Morgenausgaben stor sin
Tir. 11 A 6
49.Jahrgang
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Freitag
8. Januar 1932
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Sozialismus mit Doppelboden.
Das Nazi- Programm in den Betrieben.*)
,, Also, Kollegen, ich habe die gestrige Feierschicht benutzt. um einmal das gelbe Heft durchzulesen, das uns die Hib" ler- Jünglinge des Herrn Goebbels freundlichst dagelassen haben. Wir sollten ja daraus ersehen, daß das Programm der Nazis ein durchaus sozialistisches, für unsere Betriebe passendes sei. Nun werde ich euch den Ertraft vortragen."
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,, Vor allem wie stehen die Nazis zum fapitalistischen Eigentum und zum Unternehmerprofit?"
Verhandlungen Brünings mit Sozialdemokraten und Nationalsozialisten. Einer Einladung des Reichskanzlers folgend, die schon| Möglichkeit und feine Neigung. Es muß sich für alle um ein vor einigen Tagen ergangen war, erschienen die Genossen einfaches Ja oder Nein handeln. Wels, Breitscheid und Hilferding gestern abend Ein Zusammentritt der sozialdemokratischen Reichstagsbeim Reichskanzler, der sie ausführlich über den plan der fraktion in der nächsten Woche ist vorgesehen, falls die EntReichsregierung, durch Zweidrittelmehrheitsbeschluß des wicklung der Dinge einen entsprechenden Verlauf nimmt. In Reichstags eine Verlängerung der Umtsperiode des Reichs- nationale Opposition" für eine bedingungslose Verschicken, damit nicht nachher, wie das berüchtigte Borheimer Reichstags eine Verlängerung der Umtsperiode des Reichs- politischen Kreisen ist man jedoch sehr zweifelhaft, ob die präsidenten herbeizuführen, informierte. Die Vertreter des Fraktionsvorstandes nahmen die Mit- längerung der Amtsperiode- und nur eine bedin gungslose tommt in Frage zu haben sein wird. feilungen des Reichskanzlers zur Kenntnis und erklärten, daß sind sie das nicht, so wird der Kampf um die Reichsfie eine Entscheidung der Reichstagsfraktion selbst überlassen präsidentschaft jetzt sehr rasch in Gang kommen. müßten.
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Um was es geht, haben wir schon in dem größten Teil der gestrigen Abendausgabe dargelegt. Wie einst die Amtsperiode Eberts soll jetzt die Hindenburgs durch verfaffungsändernden Reichstagsbeschluß auf gemessene Zeit- man spricht von einem halben bis einem ganzen Jahr verlängert werden. Als maßgebender Grund für diesen Plan wird angeführt, daß die Aufwühlung des ganzen Bolles durch eine Reichspräsidentenwahl in diesem Frühjahr nicht nur die Wirtschaftslage weiter verschlechtern, sondern auch die lebenswichtigen Berhandlungen mit dem Ausland schwer gefährden
tönnte.
Erwägungen solcher Art von der Schwelle zurückzuweisen, besteht für uns fein Grund, jedoch werden, bevor man ihnen Raum gibt, sehr forgfältige Ueberlegungen notwendig sein.
Herr v. Hindenburg hat zweifellos in seiner nun fast fiebenjährigen Amtszeit seine Gegner von einst, die seine Kandidatur bekämpften, entwaffnet. Er hat sich in schwerer Zeit als Hüter der Berfassung erwiesen, und er hat die Hoffnungen, die viele seiner Anhänger von einst auf ihn gesetzt hatten, schwer enttäuscht. Daher kommt es, daß aus dem republikanischen Lager seit Jahren kein Angriff gegen ihn erfolgt ist, während sich gerade aus den Kreisen, die ihn seinerzeit auf den Schild erhoben hatten, die Angriffe häuften und gelegentlich zu den heftigsten Invektiven steigerten.
Jene Kreise, die Herrn von Hindenburg vor sieben Jahren dem deutschen Bolte als den ,, Retter" empfohlen hatten, haben sich seitdem zu anderen ,, Rettern" befehrt und die größte Lust gezeigt, den Retter von ehedem so rasch wie möglich wieder loszuwerden. Jetzt sind sie es, die, vor die Ent scheidung für oder gegen Hindenburg gestellt, in eine sehr figliche und beinahe zu Heiterkeit herausfordernde Lage ge
raten.
Die Sozialdemokratie hat keinen Grund, diesen Herr
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Hitler bei Brüning und Groener.
Von der NSDAP . wird parteiamtlich mitgeteilt: Adolf Hitler wurde am 5. Januar telegraphisch zum Reichsinnenminister Groener zur Besprechung nach Berlin gebeten. Der Führer hatte am 6. Januar abends mit dem Reich sinnenminister und am 7. Januar nachmittags mit dem Reichskanzler Dr. Brüning und dem Reichsinnenminister Groener Besprechungen, deren Gegenstand die Frage der Reichs präsidentenwahl mar. Adolf Hitler hat sich seine Stellung nahme dem Reichskanzler gegenüber vorbehalten, um vorher den Parteien der nationalen Opposition feine Auffaffung, mitzuteilen.
Hitler und Hugenberg.
Hitler hat nach seiner Besprechung mit dem Reichskanzler Sugenberg um eine Unterredung am Freitag bitten lassen. Hugenberg hat Hitler mitteilen lassen, daß er erst am Sonnabend in Berlin eintreffen werde.
Die Unterzeichner des Neunmächtevertrages von 1922 haben beschlossen, unter Berufung auf den Vertrag für die territoriale und politische ulnantastbar teit Chinas einzutreten. Die diplomatischen Vertreter aller Vertragsländer haben mit Stimson beraten. Der deutsche Botschafter hatte eine Besprechung mit Unterstaatssekretär Castle.
ſchaften ihre Lage zu erleichtern. Sie haben bisher eine Ent. Briands Rücktritt gilt als sicher.
fcheidung noch nicht getroffen, aber viel Zeit dürften sie nicht zu perlieren haben. Denn ein langes Hin und Her von Berhandlungen wäre unerträglich.
Es gibt zwei Möglichkeiten, die eine Entscheidung der fozialdemokratischen Reichstagsfraktion überflüssig machen oder sie doch außerordentlich erleichtern würden.
Lehnen die Harzburger ab, so ist die Sache erledigt und
Gesamtdemiffion des Kabinetts wahrscheinlich.
Paris , 7. Januar. ( Eigenbericht.)
Ueber die Nachfolge Maginots und die Umbildung des
Kabinetts Laval ist am Donnerstag noch kein Beschluß gefaßt worden, obwohl anzunehmen ist, daß die Frage in der nach
,, Sachte, kommt alles. Zunächst muß ich etwas voraus
Programm, die Broschüre des Herrn Feder als„ Privatarbeit eines unverantwortlichen Einzelnen" verleugnet wird. In der Vorrede sagt Herr Feder:
Adolf Hitler hat mich mit der Herausgabe der Schriftenreihe beauftragt. Diese Hefte sollen das amtliche Schrifta tum der Partei bilden."
Was ich hier in Händen halte, ist also das amtliche Parteiprogramm der Nazis. Aber halt, da stocke ich schon: es sind die zwei amtlichen Parteiprogramme..." ,, Wieso zwei?"
,, Ja, das ist des Pudels Kern. Die Nazis haben nicht ein Programm, sondern gleich zwei, zum Aus= wechseln. Als ich das Heft las, fand ich zuerst auf wechseln. Als ich das Heft las, fand ich zuerst auf Arbeiterpartei" in 25 Punkten. Die Vorbemerkung des Seite 19 ein ,, Programm der Nationalsozialistischen Deutschen Herrn Feder sagt:
,, Die Sagung unserer Partei bezeichnet in§ 2 diefes Programm als unab änderlich."
Dann las ich weiter und fand zu meiner Ueberraschung auf Seite 34 ein neues Programm ,, in der Federschen Formulierung". Dazu war bemerkt:
Für die praktische Werbetätigteit ist es über= sichtlicher, nachfolgende Fassung des Programms zu gebrauchen, da einzelne Grundfäße unter größeren Gesichts punkten zusammengefaßt sind."
Junge, Junge, das riecht verdächtig nach Schiebung. Ich denke, das erste Programm ist una bänderlich. Dann muß doch im Programm Nr. 2 das gleiche stehen wie im Programm Nr. 1?"
,, Nein, es steht das genaue Gegenteil darin." ,, Nanu, jezt schlägts dreizehn."
Ja, Kollegen, man kann die Agitation der Nazis nur verstehen, wenn man sich klar macht, daß sie in einem Atemzuge eine Forderung und ihr genaues Gegenteil aufstellen fönnen. Sie versprechen jedem Berufsstand, was ihm angenehm ist. Uns Arbeitern in der Großstadt versprechen fie zum Beispiel billige Lebensmittel und den Grundbesitzern draußen hohe Schutzölle. Ich will euch gleich ein Beispiel aus der Broschüre vortragen: In dem ersten Programmr unter den 25 Punkten finde ich unter Buntt 17:
Wir fordern eine unferen nationalen Bedürfnissen angepaẞte Bodenreform, Schaffung eines Gesetzes zur unentgeltlichen Enteignung von Grund und Boden."
tot. Hitler und Hugenberg werden dann auf diese Weise den mittags stattgefundenen Kabinettssigung eingehend erörtert worden ist. liftische Betriebsarbeiter ein. An dieser Stelle befindet sich
Kampf um die Reichspräsidentschaft mit einem triege= rischen Att gegen Hindenburg begonnen haben.
Stellen die Harzburger Bedingungen und geht die Reichsregierung auf diese Bedingungen auch nur zum allergeringsten Teile ein, so mag die sozialdemokratische Reichstagsfraktion vielleicht formell noch eine Entscheidung zu leisten haben, materiell aber wird diese Entscheidung schon gefallen sein. Nie und nimmer kann die sozialdemokratische Reichstagsfraktion daran denken, ein zwischen der Reichsregierung und der Rechten etwa abgeschlossenes Handelsgeschäft durch ihre Mitwirkung erst rechtsfräftig werden zu laffen.
Boraussetzung für jede Erwägung des Planes durch die fozialdemokratische Reichstagsfraktion ist also nach unserer Meinung die vollkommenste Sicherheit dafür, daß den Rechtsparteien feinerlei Gegenleistungen für ihr Entgegenkommen in Aussicht gestellt werden. Nur durch die Gewähr einer solchen Sicherheit kann der Plan der Reichsregierung für die sozialdemokratische Reichstagsfrat tion diskutabel werden. Andernfalls müßte ja die sozialdemokratische Reichstagsfraktion Gegenforderungen und Gegenbedingungen aufstellen. Auf diesen Weg Des Kuhhandels zu treten, besteht nach unserer Meinung teine
Jedenfalls ist durch den Tod Maginots die Umbildung, wenn nicht die Gesamtdemission des Kabinetts sicher. Daß auch Außenminister Briand erseht werden wird, scheint gleichfalls nicht mehr zweifelhaft zu sein.
In den Wandelgängen der Kammer wurde am Donnerstagnach: mittag versichert, daß Briand selbst vor kurzem dem Minister präsidenten seine baldige Demission angekündigt habe. Seine Gesundheit soll derart angegriffen sein, daß er nicht mehr in der Lage sei, an langen Konferenzen oder Parlamentsdebatten teilzunehmen. Als sein Nachfolger wird Paul Boncour genannt, wenn nicht Laval selbst neben der Ministerpräfidentschaft das Außenministerium übernehmen sollte. Für den Bosten des Kriegsministers werden der Borsitzende der Heereskommission, Abg. Fabry, und der gegenwärtige Aderbauminister Tardieu genannt. Alle diese Kandidaturen deuten darauf hin, daß die bem Ministerpräsidenten vom„ Deuvre" zugeschriebene Absicht, daß er fein Kabinett nach links erweitern, d. h. die Radikalen zum Eintrift in die Regierung auffordern werde, nicht zutreffend ist, zumal behauptet wird, daß zwei mit der Linken sympathisierende Minister, vermutlich der Arbeitsminister und der Minifier für die Handelsmarine, die nur eine Belastung für das Kabinett darstellen, geopfert werden sollen.
Hier drängen sich die Hib- ler- Jünglinge mit geschwellter Brust vor: Sehr ihr wohl, wir haben richtig gesagt, daß wir Nationalsozialisten für volle Enteignung sind." ,, Immer sachte mit die jungen Pferde", fällt der sozialeider eine Anmerkung. Die muß mit Verstand gelesen werden. Offenbar haben die Grundbesizer an diesem Bassus Anstoß genommen, und deshalb steht nun am Schluß der Seite folgende Erklärung.
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,, Gegenüber den verlogenen Auslegungen(?) des Punktes 17 des Programms von seiten unserer Gegner ist folgende Feststellung notwendig. Da die NSDAP . auf dem Boden des Privateigentums steht, so ergibt sich von selbst, daß der Passus unentgeltliche Enteignung" nur auf die Schaffung gesetzlicher Möglichkeiten Bezug hat, Boden, der auf unrechtmäßige Weise erworben wurde, oder nicht nach den Gesichtspunkten des Volkswohls verwaltet wird, wenn nötig, zu enteigren. Dies richtet sich bemgemäß in erster Linie gegen die jüdischen Grundstücks
Ein Höllengelächter entsteht. Der sozialistische Arbeiter fährt fort:„ Na, wo ist hier der Sozialismus? Erst heißt er fährt fort:„ Na, wo ist hier der Sozialismus? Erst heißt er stolz unentgeltliche Enteignung", und dann soll plötzlich nur der Boden enteignet werden, der auf unrechtmäßige Weise erworben wurde? Was heißt überhaupt auf unrechtmäßige Weise"? Wer bestimmt, was unrechtmäßig erworben
*) Bgl. den Artikel in Nr. 7( Morgenausgabe) VONE 6. Januar 1982