Morgenausgabe
Nr. 608
A 306
48.Jahrgang
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und im Handel mit dem Titel„ Der Abend", Jllustrierte Gonntagsbeilags
Volf und Zeit".
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Mittwoch 30. Dezember 1931
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Es bleibt bei der USA . Weigerung. Loudon, 29. Dezember.
Nach einer Reutermeldung aus Washington foll Schahamtsjefretär mills erklärt haben, die Bereinigten Staaten feien auch nicht inoffiziell zu der bevorstehenden Reparationskonferenz eingeladen worden und würden sich auch nicht an ihr beteiligen, felbft wenn sie eingeladen werden sollten.
Um die Abrüstung.
Die größte Konferenz der Weltgeschichte.
Rund zwei Millionen fojialdemokratischer Parteimitglieder und in den freien Gewerkschaften organisierter deutscher Arbeiter und Arteilerinnen haben bis jetzt anläßlich der Abrüftungskonferenz durch die Annahme einer der Reichsregierung und dem Bölferbunde zugeleiteten EntschlieBung ihren Willen zur Sicherung des Weltfriedens durch die Abrüftung der noch nicht entwaffneten Staaten zum Ausdruc gebracht.
Die Times ftellen in ihrer Dienstag- Ausgabe fest, daß Macdonalds Brief an Caval von vor Weihnachten daliere und der englische Ministerpräsident feine französischen Kollegen in dem Schreiben zur Mitarbeit an einer Bereinbarung über das Reparationsproblem eingeladen habe. Das Schreiben sei von dem gleichen Geiste beseelt wie dasjenige, das der Premierminister 1924 bald nach seinem ersten Amisantritt an Poincaré gerichtet habe. Der Brief Macdonalds enthalte jedoch keine ausdrückliche Einladung zu einem Besuch in London . Brüssel , 29. Dezember. Es sei jedoch feineswegs ausgeschlossen, daß Macdonald Senator de Broudère hat im sozialistischen Peuple" und Laval nach Beendigung der vorbereitenden Besprechungen der einen Artikel veröffentlicht, in dem er auf die Unlösbarkeit der franzöfifchen und britischen Sachverständigen und vor Eröffnung Deutschland , so führt er aus, tönne nicht zahlen. Wenn Reparationsfrage unter den heutigen Umständen hinweist. der Internationalen Reparationskonferenz eine Zusammen- Frankreich und Belgien Zahlungen verlangen würden und wenn Deutschland , so führt er aus, tönne nicht zahlen. Wenn Deutschland unter diesem Druck die Devisenbestände und das Gold Der französische Botschafter in London stattete dem englischen der Reichsbank ausliefern müßte, würde die Mark stürzen. Belgien Außenminister am Dienstag einen Befuch ab. Gegenstand der Be- und Frankreich würden in diesem Falle eine verbrecherische Wahnjinnstat verüben. Wenn Deutschland gezwungen werden würde, fprechung bildete der Termin der Eröffnung der 3nter Zahlungen mit Hilfe feiner ausländischen Guthaben zu leistent, legungen der Hauptdelegierten sich in die Aufgaben teilen, nationalen Reparationsfonferenz. Als Ort der würde sein Kredit schwer darunter leiden. Die Folgen würden für Konferenz wird hier vor allem Lausanne genannt. die ganze Welt fatastrophal sein.
fuuft haben würden.
Heffens Zentrum gegen Nazis.
Die Erörterungen zwischen Nationalsozialisten und Zentrum über die etwaige Bildung einer Roalitionsregierung in Hessen , die bisher stets auf dem Papier erfolgten, werden heute in gleicher Weise in einem offenbar offiziösen 3entrums artifel fortgesetzt. Darin wird den Nationalsozialisten erneut gefagt, fie müßten es sich, solange sie nicht die Mehrheit hätten, schon gefallen lassen, daß die andere Partei sich nicht unter ihre Diftatur begebe. Ferner wird betont, das Sentrum fönne sich nicht mit der eidlich erhärteten Legalitätserklärung Hitlers begnügen, weil gewisse Vorgänge in der Bariei in Bergangenheit und Gegenwart berechtigte 3mei sel daran aufkommen ließen, daß der oberste Führer seine Unterführer noch immer ganz in der Hand habe.
Offenbar hat man im Zentrum den Eindruck, daß die NSDAP . die Regierungsverantwortung gar nicht auf sich nehmen will, und begründet das mit folgenden Sägen: Bei den kommenden Preußenwahlen wird die NSDAP . ihre ganze Agitation auch gegen das Zentrum richten. Wenn sie dabei in Hessen gleichzeitig mit dem Zentrum in Koalition stünde, würde das ihren politischen Kampf erheblich lähmen und erschweren. Es war des halb von vornherein nicht zu erwarten, daß sich in diesem Zeitpunkt die NSDAP . mit einer solchen Koalis tion belasten werde. Sie hat ihre Stärke sicher nur bewiesen in der Organisation und Ausbreitung der Partei. Wieweit sie imstande ist, pofitive Arbeit zu leisten, dafür ist sie den Be weis noch schuldig geblieben, und sie wird wenig Lust haben, ihren Wählern vor den Preußenwahlen das Schauspiel eines Versagens zu bieten."
Auwi im Gefängnis.
Es wird uns geschrieben: In Bramsche bei Osnabrüd wurde ein Reichsbannermann von einem Nazimann namens Schmidt unter Umständen erstochen, die selbst die NSDAP . veranlaßten, Schmidt abzuschütteln und zu behaupten, daß sich der Mörder durch die Tat aus der Partei ausgeschlossen habe. Die örtliche NaziLeitung richtete zugleich einen Brief an den Magistrat, in dem sie ebenfalls von dem Nazimörder abrüdte. Wie gemein der NaziMesserheld vorging, zeigt die Aussage eines Nachtschutzmannes über die Mordtat vor Gericht:
Ich hörte Lärm, und da ich Schmidt an der Etimme erkannte, ging ich auf ihn zu, um ihn aus dem Tumult herauszuholen. Ich sah, daß Schmidt mit einem offenen Messer auf die andere Straßenseite lief und sich auf den dort stehenden Kropp stürzte. Borher wußte ich nicht, wer bie betreffende Person war. Schmidt lag auf der betreffenden Person, und wurde von den anwesenden Personen auf die Seite geriffen. Hierbei schlug er mit dem Messer um sich, und muß hierbei den Former Bobfer noch gestochen haben. Im Handumdrehen mar Schmidt in seiner unmittelbar in der Nähe liegenden Wohnung verschwunden. Ich begab mich darauf mit dem Arbeiter Wittig in die Wohnung des Schmidt. Hier trafen wir die Mutter, die ihrem Sohn den blutigen Kopf
Angesichts der drängenden Schuldenfrage bestand bis vor furzem die Möglichkeit, daß die Konferenz zur Begren zung und Beschränkung der Rüstungen noch einmal vertagt werden würde. Aber feine Regierung hat sich der Gefahr ausgesetzt, durch einen Antrag auf nochmalige Verschiebung vor aller Weft als Störerin und Feindin des Friedens zu erscheinen. So sind aus fernen Kontinenten die Regierungsdelegierten schon unterwegs, in Europa haben alle Pluswärtigen Aemter und Wehr ministerien ihre Vorbereitungen abgeschlossen; vielfach Macdonald, von Amerita„ General" Dames als Hauptdelesind die Delegationen ernannt. Von Deutschland sind der Reichskanzler Brüning , von England Ministerpräsident gierte bereits beſtimmt. Ein Entwurf für die Arbeitsweise der Konferenz ist aufgestellt: fünf Ausschüsse werden nach den Begrüßungsansprachen und allgemein politischen Dar
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Begrenzung und politische Fragen jeder Ausschuß-für Land-, See-, Luftrüstungen, budgetäre wird selber eine Ronferenz darstellen, an der 64 Regierungen teilnehmen. Aus= nahmslos alle Staaten, alle Bölferbundsmächte, dazu die Sowjetunion , USA. , die Türkei sind vertreten: die größte Konferenz der Geschichte beginnt Anfang Februar und wird den größeren Teil des Jahres 1932 hindurch tagen. Was wird ihr. Ergebnis sein. Ein Stück Menschheitsfortschritt, etwas Friedenssicherung oder ein neues Aufmühlen unüberbrüdbarer Gegenfäße, ein neuer Rüstungsmettlauf?
abmusch. Schmidt schimpfte, ich hätte hier nichts zu suchen, ich solle das Haus verlassen. Da ich gegen den Wüterich machtlos war, bin ich meggefahren und habe polizeiliche Hilfe geholt." Der Mörder Schmidt sitzt zur Zeit im Gefängnis, wo er trotz der Schwere seines Verbrechens den Besuch des Nazi- Prin- pazifistische Tagung fam der Zar Nikolaus II , auf 3 en Auwi empfing und wo ihm einige Tage später eine Sendung Hitlers mit deffen Bild und seiner eigenhändigen Unterschrift ausgehändigt wurde. Damit haben sich Auwi und Hitler mit dem gemeingefährlichen Schwerverbrecher Schmidt idenfifiziert. Sein Hinauswurf aus der Nazi- Bewegung war nur vorübergehend und nur für die dummen Spießbürger bestimmt, die zeitweilig noch etwas Gemüt im Leibe haben.
Benesch vernimmt Banjek.
Licht über den Anzeiger.
Prag , 29. Dezember.( Eigenbericht.) Der Legationssekretär der tschechoslowakischen Gesandtschaft in Mostau, Wanet, der von der ruffischen Regierung beschuldigt wird, einen Attentatsplan gegen den japanischen Botschafter in Moskau vorbereitet zu haben, ist am Dienstag in Prag eingetroffen. Er erstattete sofort dem Auswärtigen Amt Bericht. Amtlich wird darüber u. a. folgendes mitgeteilt: Das Berhör Waneks und die bisherigen Erhebungen bestätigen in vollem Maße die Unwahrscheinlichkeit und Unrichtigkeit der gegen ihn erstatteten Anzeige. Legationssekretär Wanet war zwar feit dem Jahre 1928 in zeitweiligem Berkehr mit dem Angestellten des Verkehrskommiffariats Godidy, der ihm hier und da schwer zugängliche Theaterkarten in Moskau verschaffte, führte jedoch nie mit ihm politische Gespräche und versuchte nie, etwas von ihm zu erfahren. Um so weniger machte er ihm die Vorschläge, von denen die Anzeige gegen ihn fpricht. Beim Berhör Wanets wurde ferner festgestellt, daß Godicky dieselbe Perfon ist, die im Sommer diefes Jahres einen tschechoslowakischen Kanzleibeamten in Mostau in eine fremde Wohnung verfchlepple, wo ihn Beamte der Gpu verhafteten und durch Drohungen Informationen von ihm erpreffen wollten, die die tschechoslowakische Vertretung in Moskau tompromiffieren follten.
Hetze gegen die Sowietunion.
Ein Sowjetangestellter in Moskau zeigt der Staatspolizei an, daß ihn ein tschechoslowakischer Diplomat zu einem Attentat auf den japanischen Botschafter angeftiftet habe. Er wird verhaftet und der Diplomat auf Berlangen des Narkomindjel( Auswärtiges Amt ) von seiner Regierung heimberufen. Auf der Rüdfahrt erklärt er in Warschau die gegen ihn erhobene Beschuldigung für grundlos. Dies haben wir in zwei aufeinanderfolgenden Nummern mit geteilt, ohne selbst eine Meinung über diese russische Antlage gegen den Tschechen zu äußern. Das genügt dem mittäglichen Münzen berg - Blatt, dem Borwärts" Hege gegen die Sowjet union nachzusagen.
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Bor 34 Jahren wurde schon einmal eine Konferenz für die Begrenzung der Rüstungen einberufen. Die russische Regierung mar 1898 zu finanzschwach, um eine Neubewaffnung der österreichischen Artillerie mit gleichem zu vergelten. Angeregt durch den Bericht einer seiner Beamten über eine den Gedanken, dem Steigen der Rüstungslasten durch eine Regierungskonferenz Einhalt zu tun. Wie wir heute wissen, lachten die großmächtigen Regenten der Großmächte über diese närrische Idee ihres Kollegen, Rüstungen, diese ureigenste, von jeder Großmacht in selbstgefälliger, grenzenloser Souveränität und Eigenmacht selbst zu erledigende Angelegenheit international, auf einer Konferenz begrenzen und beschränken zu wollen. Aber da es sich um einen gewaltigen Potentaten handelte, wahrte man die Form und sabotierte die Sache so gründlich, daß nach den monatelangen diplomatischen Verhandlungen int Haag 1899 allerseits die Unmöglichkeit festgestellt wurde, die praktischen Schwierigkeiten zu überwinden. Nur mit einer Rodifilation des Kriegsrechtes und den ersten zaghaften und gänzlich unverbindlichen Anfängen der Schiedsgerichtsbarkeit fam man wieder in die heimischen Amtszimmer zurück. Am Dogma der Souveränität, an der monarchisch- machtstaatlichen Lehre von der Unvereinbarkeit irdischer Bindungen mit der Selbstherrlichkeit der Könige und Kaifer, soviel rüsten und Kriege führen zu dürfen, wie Ihnen beliebte, zerbrach der erste Versuch vom Haag nicht minder wie der zweite von 1907. Er ließe sich in seinen Flottenbau nicht hineinreden, erklärte Wilhelm II. , und inmitten des Don der Rüstungsindustrie aller Länder aus Profitgier aufgepeitschten Rüstens rangen auf dem europäischen Kontinent nur die Arbei= terschaft und wohlmeinende bürgerliche Liberale um die Verwirklichung der Idee, dem Wahnsinn durch internationale Vereinbarung Einhalt zu tun.
Während des Weltkrieges erhob sich über der leidenden und sich mordenden Menschheit die Idee der Abrüstung. Im Munde des amerikanischen Demokraten Wilson fand sie die allgemeingültige Formel: allgemeine Abrüstung hinunter bis zu dem mit der inneren Sicherheit verträglichen Maß. Aber geschichtsbildende Kraft hat diese Ideologie bislang nur dem Besiegten gegenüber bewährt: Deutschland wurde entwaffnet; über 83 000 Geschüße und Minenwerfer, 107 000 Maschinengewehre, über 6 Millionen Stück Gewehre, Revolver und Pistolen, 39 Millionen Stüd Artilleriemunition, fast eine Milliarde Stück Handwaffenmunition, 14000 Kriegsflugzeuge, 27 750 Flugzeugmotoren, 26 Schlachtschiffe und 19 Kreuzer, 83 Torpedo- und 315 Unterseeboote wurden abgeliefert und vernichtet, an einer Stelle inmitten Europas die Mehrpflicht abgeschafft, die Ausbildung von Referven unterbunden und die Reichswehr etwa nach dem Muster einer Berufsarmee des 18. Jahrhunderts organisiert, ohne schmere Geschüße, Kriegsflugzeuge und Tonks.