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Morgenausgabe

Rr. 599

A 301

48. Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Mittwoch 23. Dezember 1931

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Preußens Notverordnung.

Notwendigkeiten des Etatsausgleichs.

Die preußische Staatsregierung veröffentlicht jetzt die zweite Sparverordnung, die zum Ausgleich des preußischen Haushalts notwendig geworden ist. Der neue preußische Finanzminister Dr. Klepper gab vor der Presse zu den Einzelheiten dieser neuen Notverordnung noch nähere Erklärungen ab. Er betonte hierbei nachdrücklich, daß Preußen seinen Etat unter allen Umstän den ausgleichen müsse. Da dies auf keinen Fall mit Hilfe kurzfristiger Kredite über die Reichsbank geschehen dürfe, bliebe nur der Weg der Ausgabenfenfung und Ein­nahmesteigerung.

Der preußische Etat hat in den Jahren 1924/25 beträcht liche Ueberschüsse aufgewiesen, die bis 1929 dann aufge­braucht wurden. Schon 1930 war ein tatausgleich nicht mehr durchführbar. Der Voranschlag für 1932 schließt ab mit einem Fehlbetrag von 394 millionen Mart, mozu noch weitere 45 Millionen Mart Fehlbetrag aus dem Rückgang der Lohnsteuern kommen. Durch die legte Notverordnung der Reichsregierung vom 8. Dezember wer­den durch Gehaltssenkung und Erhöhung der Umsatzsteuern 172 Millionen Mart weniger ausgegeben bzw. Steuerein­gänge erhöht, so daß, einschließlich der beabsichtigten Ab­ftriche von weiteren 100 Millionen bei den Sachausgaben,

dem Fehlbetrag von 439 Millionen Mart Aktivposten in Höhe von 272 Millionen Mark entgegenstehen. Es bleibt somit ein ungedecktes Defizit von 167 mil lionen Mart übrig.

Amerifa 1931.

Arbeitslosigkeit!

Rinderelend! Lohnabban! Washington , Mitte Dezember. Die Gespenster Hunger, Not, Elend und Krankheit suchen jetzt auch Amerika immer mehr heim. Im Hintergrunde droht neues Kriegsverderben. Der Farmer wehrt sich mit den letzten Kräften gegen den kommenden Ruin. Der Ar­beiter ist durch den Maschinenfortschritt aus dem Eriſtenz­gleichmaß geworfen, verelendet und den verstärkten Angriffen der Klassengegner ausgeliefert. Der fleine Geschäftsmann gehört der Vergangenheit an, ist längst in das Stehkragen­proletariat abgesunken, von dem der in veralteten Denkbe

Die Sachausgaben sind innerhalb eines Jahres um 180 Millionen Mark abgebaut worden, so daß hier die Grenze des Möglichen erreicht ist. Auch bei den Bergriffen lebende Durchschnittsamerikaner auch heute noch nichts fonalausgaben sind weitere Einsparungen kaum denkbar.

Da die preußische Staatsregierung grundsätzlich daran festhält, daß dieses restliche Defizit von 167 Millionen Mart nur durch echte Einnahmen ausgeglichen werden fann, so fönnen hierfür nur neue Steuern in Frage fommen, menn nicht das Reich durch eine Aenderung des Finanzausgleichs das Steueraufkommen in Preußen erhöht. 3u der Frage neuer Steuern erflärte Dr. Klepper nachträg lich, daß die Gerüchte, die von der Einführung einer margarine oder Schotolabensteuer wissen wollten, in das Reich der Fabel gehören. Dagegen hat die Schlachtsteuer im Kabinett zur Diskussion ge­ftanden, jedoch ist eine Entscheidung über sie nicht gefällt worden.

( Siehe auch 2. Seite.)

Hitler in Amerifa.

Propaganda gegen Deutschland .

,, New York Times " veröffentlichen einen Artikel Adolf Hitlers , der ein einziger Fußfall vor dem amerikanischen Finanzkapital ist. Von der Enteignung der Bank und Börsenfürsten, von der Brechung der Zinsknechtschaft ist mit feinem Wort die Rede. Unmißverständlich wird versichert, daß von den Nationalsozialisten, wenn sie zur Macht fämen, ,, tein Feuerwerf" zu erwarten sei. Ueber sein fünf­figes Regierungsprogramm weigert sich Hitler auch nur An­deutungen zu machen mit der originellen Begründung, er sei nicht dazu da, dem sterbenden System" gute Ratschläge zu geben. Also: dieses Regierungsprogramm bleibt Amts geheimnis, bis eine Majorität von Eseln der Partei zur Macht geholfen hat, deren Programm fie gar nicht fennt!

Einstweilen scheut sich Adolf Hitler nicht, das gegen wärtige Deutschland vor den amerikanischen Gläubigern so schlecht wie möglich zu machen und es was ihm für die fchwebenden Stillhalteverhandlungen offenbar besonders

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Dari man sich auch unter dem Drud der Verordnungen eine bescheidene Frage an das Kabinett erlauben? Kennt die Regierung die Stimmung im Lande? Wenn ja, was gedenkt sie dagegen zu tun? Sie befigt teine Handlungsfreiheit mehr dem Auslande gegenüber. An ihrer Seite hat fich fozusagen ein oppofifionelles ebentabinett etabliert, und es muß beim Unvoreingenommenen der Eindruck entstehen, als sei der Welt gegenüber die Opposition mehr legitimiert, als die ordentliche Regierung.

Herr Goebbels findet diesen Zustand sehr vergnüglich, und das ist von seinem Standpunkt aus ohne meiteres zu verstehen. Was aber gedenkt die Reichsregierung zu tun, um ihre Handlungsfreiheit dem Auslande gegenüber zurückzugewinnen und die Welt davon zu überzeugen, daß nur sie und fein Nebenkabinett" die gültige Legitimation befizt?

wissen will. Hinter den Massen und der Regierungsmaschinerie steht eine kleine Multimillionärsclique, herrscht die Handvoll jener 149, deren steuerbare Gesamteinfommen im Krisenjahr 1930 die ungeheure Summe von über 356 Mil­lionen Dollar erreichten. 149 Einzelmenschen aus einer Nation von 120 Millionen. Aber sprechen wir von fonkreten Dingen, die besser als alles andere zeigen, wie wenig von Freiheit und Gleichberechtigung aller im glorreichen Jahre 1931 übrig geblieben ist. Hier sind, aus dem Topf des All­tages gegriffen, einige Beispiele:

In den Jahren 1920 bis 1927 find über drei Mil­lionen Menschen durch die Entwicklung der Maschinen­technik ihrer landwirtschaftlichen Eristenzver­Iustig gegangen und als Industrieproletarier in die Groß­städte getrieben worden, wo sie heute zum größten Teil der täglich wachsenden Armee der amerikanischen Arbeitslosen angehören. Nichtsdestoweniger geht dieser landwirtschaftliche Mechanisierungsprozeß im Angesichte einer Agrarfrise, wie fie Amerika noch nie erlebt hat, ruhig meiter und zwingt den amerikanischen Farmer zur Aufnahme von Leihgeldern für maschinelle Verbesserungen, will er sich gegen die zunehmende Konkurrenz und Preisunterbietung überhaupt über Wasser halten. Ohne wirtschaftliche Notwendigkeit werden der ameri­tanischen Landwirtschaft jährlich Maschinenwerte von Hun derten von Millionen Dollar von den allmächtigen Induſtrien aufgezwungen; so allein im Jahre 1930 Trattoren für 145 Millionen und andere Farmmaschinerie für 146 Millionen Dollar. Diese Mechanisierung bedeutet die Brotlosmachung weiterer Hunderttausende und weiterer Hunderttausende und Millionen Landarbeiter. Gleichzeitig aber gibt sie den amerikanischen Maschinen­industrien die Möglichkeit, eine fünstliche Prosperität vorzu­täuschen und den Dividendenhunger zu befriedigen.

In den Schulen der Autometropole Detroit werden täg­lich über 20.000 Kinder mit einer Mahlzeit verpflegt, deren Sosten 5 Cents pro Kind durch öffentliche Sammlungen eines städtischen Wohlfahrtskomitees aufgebracht werden. Wie die städtischen Behörden festgestellt haben, ist diese Mahlzeit die einzige Verpflegung, die ein großer Teil der Kinder über­haupt erhält. So fommen nach den gewiß unverdächtigen Aussagen der Lehrkräfte Tausende von Kindern, ohne über­

zweckmäßig erſcheint- als Berichmender und leichtfertiger Neue Gefahren am Arbeitsmarkt aupt einen Frühstücksbiffen zu Hause erhalten zu haben, in

Schuldenmacher hinzustellen. So schreibt er in der New York Times ":

Man foll nicht glauben, daß Deutschland und ich(!) für etwas anderes tämpfen als für die vergessenen Tugenden unserer Borfahren: für Sparsamteit, Selbstdisziplin, Ehren­haftigteit, die Grundsteine jedes Staats und jeder Gemein­schaft. Es muß gespart werden auf der ganzen Linie. Ich meine, es muß Schluß gemacht werden mit den extravaganten Methoden, die Staat und Gemeinden angewendet haben, um Anleihen zu er­halten.

Adolf Hitler erzählt den Amerikanern, daß in Deutsch land die Ehrenhaftigkeit vergessen worden ist, und er spricht in diesem Zusammenhang von ertravaganten Methoden" bei der Erzielung von Anleihen. Er bestätigt damit die Be­hauptungen ausländischer, besonders französischer Ankläger, die die deutsche Reichsregierung mit guten Gründen zu ents fräften bemüht ist. Alles nur, um den Finanzgewaltigen Ameritas den Glauben beizubringen, ihr Geld würde bei ihm besser aufgehoben fein als bei einer Regierung Brüning. 3weifellos hat Hitler durch diese Propaganda für sich selber die deutschen Interessen im Ausland aufs schwerste geschädigt. in Fiele es einem Sozialdemokraten ein, Aehnliches zu tun, welches Geschrei über Landesverrat würde sich in der ganzen nationaleni" Presse erheben!

Gibt es ein Nebenkabinett?

Oft ist in der Presse der Linken gesagt worden, daß sich die Nationalsozialisten schon gewissermaßen als te ben regierung etabliert haben und daß damit ein unmöglicher Zustand geschaffen ist, dem mit Tatkraft zu begegnen Pflicht der Regierung ist leberraschenderweise wird das jetzt von ber nationalsozialistischen Presse selbst bestätigt. In seinem Angriff schreibt Dr. Goebbels :

Die Opfer privatfapitalistischer Pleiten. Die Lage hat sich in der ersten Dezemberhälfte verschlechtert. Wir Ueber dem Arbeitsmarkt ballt sich neues Gewölf zusammen. haben nicht nur eine saisonale Zunahme der Arbeitslosigkeit, sondern auch aus fonjuntturellen Gründen einen neuen Auf­trieb der Arbeitslosenziffer zu verzeichnen Die Zu sammenbrüche von Borsig und Hanomag find Symptome einer weiteren fonjunkturellen Verschlechterung der Lage. Sie sind Borboten neuer Gefahren.

Die 3 unahme der Zahl der Arbeitslosen belief sich nach dem Bericht der Reichsanstalt in der ersten Dezemberhälfte auf rund 290 000, womit eine Belastung von rund 5 349 000 erreicht wurde. 3n der gleichen Zeit des Bor­jahres roar die Zunahme mit rund 278 000 net ge­

die Schulen und stürzen sich heißhungrig auf die Mahlzeit, die, wegen der Schwierigkeiten der Geldaufbringung sehr feiner Finanzkräfte und fleht die besitzenden Elemente von häufig unzureichend ist. Das städtische Komitee ist am Ende Detroit um Hergabe von wenigstens einigen hunderttausend Dollar an, um die Verpflegung der Kinder, deren Eltern Fords Schüßlinge", größtenteils arbeitslos find, über den Winter sicherzustellen. Was im übrigen aus einem Kinde werden soll, das an einer Elendsmahlzeit pro Tag aufwächst, ist ein anderes Problem, an das sich die Detroiter Stadtväter wohlweislich nicht herantrauen. Die eiserne Faust Fords hängt sichtbar über der Stadt und vermag den aufsässigen Stadtmeisen leicht zu ihrem Schaden zu beweisen, daß das Großkapital Gott und Ford sein ellwissender Prophet ist...

"

Dagegen schreit die Notlage" der amerikanischen Stahl­induſtrie, deren finanzielle Schwierigkeiten" erst vor wenigen Wochen durch die zehnprozentige Rürzung aller Arbeiter und Angestelltenlöhne so eindringlich vor Augen geführt worden ist, wirklich zum Himmel. Oder

meldeten Arbeitslosen nur um weniges geringer. Der Anteil der überwiegend von der Konjunktur ab hängigen Berufe ist in der ersten Dezemberhälfte rascher( um 4.2 Broz.) als in der zweiten Novemberhäffte( um 1,6 Bro3.) ge­stiegen. Neben der Beendigung des Weihnachtsgeschäftes in vielen Industrien haben besonders die internationalen Wäh- wagt jemand daran zu zweifeln, wenn die Geschäftsausmeise rungsjchwierigfeiten und die Schußzo11maß nahmen wichtiger Abnehmerstaaten ungünstig auf den deutschen Arbeitsmarkt eingewirkt.

Die Belastung von Arbeitslosenversicherung und Krisenfürsorge hat zusammen um etwa 158 000 Hauptunterſtügungs empfänger zugenommen. Nach den Meldungen der Arbeitsämter wurden in der Arbeitslosenversicherung am 15. Dezember 1931 rund 1484 000 Hauptunterftügungsempfänger( 3unahme rund 118 000) gezählt, während in der Krisenfürsorge nach einer Zunahme um zund 40 000 etma 1446 000 Hauptunterſtügungsempfänger

betreut murben.

nach Abschreibung reichlicher Reserven flipp und klar beweisen, daß die United States Steel für die ersten neun Monate des laufenden Jahres in dieser Krise einen Nettogewinn von 21,7 millionen Dollar auszuweisen vermochte, die Bethlehem Steel 7,4 Millionen und die Youngstown 1,17 Millionen Dollar?! Jedenfalls bleibt den amerikanischen Stahlmagnaten der Trost, daß die Dividenden gerettet morden sind und die Aktionäre nach dem im Oktober erfolgreich durchgeführten Lohnabbau nicht mehr in Aengsten zu schweben brauchen, baß ihren legitimen Geminnen" in Zukunft Abbruch getan