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BERLIN  Dienstag 22. Dezember

1931

110 Pf.

Der Abend

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Spätausgabe des Vorwärts"

Nr. 598

B 299 48. Jahrgang

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Preußen gegen Nazi- Agrarier

Die ostpreußische Landwirtschaftskammer aufgelöst!

Die ostpreußische Landwirtschaftskam= mer, deren Nazi- Mehrheit vor wenigen Tagen einen Beschluß faßte und veröffentlichte, der den Rücktritt des Reichspräsidenten   und der Reichsregierung in einer geradezu unerhörten Form forderte, gilt mit dem heutigen Tage laut Beschluß der preußischen Staats­regierung als aufgelöst. Die Geschäfte der Kammer werden bis auf weiteres von einem mit sofortiger Wir­Fung eingesetzten Staatskommissar versehen. Der Beschluß wird der Landwirtschaftskammer im Laufe des heutigen Vormittags durch den preußischen Regierungs­vertreter in Königsberg   mitgeteilt werden.

Die amtliche Mitteilung.

Auf Antrag eines Hakenkreuzlers hat die Offpreußische Land­wirtschaftskammer am 15. Dezember folgenden Beschluß gefaßt:

,, Die Bollversammlung bittet den Herrn Präsidenten Brandes, dem Herrn Reichspräsidenten   zu erflären: Der nstpreußische Landstand erkennt die Machtlosigkeit des Herrn Reichspräsidenten  der heutigen Systemtraft gegenüber. In tiefster wirtschaftlicher und seelischer Not bittet er den Herrn Reichs= präsidenten sowohl für seine Person als auch für das derzeitige Reichsfabinett, den Weg alsbald freizumachen für Männer, die aus Kampf und Glauben zusammengeschweißt, jetzt nur noch allein in der Lage find, nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch das ganze Volk zu retten."

カナ

Dazu erklärt der Amtliche Preußische Pressedienst: Dieser Beschluß fordert ausdrüdlich den Rüdfritt des Herrn Reichspräji­denten und der Reichsregierung. Die den Antragstellern nahe­Kehende Preußische Zeitung" hat dies offen bestätigt. Damit hat die Kammer politische Forderungen geftellt und die ihr gefehlich zustehenden Befugnisse überschriften. Selbst bei weit. herzigfter Auslegung des Selbstverwaltungstechies der Kammer fann ein solcher Beschluß im Interesse der Erhaltung der Staats­autorität nicht hingenommen werden und bedarf der schärfsten Ahndung.

Zmar hat der Vorstand der Landwirtschaftskammer am 19. d. M. befchloffen, die Angelegenheit nochmals auf die Tages­ordnung der nächsten Bollversammlung zu sehen, um nochmals über­den gefaßten Beschluß zu beraten, mit der Begründung, daß ein Teil der Kammermitglieder sich über die Tragweite des Beschlusses nicht im flaren gewesen sei. Dieser Borstandsbeschluß kann jedoch nach Auffassung der Staatsregierung an den eben festgestellten Tat­fachen nichts ändern.

Die Staatsregierung hat fich deshalb genötigt gesehen, die Ostpreußische Landwirtschaftskammer aufzulösen und

Für Groeners Weihnachtstisch.

Eine sozialdemokratische Dentschrift über die ,, Legalität  " der Hitler   Partei.

Gewalttaten der Nationalsozialisten

Diese 238 Seiten starte Denkschrift der Sozialdemokratischen Partei berichtet über

1484 nationalsozialistische Gewalttaten, die im Laufe der zwei lehten Jahre begangen worden sind, mit 62 Toten und 3200 Verletzten. 589mal fonnte einwandfrei eine Bewaffnung festgestellt werden, darunter 167mal der Besitz von Schußwaffen bis zum Maschinen­gemehr;

42mal wurden fyftematisch sozialdemokratische, 39mal andere Ber­jammlungen gefprengt, 9mal erfolgten Angriffe auf die Referenten; 26mal erfolgten Ueberfälle auf Bolts-, Gewerkschafts- und Konjum­vereinshäuser, 14mal auf gegnerische Zeitungen, 5mal auf gegne­rische Zeitungsverkäufer, 11mal auf Presseberichterstatter und Redakteure;

33mal wurden Ueberfälle auf gegnerische Lokale bekannt. In anderen öffentlichen Wirtschaften wurden 31mal schwere Ausschreitungen begangen, auf öffentlichen Verkehrsmitteln 10mal;

100mal wurden schwere Mihhandlungen von Sozialdemokraten, 281mal von Reichsbannerangehörigen, 39mal von Mitgliedern der Sozialistischen Arbeiterjugend und 25mal auf Arbeitersportler gemeldet;

in 35 Fällen wurden Angehörige bürgerlicher Parteien mißhandelt, 19mal Kinder, 30mal Frauen;

32mal erfolgten die Ueberfälle auf Kommando, 43mal erfolgten fie von SA  - Heimen oder nationalsozialistischen Lofalen aus; 31mal wurden Angriffe auf die Wohnungen Andersdenkender ge­macht, darunter 3mal auf ganze Arbeiterwohnblocs. 101mal ent­fland schwerer Sachschaden. In 3 Fällen erfolgte Brandstiftung, 11mal wurde Tränengas, 10mal Stinkbomben verwandt; 86mal wurden organisierte, bewaffnete Provokations- und Schläger­trupps festgestellt;

56mal wurden Polizeibeamte angegriffen, 11mal andere Beamie, 4mal Reichswehrangehörige. Troh des Mangels an besonderen Meldungen fonnten allein 34 planmäßige Verstöße gegen behörd­liche Anordnungen festgestellt werden;

9mal wurden Friedhöfe geschändet, Totengedenktafeln und Hinden­burgbilder zerstört;

nachweisbar erfolgten 19mal ausgesprochen sadistische Erzesse. In 17 Fällen wurde der Bollzug der Feme  " gegen eigene Partei­freunde bekannt.

Das ist die wahre Legalität der Hitler  - Partei!

Der Stuttgarter   Schloßbrand

Der Nordostflügel eingeäschert

Landeskulturamtspräsidenten Pauly in Königsberg   zum Staatsmeinschaft mit Hilfsmannschaften der Reichswehr  

tommissar für die zwischenzeitliche Verwaltung zu ernennen. Die Neuwahl der Kammer soll in drei Monaten vor­genommen werden.

BVG.- Monatsfartenpreise.

Die neuen Preise ab 1. Januar.  - Die Miete in Berlin  

Nach Inkrafttreten des neuen, verbilligten Berkehrstarifes der Berliner   Verkehrs- Gesellschaft find ab 1. Januar für die Monatsfarten folgende Preise zu zahlen: Straßenbahn: 1 Linie 9 M.( bisher 10 M.), 2 Linien 15 M. ( bisher 17 M.), alle Linien 27 m.( bisher 30 M.), Schülermonats= farte 5,50 m.( bisher 6 M.).

Stuttgart  , 22. Dezember.( Eigenbericht.) In der Nacht zum Dienstag ist es der Feuerwehrin Ge­nach langen Bemühungen schließlich gelungen, des Brandes im Alten Schloß   in Stuttgart   Herr zu werden. Der Nordost- flügel des Schlosses ist jedoch völlig ausgebrannt. Großze Gebäudeteile find eingestürzt, zahlreiche Studdeden zerstört. Auch der Nord- und der Südflügel des Schlosses haben sehr stark gelitten. Immerhin fonnten umfangreiche und sehr wertvolle Altertümer­Sammlungen, die Schloßkapelle und der Westflügel am Schillerplatz, gerettet werden. Insgesamt wurden bei den Löscharbeiten 45 Per­

fonen verletzt.

Berbrannt sind wertvolle Bildersammlungen, die von der Ausstellung Schwäbisches Land" herrühren und im Dach­geschoß des Oftflügels aufgestellt waren.

Schweres Einsturzunglück auf der Brandstätte. Stuttgart  , 22. Dezember.

Auf der Brandstätte ereignete fich um 11.15 Uhr ein schweres Einsturzunglüd. Die Mauer zwischen Südost­turm und Schloßkirche brach mit dumpfem Krach zusammen. Eine Anzahl der an dieser Stelle tätigen Feuerwehrleute wurde mit in die Tiefe gerissen. Die beiden außerhalb des

Uebergangsfarte Straßenbahn- Untergrundbahn: 1 Linie Straßen­bahn und gesamte U- Bahn 16 M.( bisher 18 m.), 2 Linien Straßen­bahn und gesamte U- Bahn 22 M.( bisher 24 M.), alle Linien Straßenbahn und gesamte U- Bahn 32 M.( bisher 35 M.) Untergrundbahn: Für Erwachsene 12 M.( bisher 13 M.). für Schloffes ftehenden Feuerwehrleitern wurden von den Gesteinsmassen Schüler 5,50 M.( bisher 6 M.).

Der Uebergangsfahrschein zur Reichsbahn fostet nach dem Auf­sichtsratsbeschluß vom 16. Dezember 1931 0,35 m. anstatt bisher

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zerschmettert, ebenso einer der Leiternkraftwagen. Um 11.30 Uhr reurde die Zahl der bei diesem Unglüd Schwerverletzten mit fünf angegeben. Ein Feuerwehrmann, dem beide Beine zer­fchmettert werben find, foll bereits gestorben sein.

Die Löscharbeiten

waren von Anbeginn dadurch erschwert, daß die Wasserleitung in der Umgebung des alten Schlosses für eine solch ungeheure In­anspruchnahme bei weitem nicht ausreichte, da aus ins­

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Das alle Schloß in Stuttgart  

gesamt 2 Dugend Rohren Wasser weiter in den Brandherd ge­schleudert wird. Die Rauchentwicklung war so gewaltig, daß immer wieder Feuerwehrleute ohamächtig zusammenfanten und weggebracht werden mußten.