Nr. 149. Jahrgang
3. Beilage des Vorwärts
Freitag, 1. Januar 1932
Es geht um die Selbstverwaltung!
Gemeindearbeit in Zeiten der Not- Verantwortungsbewußte an die Front!
Der Borsitzende der sozialdemokratijchen Berliner Stadt.| teilen, daß er nicht mehr in der Lage wäre, feine erste Absicht durch verordnetenfcaffion, Genosse Erich Flatau , zieht nachzuführen. Erreicht merten tonnte dann noch, daß der allgemeine flehend die fommunale Bilanz des Rotjahres Inhalt der nom Oberbürgermeister angeordneten Sparmaßnahmen 1931. Seine Ausführungen flingen in einen 2ppell an den Mitgliedern der Stadtverordnetenversammlung zugängig gealle verantwortungsbewußten Stadtvertreter aus, in höchftem macht wurde, so daß diesen eine allgemeine Nachprüfung ermög. Bilichtbewußtsein für die Erhaltung der Selbstverwaltung ficht wurde, allerdings ohne das gesetzliche Recht, Abänderungsvor: einzutreten. schläge zu machen, die der Oberbürgermeister auch zu beachten gehabt hätte.
In dem jezt zu Ende gegangenen Jahre ist in vielen offiziellen Feiern und auch sonst in Wort und Schrift des 29. Juni 1831 gedacht worden, des Tages, an dem der Freiherr vom Stein auf seinem Schlosse Kappenberg starb. Ein Merkmal der Tragif des wirtschaftlichen und politischen Geschehens unserer Zeit ist es, daß man sich in diesem Erinnerungs"-Jahr mehr als je zuvor am tiesinnersten Gehalt der Steinschen freiheitlichen Selbst= verwaltungsgedanten versündigt hat.
Die in fich gefestigte Persönlichkeit Steins hat sich nur mit affer Energie gegen die preußische Junferreaktion und den preußijchen König eine Zeitlang durchsetzen können. Es ist ein Bild von eigenartigem Reiz, daß die Nachkommen derjenigen, gegen die Stein anzufämpfen hatte, ihn heute als Geist von ihrem Geist bezeichnen, als ihr Jdeal", dessen Erinnerung und Werf gerade sie zu ver teidigen haben.
In seiner großen„ Rassauer Dentschrift, die alle feine grundlegenden Ideen über eine Neugestaltung des preußischen Verwalhmgslebens enthielt, schrieb Stein:
" Der Formenfram und Dienstmechanismus in den Kollegien wird durch Aufnahme von Menschen aus dem Gewirre des prat tischen Lebens zertrümmert und an seine Stelle tritt ein lebendiger, feststrebender, schöpfender Geist und ein aus der Fülle der Natur genommener Reichtum von Ansichten und Gefühlen." Das ist die maßgeblichste Festlegung, die auch den Aufbau der vom preußischen König am 18. Nopember 1808 in gesetzlicher Form fanttionierten Städteordnung bestimmte. Sie brachte die Möglichkeit der Einführung nichtbeamteter Berfonen, der freien" Bürger, der Vertreter des prattischen Lebens in den tommunalen Berwaltungsorganismus. Nicht in Zeiten ruhiger Behaglichkeit, sondern in härtesten Notzeiten sah Stein die Mitwirtung des bemeglicheren Elements des Bürgers im Gemeindewesen für notwendig an. Außer den allgemeinen grundsätzlichen Gesichtspunkten waren es auch solche rein prattisch finanzieller Art, die ihn zu dieser Auffassung brachten. Die durch die Kriegswirren teilweise zerbrochene preußische Verwaltungsmaschine brauchte für eine notwendige Erneuerung und beschleunigtere Gangart mehr und bessere Kräfte. Die Kassen waren leer. Geld, neue Beamte zu bezahlen, war nicht da. Die unbezahlte und zum Teil unverbrauchte Kraft des Bür gers sollte nach der Steinschen Auffassung den erforderlichen Aus: gleich schaffen.
Und wie fieht es heute aus?
Benit man in solch stichwortartiger Umgrenzung diese Entwidlung der Dinge fich wieder einmal vor Augen führt, liegt der Ver gleich mit der Jetzeit nicht fern. Auch sie leidet unter den wirtschaftlichen und politischen Katastrophen, die sich aus dem vorangegangenen Krieg entwickelten. Der bedrängte Staatsmechanismus braucht gerade in dieser Zeit, deren Schreden im Vergleich zu den Mißständen der Steinschen Zeit ins Gigantische gewachsen sind, die Mitarbeit verantwortungsbewußter Männer und Frauen in den kommunalen Selbstverwaltungstörperschaften. Mit tiefem Bedauern muß man feststellen, daß diese Erfenntnis bei hohen staatlichen Verwaltungsstellen nicht deutlich wird, wenn man 3. B. in det fogenannten preußischen Sparverordnung vom 14. Sep. tember 1931 im 4. Teil beim Kapitel 1(§ 1) die Anordnung liest, daß die Berwaltungsorgane der Gemeinden und Gemeindenerbände berechtigt find, alle Maßnahmen, die zum Ausgleich der
Die im Rahmen der Brüningschen Reichsnotverordnung er faffenen Bestimmungen der preußischen Verordnung, die die Mitbestimmung der Selbstverwaltungsförperschaften ausschlossen, haben zu heftigen Diskussionen im Preußischen Staatsrat geführt. Dort sind von Vertretern der Ministerien Interpretationen der Anordnungen gegeben morden. Diese Auslegungen" hatten aber nachträglich die Kraft, das, was in der preußischen Sparver ordnung und in den nachfolgenden Durchführungsbestimmungen ent halten mar, ungültig zu machen. Die Vertreter der preußischen Staatsregierung standen später unter Zustimmung des Innenministers auf dem Standpunkt, daß der gesetzliche Ausschluß der Mit wirtung der Stadtverordnetenversammlung usw. bei der Beschluß fassung über die Sparmaßnahmen nur dann eintreten sollte, wenn der Versuch des Verwaltungsorgans( in Berlin also des Dierbürgermeisters), in gemeinsamer Arbeit d'e notwendigen Beschlüsse zu erreichen, fehlgeschlagen sei. Als ein solches Mißlingen dieses Versuchs sollte in jedem Falle gelten fönnen die vergangene Ablehnung des Etats für 1931 durch eine Stadtverordnetenversamm. lung. Nachdem die Berliner Stadtverordnetenversammlung den Etat für 1931, wenn auch unter großen Schwierigkeiten, angenommen hatte, wäre es nach dieser nachträglichen Auffassung von Vertretern der preußischen Staatsregierung in Berlin durchaus mög lich gemefen, in größerem Umfange, als es in Wirklichkeit geschah, die Stadtverordnetenversammlung mitwirken zu lassen. Das hätte allerdings zur Borausseßung gehabt, daß alle, die willers aren, prattische Mitarbeit zu leisten, zugleich auch der hohen Berant wortung sich bewußt wurden, die sie durch eine solche Arbeit trugen.
Praktische und verwertbare Arbeit.
Dieses Verantwortungsbewußtsein mußte zum Ausdruck kommen in der Erkenntnis des wirklich Notwendigen. Diese Erkenntnis mußte sich erstrecken sowohl auf die Wahrung der Interessen der Stadt Berlin , aber nicht zulegt auch auf die Wahrung der Interessen der von den Sparmaßnahmen teilmeise schmer Betroffenen. Insonder heit mußte also dieses Verantwortungsbewußtsein seinen Ausdruck darin jinden, daß trop aller großen Schwierigkeiten eine eraft und schnelle Arbeit geleistet wurde. Jeder Tag der Verzögerung brachte neus finanzielle Belastungen und neue Schwierigkeiten für einen späteren Ausgleich. Von Anfang September bis Ende November 1931 hat der Haushaltsausschuß mit einer wahrlich nicht zu var antwortenden Behaglichkeit seine Arbeiten geleistet. Eine solche Arbeit fonnte allerdings nicht mehr die Entscheidung des Beilner Oberbürgermeisters beeinflussen, selbst wenn dieser nicht bei dem oben wiedergegebenen Standpunkt geblieben wäre, daß er als Verwaltungsorgan nach dem nicht interpretierten Wortlaut der preußischen Sparverordnung solche Anordnungen allein zu treffen hätte und nur in der Lage sei, etwa gestellte Abänderungsanträge in bezug auf ihre Durchführungsmöglichkeit loŋal zu prüfen. Die Art und Weise, in der manche Fraktionen der Berliner Stadtverordnetenversammlung diese Dinge gehandhabt haben, steht im Wider
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spruch zu der von thnen sonst immer erhobenen Forderung aut Erhaltung der Selbstverwaltung". Diese Erhaltung der Selbstverwaltung fann nicht etwa nur darin liegen, daß man eine bestimmte Anzahl ehrenamtlich tätiger Personen in den Ber waltungsrat einspannt, fontern fie muß vorzugsweise, gerade in Beachtung der Steinschen Grundgedanken, darin erkannt werden, daß diese ehrenamtlich tätigen Personen wirklich praftische und Derwertbare Arbeit fristgerecht leisten.
Die Haltung der Sozialdemokraten.
Die sozialdemokratische Berliner Stadtverordnetenfraftion hatte fich ehrlich bemüht, Borschläge zu machen, die besonders auffällige Härten der Anordnungen des Oberbürgermeisters hätten beseitigen tönnen. Zum Schluß waren Entscheidungen des Haushaltsausschusses der Stadtverordnetenversammlung zustandegekommen, die in eini gen bemerkenswerten Punkten Berbesserungen der Vorschläge des Oberbürgermeisters bedeutet haben würden. Die Selbstverwaltung wurde aber bei den Abstimmungen der Berliner Stadtverordnetenversammlung zur Karikatur, als Fraktionen, die anfänglich mit für die sozialdemokratischen Verbesserungsvorschläge geftimmt hatten, bei der Endabstimmung über die Haushaltsausschußergebnisse deren Ablehnung herbeiführten in der täuschenden Annahme, sie könnten für die Deffentlichkeit vielleicht damit zum Ausdruck bringen, daß fie an sich gegen die Sparmaßnahmen seien, mit denen eigentlich gar feine Fraktion sich identifiziert hatte und zu denen ja offi. ziell nach der Auffassung des Oberbürgermeisters die Stadtver. ordnetenversammlung gar nicht mehr Stellung nehmen konnte. Cs war ein grotestes Bild, als man in folcher negierenden Arbeit Kommunisten, Nationalsozialisten, Deutschnationale und 3en trumsleute fest vereint sah. Diese Karikatur einer Selbstvera waltungsarbeit wurde auch dadurch noch grell beleuchtet, daß für einen nationalsozialistischen Agitationsantrag, der die Hebertragung städtischer Krankenhäuser an faritative und ähnliche Organisationen vorsah ohne daß eine Garantie für die Eubstanzerhaltung gegeben worden wäre). Mitalieder der Staatspartei stimmten, und zwar gerade solche Mitolieder, die sonst von den Nationalsozialisten antisemitische Anpöbeleten zit ertragen haben.
In dem in Berlin erscheinenden Hauptblatt des Zentrums ann man gelegentlich Abhandlungen über die kommunale Arbeit Ber lins lesen. In der letzten Zeit waren dort Artikel erschienen, die in einer besonders zugespizten Form den Berliner Oberbürger meister in seiner Haltung und seiner Arbeit fritifieren. Die Ber liner sozialdemokratische Fraktion hat sich seinerzeit an der Wahl des jetzigen Oberbürgermeisters teteiligt. Sie hat damit nicht zu erkennen gegeben, daß sie sich nun mit ihm auf Gedeih und Verderben verbunden fühlt und sich ausschalten läßt von jeder objektipen, notwendigen Kritit an feinen Leistungen. Die fozialdemo fratische Frattion hat auch in den jüngit vergangenen Monaten durch ihre Vertreter wiederholt im Plenum der Berliner Stadtverordnetenversammlung wie auch in anderer Weise den Oberbürgermeister in sehr deutlich bemerkbarer, fachlicher Art auf Schierigkeiten aufmerksam gemacht, die durch Anordnungen, die er traf, und durch die Hinausschiebung von Entscheidungen. die er treffen sollte, entstehen konnten und entstanden waren. Für die
sozialdemokratische Stadtverordnetenfraktion kann es aber, gerade
in Wahrung der Selbstverwaltung, nicht darauf antommen, nur Kritik an fommunalen, Bersönlichkeiten und Zuständen zu üben um der Kritik willen, sondern diese Kritik muß erfennen lassen, daß sie geübt wird in Wahrung der städtischen Intereffen rnd vor allem in Wahrung der Interessen der von der So 3 'aidemokratie vertretenen Werftätigen.
Bor den Etatberatungen für 1932
Haushalte der Gemeinden( Gemeindevertände) erforderlich sind, Abonniert die Zeitung der Hand- und Kopfarbeiter. ber, wie es den Anschein hat, auf Grund feiner Stellung die ohne Befragen der Selbstverwaltungsförperschaften, zu treffen. Das fann in Wirklichkeit die Errichtung einer Warnungstafel vor den gemeindlichen Verwaltungshäusern bedeuten mit der Inschrift:„ Den Stadtverordneten ist der Zutritt verboten!" Noch unangenehmer muß die Berschärfung dieser an fich schon überaus bedenklichen Bestimmung in den. Durchführungsanordnungen empfunden werden, die festsetzten, daß bei der Durchführung der Sparmaßnahmen die Mitwirkung der Vers tretungsförperschaften( Stadtverordnetenversammlung, Gemeindevertretung, Amtsvertretung usw. usw.) gefeßlich aus. geschlossen ist.
Die Sparmaßnahmen, tie in Berlin der Oberbürger meister als Berwaltungsorgan getroffen hat, find auf das lebhafteste diskutiert und fritisiert worden. In objektiver Beurteilung der Zusammenhänge fann man hervorheben, daß der Oberbürger meister von Berlin nach seinen ursprünglichen Erklärungen im Haushaltsausschuß der Berliner Stadtverordnetenversammlung anscheinend bereit mar, dieser Gelegenheit zur Mitwirkung bei schmie rigen Maßnahmen zu geben. Die Auffassung, die fich nach herausgale der preußischen Notverordnung in ihm verstärkte, hat ihn später feiber veranlaßt, der Stadtverordnetennersammlung mitzu
Name:
Bohnung:
Dorn
bei
Straße Nr
-
Hof Quergeb.- SeitenflTr. links- rechts
Berliner Stadtverordnetenfrattion des Zentrums start zu beeinflussen vermag, wird sich vor Augen führen müssen, daß die Hochhaltung der Rechte der Selbstverwaltung nicht besteht in einer willkürlich aufgebauschten Kritik am Berliner Oberbürgermeister oder im Abrüden von ursprünglich nicht gefaßten Beschüssen, sondern in einer verantwortungsbewußten, ernsten Mitarbeit in den gegenwärtigen schwierigen Zeiten. Diese verantwortungsbewußte Mitarbeit mußte bei einigen der letzten Entscheidungen vermißt werden. Die sozial, demokratische Stadtverordnetenfrattion hat immer betont, daß sie trog aller starten Hemmungen durchaus gewillt ist, ihren zahlenmäßigen und geistigen Einfluß für den Fortgang der Berliner Berwaltungsgeschäfte einzusehen und hierbei mit ähnlich denkenden Fraktionen und Gruppen zusammenzuarbeiten. Keine dieser Fraktionen und Gruppen soll sich aber einbilden, daß die fozialdemokratische Frattion ihnen nachläuft und ihnen dauernd ge stattet, nach vorangegangener gemeinsam geleisteter Arbeit an Entscheidungen derjenigen mitzumirten, die bisher bewußt eine verantwortungsvolle Arbeit hindern wollten.
Die Berliner Stadtverordnetenversammlung steht in einigen Monaten vor den Beratungen des Etats für 1932. Seine Durch Ausfüllen und einsenden an den Verlag des Borwärts" beratung und Verabschiedung wird neue höchste Anforderungen an Berlin SW 68. Cindenstraße 3.das Verantwortungsbewußtfein der für die Selbstverwaltung ehrlich,
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A. Zuntz fel. Wwe.
mit den besten Wünschen zum neuen Jahre:
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