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BERLIN  Mittwoch 6. Januar

1932

Der Abend

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Nr. 8

B4 49. Jahrgang

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Dietrich mahnt das Bürgertum

Es soll feinem Phantom nachjagen!

Stuttgart  , 6. Januar.

Im Mittelpunkt einer Landesversammlung der Deutsch­demokratischen Partei Württembergs stand eine Rede des Reichsfinanzministers Dr. Dietrich über die Außen­und Innenpolitit. Dr. Dietrich führte u. a. aus:

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Das Problem der Reparationen und Schulden hat sich in einem wahren Schnellzugstempo abgewidelt. Die Noiverordnung vom 5. Juni war ein Notsignal, in dessen Berfolg durch das Eingreifen des amerikanischen   Präsidenten die Einstellung aller politischen Zahlungen Deutschlands   erfolgten. Das Wiggin- Layton- Komitee hat dann im August getagt und mit einer ernsten Mahnung an alle beteiligten Regierungen, ihrerseits die Bekämpfung der Krise aufzunehmen, geendet. Ueber die deutschen   Privatschulden ist eine provisorische Abmachung erfolgt, die eine Still­haltung veranlaßte. Soeben hat der beratende Sonderausschuß bei der B33   getagt und aus dem Gang der Dinge Schlußfolgerungen gezogen, die dahin gehen, daß von einer Zahlung der geschützten Annuitäten durdy Deutschland   auch im nächsten Jahre feine Rede sein könne, daß im übrigen alle Borausfegungen des Young Blanes entfallen sind, daß der Welthandel nicht zu, sondern abgenommen hat, daß die Kaufkraft des Goldes ge stieger. ist und daß so alle Voraussetzungen, unter denen politische Zahlungen Deutschlands  , also auch die ungeschützten, möglich werden, weggefallen find. Der Ausschuß hat ausgesprochen, daß die Krise, wenn nicht bald etwas geschieht, das gesamte Europa   auf fressen werde und die Transferierungen von einem Lande zum anderen das augenblickliche Chaos nur ver schärfen würden. Ganz besonders wichtig ist aber, was im zweiten Kapitel des Berichtes des Beratenden Sondersausschusses gefagt ist. In einer, wenn auch verflaufulierten Form, ist hier noch ausgfprochen, daß ohne eine gründliche Neuordnung des Reparationsproblems eine Genesung nicht eintreten wird. Wie allmählich in der Außenpolitik der Kampf der Reparationen und Schulden im Laufe der Jahre auf den Höhepunkt fommen wird, so wird auch die Innenpolitik die schwersten Entscheidungen mit sich bringen. Hinter uns liegt das Jahr der Not­verordnungen. Wenn es gut geht, dann wird alle Welt die Not­verordnungen loben, so sehr fie fie auch jetzt verwirft. Die Not­verordnung vom 8. Dezember 1931, die den schwersten Eingriff in die deutsche   Wirtschaft enthält und die in der neueren Geschichte auch nach Ansicht der Baseler Sachverständigen ein Gegenstück nicht hat, steht im engen Zusammenhang mit den Zuständen, welche durch die Reparationen und die Fehler der Weltwirtschaft herauf­beschmoren sind.

Aber so wichtig der Inhalt dieser Notverordnung ist, entscheidend für die Zukunft des deutschen   Volkes wird der Aus­gang des Kampfes sein, der sich in einigen Monaten in der Wahl des Reichspräsidenten entfpinnen wird.

Stillhaltung und Moratorium

Frankreichs   Forderungen

Paris  , 6. Januar.

Havas bestätigt, daß die Unterredung des deutschen   Botschafters mit Ministerpräsident Laval und Finanzminister Flandin der Vor­bereitung der Reparationsfonferenz galt. Nachdem man sich in Berlin   auf die Verlängerung ber eingefrorenen Kre bite um ein Jahr geeinigt habe, stehe dem Zusammentritt der Reparationstonferenz nichts im Wege. Aber der 18. Januar scheine der französischen   Regierung wegen der am 12. Januar be­ginnenden Parlamentstagung zu nahe zu liegen. Da Laval an der Wiederaufnahme der Parlamentsarbeiten teilzunehmen wünsche, werde er zweifellos vorschlagen, die Reparationstonferenz um einige Tage, vielleicht bis zum 25. Januar, zu verschieben. Die franzöfifche Regierung wäre grundfäglich geneigt, Deutschland   ein Moratorium, jedoch nicht über den 1. Juli 1934 hin aus, zu gewähren unter der Bedingung, daß die ungeschüßten Young- Annuitäten von Deutschland   während dieser Zeit weiter= bezahlt würden, wobei Deutschland   wie beim Hoover- Moratorium die Möglichkeit hätte, über diese Summen zu verfügen, und zwar in Form verbürgter Anleihen an die Reichsbahn. In Uebereinstimmung mit weiten und maßgebenden Kreisen des Auslandes hat die Reichsregierung nach wie vor die stärt ft en Bedenken gegen irgendein neues Provisorium.

Hier wird sich zeigen, ob das deutsche Volt gesonnen ist, einzusehen, daß man mur mit Einsicht, Beharrlichkeit und rücksichtsloser An­Spannung aller Kräfte die Not meistern fann, aber nicht dadurch, daß man irgendeinem Phantom nachläuft, das dem deut­ schen   Bolte Wunder verspricht. Daß ein großer Teil des Bürgertums zum Nationalsozialismus übergelaufen ist, ist ein Zeichen der schlimmsten geistigen Berwirrung. Mit dem Geschrei: Es muß anders werden! ist nichts anzufangen. Das Bürgertum muß fich endlich die Frage vorlegen: Wie stehen die Nationalsozialisten zum Privateigentum, und wie soll das Dritte Reich aussehen, das sie gründen zu wollen erklärt haben. Der Zustand ist heute so, daß nicht nur Kommunisten und Sozialdemokraten das heutige Wirtschafts­instem bekämpfen, sondern auch die NSDAP  .

Schon befinden wir uns in einem Zustand, bei dem die Gefahr besteht, daß der Staat in einem Maße in die Privatwirt= schaft hineingedrückt wird, die kaum zu ertragen ist. Die ganz großen Gebilde, die seit Kriegsschluß in Deutschland   entstanden, sind eine Gefahr für Volt und Wirtschaft.

Man wirf der Reichsregierung vor( namentlich von national­fozialistischer Seite), daß sie die schweren mißgriffe, die manche großen Wirtschaftstapitäne gemacht haben, toleriert; davon ist gar feine Rede. Die Reichsregierung hat sich überall dafür eingesetzt, daß jeder verhaftet und eingesperrt wird, der in un­berantwortlicher Weise auf dem Rüden anderer gewirtschaftet hat; so in dem Falle Lahusen in Bremen  , so in dem Falle Kayenellen­bogen und bei anderer Gelegenheit, Was die Reichsregierung aber nicht kann, das ist, in die Justiz einzugreifen und gegen Personen vorzugehen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, was gegen die Gefeße verstößt, menn fie vielleicht auch wirtschaftlich Fehlgriffe gemacht haben.

Zum Schluß führte der Redner aus, daß die Außenpolitit nur

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mit Erfolg betrieben werden kann, wenn der Kampf im Innern gefämpft wird. Dabei wird entscheidend sein, ob das Bürgertum neben den staatsbejahenden Parteien, Zentrum und Sozialdemo= fratie, gesonnen ist, sich zusammenzuschließen, um eine politische Rolle zu spielen. Wenn dieses Bürgertum allerdings den Glauben an sich selbst aufgibt, und Parteien nachläuft, die seine Bernichtung auf ihre Fahne geschrieben haben, dann kann man ihm für die Zukunft nur eine gefährliche Prognose stellen.

Die Kranzniederlegung

Am italienischen Trugdenkmal in Bozen  ( Güd. tirol) legten die Nazi einen Kranz nieder.

HITLER

A

73H

FLORATU

Und nun fingen wir dreiftimmig das schöne Lied: Abe, mein Land Tirol!"

Sie hält eine endgültige Lösung für dringend geboten und sie wird bis zu der Lausanner   Konferenz und auf der Konferenz selbst dafür eintreten.

Der Termin vom 25. Januar als Konferenzbeginn wird wegen der Gefahr eines Kollidierens mit der Abrüstungskonferenz und einer überſtürzten Verhandlungsweise an zuständiger Stelle ais viel zu spät erachtet. Es hat indessen den Anschein, als ob dieser Termin immer mehr an Wahrscheinlichkeit gewinnt.

Die deutschen   Botschafter in Paris  , von Hoesch. in London  , von Neurath, und in Rom  , von Schubert. treffen heute in Berlin   ein und werden im Laufe des Donnerstag mit Reichstanzler Brüning gemeinsame Besprechungen zweds Borbereitung der Konferenzen von Lausanne   und Genf  abhalten.

Die Meldung des Pariser   Bertreters des Journal de Genève" über die angebliche Absicht der französischen   Regierung, einen Investigationsantrag gegen Deutschland   zu Beginn der Abrüstungskonferenz zu stellen, wird an zuständiger Seite ähnlich wie im Vorwärts" für eine reine nationalistische Provokation unverantwortlicher Stellen gehalten und es wird entschieden be= zweifelt, daß irgendwelche maßgebenden französischen   Kreise sich mit derartigen Absichten tragen.

Hochwasser der Mulde. Dessau   und seine Umgebung gefährdet.

Dessau  , 6. Januar.

Die Hochwasserlage um Dejsau hat sich weiter verschärft. Die Gefahr ist aufs höchste geffiegen. Die Orte Jeßnih und Raguhn   find von der. Außenwelt völlig abgeschnitten. Der Wasserstadt, einem Stadtteil von Deffau, droht die größte Gefahr. Sämtliche Zugmannschaften sind eingesetzt worden, um die Dämme zu schützen. Bei Dollnih ist der Damm bereits gebrochen.

Muldedamm gebrochen.

Nach einer späteren Meldung ist die Stadt 3 eßnih heute vormittag vollständig vom Verkehr abgeschnitten worden. Ein Kom­mando der Dessauer Schupo hält in der Stadt die Ordnung aufrecht und trifft Hilfsmaßnahmen. Gegen Mittag trifft die Meldung ein, daß der Muldedamm bei Rehau   in einer Breite von 10 Meter gebrochen ist. Die reißenden Wassermengen fluten über Uecker und Wiesen und bedrohen ernstlich die Ortschaften Sollnik und kleutsch. In Dessau   sind alle Maßnahmen getroffen, um schleunigst Hilfsaktionen durchzuführen. Das Reichsbanner hat seine Mannschaften zur Nothilfe alarmiert.

Möbeltransportarbeiter streifen.

Gegen Notverordnungs- Lohnfürzung von 14 Proz. Durch Schiedsspruch wurden die Löhne der Möbeltransport­arbeiter um etwa 14 Proz. gekürzt, so daß sie für ständige Arbeiter 49 M. wöchentlich und für unſtändige 9,80 m. täglich betragen. Weil das Trintgeld mit 1 M. je Wagen mehr tariflich festgelegt ist und so zum Lohn gerechnet wurde, geht die Lohn­fürzung über den 10prozentigen Lohnabbau hinaus. Dabei dürfte nicht übersehen werden, daß der Möbeltransport bis vier Treppen hoch eine recht anstrengende Arbeit ist und die Arbeiter meist dar= auf angewiesen sind, unterwegs in einem Lokal einzukehren, um etmas zu effen und zu trinken.

Der Gesamtverband muß im Hinblick auf die Notver­ordnung die Verantwortung für den Streit ablehnen, der gestern abend in einer Versammlung beschlossen wurde, in der die unſtän­digen Arbeiter in der Mehrheit waren.

Bon rund 1000 Beschäftigten streifen etwa 600 Mann.

Der Brest  - Prozeß geht zu Ende und so hat man das Buch des Rechtsanwalts Hofmoll- Ostromsti über diesen Prozeß, das gleich nach Erscheinen beschlagnahmit wurde, freigegeben.