Lugendwohlfahrt/Krise/Notvewrdnung (5in Lleberblick und ein Vorschlag/ vo» Fuck»«
In der Verfassung steht es und ebenso im Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt: ein jedes deutsches Kind hat Anspruch auf Erziehung zur geistigen, leiblichen und seelischen Tüchtigkeit. Die Regierung, das Volk— alle müssen sich klar darüber sein, daß es gegenwärtig um die Zukunft Deutschlands geht. Sollen wir eine ganze Generation körperlich, seelisch, moralisch verlieren? An den vorschulpflichtigen und schul- Pflichtigen Kindern wird ungeheuer gesündigt, chier kann aus Platz- Mangel diesmal nur von den Schulentlassenen gesprochen werden. -1. Lage der Schulenilassenen Der Umfang der jugendlichen Erwerbslosigkeit läht sich nicht ganz genau feststellen. Eine vorsichtige Schätzung soll ergeben, daß immer 10 Proz. aller Erwerbslosen sich im Alter von 14 bis 21 Jahren befinden. Andere schätzen einen Durchschnitt von IS Proz. Im Herbst 1931 sollen es insgesamt 713 OVO gewesen sein. Man nimmt an, daß die Zahl im Lause des Winters bis auf I Million steigen wird. Aber auf ganz genaue Zahlen kommt es ja gar nicht an. Wir wissen, daß die Erwerbslosigkeit der Jugendlichen groß ist und was sie bedeutet. Die Arbeitslosigkeit ist deshalb um so gefährlicher, weil ihre Dauer lang ist, weil die Jugend eine geringere oder meistens gar keine Unterstützung be- kommt und die schlechte soziale Lage der Eltern und die Wohnungs- enge den Zustand verschlimmern und weil Arbeitsmangel und unge- regeltes aussichtsloses Leben in dieser Altersstufe am gesähr- lichsten ist. Jeder junge Mensch muß Illusionen haben, muß ein Ziel vor sich sehen, das ihn lockt. Wie kann ein Jugendlicher sich ein Ziel stecken, wenn er alle Wege in eine Zukunft verbaut steht, die ihm Existenz- und Lebens Möglichkeiten geben soll? Sind sich die Be- Hörden über die Gesamtlage klar? Ja, sie sind es. Das sehen wir aus allen Erlassen. Rur die Konsequenz wird nicht gezogen. Gibt es keine Möglichkeit zur Minderung der materiellen, der geistig seelischen Rot? Es ist kein Geld da, so hallt es uns entgegen. Aber wir fragen: Wird durch die Finanznot auch nur in einem Teil die Verantwortung und die Pflicht zur Hilfeleistung an der durch Erwerbslosigkeit betroffenen Jugend aufgehoben? Sollen wir zusehen, wie sich für die Füllung der Arbeitshäuser, Gefängnisse. Zuchthäuser alle Vorbedingungen erfüllen? Die Not beseitigt Hem- mungen, lockert Begriffe von Eigentum und allgemeiner Sittlichkeit. Zu Zeiten der Not steigt die Kriminalität. Handlungen zur Erlangung von Mitteln, die das Leben den Jugendlichen versagt, werden als natürliches Recht idealisiert. Gewalthandlungen gegen Andersdenkende, gegen Polizei und öffenlliche Einrichtungen werden im Bewußtsein der Jugend als revolutionäre Taten glorifiziert. Rund 70 Proz. sämtlicher Vergehen und Ver- brechen Jugendlicher sind solche gegen das Vermögen, gegenüber einem Durchschnitt von 42 Proz. bei sämtlichen bestraften Personen. Die Jugend bis zu 21 Jahren erhält Unterstützung nur, wenn ihr kein samilienrechtlicher Unterhaltsanspruch zusteht und die dem zum Unterhalt Verpflichteten zur Verfügung stehenden Mittel nach den Bestimmungen der Krisenfürsorge noch gerade ausreichen. Der schon für das Erwerbsleben innerlich vorbereitete junge Mensch kommt durch den Entzug der Unterstützung in eine P r o t e st- stellung zum Staat, die sozialpädagogisch und politisch nicht zu unterschätzen ist Es gibt Jugendliche, die seit chrer Schulent- lassung noch keine regelmäßige Erwerbsarbeit kennengelernt haben. Es gibt Achtzehnjährige, die ihre Lehrzeit beendet haben, dann ent- lassen wurden, um nicht mehr in Arbeit zu kommen. Es gibt ange- lernte junge Arbeiter, bei denen mit 18 Jahren der Tariflohn stieg. Sic wurden deshalb entlassen. Es werden heute Lehrlinge erwerbs- los, weil die Firmen in Konkurs gehen. Sie sind nicht anspruchs- berechtigt, well die Beschäftigung auf Grund eines Lehrvertrages von mindestens zweijähriger Dauer versicherungsfrei ist Etwa 20 Proz der erwerbslosen Jugend, so heißt es, bezieht Erwerbslosen - Unterstützung Das Arbeitsbefchasfungsprogramm der preußischen Regierung lOktober 1930) versprach die Verlängerung der Schul- Pflicht um ein Jahr. Davon war bald keine Rede mehr. Di« gute Absicht wurde nicht verwirklicht, weil dos Geld fehlte. Neben den Vierzehn- bis Fünfzehnjährigen, die nicht von der Straße kamen, waren es die Junglehrer, die keine Stellung bekamen. Die seelische Not der erwerbslosen Jugendlichen ist groß Sie sind nicht nur erwerbslos sie sind beschäftigungslos. Minder- wertigkeitskomplexe entstehen. Häusliche Vorwürfe, manch- mal gar nicht so bös gemeint, au» natürlichem Unmut über die Not erzeugt, treffen hart. Das Schlimmste: Die Jugend fühlt sich als Spielball unsichtbarer Mächte. Junge Menschen dürfen sich nicht lange als Ausgeswßene der Gesellschaft betrachten Wie aber soll diese Jugend dann zu einer positiven Einstellung dem Staat gegen- über kommen? In der Arbeit liegt ein großes Stück Lebens- inhalt, s i e gibt kulturellen Auftrieb, s i e stärkt den Lebens- und Gestaltungswillen. Die Jugend will etwas erreichen! Dies ist die typische Form des Lebenswillens in der Jugend. 2. Möglichkeiten, zu helfen Es gibt Möglichkeiten, der Jugend zu helfen, sie— wenig- stens mit geringeren Schäden— über die Nöte der Zeit hinwegzubringen, wenn Reich Länder und Gemeinden, zusammen mit den vorhandenen Kräften aus der Bevölkerung, vor allem aus den Reihen der Jugendverbände und aus den Reihen der erwccbs- losen Jugend selbst, plan- und sinnvoll zusammenarbeiten. Man muß versuchen, durch eine Umorganisation die Ausgaben neu zu vertellen um so etwas zu ersparen. Aber bei dieser Neu- vertellung der Aufgaben muß in erster Linie auf die Ausweitung, die die Aufgaben erfahren haben, Rücksicht genommen werden. Wo ist die Forderung nach Umschulung geblieben? Die Arbeitslosigkeit ist heute so groß und die Vermittlungsaussicht für den einzelnen so gering, daß damit auch der bestgemeinte Um- schulungswille keine zweckoolle Aussicht hat. Heute kommt es schon viel mehr aus den pädagogischen Wert irgendeiner Beschäftigung an. Aber ganz stark kommt es an auf die Erhaltung und Ausbildung der Geschicklichkeit, ebenso aus die Erzielung einer gewissen Anpassungsfähigkeit körperlicher und geistiger Art. Der Wille und die Fähigkeit zum Umstellen muß elastisch erhalten werden, weil wir gar nicht wissen, wie sehr das der- künftige Arbellsmarkt braucht. Deshalb muß man aber auch bei allen Hilfsmaßnahmen davon ausgehen, daß man 1. damit die arbeitslosen Jugendlichen möglichst in ihrem ganzen zahlenmäßigen Umfang und
2., daß man sie dauernd erfasse« muß. Bei aller Größe der Finanznot müssen sich alle Stellen darüber klar sein, daß dazu Mittel notwendig sind. Wir brauchen Heime in der Stadt. Wir brauchen eine Beschäftigung, die für den Jugend- lichen einen Sinn hat. Der junge Mensch soll essen, sich wohlfühlen, er will sauber und warm gekleidet sein. Er darf sein Selbstbewußtsem nicht verlieren. Es müssen echische Werte in ihm geweckt und gepflegt werden. Vor allem muß er sozial ausgerichtet werden, er muß in der Gemeinschaft von Menschen einen Sinn sehen und einen Halt finden. Aber— alle finanziellen Maßnahmen leiden unter einer großen Zersplitterung. Die Kunst wird im Zusammensassen der Mittel und Kräfte bestehen. In die Aufbringung der öffent- lichen Mittel teilen sich: Arbeitsminister, Reichsminister des Inneren, Reichsarbeitsamt, Länder und Gemeinden. Die behördlichen An- Weisungen gehen von den Möglichkeiten des notverordneten fre:- willigen Arbeitsdienstes aus. Dieser hat unzweifelhaft seine Gefahren, wenn er sozial. psychologisch und pädagogisch falsch angewendet wird Aber er bietet auf jeden Fall die Möglichkeit, eine um- fassende Arbeit am jugendlichen Menschen und zusammen mit ihm für andere zu leisten. Da der erwerbslose Jugendliche ebenso wie der ältere Arbeiter im freiwilligen Arbeitsdienst selbstverständlich niemals solche Arbeit leisten darf, die dem Arbeitsmarkt Lohnarbeit entzieht, ist die Verbindung von praktischer Schulung?- und sozialer Arbeit mit Bildungsmaßnahmen, die die allgemeine körperliche und geistige Ertüchtigung zum Ziel haben, unter allen Umständen geboten. Eine rein negative Einstellung zun» freiwilligen Arbeitsdienst können wir uns, angesichts der großen Gefahre« für die Gegenwart und Zukunft, einfach nicht leisten. 5. München als Vorbild Das beste Beispiel einer guten umfassenden Arbeit scheint mir das M ü n ch e n e r zu sein. Man hat dort einen Jugenddienst eingerichtet. An der Arbeitsgemeinschaft sind beteiligt: Das städtische Wohlfahrls- und Jugendamt, das Arbeitsamt, Vertreter der Hand- werks- sowie der Industrie- und Handelskammer, der freien und christlichen Gewerkschaften, der Arbeitsgemeinschaft für öffentliche und freie Fürsorge, außerdem Jugendpflege und Fürsorgevereine, Turn-, Sport- und Frauenoereine, Presse und Rundfunk. Die Auf- gaben dieses Ortsausschusses beschränken sich auf die Herausgabe von Richtlinien, Aufbringung und Vertellung der Mittel, Bereit- stellung der Arbeit(Entgegennahme der Meldungen über auszu- führende Arbeiten, Prüfung und Weiterleitung an das Landes- erbeitsamt), die Unterstützung und Ueberwachung der Werk- gemeinschaften. Diese letzteren erfüllen die wichtigste Funktion. Ihre Träger sind Jugendpflege und Jugendfürsorge- und Frauen- vereine. Gewerkschaften, Standesvereine und Innungen. Don dem rrganisatorischeu aind pädagogischen Weitblick und Verständnis dieser Träger der Werkgemeinschaften hängt die Gestaltung und Lebendig- keit des ganzen Unternehmens ab Als Jugendliche angesehen werden Erwerbslose beiderlei Geschlechts von 16 bis 21 Jahren. Sie werden in Tagesheimen zu Werkgemeinschaften von 30 Personen zusammengefaßt, die noch Geschlecht, Gesinnung?- gemeinschaften und nach Berufen(Fachgruppen) gebildet werden können. Auch innerhalb der Werkgemeinschaften können noch Zweckmäßigkeitsgliederungen vorgenommen werden. Die Träger der Werkgemeinschaften(Organisationen) beschränken sich aus Ober- aufsicht und Verantwortung. Zur Leitung(Gruppenführer) werden Erwerbslose bestellt(Facharbeiter, Junglehrer, Studenten), die aber Arbeit, Unterricht und Sport mit der Gruppe teilen müssen. Es ist weitgehende Selbstverwaltung der Heime vorgesehen. Die Disziplin soll in freiwilliger Einordnung und Unterordnung bestehen. Wer das nicht kann, muß schließlich(vom Arbeitsamt, Wohlfahrtsamt) ausgeschlossen werden. Auch die Einrichtung, In- standhaltung und die für die Verpflegung notwendige Arbeit wird von der Gruppe selbst besorgt. Bei der Einrichtung und Instand- Haltung der Heime(Reparaturen) ist ein Austausch mit anderen Werkgemeinschaften möglich. Die Beschäftigung dauert täglich vier Stunden, viermal zwei Stunden wöchentlich dienen dem Unterricht, zweimal zwei Stunden dem Sport Im Heim werden die Mahl- zeiten eingenommen und auch die Freizeit verbracht. Die Teilnahme am Jugenddienst ist freiwillig. Verweige- rung oder Aufgabe der Teilnahme führt nicht zum Verlust der Unter- stützung weder beim Wohlfahrtsamt noch beim Arbeitsamt. Die Teilnehmer übernehmen aber mit der Anmeldung zum Jugenddienst eine moralische Verpflichtung zum regelmäßigen Besuch während der ganzen Dauer. Wenn der Jugendliche auf dem freien Arbeitsmarkt vermittelt werden kann, scheidet er aus dem Jugend- dienst aus Der Jugenddienst schafft kein Arbeitsverhältnis»m Sinne des Arbeitsrechts Er bczründet keine Anwartschaft auf Alu (Arbeitslosenunterstützung), Im übrigen gelten alle Bestimmungen über den freiwilligen Arbeitsdienst auch für den Jugenddienst. Während ihrer Teilnahme am Jugenddienst sind die Jugendlichen von der Stempelpflicht beim Arbeitsamt befreit. Di« Stemvelpflicht vollzieht der Träger der Arbeit. Für die Versicherung gelten die Bestimmungen des freiwilligen Arbeitsdienstes. Für die Nebenoeranstaltungen(Sport) ist eine Pauschalversicherung geschaffen. Als praktische Arbeiten kommen«n Betracht: 1. Arbeiten für die Jugendliche« selbst: a) Deckung des persönlichen zusätzlichen Bedarfs der Jugend- lichen: b) Einrichtung und Instandsetzung der Tagesheime: c) Arbeiten für andere Werkgemeinschaften. 2. Arbeiten für die hilfsbedürftig« Bevölkerung: a) Zusätzlicher Bedarf an Schuhen, Wäsche, Kleidern. Möbeln, Matratzen, Vorhängen. Taschen, Korbwaren u. a. Metallwaren und Ausbesserungsarbeiten für vom Wohlfahrtsamt oder von karita- tioen Vereinen benannte Familien: b) Helferdienst bei hilfsbedürftigen Familien. 3. Arbeiten für gemeinnützige Einrichtungen: a) Herstellung von Einrichtungsgegenständen für die Wärme- stuben, Suppenkllchen, Wäscherei für ledige Erwerbslose, Flickstuh« für Erwerbslose:
i>) Transport- und Einlagerungsarbeiten, Holzsammeln für die Nothllse, Kochen für die Kinderspeisungen, c) Einrichtung von Jugendheimen, Herstellung von Sportplätzen, Spielplätzen, Einfriedungsarbeiten, Anfertigung von Spielgeräten. Die Jugendlichen erhalten: Frühstück, Mittagessen, Vesper. Taschengeld, Arbeitskleidung leihweise, Gelegenheit, aus den vom Jugenddienst gefertigten Gegenständen einen Zusatzbedars an Kleidern, Wäsche, Schuhen bis zu SO Proz. der Muterialkosten zu decken. Zur Finanzierung: Das Hilfswerk ist im weitesten Maße aus Unentgeltlich- keit aufgebaut. Die für das Iugendwerk notwendigen Arbeiten müssen von den Jugendlichen selbst verrichtet werden, Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände sollen von ihnen selbst gefertigt werden. Die Oberaufsicht und die leitenden Arbeiten werden ehrenamtlich von den Trägern der Arbeit oder von Personen, die sich dem Hilfs- werk zur Verfügung stellen, geleistet. Der Unterricht wird von den Lehrkräften im Rahmen ihrer Pflichtstunden, soweit er das Pflicht- stundenmaß übersteigt, ehrenamtlich erteilt Sport- und Spielleiter stellen die Sportvereine aus ihren Mitgliedern unentgeltlich zur Verfügung. Räume, Werkzeuge, Material werden von der Bevölke- rung unentgeltlich oder leihweise erbeten. Kosten entstehen demnach für den Unterhalt der Jugend- lichen. Hierfür werden an.den Träger der Werkgemeinschaft ver- gütet pro Person und Wochentag: für Verpflegung(Frühstück, Mittagessen, Vesper) 70 Pf, für Unterhalt des Tagesheims(Licht und Beheizung) pro Person und Wochentag 10 Pf, für Taschengeld an den Jugendlichen, für die Pauschalversicherung. Diese Kosten werden aufgebracht: Bei Jugendlichen, die entweder selbst oder deren Eltern in Unterstützung des Wohlfahrtsamtes stehen, durch das Wohlfahrtsamt in Höhe der Unterstützung. Bei Jugendlichen. die Arbeitslosen- oder Krisenfürsorge beziehen, durch eine vom Arbeitsamt im Wege des freiwilligen Arbeitsdienstes zu zahlende Pauschale von 2 Mark pro Arbeitstag. Bei Jugendlichen, die nach der Notverordnung vom S. Juni 1931 keinen Anspruch auf Arbeits- losen- oder Krisenunterstützung haben, durch den Reichszuschuß. Pauschale von 2 Mark pro Arbeitstag Für Jugendliche, die weder vom Wohlfahrtsamt noch vom Arbeitsamt Unterstützung beziehen können, zahlt das Hilfswerk(Nothilfe oder Winterhilfe). Kosten entstehen ferner: Für die Bezahlung der Gruppenführer. Soweit die Gruppenführer erwerbslos sind, können sie, wenn sie die Voraussetzungen- erfüllen. Bezahlung als Wohlfahrtsarbeiter erhalten. Nur in Ausnahmefällen kann Ent- schädigung vom Jugenddienst gewährt werden. Von dem Barlohn werden die Unkosten für den Unterhall mit 80 Pf, täglich angerechnet. Es stecken in diesem Jugenddienst deshalb große pädagogische Werte, well die geleistete Arbeit zum Teil für die erwerbslosen Jugendlichen selbst, zum Tell für die übrige hilfsbedürftige Bevölke- rung geleistet wird. Materielle und ideelle Vorbedingung ist die Miteinstellung der N o t h i l f e. Der theoretische Unterricht gibt das Mittel, den Sinn des ganzen Jugenddienstes zu verdeutlichen und zu oertiefen. Die Möglichkeit der weltanschaulichen Zu- sammenfasfung haben sich die Münchener Arbeiterorgani- sationen zunutze gemacht. Ortsausschuß des ADGV-, Arbeiterwohl- fahrt. Sozialistische Arbeiterjugend und Arbeitersportkartell haben die Durchführung selbst übernommen. Sie haben eine„Vereint- gunq Jugenddien st der freien Arbeiterbeweaunz im Verein Arbeiterwoblfahrt München e. V." gegründet. So ist auch das beste Beispiel gegeben, wie man mit den Behörden und den Organisationen der freien Wohlfahrtspflege ein Stück zusammengehen, aber dann auch zugleich wieder eine gute Arbeitsteilung vornehmen kann, die ein befriedigendes Arbeiten ermöglicht.
Silvester im Schiller-Thealer. Jtameaa, Dibo, Goetze:„Die göttl che Jette". Shakespeare , Meliere und Tristan Bernard , die ihr Schau- spielerpersonal beim Dichten stets beblinzeln, würden ihre deutschen Kollegen Rameau , Bibo und den Musiker Walter W, Goetze beim Ohr gezaust haben, hätten die drei Lucle Mannheim nicht die Hauptrolle auf den Leib geschrieben. So verfaßten sie für Luci« Mannheim etwas, was zugleich Gesangsposse und Rührstück, Bier- mimik und Siloesterkladderadatsch, kurz etwas Ulkiges, Erfreuliches ist. Man läßt sich von dem angenehmen Bewußtsein schaukeln: die da oben auf der Bühne verstehen ihr Handwerk, wenn sie damit auch gelegentlich herumschludern, wenn sie auch zu naiv auf Applaus spekulieren, wenn sie auch ihr bescheidenes Teil dazu bei- tragen, daß Berlin immer tiefer in Operettenduseligkeit verdattert. Trotzdem darf das Schillertheater weder der Not noch der Notverordnung, noch ihrer schlimmsten Folge, der Amüsieröde. ganz und gar zum Opfer fallen. Lucie Mannheim , von Fehling an der Volksbühne groß- gezogen, wirtlich ganz groß, darf sich heute parodieren. Da sie im Besten und Bösen eine Verführerin zur ungemischten Heiterkeit sein kann unterhält sie entzückend. Sie zieht den Kenner aufs Geschmack- vollste an ihr zärtliches Schauspielsrinnenherz, Lucie Mannbeim, das ist Berlins zärtlichste Soubrette, eine junge Frau mit tragis�er Einfalt und kindisch-komödiantischer Vielsalt, eine geschmeidige Katze und Meisterin de? süßen Redens und der hingebungsvollen und hinreißenden Volkstümlichkeit. Außerdem ist sie diesmal auf der Bühne eine echte Spree - und Pankeschnäuzchen-Berlinerm und spiell ein Mädel mit Theatergenie. Eben noch nix, dann fix alles, was an Glück möglich ist, sogar Gräfin, Gräsin!, und man denke: sie pfeift auf die ganze Gräsin! Und Hallo, zurück an die Schmiere. zurück aufs Theater, nee. ufs Theater. „Die götlliche Jette" ist handsestes Theater. Das heißt: es wackelt im Verstand, aber sonst wächst, blüht und gedeiht es. Alle Mitfeiernden, all« Mitspieler, alle in bunter Reihe Aufzuzählenden. alle auch nicht Genannten tun ihre Komparsenpflickt für Lucie Mannheim . Leibell, Senta Söneland . Loos. Menzel. Rosa Pategg usw. usw. Nimmt man dem Schillertheater die E x i st e n z s o r g e n ab. zwingt man es nicht mehr zum Konjunkturschmus, dann braucht es nicht mehr mit dem Rosetheater zu konkurrieren. Dann brauch» es nicht mehr die Retterschen Operettenramschbazare zu beneiden. dann kann es wieder aus eigener Kulluriurage leben. Nock» ist es Zeit, das Schillertheater zu retten. Max HocMorf.