und der deshalb weniger aus Rücksicht auf die aufgeregten und aufgebrachten Kapitalistenmassen als aus den sachlichen Notwendigkeiten über die Schuldenverträge mit Europa beschließen kann. Die Entscheidung über entschieden, ob die Macht des Ausschusses nur dahin gehen den Ausschuß foll schon Ende der Woche fallen. Zugleich wird. foll, die Zahlungsfähigkeit der Schuldner zu prüfen und eine zeitweilige Einstellung( Suspension) der Kriegszahlun= gen zu vereinbaren, oder ob sie soweit gehen soll, daß er dauernde Neuregelungen, d. h. die Streichung der Kriegsschulden und die Aufhebung der Schuldverträge beschließen tann. Bie das Scäfteverhältnis in den Stunden der Abftimmung sein wird, steht noch dahin. Auf der, einen Geite muß man an die Banken und das Finanzkapital denken, die eine Schuldenstreichung wollen, um von Deutschland und Evropa die Kredite zurückzuerhalten: auf der anderen Seite an die Steuerzahler, die nicht nur riesige Bermögensverluste erfitten und ein Zehn- Milliarden- Defizit decken, sondern nun auch noch 1,5 Milliarden europäische Staatszahlungen felber aufbringen sollen. Jeder einzelne der 96 Millionärssenatoren wird abmägen, ob er auf die Dauer durch eine Steuererhöhung megen der ausfallenden Kriegszahlungen mehr verfiert, als er oder die hinter ihm stehende Schicht gewinnen kann durch die. Rettung der in Deutschland festgefrorenen Kredite oder eine Kurssteigerung der deutschen Anleihen in Amerita infolge einer Schuldenstreichung. So steht noch dahin, wie groß die Befugnisse des Schuldenausschusses sein werden.
Hingegen fann man die Einsetzung des Ausschusses mit Sicherheit erwarten. Was vor einigen Monaten noch politisch und psychologisch unmöglich schien, wird durch die Wucht der wirtschaftlichen Tatsachen jetzt verwirklicht. Es wiederholt sich der Borgang, der zum einjährigen Hoover- Moratorium führte: damals der Finanzkrach in Deutschland , den mon mit der einjährigen 3ahlungspause, aufzuhalten hoffie. Jetzt der Sturz des englischen Pfundes. Er hat mit einem Schlage die jährliche Leistung Englands an Amerika fast um 40 Proz. gesteigert, da der Schuldenvertrag von 1923 auf der Zahlung von Golddollars beruht. Da aber England von Frankreich und Italien nur entwertete Pfunde, von Deutsch land jetzt gar nichts erhält, würde England dem Staatsbanfrott zueilen, wenn es an Amerika wie bisher in Goldmerten zahlen sollte. Die Zahlungsunfähigkeit Englands hat es Hoover ermöglicht, die Revision der Schuldenverträge über das Moratorium hinaus in die Wege zu leiten.
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In Frankreich hat die Nachricht von dem Gefeßentwurf über den Schuldenausschuß kein günstiges Edho gefunden. Natürlich wird der Gerechtigkeitssinn" dieser Nation, die sich auf höherer Macht glaubt als je jeit Napoleons I. Zeiten, tief von der Vorstellung verlegt, daß andere deshalb von ihren Schulden freikommen sollen, weil sie vor dem Bankrott sind, während Frankreich jetzt für fein folides Wirtschaften" schlecht belohnt wird, weil es dank seiner Leistungsfähigkeit meiter zahlen kann. Sollte sich die Propaganda der französischen Rechtsregierung auch weiterhin in dieser Richtung bewegen, so wird sie doch nicht viel Erfolg ermarten können. Dazu ist die Erinnerung daran noch zu lebhaft, wie Frankreich das Hoover- Moratorium sabotierte und Damit den beabsichtigten psychologischen Erfolg der Einstellung der Zahlungen zerstörte. In England wird man darauf verweisen, daß man schon viele Jahre früher als Frankreich an Amerifa zu zahlen anfing, und in Amerifa mächst täglich die Neigung, Frankreich erst dann die Zahlungspflichten zu erleichtern, menn es seinerseits garantiert, den ersparten Betrag nicht für Rüstungen zu verwenden. Amerifa