Morgenausgabe
Nr. 3
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49. Jahrgang
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3. Januar 1932
mal ad eie Groß- Berlin 15 Pf. 1. nito s Auswärts 20 Pf.
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Harzburger Front mit Reile.
Schwere Schlägereien zwischen Nazis und Stahlhelmern.
amtierenden Borstand der Landwirtschaftskammer, der sich nur aus In der Silvesternacht wurden mehrere Herbergen in Anhängern der Landbundrichtung und Vertretern des Großgrund Güstrow und das Stahlhelm- Heim der Schauplatz besitzes zusammenfeßt, aufs rüdfichtsloseste angegriffen. Dem schwerer Schlägereien mit politischem Hintergrund. Gleich Präsidenten der Kammer, von Bernuth, wird von Nazifeite u. a. vorgeworfen, er habe minderwertiges Bich aus eigenem nach Beginn des neuen Jahres kam es im Stahlhelm- Heim Bestande zu teurem Preise an ein von der Kammer einge: zwischen Stahlhelmern und Nationalsozialisten richtetes Mustergut verkauft. Die Folge dieser Berdächtigungen zu Lätlichkeiten, die einen Schwerverletten forderten. werden mehrere Gerichtsverfahren sein, aus denen die Ebenso folgenschwer verlief die Schlägerei in der Herberge zwischen Ceffentlichkeit bald erfahren dürfte, ob die junkerlich- Deutschnationale Herbergsinsatsen. Auch hier wurden zwei Personen schwer verletzt. Bürokratie der Breslauer Landwirtschaftskammer wirklich saubere und zwar handelt es sich um die Ehefrau Gagner aus Güstrow und Westen hat oder nicht. Die politischen Konsequenzen der Fehde den Herbergsinjassen Arbeiter Fritz Eichelhardt. Beide haben schmere zwischen Nazis und Landbundleuten lassen sich noch nicht ganz überKopfverletzungen erliffen und liegen bedenklich danieder.j fehen. Eine gemeinsame Liste der beiden Gruppen wird kaum noch zustande kommen. Anscheinend ist auf beiden Seiten nach so viel 3m Stahlhelm- Heim wurden fast sämtliche Einrich- Gehässigkeiten feine Neigung mehr für ein politifches Zusammenfungsgegenstände wie Tische, Stühle sowie die Fenster- gehen vorhanden. Außerdem soll, wie jetzt berichtet wird, Hitler scheiben 3erfrümmert. Die Kriminalpolizei hat sofort ein- feiner niederschlesischen Gauleitung jedes Bündnis mit dem Landgehende Ermittlungen zur Feststellung der Täter aufgenommen. bund untersagt haben, obwohl sich Bertreter des niederschlesischen Einige Rädelsführer find bereits verhaftet. Landbundes in München abmühten, Hitler von der Zweckmäßigkeit eines Zusammenwirfens zu überzeugen. Die Parteileitung der NSDAP . hat demnach den Landbundleuten Schlesiens den Stuhl vor die Tür gesetzt.
Krach auch in Niederschlesien .
Breslau , 2. Januar. ( Eigenbericht.)
Bon der Harzburger Front ist in Niederschlesien nicht Diei zu spüren. Bielmehr vermöbeln sich hier Nazis und Deutschnationale tagtäglich, daß es nur so hagelt. Der neueste Krach ift zur Zeit anläßlich der am 10. Januar stattfindenden Wahlen zur Landwirtschaftstammer in Breslau im Gange. Die Nationalsozialisten haben wochenlang den gegenwärtig
Was ist mit Best?
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Die Nazis behaupten, das Berfahren sei eingestellt! Aus Heffen wird von nationalsozialistischer Seite gemeldet, daß das vom Reichsanwalt gegen den Verfasser der Borheimer Dokumente Dr. Best eingeleitete er fahren inzwischen eingestellt worden sei. bd
Eine Bestätigung dieser Nachricht liegt bis jetzt nicht vor. Sie flingt jedoch angesichts der schon vor der Einleitung des Berfahrens geäußerten Ansicht des Oberreichsanwalts nicht gerode unwahrscheinlich. Wenn sie sich bestätigen sollte, so mürde das allerdings eine Brüstierung des Rechtsgewiffens darstellen, wie sie schlimmer faum erdacht werden könnte.
Außer den Nazis und dem Landbund werden der Bauernbund und der Bauernverein am 10. Januar mit eigenen Vorschlägen aufmarschieren, so daß der Kampf um die berufsständische Bertretung der niederschlesischen Landwirtschaft heftig werden wird. Er dürfte einen ersten Borgeschmack auf die bevorstehenden politischen Bahlen liefern und zeigen, wie stark insbesondere die schlesische Bauernschaft bereits von dem faschistischen Gift ergriffen ist.
Postichedkonto: Berlin 37 536.- Banllonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3. Dt. B.u.Disc.- Ges., Depofitent., Jerusalemer Str. 65/66.
Gegen die Eiserne Front!
Wer? Goebbels und die Kommunisten!
Muß man in Deutschland in Kabelbrunnen friechen, wenn man die Oeffentlichkeit sucht? Muß man Fernsprech leitungen heimlich anzapfen, wenn man das Ohr des Volkes finden will? Muß man sich heimlich in Reden anderer einschleichen, wenn man dem Bolte wirklich etwas zu sagen haf?
Weg sein, auf dem man in terroristisch beherrschten Ländern Es mag dieje Methode der Geheimbündelei der einzige eine eigene freie Meinung, unbedrückt und ungehemmt von einer diktatorischen Gewalt, einem weiteren Kreise zugänglich machen kann. Wenn die Freiheit erstickt ist, wenn das Volk nur die Stimme eines autokratischen Regimes hören darf und Totenstille sich über bedrücktes unfreies Volk legt, dann ist es Pflicht, auf allen Wegen und mit allen Mitteln das Ohr des Volkes zu suchen!
Mitteln greifen, wenn man eine freie politische Meinung Muß man wirklich in Deutschland zu konspirativen fagen will? sid And
über einen Parteiapparat. Sie kann vom Montag an wieder Die Kommunistische Partei verfügt über eine Bresse und mie alle Parteien in Deutschland öffentliche Versammlungen abhalten und Flugblätter verbreiten. Sie hat weitgehende Freiheit der Agitation.
Man kann in Deutschland oppositionelle Meinungen in breitester Deffentlichkeit vertreten. Man genießt bei Angriffen gegen Staat, Regierung und Verfassung trotz Notverordnung einen recht weiten Spielraum, sicher einen unendlich weiteren als in den Ländern, die für Rechts- und Lintsradikalinskis Borbilder sind. Man fann werben für politische und wirtschaftliche Nah- und Fernziele, die völlig abweichen von den Plänen und Zielen der Regierung und
Bürgerkriegsübungen in Niederschlesien vielleicht wäre es gut, wenn viel stärker als bisher nicht mir
3m Zeichen der Rotverordnung.
Im nördlichen Niederschlesien verstärkt sich der national sozialistische Terror unausgefeßt. Das in Neusalz a. d. D. erscheinende sozialdemokratische Organ berichtet darüber aus Glogau und Umgegend:
( ,, Seit Wochen sind Borgänge beobachtet worden, die eine starke Beunruhigung unter die Bevölkerung tragen. Im Zeichen des Uniform und Abzeichenverbots ist es noch immer möglich, ungehindert in der Stadt in der Uniform des Jungstur ms mit Spaten" ipazieren zu gehen. Auch Patronen, dugendweise als Dum- Dum- Geschosse hergerichtet, wurden gefunden. Ferner werden Natübungen der Nazis und verbotene
Wir brauchen nicht erst zu sagen, wie fern wir den Agi- Hausversammlungen gemeldet. Die Ablösung der Wache im tationsmethoden der Kommunisten stehen, die in der Sozial- A- Heim- Glogau erfolgt mit Auto und Fahne. Auch der demokratie ihren schlimmsten Feind sehen. Trotzdem oder gerade deswegen halten wir die vielfachen Anklagen und Urteile gegen Rommunisten, die beim Reichsgericht erhoben und gefällt wurden, für mehr als fachlich anfechtbar. Sie sind zumeist, soweit fie fich auf., literarischen Hochperrat" beziehen, so gefünftelt, daß die Kabinettsjustiz des Vormärz darauf neidisch werden könnte.
Stahlhelm marschierte dieser Tage geschlossen zu einer Werbeversammlung. Während einer Schlägerei zwischen Nazis und Gegnern fam nach dem Ertönen einer Trillerpfeife aus dem SA.Seim Berstärkung". Sie beteiligte sich an der Schlägerei. In Alt maffer fanden kurse des Stahlhelm statt. Aus Hainbach und Groß Grädig fommen ebenfalls Meldungen über Nachtübungen. Wenn auch nur das gleiche Maß juristischen Scharfsinns, Nazi- Trupp des Nachts geschloffen zur llebung marschierte. In der Aus Brostau wird gemeldet, daß in den letzten Tagen wieder ein der gegen Buchhändler, Schriftseher und Zeitungsfrauen nacht ging ein Glogauer Bürger von der Brostauer Straße durch kommunistischer Richtung aufgeboten wird, gegen die Bor - die Schrebergärten nach der Rauschwitzer Straße zu. Plötzlich hörte heimer Blutdokumente angewandt würde, so wäre er den Ruf:„ Halt! Stehen bleiben, nicht weiter gehen, bei Lebensder juristische Nachweis der Vorbereitung des Hochgefahr!" Da er fein ängstliches Gemüt hat, ging er underdrossen verrats spielend erbracht. Die vorzeitige Einstellung des weiter. Noch zweimal ertönte der Ruf. Dann sah sich der Spazier Verfahrens gegen den Nazi- Best und Genossen würde dar gänger einer sich als Wache" vorstellenden Gruppe von vier Mann fun, daß der juristische Scharfsinn bei der Oberreichsanwalt mit geschulterten Spazierstöden gegenüber. Sie wollten ihn hinder schaft plötzlich verflogen ist. Aus melchen Ursachen, darüber meiterzugehen. Nur, fein energischer Proteft gegen den macht tönnte sich die Welt vergeblich den Kopf zerbrechen. habenden Häuptling verschaffte ihm die Möglichkeit, den Heimweg fortzusehen."
Naziparlamentarismus in Hessen . Die Agitationsforderungen im Parlament.
Darmstadt , 2. Sanuar.( Eigenbericht.)
Die nationalsozialistische Fraktion hat jezt im Hessischen Landtag die zwölf Agitationsforderungen, die sie kürzlich dem Zentrum als Regierungsprogramm übermittelte, in Form von Anträgen eingebracht. Danach soll der Landtag beschließen, daß in Zukunft nur ein Minister antiert. Allerdings st die Forderung der Nationalsozialisten gegenüber dem Zentrum, daß dieser ein Minister ein Nationalsozialist sein soll, in dem Antrag nicht enthalten. Außerdem fordern die Nationalsozialisten die Aufhebung der Heffischen Gesandtschaft in Berlin und die Streichung fämtlicher Staatsratsstellen. Ferner soll die im Staatsverlag erscheinende ,, Darmstädter Zeitung", das jeßige Regierungsorgan, thr Erscheinen einstellen.
Die Nazis hoffen, daß ihre Steigbügelhalter, die Kommunisten, für ihre Anträge stimmen werden und sie damit eine Mehrheit erhalten.
Und das alles im Zeichen der jüngsten Notverordnung!
Hugenberg - Zeitung vor dem Ende?
Wie die Münchener Bost" erfährt, ist dem Besamtpersonal der München- Augsburger Abendzeitung" am letzten Tag des alten Jahres gekündigt worden.
Damit scheint die schmerzhaft- lange Agonie des Blattes in den Auflösungsprozeß überzugehen.
radikale Stimmungen, sondern wahrhaft radikale positive finnvolle Pläne vertreten würden! Man kann in Deutsch land jederzeit das Ohr des Boltes finden wenn man etwas zu sagen hat.
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Wer unter diesen Umständen das Ohr des Volkes nicht zu gewinnen, sondern zu erschleichen sucht, der muß wenig Vertrauen zu dem haben, was er zu sagen hat!
Was hatten sie denn zu sagen, was ist die große Heilsbotschaft, die sie aus dem Kabelbrunnen hinter Neukölln über das angezapfte Fernsprechtabel dem deutschen Volke vertünden wollten? Die Botschaft war leer und hohl wie alles, Es waren die abgedroschensten Schlagworte, die bekannten mas von den kommunistischen Agitationsschwägern kommt. fraftmeiernden Phrasen der kommunistischen Propaganda. Aus ihnen sprach weder Sinn, noch Kraft, noch Würde.
Hat es Sinn, dem Boffe, und vor allem dem arbeitenden Volfe zuzurufen Heil Sowjetdeutschland", wenn als nächste Aufgabe die Verteidigung der Freiheit und der Demokratie gegen den Faschismus vor dem Bolte steht? Soll die Arfratie im Zeichen des Sowjetsterns begeistern, weil der beiterschaft sich für den Tod der Freiheit und der DemoFaschismus mit der demokratischen Verfassung die Freiheit Faschismus mit der demokratischen Verfassung die Freiheit der Arbeiterschaft zu meucheln sucht? der Arbeiterschaft zu meucheln sucht?
Das hat nicht nur feinen Sinn, es ist vielmehr auch ein ficheres Zeichen mangelnden Kraftgefühls und.mangelnden Kampfwillens! Es bedeutet, den Rampf gegen den Faschise mus aus der Wirklichkeit in das Reich der Illusion perlegen. Mehr als das! Es ist die ideelle Unterstützung der Sache der Unfreiheit. Wer heute Diktatur und Terror predigt, der predigt sie für den Faschismus!
Die Erhaltung der Demokratie das bedeutet die Er haltung des Lebenselements der Arbeiterschaft. Wer sie zu zerstören sucht, gleichviel aus welchem Lager, dient objektiv der Sache des Faschismus. Das ist seit Monaten der Leitgedanke aller Politit im Interesse der Arbeiterklasse.
Die Kommunistische Partei verstößt systematisch gegen diesen Leitgedanken. Sie hat sich seinerzeit an die Seite der Faschisten gestellt, als der Faschismus nach der Macht in menu Breußen greifen wollte. Ueber diese Frontstellung der KomEin trauriges Ende der einst vornehmen liberalen Zeitung, munistischen Partei schrieb Trotti in der Broschüre., Gegen die seit Jahren, Politit" im Stile Sugen bergs betreiben mußte, den Nationalfommunismus": in dessen Konzern sie aufgegangen war.
Ein Börjenzeitungs- General. Der Berleger und Mitbesiger der Berliner Börsenzeitung", A. Killisch von Horn, teilt mit, daß sein Nejse, der General der Infanterie a. D. Joachim Dou Stülpnagel, in den Berlag eingetreten ist. Das Blatt, von dem behauptet worden war, es werde zu Neujahr mit der DAZ." verschmolzen, besteht selbständig weiter.
Wenn die Faschisten die Arbeiterklasse zertrümmern würden, dann könnte von einer Eroberung der Macht durch die Kommu nisten auch nicht die Rede sein. Die Arbeiterklasse und ihre Organisationen vor den Faschisten Schüßen, bedeutet für uns, uns die Möglichkeit zur leber=
zeugung der Arbeiterklasse zu sichern und sie zu uns zu führen. Darum fönnen wir nicht anders zur Macht tommen, als alle