Nr. S97» 4S. Jahrgang ��6'�3Ol#tö(l|f(0 Dienstag, 22. Dezember �93�
ww den Borslg-leren Was die Arbeiter sagen-Tegei in Aufregung
Der Betriebsratsvorsitzende des Tegeler Borsig-Wertes, unser Genosse Robert G ö r z, hatte am Sonntagoormittag gerade den Saalbau Friedrichshain betreten, um diesmal als Arbeiter- sänger seine Stimme erschallen zu lassen, als ein Privatauto vor- fuhr und Garz Hals über Kopf aus dem Saal geholt und in das Auto gestopft wurde. Dann gings nach dem Norden, um zwei weitere Mitglieder des engeren Betriebsausschusses zu holen und um die Mittagsstunde waren Direktion und Ausschuß im Tegeler Werk beisammen. Es gab nicht mehr viel zu reden, über das Wochenende scheinen die Gläubiger die Nerven verloren zu haben— sie verlangten die sofortige Feststellung des finanziellen Status— i nun gut, aber dabei mußte der Fabrikationsbetrieb zum Erliegen kommen und so setzten sich Direktoren wie-Betriebsräte hin und schrieben jeder ein Plakat: Borläufig Schluß bei B o r s i g. Als die Borsig-Arbeiter dann am Montagfrüh durch die noch dunklen Straßen Tegels gingen, sprang ihnen die chiobspost von ihrer aller Entlassung als ein schlimmer Adventsgruß in die Augen. Statt daß sich die Werktore öffneten, lud man sie früh um 7.30 Uhr in das Kasino. Es war ein saurer Apfel, der den 280» Borsig-Arbeitern gestern früh überreicht wurde und so grellrot die Anschläge der Werksgärtnerei in den dämmernden Morgen leuchteten,„daß sie Weihnachtsbäume, schön gewachsen," zum Ber- kauf feilhalte, so wenig kümmerten sich noch die Arbeiter darum. „Kinder, drei Tage vor Weihnachten . Jetzt sind wir erschossen", meinten sie.... Verödete Hallen. So etwas hat der Portier noch nicht erlebt.„Ausgeschlossen, niemand darf in den Betrieb. Ich habe strenge Anweisung. Nein, auch nicht zum Sachenholen." Ein Lastwagen bahnt sich den Weg durch die vor dem Wert stehenden Arbeitergruppen, die leiden- schaftlich die vorläufige Schließung der großen Fabrik diskutierten. Der Chauffeur kommt zum Portier:„Ich habe hier zu liefern. Brauche aber einen Kran, das Stück wiegt SO Zentner."—.Lieber Mann, tut mir leid, bei uns geht kein Kran mehr.",— Zwischendurch kommen an die ISO alte Männer mit Eimern und Töpfen, die schon, bevor die Krise akut wurde, entlassen worden sind: die haben jeder eine grüne Karte, aus der steht oben„Winterhilfe" und unten„A. Borsig G. m. b. H.", und wer diese Karte besitzt, für den steht jeden Mittag im Kasino ein Freitisch bereit. Vorher muß der Portier aber noch die Karten stempeln. Man stiefelt dann über den oerschneiten Fabrikhof, verlassen und verödet liegen die großen challen zur Rechten wie zur Linken, und wenn die Schilder mahnen, beim Ueberschreiten der Gleise Obacht zu geben, dann besagt das Heuer nicht viel, weil die Lokomotiven sich schlafen gelegt haben. Im Betriebsratsbüro sitzt der alte Genosse Krause und meint:„Das geht hier heute zu wie bei aufgescheuchten Vögeln, dauernd bimmelt das Telephon und jedem muß man dasselbe erzählen: eine De- sprechung jagt die andere, mit der Betriebsdirektion. mit dem Ge- werberat, mit den Gewerkschaften: dabei warten wir auf das Reichsarbeitsmini st eriuw." Keste feiern wird zur(Strafe. So wie sich die Betriebsschließungen zu Weihnachten und Neujahr in der Berliner Industrie eingebürgert haben, ist das Feste- feiern für den im Stundenlohn arbeitenden Proletarier beinahe zu einer schweren Strafe geworden: man hat nur erhöhte Ausgaben bei geringerem Verdienst. Aber gegen die jetzige Kalamität ver- kündet der alte, noch im Betriebsratszimmer hängende Anschlag einen idyllischen Zustand: am Donnerstag sollte bei nur viertel- stündiger Pause um 14.15 Uhr Feierabend gemacht werden und am SUoestertage sollte um 15.30 Uhr Schluß sein, um am 4. Ja- nuar 1932, 7 Uhr früh, wieder mit der Arbeit zu beginnen. Dieser
Aufforderung werden vorderhand nur ganze 200 Mann folgen können, das sind die Notstandsarbeiter. Unterdessen warten die übrigen 2580 Mann mit Schmerzen darauf, daß chnen vor den Feiertagen wenigstens noch ein Pfundstück als Abschlagslohn aus- gezahlt wird und auch die Angestellten sehen mit gemischten Ge- fühlen dem diesjährigen Siloestertage entgegen, an dem über chnen das Damoklesschwert der Kündigung schweben wird..Linder, wie ist das bloß gekommen", sagen die Arbeiter und können sich noch immer nicht darein finden, daß Borsig, ausgerechnet Borsig , die Tore geschlossen hat. Wie es wirklich ist. „Denn", erzählen die Arbeiter,„du mußt das nicht alles für bare Münze nehmen, was auf den Nachweisen über Borsig zu- sammengetratscht wird Wir haben bei uns einen alten Arbeiter- stamm, von dem mehr als einer heute seine 35 Jahre im Werk ist. Natürlich hat sich da jeder seine eigene Arbeitsmethode ausgeknobelt und wenn nun ein Fremder kommt, der mutz erst eine Metze Salz ausessen. Aber ein Facharbeiter hat bei Borsig immer noch sein Gcldjjerdient. Wir haben immer unter den ersten 20 Prozent in der Spitzengruppe der Berliner Mctallarbeiterlöhne gestanden, da- bei geben wir natürlich zu, daß es Einzelerscheinungen sind, wenn hier und da einer noch 1,92 oder 1,82 Mark in der Stunde schreibt. Aber unsere 350 Schlosser, die haben bis zuletzt einen Stunden- durchschnittsverdienst von 1,27 Mark gehabt, die 350 Dreher durch- schnittlich 1,26 Mark, die Schmiede 1,28 bis 1,30, die Gießereifach- arbeiter 1,26 und die Maschinenarbeiter, Bohrer, Hobler, Stößer, Fräser 1,16 Mark. Und qualifizierte Lohnfacharbeiter haben auch eine Leistungszulage gehabt. Die Leute erzählen immer viel, dabei müssen wir doch wissen, was los ist." „Wo unsere Situation nun schon so zugespitzt war", sagen die Genossen vom Betriebsrat,„wird niemand den Beschluß der Gläu- biger verstehen. Es ist doch ein Unsinn, uns so die Hände zu binden, wir dürfen hier kein Stück Zinn , kein Stück Kupfer, keinen Niet und keinen Nagel mehr bewegen. Dabei brauchen wir doch erst einmal Arbeit, wenn das Werk seine Schulden bezahlen soll. Bei uns waren erste Wirtschaftskapazitäten, die haben festgestellt, das Tegeler Werk ist gar nicht veraltet, es ist gesund. Wir stehen auch in Verhandlungen mit Amerika wegen großer Aufträge, aber wenn man uns hier den Laden vor der Nase zumacht, wer gibt uns denn dann einen Auftrog. Wir werden beim Reichsarbeits- minister kein Blatt vor den Mund nehmen, es kommt jetzt alles darauf an, nach Neujahr den Betrieb wieder aufzumachen, die Ar- beit, die Geld einbringt, beschleunigt herauszuschaffen und dann müssen wir einmal sehen, wie wir weiterkommen, vielleicht vorläufig mit vier Fabriken. Maschinenbau , Kesselbau, Gießerei und Schmiede." „Ja, ja", meint noch emer etwas still für sich, als die Kollegen. zur nächsten Konferenz eilen,„wir haben hier Leute, die hingen an Borfig fester als an der Bibel, die dachten nie daran, daß ihnen einmal so etwas passieren könnte."
ver Botanische Garten an den Weihnachlstagen. Der Botanische Garten ist geöffnet am 2. und 3. Weihnachtsfeiertag(Sonnabend, 26. Dezember, und Sonntag, 27. Dezember) von 10—4 Uhr. die Gewächshäuser von 10— 4 Uhr. Am 2. Januar 1932(Sonnabend) ist der Botanische Garten e r st von 10 Uhr ab geöffnet. Er wird geschlossen um 4 Uhr. Die Gewächshäuser sind geöffnet von 10—4 Uhr. Am 1. Weihnächtsfeiertag und am Ncujahrstag bleibt der Botanische Garten geschlossen. Märchenfilme im Planetarium. Die Märchennachmittage finden ab heute täglich um 15 Uhr statt. Gertrud N u b e begleitet die Filme mit ihrem Vortrag.
Endlich sah Germaine auf ihre Armbanduhr.„Es ist fast ein Uhr. Fast vier Stunden habe ich Sie nun beschlagnahmt! Aber ich werde diese Stunden nicht vergessen! Gute Nacht!" Sie reichte ihm die Hand „Ich könnte die ganze Nacht so neben Ihnen gehen und mit Ihnen sprechen. Und doch wissen Sie nicht einmal ineinen Namen. Ich heiße Ernst Reiner.„Immer noch hielt > er ihre Hand. „Ich heiße Germaine Loriot." Noch einmal sahen sie sich in die Augen. Dann ging Germaine hinab in ihre Kabine. Leise kletterte sie hinauf in das schmale, harte Feldbett. Dann öffnete sie das kleine, runde Fenster. Der Sturm wurde immer stärker, und am Himmel glitten dickes Gewölk zerfetzte, zerrissene Gebilde vorüber. Germaine war von einer seltsamen, inneren Ruhe erfüllt. Nun wird alles gut, dachte sie immer wieder, ohne sich klar darüber zu sein, was eigentlich gut werden sollte. Dann schlief sie ein. Sie schlief fest und tief und traümlos. Sie horte weder den Sturm, noch das Stampfen des Schiffes, noch das Heulen des Nebelhorns Sie erwachte erst, als draußen schon ein breiter, grüner Landstreifen, die Küste Englands, greifbar nahe lag. 81. Seite an Seite verließen sie� das Schiff, als wenn das gar nicht anders fein könnte. Seite an Seite saßen sie im Abteil des Zuges, der von Gravesend nach London fuhr. „Ich fahre nächste Woche nach Oxford und besichtige dort das Rufkin College, die englische Arbeiterhochschule. Dorf ich Sie einladen, mitzukommen? Sie erhalten dann einen ersten Einblick in die' Bildungsbeftrebungen der englischen Arbeiterschaft. Oder haben Sie vielleicht ein bestimmtes Programm, das Sie nicht umstoßen möchten?"
Germaine verneinte.„Ich muß einige Besuche machen— mein Direktor hat mir einige Empfehlungen mitgegeben. Ich habe auch eine Woche für Oxford vorgesehen— ich folge der Einladung eines englischen Kollegen, der jetzt Hochschullehrer geworden ist. Wir könnten uns dann am Russin College treffen. Ich werde es sehr gern mit Ihnen besichtigen— in Ihrer Gesellschaft lerne ich vieles, wovon ich bisher nicksts wußte. Aber ich möchte Ihnen auch etwas zeigen, nämlich die Crosby Hall, das neue Heim für Akademikerinnen der ganzen Welt— ich kenne es zwar zunächst selbst nur aus Briefen. Aber Sie sind ein so warmer Fürsprecher der Frauenbildung, daß Sie vielleicht auch dafür Interesse haben." „Crosby Hall? Ist das etwa die alte Hall des Sir Crosby im merry old England, die Shakespeare einmal er- wähnt?", Germaine warf ihm einen erstaunten Blick zu.„Das wissen Sie? Haben Sie am Ende auch Philologie studiert? Ich dachte zwar, nach allem, was Sie mir erzählt haben. Sie kämen aus der Volkswirtschaft." Reiner lächelle.„Ich habe Jngenieurwissenschass studiert, allerdings besitze ich nicht den abgeschlossenen Bildungsgrad wie Sie. denn mein Weg lief dauernd im Zickzack und nicht in gerader Linie. Ich mußte mein Studium oft unterbrechen, um mir die Mittel dazu wieder zu verdienen, und so habe ich in den Pausen neben der Erwerbsarbeit auch sehr viel anderes getrieben. Geschichte, Fremdsprachen, Philosophie und anderes." „Erwerbsarbeit? Dann sind Sie also Werkstudent ge- wesen. Alle Achtung!" „Vielleicht sogar noch etwas mehr als das. Ich habe fast ein Jahr als Mechaniker gearbeitet, ich war im Bergwerk, ich habe im Büro gesessen, ich gab Kurse in Schreibmaschine und Stenographie, Nachhilfestunden in Mathematik und Sprachen — was eben gerade verlangt wurde. Es war ein schwerer, aber auch ein schöner Weg. den ich gegangen bin. denn es ist das Beglückendste, was es gibt, sich aus eigener Kraft dem Schicksal entgegenzustemmen und es nach seinem eigenen Willen zu formen." „Mein Bruder studiert auch an der Technischen Hoch- schule. Allerdings dürfen wir uns nicht mit Ihnen ver- gleichen. Wir haben uns zwar sehr eingeteill. seitdem Vater tot ist, aber wirkliche Proletarier sind wir erst seit der In- flation geworden." � Ihr Gefährte schüttelte etwas spöttisch den Kops.„Sic sind Proletarier und sind es auch wieder nicht, obwohl Sie
Sechs lebende Feuersäulen. Fürchterliches Ends einer Weihnachtsfeier. Lohne (kreis Osterburg . Allmark), 21. Dezember. Bei einer Weihnachtsfeier in Lohne , die de? Stahlhelm in einer Gastwirtschaft veranstaltete, ereignet sich ein entsetzliches Un- glück, von dem sechs Knaben betroffen wurden. Die Knaben stellten auf der Bühne Schneemänner dar und waren zu diesem Zweck ganz mit Watte umhüllt, di« offenbar nicht feuersicher imprägniert war. Einer der Knaben muß in der Pause einem brennenden Baum zu nahe gekonimen sein und sing Feuer. Im Nu st a n d e n alle sechs Knaben in hellen Flammen, sie drängte» zur Bühnentür, vermochten sie aber nicht zu öffnen. Erst als die Tür von außen durch Per« sonen aus dem Saal geöffnet wurde, konnten die Knaben aus ihrer schrecklichen Lage befreit werden. Sie hatten aber bereits schwerg Brandwunden erlitten. Einer der Knaben, der Sohn des Land» wirts Giefe, ist inzwischen im Krankenhaus Osterburg gestorben. Giuttgarier Schloß niedergebrannt. 35 Nauchvergistete.— Kunstsammlungen gerettet. Am frühen Rachinillag des Montag kam in dem Alten Schloß, dem srü Heren Resideuzschloß, das jetzt dem Staat gehört, ein Jener ans. da, unerwartet schnell so großen Umfang annahm, daß die Jeuerwehr zunächst trotz größter Anstrengungen voll- kommen machtlos war. Es cutstand der Eindruck, als ob das ganze Schloß dem Jener zum Opfer sollen würde. Arn 15 Uhr griff da» Jeuer vom östlichen Iliigel. wo es entstanden war, aus den nördlichen über und kam erst an einer Brandmauer zum Stehen. Boa den Wohnungen in den oberen Stockwerken des Ostsiügels. unker denen sich auch die der Witwe des früheren S taatspräsidenkea Blas befindet, konnte nichts gerettet werden. Die starke kälte erschwerte die Zufuhr de» Wassers. Zahlreiche Jeuerwehr» lenle. die aus den Treppen an den Brandherd vordringe« wollten, erlitten Ran chvxrg ist nngcn. Die Zahl der Bauch- vcrgislelcu und körperlich Verletzten belauft sich auf 35. Als die Feuerwehr anrückt«, stand der Dachstock des östlichen Flügels schon in einem einzigen Flammenmeer. Die Be- kämpfung des Feuers gestaltete sich sehr schwierig, da im Innern des Baues nur noch mit Rauchmasten vorgegangen werden konnte, weil der gesamte Ostflügel vollständig verqualmt war Etwa um 13.30 Uhr stürzte im Mittelbau des östlichen Flügel» unter ungeheurem Getöse das Dachgeschoß zu» s a m m e n, nach etwa zwei Stunden auch die Decke des dritten Stockwerks im Ostflügel. Gewallige Rauchmassen zogen über die Stadt. Die Feuerwehr arbeitete mit Sauerstoff- und Gasmasken. Man vermutet, daß das Feuer in einem der doppellen Böden zum Ausbruch gekommen ist. Unter den vom Brand betroffenen Woh- nungen �befindet sich auch di« der Witwe des früheren Staatspräsidenten Bios. An den Rettimgsarbellen de- teiligte sich auch Reichswehr , die ausrückte, um die im Schloß bs- findlichen Wohnungen und- Kanzleien zu räumen. Das Alt« Schloß, das durch den Brand zum großen Teil vernichtet worden ist, war der größte Monumentalbau Stuttgart ». Seit der Beseitigung des allen Stammsitzes auf dem Rothenberg im Jahr« 1819 war es die eigentliche Burg des württembergischen Herrscherhauses, ein halbes Jahrtausend hindurch der Aufenthalt der regierenden Fürsten . Es bewahrt bis heute die Form einer mittelalterlichen tUrmfestcn Burg und war mit seinem malerischen Schloßhof mit den dreifachen Säulengängen und der Reittreppe bis in den zweiten Stock des östlichen Turms eines der schönsten Renaissanceschlösser Deutschlands . Der älteste Teil des Schlosses war die dem Waisenhaus gegenüberliegende südöstliche Fassade, die jetzt dem Brand tzanz zum Opfer siel. Die übrigen Teile des Schlosses wurden in den Jahren 1553 bis 1570 erbaut. Di« letzte'Meldung besagt, daß im Rordflügel des Allen
arm geworden sind. Abet dessen bedarf es auch nicht. Auch Karl Marx , Engels, Lassallc stammen nicht aus proletarischen Berhältnissen. Und doch verdankt Ihnen die Arbeiterschaft der ganzen Welt Unersetzliches. Umgekebrt gibt es leider Proletarier von Geburt, die schlimmere Bourgeois werden als unserer Gegner, wenn ihnen einmal der Strom der Tausendmarkscheine durch die Hände gelaufen ist-.. So entscheidet nicht immer die Umwelt, in der ein Mensch groß geworden ist, sondern der innere Wert, die seelische und geistige Haltung. Das große Ziel aber unserer Partei, so wie ich sie kenne, ist es, jeden einzelnen Parteigenossen nicht nur dem Mitgliedsbuch, sondern auch seiner Gesinnung und Lebensführung nach zu einein Sozialisten zu machen." Er wandte sich einem jungen Menschen zu, der aus dem Nachbarabteil herüberkam „Genosse Reimer, hilf uns doch beim Uebcrsetzen! Wir haben kein Wörterbuch mit!" „Ja, da muß ich wohl dran glauben und mich in ein lebendiges Lexikon verwandeln." Er stand auf und reichte Germaine die Hand.„Och sehe Sie nachher noch." Germaine trat ans Fenster. Grüne Plätze. Rasenflächen. Gärten, dazwischen kleine Häuser, Tennisplätze und dann die ersten Anzeichen der Großstadt — das alles glitt vorüber, ohne daß sie es bewußt in sich aufnahm. Sie wußte auch nicht, wie lange sie so gestanden hoben inochte. „Wir haben bereits Greenwich passiert, gleich werden wir in Victoria Station fein", Reiner mar eben wieder in das Abteil eingetreten.„Ich habe auch schon einen Plan für heute. Wenn es Ihnen recht ist, bin ich Ihnen etwas behilf- lich und bringe Sie nach Crosby Hall. Es liegt doch wohl in der Nähe der Chelsea-Arücke. Ich kenne die Gegend noch von meiner ersten Englandreise vor dem Krieg her." Im Autobus fuhren sie die Victoria Street entlang. Dann wanderten sie zu Fuß längs der Themse . „Hier drüben liegt die Westminster-Abtei und neben der Westminsterbrücke sehen Sie das Parlament. Reiner deutete mit der Hand hinüber. Germaine blieb stehen-„Das ist ein herrlicher Blick von hier aus", sagte sie.„Ich hott« mir London lange nicht so schön gedacht. Ein dunkler, tiefer Glockenton schwang tfcrüber. „Das ist Big Ben ", sagte Reiner,„die große Glocke im Uhrturm." (Fortsetzung folgt.)
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