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Im Frühjahr 1929 wurde der Chorakterspieler des Stadt- theaters nicht mehr reengagiert. Künstlerische Bedenken lagen nicht nor. Im Gegenteil: er stand bei Presse und Publikum gut an» geschrieben: aber man„sparte* ihn ein. Mit 199 Mark und dem Berechtigungsschein zum Stempeln fuhr er nach Berlin . Angehörige besaß er zum Glück nicht: es wurde schon sa kaum reichen. Schlafstelle genügt. Am nächsten Morgen bleischweres Aufstehen, nimmt den guten hellen Anzug aus dem Koffer; wird der noch einmal mitspielen? Bor Herbst schwerlich: und dann? Die Ausweispapiere in die eine Tasche, in die andere Bilder und Kritiken, auf die doch keiner was gibt. Arbeitsamt. Vierundachtzig warten vor ihm. sich wappnend gegen eine See von Plagen... jetzt finge die Probe an— 2'/3 Jahre Westfront: da wußte man wenigstens: jeden Augenblick kann's aus fern.— Papiere vorlegen— Fragebogen ausfüllen: Stempel. Immer neue Gesichter: ein Kollege:„Servus, wie gehts? auch hier?*— Hättest den Winter mehr nutzen sollen, dran denken, daß Schluß fem kann. Statt dessen hast du gehofft, Stempelbruder Nummer soundsoviel.„Grüß Gott, ja, da kamma halt nix mach'n. Na. Hals- und Beinbruch.* Wie öde und hoffnungsleer das ist.— Endlich abgefertigt. Weiter. Die Maisonne brennt zum Hohn. Frühstückszeit. Ach was. sparen, sparen, wer weiß, wie lang das dauert.— Fast Haus an Haus liegen die Agenturen. Neue bekannt« Gesichter. Man reißt sich zusammen. Wer freut sich hier an den guten Bewegungen, wer beklatscht die Extempores? Jetzt spielt man sich selbst: eine un- dankbare Rolle, eine Würzen... Bis auf die Treppenflure stehen sie. Anmeldung, Papiere. Eine Luft wie in der Leichenhalle. Halb- laute Gespräche betäuben und verdecken nicht d«e gierige Furcht. Krampfhaft lebendige Gesichter. Viertelstunden versickern. Das Lachen klingt falsch: kunstvoll angelegte Sätze werden herunter- geplappert. Die„muntre* Naive hat trübe verhungerte Augen: „Ich laure hier drei Wochen jeden Tag, und nichts tut sich.* Der rundliche Komiker reißt seit Stunden Witze, aus die kein Mensch mehr hört.„Meine Frau liegt zehn Wochen im Krankenhaus*. schlepp! sich eine dunkelschwere Stimm« von Wort zu Wort. Ein« Tür geht auf:„Bedaure, Herrschaften— vielleicht übermorgen.* Totentanz. Jeden Tag: ausstehen, gut anziehen. Stempeln. Warten auf den Agenturen, herumirren m der staubigen, lärmenden, sonnen- heißen Stadt. Den Kollegen weicht man aus, dem Renommieren mit den Bombenerfolgen. Auch Kulissenklatsch ist nur Narren- tünche. Unerträglich die langen hellen Abende. Das Spiel steckt i» den Nerven, reizt sie zur Wundheit. Theaterfreikarten tosten unerschwingliches Geld. Manche vertanzen das Grauen; er kann's nicht: verstöhnt die totstarre Zeit. Ein Monat ist um. Agenturen: stempeln: heut an dem Ende der Stadt, morgen an dem. Unteroffiziergeschimpfe prallt gegen verquälte abstumpfende Gesichter. Grausig wirken die guten An- züge zu den ausblutenden Köpfen. Selbst unentwegt Vergnügte hohen, genau besehen, angstverzerrte Fratzen. Samstagabends Stempeln im Äleinbürgerviertel. Das eingefressene Vorurteil gegen die Schauspieler, die Nichtstuer, peitscht johlende Zurufe aus den Fenstern. Er brüllt gegen die hämischen Biester:„Lieber einen Mühlstein um den Hals, statt so zermahlen zu werden.* Ein Höllengejaule zur Antwort. Nachts schreit er auf in Traumqualen. Unter Mühlsteinen, hat er gelegen. Die fahren herunter wie Schraub- siöcke: zwei Riesenfäuste pressen die Last in unentrinnbarer mahlen- der Drehung. Die Brust zersplittert ihm. Blut schießt über sein Narrenkleid. Aber er hat nicht sterben können. Nach diesem Traum erlebt er keinen ganz gesunden Tag mehr. Seine Kunst, sein Spielhunger vergärt, verhärtet. Als er Monate später noch fünf Stunden Warten endlich zum Vorsprechen kommt. erstickt sein Spiel vor Schwäche: Mißerfolg. Längst haben die Theater angefangen. Ein paar tausend ausgediente Harlekin« zu- viel, er und die anderen Uebriggebliebenen: warum bringt man uns nicht um? Ein Tenor. Kerl mit Götterstimme, ist ins Wasser ge- gangen, eine komische Alte hat sich vor den Zug geschmissen. Was da wohl noch komisch ist? Die schöne Koloratursängerin steht jetzt an der Straßenecke und girrt ums Abendengagement. Freitod, den die verlogenen Satten als Selbstmord verfemt haben? Ein« Feig- heit. zu der ihm aller Mut fehlt. Solange da drinnen noch was hofft, mach! man eben mit.— Ab November gibt's weniger Geld: Krisenfürsorge. Es ist zu wenig— es find zuviel. Und wo noch Frau und Kinder michungern. Unruhe durchfiebert ihn. Plötzlich hockt unter dein Herzen der Einfall, wühll: Ausweg finden. Welchen? Winterreise, Komödi- antenirrfahrh ganz allein. Besser im Groben erfrieren al» sa von innen her abzusterben. Mit einem aufgescheuchten Sinn für Reklame sucht er den Ber- »weiflungsplan auszumünzen. Umsonst. Sein Unterstützungsan- ipruch löscht aus. Macht nichts? Die Dumpfheit verfliegt. Bogel « frestvild. Ein Kunde, ein Gaukler, geht auf die Walze, ins Un- gewisse, um fein bißchen Kunst zu retten. Dorfköter und Landjäger über dir. Und Gottes Rundhorizont. Er trägt sein Schicksal auf dem Rücken und pfeift mit dem Wind um die Wette, daß er die Stadt des Absterbens hinter sich hat. Der Winter meint es gut mit dem Straßenläufer. Fechtbruder— aber er bezahlt mit Kunst. Hier Schnurren, da eine derbe Szene, Märchen für die Kinder. Einer verlangt sogar Schiller . Er spielt sich wieder ein. findet Essen, Strohbleibe und Groschen. die bald da» Einsparen verlohnen, studiert alte Rollen in Kopf und Blut neu. Wenn er erst wieder auf der Bühne spielt, soll e» das Leben selbst sein. Zwischendurch Briest. Anfragen. Die Agenten schweigen sich aus. Städte meidet er: Stolz de? Fahrenden. Boden- wüchjigkeit der Landstraße. Gefest kommt er zum Frühjahr zurück ins Millionenelend, steie Luft in den Lungen: hofft wieder, antichambriert, wartet geduldig. Ist empfindlich geworden gegen fallche Tone, gegen alles Gemachte. Beim Vorsprechen verwickelt ihn der bewußte Abstand in Unsicherheit. Der Agent schüttelt den Kopf, der Intendant hört an dem neuen echten Ton vorbei. Wieder ein Sommer, wieder fängt der Winter an. Und die Noi�hat sich verdoppelt. Der Einfall, die erlösende Selbstbefreiung schlägt um in Routine, in Gewerbe. Das Zunstgefühl nimmt ihm die Lust. Er spart für die Theaterstädte, stellt sich vor, bellest— verärgert. kunstunftoh— um geregelle Beschäftigung. Uebcr dem verliert er die Sehnsucht, ohne das Unterkommen zu finden. Ganz aus dem Lot, fährt er zurück. Lauert in der neuen Einheitsagentur, nörgell, zerrerbt sich an den Widerständen. Denn zehntausend schnappen nach dem Strohhalm, zehntausend Komö- dianten unter vier Millionen Heilloser. Die endlosen Sommertage quälen, wie damals. Aber mit krästefressender Selbstzucht gelingt es ihm wenigstens, feine Kunst ans Ufer zu retten. Mit hossnungslostr Liebe klammert sich die Sehnsucht an jeden Fetzen Theater. Immer reiner leuchtet die Kunst in ihm, fugenlos verjchmelzen jetzt Erlebnis und Rück- erinnerung. Wie ein Schwindsüchtiger fühll er sich zugleich weniger und mehr werden. Schmerzen kommen: der Atem sticht. Darunter flammt es auf: nur einmal noch spielen.
Eines'Nachts spuckt er Blut. Hat keine Furcht mehr: nur Besteiung von den Schlacken. Der Winter 1931 setzt ein. Das letzte ist verkauft oder versetzt: zur letzten Fahrt. Di« Sehnsucht treibt ihn von Dorf zu Dorf und weller, bis er schließlich in einer Stadt vor dem Bühneneingang steht, aus dem die alle zauberische Luft in die wunden Lungen dringt. Das Heimatgefühl reißt ihn hoch. Wie ein Dritter hört er Fragen und Bericht: die alten Tön«, seine eigene hustengeschüttcll« Sprache. Dann ein erwarrungbanges jctigcs Ausruhen, während der Lokalverband berät. Noch einmal legt sich die Berzwesslung mit Mühlsteinlast auf den matten Körper. Trotzdem, er sorgt sich nuht mehr. Man ruft ihn. Das Mille id kühll wunderbar. Er faßt nur, daß er bleiben darf. Sie sammeln für ihn.„Natürlich hierbleiben. all- unser Gast.*„A. G.?* lacht er und läßt die Glückstränen laufen.„Und spielen?*„Spielen— dos hängt vom Alten ab. Notverordnung. Wir find um 59 Proz. gekürzt. Proben zusehn— gewiß. Und das groß« Los kommt schon mall"(„Armer Teufel*, sagt der Obmann,„soll er wenigstens in den Sielen sterben.*) Probe um Probe, Abend um Abend sitzt einer mit fiebernd sehnsüchtigen Augen in der Kulisse und kann sich nicht sattsreuen. Was er kennt, spricht und spielt er mit, lernt neue Rollen nach, greift überall zu. sitzt in der Garderobe und durchlebt zwischen Aufstehen und Einschlafen die erkämpfte Glückseligkeit. Selbst die Nächte ermatten ihn höchstens. Die Qual hat aufgehört. .Lear* wird geprobt. Er versinkt in den begnadeten Neben- rollen: Kent, Albanien , Narr. Er nimmt sie in seinen Schlaf hin» über und träumt das Seltsame: daß die Mühlsteine, von den Riesenfäusten gewunden, ganz auf ihn gepreßt liegen. Sem Blut fließt mit jedem Atemstoß von ihm über da» bunt«, rot über- fleckt« Kleid, dos Narrenkleid: Lear» Narr ist er. Der Traum muß Schicksal bedeuten. Bon Stimmen gehetzt, lernt er die Rolle. Keine Anweisung, keine Stellung entgeht ihm auf der Probe. Blind könnte er der Schlagschatten des Narrenspielers fein. Generalprobe vorüber. Er fiebert Ungeahntem entgegen. Die anderen sprechen es der Krankheit zu. Premiere. Wie«in vcrgillertes Tier rast er eine Stunde zuvor durch die Flure. Aufregung: die Nachricht, daß der Darsteller des Narren plötzlich schwer ertrankt ist. Er glüht auf:„Laßt mich spielen, nur heull" Beratung. Der Intendant ist einverstanden. Zitternd:„Bitte, bitte, wcrd' ich angekündigt? Das einemal?*
s Hockt vor einem Spiegel. Sie schenken ihm Schwinkstück«. Er zieht den Geruch ein so tief er kann, streichelt die Kappe, läuft in die Dekoration, tappt von Kulisse zu Kulisse. Mit großen entrückten Augen sieht er das erste Bild, saugt sich mit oll seinem Schicksal voll, spürr die Mühlstein« auf der Nacrenbrust: nun ist der Traum erfüllt. Leben und Kunst klingt ineinander. Austritt. Keiner vor und hinter der Rampe, der die Trance des Narren nicht übergroß fühlte.„Laß mich ihm auch dingen: hier ist meine Kappe."..... Warum, mein Kind?" fragt Lear. „Warum? Weil du es mit einem hallst, der in Ungnade gefallen ist." Seine Echtheit reißt die anderen mit. Selten ist so wenig„Theater " gespielt worden wie in dieser Lear-Aufsührung. Die Rarrenspäße stöhnen vor Not. Lears Schlagschatten, nichts weller: und doch ver- blutet hier ein Schicksal. Cr höhnt Lear und leidet daran: er lästert GonerU und trifft sich selbst damit. Aktschluß. Beim Abgehen zittert er: sie drücken ihm die feuchtkalten Hände. Er krümmt sich vor Husten.„Ich— fühle— jetzt wird alles— gut", keucht er- Zweiter Akt. Das Leid wird mächtig über ihn.„Fortuna , die arge Hur. tut auf den Reichen nur", hämmert er Lear ins Gesicht. Und Kent heult er mit Mühlensteinfchwere an:„Wir wollen dich zu einer Ameise in die Schule schicken, um dich zu lehren, daß es im Winter keine Arbeit gibt.* Ein grauenhaftes Gewissen, hetzt er umher und reißt sich die blutigen Wahrheiten aus der Seele: Stumm leidet er mit Lear, wehrt sich, fällt zusammen. Der Beifall ist erst gelähmt. Dann rufen sie immer wieder den Narren und erschrecken vor seinen jenseitigen Augen. Dritter Akt. Lear und Narr auf der Heide. Es scheint natür- lich, daß der Narr von Lear» Wahnsinn ängstlich und still wird. Trotzdem bangt alles um die Kreatur, die Narrenabschied hält: „Wem der Witz nur schwach und gering bestellt, hopp heißa bei Regen und Wind, der füge sich still in den Lauf der Welt, denn der Regen, der regnet jeglichen Tag.* Ein Krampfhusten; er wischt das Blut vom Mund ab, kauert auf einem Lersatzstück bis zum letzten Auftrllt. Während des Narrcngerichts über Goneril peinigen ihn oll« Qualen. Dann steht er halb zurückgewendet. Tränen über der Narrenmaske:„Und ich will am Mittag schlafen zehn." Noch in der Kulisse kommt ein entsetzlicher Anfall. Sie holen den Theaterarzt, wischen die Schminke ab, ziehen ihm dos Narrenkleid aus. Aber davon weiß er nichts mehr. Nach zwei Tagen ist die Beerdigung. Selten hat es soviel bittere Trauer, soviel leidechte Nachruf« gegeben wie um den un- bekannten Komödianten. Am Grab schließt Lears Stimme:„Nie- mols können wir dich vergessen, denn dein Kamps ist unser Kampf. Dos Leben mußiest du lassen. Dem Beste», die Kunst, hast du mit dir genommen. Du bist erlöst. Uns bleibt— die Rot. *
Erna föüfing: H 611- SpHttl jjcllCS
Das feierlich gravitätische Benehmen der spanischen Adligen war einst zum Spott der ganzen Welt bekannt. Und vom spanischen Hqfzeremoniell wußte man, daß es der Eishauch war, der jede freiheitlich« Regung verderben ließ. Als der österreichische Thronsolger, selbst schon von tödlicher Kugel getroffen, seine Frau zusammensinken sah, fleht« er:„Stirb nicht.* Das waren feine letzten Worte, dann nahm der Tod sie beide hinweg. Nach diesem Doppeltnord ging bekanntlich die Well in Flammen auf. Bei der Aufbahrung der beiden Erschossenen aber mußte der Sarg der unebenbürtigen Frau niedriger stehen als der Sarg des Thronfolgers. Als dos aus reiner Gcfühlsaufwallung heraus von normal empfindenden Menschen übel vermerkt wurde, ward in einer Begründung dargelegt, daß das spanische Hof- zeremoniell auf diese rein höfische Etikettenftage Einfluß gehabt habe. Nun. die Revolution erlöste die Höchstgeborcnen von der Etikette und das Lolk von den Höchstgcborenen. Spanien jedoch erstickte noch weiter im Hofzeremoniell, und es war so dumm, dast selbst Alfons der Letzte sich zuweilen durch einen kräftigen Witz aus der unzeitgemäßen Situatio,, zu ziehen versuchte. Dann ging auch über Spanien der Sturmwind der Er- Neuerung. Wir wissen, Spanien wurde eine Republik . Es zerfielen ein paar Klöster und unersetzliche Kunstwerk« in Staub und Asche. In jeder tönenden Wochenschau redet der spanische Präsident mit großer Geste. Und neuerdings oerlieh die spanische Republik ihren ersten Orden. Den bekam, das kommt uns spanisch vor, die Tänzerin Argentina . Der Präsident der Republik verlieh ihn ihr höchst eigen- händig. Das war eine schöne Geste, die einer schönen Frau gall. In Spanien braucht im allgemeinen eine Künstlerin nicht viel zu können, sie muß nur schön oder die Angebetet« eines berühmten Stierkämpfers sein. Doch der Orden der Tänzerin ist nicht der kühnste Streich der Republik . Dient doch in der spanischen Armee ein Hauptmann Tifra-Diaz. Der machte in einer Schrittpause, als er sich den Schweiß von der Stirn wischte und das Kommando
„Vorwärts" erscholl, die Entdeckung, daß man ein Pferd ollein mit den Schenkeln dirigieren kann. Er überprüfte seine Wuhrnehnmvg in der Reitbahn, und siehe da. sein Pferd ging ohne Zügel. Er ritt Hohe Schule ohne Kopfzeug. er machte ein zweites Pferd fertig, und dann fuhr er. als offizieller Vertreter der spanischen Armee, mit seinen Pferden„Morisco * und„Autorizade*(regelrechten Truppen» gäulen) von Turnier zu Turnier. Die illustrierten Zeitungen aller Länder waren gepflastert mit feinen Bildern. Da packte Capto!» Bertram W. Mills der Ehrgeiz, den Hauptmann Tisra für die Olympia zu engagieren. In der Olympia spielt nämlich Mills ooq Weihnachten bis Januar und stillt damit den Zirkushunger dex Londoner für«in ganzes Jahr. Für den Logenplatz zahlt rnq» dort 20 Mark nach deutschem Geld« und noch mehr. Man sieht ia der Olympia die besten Nummern aus der ganzen Welt. Und es ist die Sehnsucht eines jeden Artisten, im Weihnochtsprogramm der Olympia in London zu glänzen. Im Vorjahr schrieb Bertram W. Mills an den spanischen Hauptmann lifra und bot ihm eine Gage, die man, selbst wenn man sich Augen und Ohren wochrieb und hernach noch vor Staune» den Mund aufsperrte, ihrer ganzen Bedeutung gemäß nicht fassen konnte. Man saat, es wäre nicht einmal ein« Antwort nach London gekommen. Mitleidig oder schadenfroh schmunzelten die Eingeweihten. In diesem Jahre eröffnete wieder Bertram W. Mills mit einem fabell) asten Programm und einem riesigen Festessen, an dem ein leibhaftiger Tiger und«in leibhaftiger Prinz teilnahmen. Wobei natürlich dem Tiger eine weit größere Aufmerksamkeit gezollt wurde als dem Prinzen. 6999 Personen faßt der Zirkus, jeden Tag ist er gepfropft voll, und eine Prograinmnummer bestreitet, das kommt uns wieder spanisch vor, der Hauptmaim Tifra-Diaz, und zwar mit der Erlaubnis des spanischen Höchstkommandierendei! und ohne irgendwelche Beanstandungen der spanischen Armee. Das Spanien von heute hat also nicht nur eine neue Ver- fassung, es hat, was ja eigentlich noch wichtiger ist, neue Ansichten.
wumne: S>er Wunder tmarkfchein Von Zeit zu Zeit muß ich meinem Pensionsnachbar Zimmer- ling den Hundertmarkschein borgen, den ich mir gespart habe. Zimmerling kommt bescheiden lächelnd in mein Zimmer, spricht über das Wetter, über die ungenügende Heizung in den Zimmern, und dann fragt er mich unverinitteU, während er jich die Hände reibt, ob ich ihm für eine halb« Stund « den gesparten Hundert» markschein borgen könnt«. „Für«ine hall»« Stunde?" frage ich jedesmal wieder erstaunt. Er schwört, daß ich den Schein in einer halben Stund - un- versehrt zurückerhalten würde. „Tun Sie mir den Gefallen!" bittet er. „Ja, ober...!" wende ich noch ein. Da ich ihn schon lang« kenne, und er außerdem Besitzer einer guten Bibliothek ist, aus der ich mir hin und wieder einen Band leih« wie Zimmerling den Hundertmarkschein von mir. erfülle ich schlicßlick) immer wieder seine Bitte. Jetzt ist«s mir bereits zur Gewohnheit geworden. An jedem Monatsende kann ich seinen Besuch in dieser Angelegenheit erwarten. Ich frage nicht, wozu er den Schein braucht. Ich bin zufrieden, wenn ich ihn in einer halben Stunde unversehrt zurückerhalte. Ein merkwürdiger Mensch, mein Pensionsnachbar Zimmerling. Eimtwl lieh er sich wieder hundert Mark von mir, aber ich hatte den Schein selbst angreifen müssen. Ich konnte ihm nur kleinere Schein« und Silbergeld geben. „Genügen nicht achtzig?" stagte ich. während ich ihm das Geld aufzählte. „Ach, nein, bitte nicht!" sagte er nervös. In einer halben Stunde aber brachte er mir zu metner großen Ueberraschung eine» Hundertmarkschein zurück. Später hob« ich erfahren, daß er mit dem Geld zur Post gegangen ist. um es gegen einen Hundertmarkschein einzulösen. „Nanu! Zimmerling!" sagte ich. „Dielen Dank!" lächell« er und zog sich in sein Zimmer zurück. Merkwürdiger Metssch. mein Pensionsnachbar Zimmerling.
Gestern kam er wieder zu mir. Ich gab ihm einen neuen Hundertmarkschein, den ich für Weihnachten zurückgelegt hatte. Aber wer nach einer halben Stunde nicht wiederkam, war 5>err Zimmerling. Dabei wußte ich ihn in seinem Zimmer. Ich Höne. wie er drüben auf und ab ging und laut mit sich zu sprechen schien. Darauf klopft« ich energisch bei ihm an und trat in sein Zimmer. Cr kam verlegen auf mich zu.„Entschuldigen Sic, ich wollte eben zu Ihnen kommen." Ich sah mich im Zimmer um und entdeckte auf dem Tisch eine Menge Lebensmlltel, Zigaretten,«ine Flasche Wein. „Mir ist etwas Furchtbares passiert, ich wag« gar nicht, Ihnen dieses Geständnis zu machen," „Um Gottes Willen!" fuhr ich auf,„Sie haben doch nicht etwa meinen Hundertmarkschcin verloren?" „Rein", antwortete er,„aber ich habe diesmal wechseln müssen. Der Kaufmann hat genügend Kleingeld gehabt," „Ich verstehe das alles nicht, mein Lieberl" sagte ich nnge- duldig. Er macht««ine Arme-Sünder-Miene und klärte mich über den Hundertmarkschein auf.„Sie werden begreifen, daß ich manchmal für zw«i. drei Tage, so kurz vor dem Ersten, wenn der Wechsel unterwegs ist, ohne«inen Pfennig bin. Da habe ich die Erfahrung gemacht, daß man mit einem Hundertmarkschein einkaufen kann. ohne sofort bezahlen zu müssen. Entweder haben die kleinen Ge- schäftsleute nicht genug Wechselgeld in der Ladentasse»der der Laden steht voll Kundschaft. Da schreiben sie den Betrag lieber an, falls Sie bekannt find. Sehen Sie, das ist doch bedeutend ange- nehmer, als sagen zu müssen: Lönnen Sie mir vielleicht auf Kre- Vit Haar« schneiden oder ein halbes Pfund Leberwurst geben?' Nur heute habe ich Pech gehabt. Sind Sie mir bös«? Ich schulde Ihnen genau 12, S0 Mark."_ Der verbreiietstc Kalender der well ist der chinesisch« Almanach, der von der Staatsdruckeret in Peking in acht Millionen Exemplaren herausgegeben wird. Dem Chinesen bedeutet dieser Almanach»in unfehlbare« Orakel, an dessen Angaben und Rat- schlüge er bündsings glaubt.