„ Landesheilanstalt"... heißt es jetzt. Nicht mehr Jrren haus". Es ist auch fein Gefängnis mehr. Es ist ein weites Gelände, über das sich einzeln liegende Gebäude verteilen. Kranten häuser, abgeteilt für Unruhige und Harmlose, für Männer und Frauen, das Verwaltungsgebäude, Küche, Wasch- und Vorrats haus, Wohnkolonie für die Angestellten mit Gärtchen, wette Ställe und Lager für den eigenen landwirtschaftlichen Betrieb. Bon Mauern, Gittern, Zäunen ist nichts zu sehen. Das Anwesen liegt offen über dem See. Anlagen und Wiesen umschwimmen die Häuser. Die Fenster sind gitterlos. Aber sie gehen nicht an Angeln, fondern drehen sich in der Mitte auf, so daß die Deffmung schmal bleibt, den Blick wohl hinaus ins Freie, aber feinen Raum läßt, durch den ein Körper fich hindurchzwängen fönnte.
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Wir gehen von den Männerhäusern hinüber zu dem Teil, in dem die Unterkunftsgebäude für die Frauen liegen. Eine Gruppe Geistestranter hängt wie ein Bienenschwarm um einen Handwagen, den sie über die Wiese ziehen. Der Wagen und die Beschäftigung, die der Wärter die Kranken um ihn veranstalten läßt, sind die einzigen Feffeln, die die Kranken ans Bleiben und an einen ruhigen Gemütszustand binden.
Der Letter der Anstalt zeigt mir das alles und sagt vor der Tür bes Frauenhouses:
,, Sie sind der erste Nicht- Arzt, der hier hineinfommt. Aber wir wollen nicht zwischen den Frauen durchgehen, nicht wahr? Es wird Ihnen auch genügen, von der Tür in einen der Säle zu schauen. Dann ersparen wir den Kranken die sonst unvermeidliche Aufregung."
Das Haus ist ein Bau aus der Zeit von vor 15 Jahren, aus Stein, in der Architektur ohne besonderen Bert, aber gepflegt und solid. Die Fenster des hochgelegenen Erdgeschosses stehen um eine Achse offen. Der Arzt öffnet mit einem Schemafchlüffel die Haus tür , wir steigen eine Treppe von einigen Stufen in einen fleinen Flur, auf den mehrere geschlossene Türen gehen. Es ist alles wie. in einem großen Privathaus. Nur das Geländer der Treppe reicht bis zur Decke und hindert den Sturz ins Stiegenhaus. Eine Bär berin, cine gute, dice, ältere Frau, fommt aus ihrem Zimmerdhen. Der Direttor fragt. Es ist nichts Außergewöhnliches los. Er öffnet gleich die erste Tür.
Wir kommen in einen großen, langen Raum. Er ist in der Hälfte durch eine Holzwand getrennt, die über mannshoch ist und in der Mitte einen breiten, offenen Durchgang hat. Auf dem Gesims, das über der Holzwand läuft, stehen Blumen, Bogelkäfige und ein Lautsprecher. Auch auf einigen Tischen blühen Blumen. Es ist ein freundlicher, fleiner Saal, der eher dem Aufenthaltsraum einer besseren ländlichen Sommerfrische entspricht.
In dem Teil, in den wir eingetreten sind, fizzen zwei Frauen. Eine steht fofort auf und geht in den zweiten Teil und mischt sich unter die Frauen, die in ihm auf Stühlen und Bänken herum fizzen oder die herumstehen. Die andere bleibt. Es ist eine bäuerfiche Muhme, die über einer großen Stiderei figt. Sie läßt fidh nicht stören und arbeitet weiter.
War die Mahnung des Arztes vor der Tür, ich möchte nicht zwischen den Frauen durchgehen, nicht übertrieben in ihrer Borsicht? Es mögen zwanzig Frauen dort beisammen fein. Und feine nimmt Kenntnis von uns. Es ist, als seien wir nicht hier eingetreten.
" 1
Ich frage: Was machen Sie, wenn eine der Kranten sich erregt?"
Da sehe ich nahe bei mir eine junge, dunkle Frau auf einem Tisch fizen. Sie ist schön, üppig, hot fchwarze Augen, die voll Trauer abwefend beiseite schauen. Ihre Lippen find weich und gefchwungen. Es ist etwas von Camt in ihrer Erscheinung. Sie ist gut gefleidet.
Der Arzt antwortet: Bor allem seelische Einwirkung; Befchäftigung, Bettruhe, Bäder, Drogen, und wenn es nicht hilft, eine furze Zeit Alleinsein in einer besonderen Kammer. Ich zeige sie Ihnen nachher. Es ist ein leerer, lichter Raum. Sie dürfen nicht an die alten gepolsterten, mit blauer Düfternis gefüllten Tobsuchts. fammern denken. Kurze Zeit nur bleiben fie drin, eine Viertelstunde, höchstens eine halbe.
Bährend er spricht, durchmustere ich den Raum, in dem sich die franten Frauen zusammenhalten. Sie sind verschiedenen Alters, aber noch unterschiedlicher im Aussehen. Manche arbeiten etwas. Andere stieren vor sich hin. Es gehen auch welche hin und her, mit Schritten, die gehemmt sind und etwas zögern. Ja, alle find von der Krankheit ihres Gemütes in den Augen gezeichnet. Das ist unverkenntlich. Zwei lesen in Zeitungen. Jetzt schauen woh! schon einige her zu uns, doch ohne besondere Anteilnahme.
Auch die junge, schöne Frau, die so dunkel und famtig ausficht und die schwermütigen, schwarzen Augen hat, ganz in meiner Nähe, hebt jetzt die Augen zu uns auf. Es ist ein finsterer Ausbrud in ihnen. Aber bemerkt sie uns? Das ist nicht zu erkennen.
An der rüdwärtigen Band spaziert eine hagere, große, er= graute Frau auf und ab. Sie bleibt stehen, nicht unvermittelt, jondern als ob ein langfam aufgefetmter Entschluß ihren Willen bestimmte, es zu tun. Langjam schaut sie nun auf uns. geht fein Zeichen durch ihre Züge, erkennen laffend, daß wir irgend einen Einbrud auf sie machten. Reglos bleibt sie stehen. Erstarrt verharrt sie dabei, zu uns herüberzuschauen.
Aber es
Der Direktor ist zu der Alten getreten, die über der Stickerei figt. Er grüßt fie, fragt. Sie steht gleich auf, fommt mit ihrer Arbeit zu mir und bescheiden zuwartend, zeigt sie mir fie. Ich fage:„ Das ist eine schöne Arbeit. Das Abwechseln zwischen weißen und gelben Fäden... Sehr schön!"
Driben zwischen den Männern, in der Abteilung der Un ruhigen, mar es auch ähnlich zugegangen. Auf eine erste Teil nahmslosigkeit war Neugier, auf diese Erregung gefolgt. Es war nach uns geschlagen worden. Der Bärter hatte eingegriffen. Aber dennoch und obgleich diese zwanzig Frauen den trennenden Raum der Holzwand nicht überschritten und sie es bei diesen platonischen Zeichen der Erregung bewenden ließen, hatte man vor diesen weiblichen Kranten die Empfindung einer böseren, geloderteren Möglichkeit, einer Untiefe, wie in einem nach oben schlammig und träge fließenden Bach, in dem heimliche Strudel sich verborgen hielten.
Bei den Männern weiß man genauer, mo man dran ist. fogte der Arzt. Man fann mit einer gewissen Sicherheit beredhmen, was zu tum ist und wie die Wirkung sein wird. Gerät eine Frau in Erregung, so weiß man nicht, wo es hinfließt. In den weiblichen Stranten liegt etwas Unbestimmbareres und Un Den weiblichen Kranten liegt etwas Unbestimmbareres und Un bestimmteres, etwas Bodenloses."
Jetzt sehe ich, wie die Wirkung unserer Gegenwart auch die graue, hagere Frau drüben an der Wand erfaßt. Ihr Gesicht verzieht sich in einem steifen Lächeln zwischen einer spöttischen Berlegenheit und einem unbestimmbaren Ausdrud. Reglos steht sie da und schaut. Und plötzlich schlägt auch sie mit der Hand an die Stirn zum Gruß und geht in denselben Augenblic, immer noch auf diefelbe Art lächelnd, wie in einer haftigen Scham zu dem tiefen Fenster, als ob sie sich verbergen wollte. Von dort lugt sie dann noch manchmal zu uns her.
Die weichen Lippen der dunklen Frau, die in meiner Nähe auf sie bleiben lautlos. Eine Flut von Borten quillt zwischen ihnen dem Tisch sitzt, bewegen sich jetzt, bewegen sich immer rascher. Aber durch, aber sie bleiben stumm, während der Blick der Augen mit einer lastenden Berbissenheit und Trauer unverändert, der Körper bewegungslos ist.
50 Jahren, die sich vor einigen Augenblicken zu ihr gestellt hat, Die fleine, bürgerlich und robust aussehende Frau von 45 oder betrachtet ihr Gehaben mit einer spöttischen Ueberlegenheit. Dann 50 Jahren, die sich vor einigen Augenblicken zu ihr gestellt hat, betrachtet ihr Gehaben mit einer spöttischen Ueberlegenheit. Dann wirft diese Frau uns einen Blick zu, dessen Einverständnis sich eins mit uns erflärt, so, als ob sie genau und flar dieselbe Auf faffung über den lachhaften Zustand, über die Sinnlosigkeit und Bergeblichkeit des Benehmens der anderen hätte wie wir.
Aber dieser Blid, in dem sich das Licht von noch erhaltenen Bruchstücken der Vernunft zeigt, entspringt geftungslosen Voraus fegungen, wie wir wissen. Sie ist genau so geistestrant wie die andere. Hinter der scheinbaren Wirklichkeit dieses Blides ist die selbe müste linordnung, wie hinter all diesen anderen Augen, die uns anschauen oder uns übersehen.
Segt oben be fammen erabes Morte e ben 2ppes ber meiden, dunken Fran Laut gemormen. Dit einer einhörigen Beharrlichkeit sprudeln sie flüsterno lagen heraus Benig Worker find zu verstehen. Immer wieder höre ich Gefängnis" als beut lichtes und erregendftes heraus. Fast allen eingeschlossenen Kranken im Erregungszustand füllt dieses Wort Phantasie und Billen. Die Krankheit des Hirns vermag nicht, den urtümlichften und tragischsten Begriff aller Kreatur zu zerstören: Die Sucht nach Freiheit.
Die schwarzen, großen Augen stehen mun auf uns gerichtet und sind wie erstarrt an uns. Drohend treffen sie uns, böse und In diesen schönen, gefährliche Boten aufkommenden Sturmes. melancholisch bösen, wie in all den Augen diefer Stranten ist eine Leere, die mit einer Unwirklichkeit wie mit einem gespensterhaften Wind gefüllt ist. Es ist teine Landschaft des Menschlichen, feine Geographie der Seele, des Gemüts, der Intelligenz, es ist fein Lebensraum hinter ihnen.
Das Krante, das statt dessen sich fichtbar macht, reißt die Ber fönlichkeit dieser Menschen aus dem Hinströmen des Lebens in eine Untiefe. Bor ihrem, von Dämonen verwühlten Schlammgrund weicht unsere Phantasie zurück, mit Scheu und Scham geschlagen, daß man, wie vom Odem eines drohenden Geistes berührt, läuft das Schicksal der Erkrankten außerhalb ihrer Persönlichkeit ab. faum hinzubliden wagt. In dieser unsichtig verwühlten Untiefe
Rein, Scheu und Scham schöpfen die Empfindungen nicht ganz aus. Es ist auch noch etwas von Angst, ja, im weiteren Sinn von einem unmittelbar inneren Beteiligtein hineingemischt. Angst? Niemand ist sicher über das Durchhalten der Kräfte, die im ge= leiten. Beteiligtsein? Wir gehören in denselben Kreis der Schöpfung heimen Untergrund des Daseins die Berrichtungen des Innern wie diese Geistestranten. Sind tätige Glieder von ihr, ein unlös barer Bestandteil, ein Rad in threm Räderwert. Wir haben einen Anteil daran, daß die Schöpfung in diesen Mitmenschen abgeirri höchsten menschlichen Apparat, den sie ihnen gab, nicht mehr beist, daß an ihnen die Natur in ihrer Mechanit versagt und den herrscht.
Wir als Zuschauer, an unseren Platz zwischen Tür und außerhalb der franken Frauen gebannt, sind die Beute eines eigenen inneren Aufruhrs. In unserem Gemüt ist die Vorstellung gewedt, wir seien an den Rand eines Chaos geraten. Ein leises Grauen fällt einen an, da man sieht, daß in dem Kreis der Frauen unsere Gegenwart immer bemerkbarer wird. Daß sie wie ein Stock in einen Wespenbau in den trüben Spiegel dieser ertranften Augen sticht.
Auf dem Tisch fißt noth immer bemegungslos die schöne weiche Frau und ihre Lippen gießen mit störrischer Beharrlichkeit die geflüsterten Klagen nach Freiheit hervor. Aber um fie rudelt es fich auf. Es erfolgen edige, aufgreifende und auslehnerische Bewegungen erregter ärme. Die Lippen verwildern in Anklagen und Verwünschungen oder in den Enthemmisein geweckter Gier. Wir müssen gehen.
Un einem strahlenden Frühlingsnachmittag tehrte ich einmal aus purer Faulenzerei in einem fleinen, dunklen Kaffeehaus ein. In dichte Rauchwolfen gehüllt, faßen an einigen gelb gewordenen Marmortischen Schweigsame, merkwürdige Gestalten, die grübelnd ihre langen Nasen über die Tische herunterhängen ließen. Die gefrümmten Schultern, die merkwürdigen furzen Radmäntel mit fast ebenso großen aufgestellten Kragen, die riesigen Halskrausen glichen, die wichtigen, düsteren Mienen das alles erinnerte mich verblüffend an eine Reihe ebensolcher Vögel mit langen Majen, mit Krausen um den langen nackten Hals, die mit genau so blöd- mehmütiger Miene dahockten an die Vögel Marabu.
,, Marabu!" schrie ich lachend in das düstere Zimmer hinein. Die Gestalten rührten sich nicht, aber vom Kleiderständer löfte sich ein dunkler Diener los, der gleichfalls einem abgenutzten Marabu ziemlich ähnlich sah, und antwortete mit heiserer Stimme: Die find nicht da!"
Alle Marabus, außer dem Garderobier, saßen hinter Echachbrettern. Einige spielten nicht, beugten sich aber auch über die Tische, nidten mit ihren langen Nasen und starrten, ohne mit der Wimper zu zuden, auf die Figuren aus schwarzem und gelbem Holz, die in fonderbaren, für mich unverständlichen Kombinationen aufgestellt waren. Bom Hörensagen war mir bekannt, daß es Bauern, Springer und Läufer gibt, und nach meiner sonderbaren Gewohnheit, aus lauter Langeweile allerlei Unfinn zu lesen, hatte ich oft auf den legten Seiten der Zeitung die für mich rätselhafte Rubrif durchgesehen, und es war mir im Gedächtnis geblieben, daß fast jede Partie mit dem geheimnisvollen Zuge Bauer e2- e4" beginnt.
Einer der Spieler hob inmitten des allgemeinen Schweigens lautlos die Hand und rückte eine Figur schräg um zwei Felder vor. Alle Zuschauer machten eine angespannte Bewegung. Ich aber griff mir an den Kopf und rief entsetzt aus:„ Gott ! Das soll ein Zug sein? Sie sollten den Springer doch hierher stellen." ,, Das kann ich doch nicht! wandte sich der Mummelgreis ärgerlich nach mir um.„ Er wird doch hier von dem Bauern geschlagen!"
„ Und wenn schon. Dafür werden Sie aber nach zehn Zügen einen riesigen Situationsporteil haben. Dieses Gambit existierte In einer Bariante bereits bei Professor Lobatschewsky."
Einer der Zuschauer sah mich neugierig an und sagte:" Dort ist ein Tischchen freigeworden... Wollen wir eine Partie zuWenn Sie ebenso fpielen, lehne ich ab", fagte ich würdevoll. ,, Warum?"
Sie spricht nicht und der Ausdrud ihres Gefichts nimmt fammen spielen?"
eben
falls feinen Anteil an dem Borgang oder meinen Worten. " So hat sie schon eine ganze Menge", sagt der Arzt. Da geht sie hinaus und tommt bald mit einem Packen wieder. Es sind fleine und große Decken, etwa in der Art, wie sie auf Madeira gemacht werden. Unbewegt hält sie sie hin und wir sehen und wir eine um die andere an und loben sie.
Aber derweil war im Nebenzimmer eine merfliche Veränderung nor sich gegangen. Frauen, die sich hinten aufgehalten, famen allmählich nach vorn. Biele Augen schauen jetzt zu uns. Und nicht nur in den Augen war die Beränderung erkenntlich, auch im Bes nehmen. Es war sichtlich eine Neugier gemedt morden. Wie eine Hand, die fich einem Bienenvoll im Stod nähert, begann mun unsere Anwesenheit auf die Injassen des Zimmers zu wirten. Eine häßliche junge Frau in bäuerlicher Kleidung und mit gewöhnlichem, von der Krankheit gezeichnetem Gesicht, faß auf der Bant längs der Wand und lachte herüber, mit einem verstohlen lüfternen, verständnismäßigen Lachen. Plötzlich schlug sie mit der Hand an die Stirn, in einer haftigen Heimlichkeit: ein Gruß. Se beb fizzen und lachte weiter auf dieselbe anzügliche Weise.
Und neben ihr blötte leise und hartnäckig ein ganz junges Mädchen mit einem schwammigen Gesicht, in dem Augen mit ausgebleichter Ausdruckslosigkeit, voll von einer raumlosen Dede, Tagen. Andere begannen sinn und haltlos in die Luft zu reden. Die einen blöd beluftigt, die anderen in einem heimlichen Zorn. Die Atmosphäre hatte sich wie mit einem Schlag geändert.
Beil meine Beziehungen zu Menschen, die Stiefel nähen, sehr klar definiert sind: ich bestelle bei ihnen nur Stiefel und lasse mich in feine anderen Spiele mit ihnen ein! Um mich übrigens ein wenig zu zerstreuen, würde ich nichts dagegen haben, gegen zehn Ihrer besten Spieler zugleich zu spielen. Es wird mir einz Leichtigkeit sein, Sieger zu bleiben....
,, Aber wissen Sie denn, daß einige von uns bei den letzten internationalen Wettkämpfen preisgekrönt worden sind?"
Oh, das ist mir ganz gleich", zudte ich verächtlich die Achseln. Ich hatte so laut gesprochen, daß alle Marabus auf uns aufmerksam geworden waren. Zuerst starrten sie mich in wilder Ber blüffung an, sprangen dann aber auf, notierten ihre Partien, und, nachdem fie fich flüsternd beraten hatten, erflärten fie fich zum Turnier bereit. Während ich gleichmütig eine 3igarette rauchte, waren einige Marabus damit beschäftigt, zwölf Schachbretter auf zusammengerüdten Tischchen aufzustellen. Zwölf ausgewählte Marabus fegten sich, wie dressierte Bögel. stramm in eine Reihe und stedten sofort mit einer professionellen Gebärde die Nasen über die Bretter.
Sie haben den ersten Zug, verehrter Herr!" wandte sich der Schiedsrichter, ein Greis mit trüben Augen, an mich.
Ich glaubte, meinen Scherz nun weit genug getrieben zu haben. Aber es wollte mir nicht einfallen, wie ich jetzt von hier weg. tommen follte. Sm Borrat hatte ich den ersten Zug, der mir aus
या
den rätselhaften Schachrubriken in Erinnerung geblieben war, und ich rief gebieterisch aus:„ Meine Herren! c2- e4! Ich ersuche Sie, für mich zu ziehen!"
3wölf gelbe Hände streckten sich nach den Figuren aus, und zwölf. Figuren auf zwölf Brettern rückten um zwei Felder vormärts. Die rauhe, dünne Stimme des ersten Spielers von rechts fnarrie: e7- e5. Ich betrachtete von jern aufmerksam die Bretter. begriff gar nichts und versant in Nachdenken. Es war wohi Zeit für mich, zu verduften. Aber ich zudte ironisch die Achseln und verkündete in entschlossenem Tone:„ b1- b3..
Sämtliche Marabus blickten verblüfft zu mir auf.„ Sie wollten wahrscheinlich sagen: b1- c3?"
" Ich will das sagen, was ich für notwendig halte", meinte id) trocken.
„ Aber einen solchen Zug gibt es doch nicht! Der Springer fann doch nicht in gerader Linie vorwärts gerückt werden!"
„ Sie meinen, nicht? Haben Sie denn noch nie von dem Gambit des Marabu gehört?" jagte ich mit giftigem Lächeln.
„ Ein solches Gambit existiert nicht!" schwirrten Duhend: Stimmen um mich herum.
.„ Wi- irrkli- ich? Ihr hocht in diesem üblen, rauchgeschwängerten Loch, habt alles auf der Welt vergessen und habt in stumpfer Trägheit auf alle Errungenschaften verzichtet, die in letzter Zeit in diesem großen, schlauen, edlen und wahrhaft föniglichen Spiel, das Schach heißt, gemacht wurden...."
„ Er ist verrückt", sagte jemand aus einer Ede.
„ Verrückt?" schrie ich mit gut gespielter Wut. ,, Ja! Ueberall und immer hat man alle Neuerer, Erfinder, Propheten, alle Märtyrer der Wissenschaft, alle Philosophen für verrückt erklärt. Aber hat sich deshalb etwas verändert? Steht der Fortschritt still? Wie früher ragt der Eiffelturm unerreichbar hoch empor, und die unterirdischen Eisenbahnen umspannen die Erdrinde immer mehr und mehr mit ihrem Stahlney. Ich behaupte, daß das Gambit Marabu existiert! Es gestattet mit dem Springer in gerader Linte zu ziehen, und wenn Ihr euch weigert, es anzuerkennen, werde ich euch eine laute Anklage ins Gesicht schleudern: grimmige Maulwürfe, versteckte Feiglinge, Eulen, die Angst bekommen haben vor dem frischen Luftstrom und vor den Sonnenstrahlen, die in meiner Gestalt in die tote, erstarrte Atmosphäre der Verwesung und des Moders eingedrungen find! Nein! Genug.... Hinaus in die frische Luft!"
Während Dutzende empörter Stimmen um mich herum schrien und heuften, ging ich ruhig zum Kleiderständer und zog mich an. Einige Menschen sprangen um mich herum, schwenkten die Arme wie Flügel hin und her und fnarrten mit den eingerosteten Stimmich streng und ruhig empor und schritt würdevoll aus dem muffiAber, ohne sie zu beachten, setzte ich den Hut auf, richtete gen, düsteren Zimmer hinaus.
men.
Die frische Luft der Straße empfing mich liebevoll, und voll Bonne die Augen zufneifend, lachte ich der hohen Sonne entgegen. ( Deutsch von G. Borissoff und B. Skidelsky.)
Pflanzen mit blauen und lila Blättern. Auf Celebes entdeckten die Forscher Sarafin ein Farntraut( Lindsaya azurea), dessen Blatts oberseiten in herrlichem Ultramarinblau gefärbt sind. Auch die in Indien einheimischen Eukalyptusgewächfe befizen, folange fie nod) Sträucher bilden, d. h. noch nicht zum Baum ausgewachsen sind, aurantiaca) fieht dagegen aus, als ob fie lila Blätter und Stengel blaue Blätter. Eine auf Java vorkommende Composite( Gynura hätte. Bei genauer Betrachtung stellt sich dann freilich heraus, daß die Blätter und Stengel am Grunde grün, aber dicht mit rotlila Härchen besetzt sind, daß ihre Oberfläche, Jelbst in der Nähe besehen, ein fräftiges und gleichmäßiges Lila aufweist.
Berantwortlich für Politik: Bictor Schiff: Wirtschaft: G. Klingelhöfer: Gewerkschaftsbewegung: J. Steiner; Feuilleton : Dr. John Schilowski; Lokales und Sonstiges: Frik Karstäbt; Anzeigen: Zh. Glode; fämtlich in Berlin . Berlag: Borwärts- Berlag G. m b. S., Berlin . Drud: Vorwärts- Buchbruceret und Berlagsanstalt Baul Ginger u. Co.. Berlin ES. 68, Sindenstraße& Sieras 3 Beilages.