1932
Der Abend
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Nr. 14
BI 49. Jahrgang
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Am heutigen Nachmittag soll die ,, nationale Opposition" sich darüber entscheiden, ob sie einer Verlängerung der Amisperiode des Reichspräsidenten im Reichstag bedingungsIos zustimmen will oder nicht.
Auch die Hugenbergsche Telegraphenunion bezeichnet es jetzt als richtig, daß der Reichspräsident seine Zusage, aufs neue das Amt zu übernehmen, an die Voraussetzung geknüpft hat, daß von feiner Partei irgendwelche politischen Bedingungen gestellt werden.
Wenn die nationale Opposition", dem Wunsche des Reichspräsidenten entsprechend, jeden Versuch unterläßt, an die Verlängerung der Amtsperiode irgendwelche Bedingungen zu knüpfen, dann wird für die sozialdemokratische Reichstagsfraktion Zeit und Möglichkeit gekommen sein, zum Plan der Regierung Stellung zu nehmen.
Indes scheint man in Streifen der ,, nationalen Opposition" weniger darüber zu beraten, ob man zustimmen soll oder nicht, als vielmehr darüber, wie man verhindern fann, daß die Ablehnung allzu deutlich als Affront gegen den Reichspräsidenten erkennbar wird.
Offenbar aus diesem Grunde wird jetzt die Frage einer Volkswahl des Reichspräsidenten , zu der Hindenburg wieder aufgestellt werden soll, in den Bordergrund geschoben. Man nimmt dabei an, daß außer den Kommunisten keine Partei einen Gegenkandidaten aufstellen würde. Ob diefe Annahme richtig ist, steht noch dahin. Besonders die ,, nationale Opposition" ist taum in der Lage, Hindenburg noch einmal aufzustellen, ohne sich selber ins Gesicht zu schlagen. Es scheint, daß man nur nach einer Ausrede sucht, um die Berlängerung der Amtsperiode durch den Reichstag ablehnen zu können.
Daß diefes ganze Hin und Her von einem fürchterlichen Gebrüll der Kommunisten gegen die Sozialdemokratie begleitet wird, versteht sich von selbst. Die Kommunisten haben im Reichstag bei allen wichtigen politischen Entscheidungen mit der nationalen Opposition" gestimmt und treu und fest mit ihr zusammengestanden. Sie haben am 9. August vorigen Jahres ihre Anhänger aufgefordert, gemeinsam mit Nazi, Deutschnationalen und Stahlhelm zum Bolksentscheid gegen die Regierung Braun- Severing aufzumarschieren.
Wenn diese Leute etwas von einer„ Einheitsfront" der Sozialdemokratie mit den Faschisten erzählen, so kann man
nur lachen!
Wie die Telegraphen- Union erfährt, hat sich Adolf Hitler heute furz nach Mittag wieder zum Reichskanzler Dr. Brüning begeben.
Kein Gas- und Wasserstreit.
Bereinbarung angenommen.
Heute mittag wurde die Urabstimmung in den Berliner Städtischen Gas- und Wasserwerken abgeschlossen. Das Ergebnis der Abstimmung ist folgendes:
In den Gaswerken haben sich von der Gesamtbelegschaft rund 92 Proz. an der Abstimmung beteiligt. Für Streit ftimmten 2153 Beschäftigte, dagegen 1488; ungültig waren
158 Stimmen.
Bei den Wasserwerken beteiligten sich an der Abstimmung etwa 94 Proz. der Belegschaft. Für Streit stimmten 564 Beschäftigte, dagegen 413; ungültig waren 56 Stimmen. Es steht noch eine Anzahl kleinerer Dienststellen der Gaswerke aus, deren Abstimmungsergebnis aber nichts an dem Gesamtresultat der Abstimmung ändern fann. Es haben sich demnach rund 60 Proz. der Belegschaften der Gas- und Wafferwerke für den Streit entschieden; die statutarische Dreiviertelmehrheit für den Streit ist jedoch nicht erreicht worden. Das Ergebnis der Aussprache im Berliner Rathaus vom Dienstag gilt somit als angenommen, der Konflikt in den Berliner Gas- und Wasserwerken und der BVG. als endgültig beigelegt.
Im Gasmert Lichtenberg war das Ergebnis: Von den 289 Beschäftigten haben sich 258 an der Urabstimmung beteiligt; davon stimmten für Streit 116, dagegen 137, 5 Stimmen waren ungültig!
Neues Ein Jahr Moratorium
Frankreichs Pläne für Lausanne
Paris, 9. Januar. ( Eigenbericht.)
Im„ Echo de Paris" wird der französische Plan für die provisorische Lösung des Reparationsproblems auf der Lausanner Tagung auseinandergeseht. Das Blatt bestätigt die vom„ Matin" vor zwei Tagen veröffentlichte Meldung, daß Deutschland nur ein einjähriges Moratorium gewährt werden solle. Damit wolle Frankreich nicht die im Haager Abkommen vorgesehene Frist von Frankreich nicht die im Haager Abkommen vorgesehene Frist von zwei Jahren für einen Aufschub der geschützten Zahlungen herabsetzen, aber es halte es für flug, für das nächste Jahr ein neues inneres Arrangement des Moratoriums vorzusehen, wenn die Umstände dies erforderlich machen sollten. Während des Moratoriums würde Deutschland von der geschützten Annuität bollkommen befreit werden. Die ungeschützte Annuität müßte Deutschland zahlen, aber die Zahlung folle in Reichsbahnobligationen und nicht in bar erfolgen. Die Obligationen würden gemäß dem Schlüffel von Spa unter die verschiedenen Gläubiger verteilt werden. Die im Young- Plan vorgesehene Errichtung eines Garantiefonds von feiten Frankreichs fei also aufgegeben. Diese Lösung des Problems der ungeschützten der Inflation weniger mit Hypotheken belastet sei als alle anderen Annuitäten werde gewählt werden, weil die deutsche Reichsbahn seit europäischen Eisenbahnen.
In bezug auf die Schuldenzahlungen an Amerika wird vorgeschlagen, daß Frankreich und England fich gegenüber dem Washingtoner Schahamt ihrer Schulden entledigen, indem sie ihm die Reichsbahnobligationen übergeben.
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Zwischen den beteiligten Staaten ist, wie amtlich mitgeteilt wird, eine Einigung darüber erzielt worden, daß die Laufanner Konferenz am 25. Januar beginnen foll.
Laval wird zurückkehren. Tardieu wahrscheinlich Kriegsminister.
Paris , 9. Januar. ( Eigenbericht.) Caval wird am Mittwoch, dem Tage nach der Kammereröffnung, die Gesamtdemission des Kabinetts bekanntgeben. Er wird dann vom Präsidenten der Republik mit der Neubildung der Regierung beauftragt werden. Das entspricht der Tradition,
da die Demiffion nicht auf ein Mißtrauensvolum im Parlament zurückzuführen ist. Laval wird versuchen, ein kabinett der republikanischen Konzentration aufzustellen. Dieser Versuch dürfte jedoch an der Ablehnung der Radikalen scheitern.
Verschiedene radikale Führer erklärten am Freitag in den Wandelgängen der Kammer, ihre Fraktion sei gebunden durch die Beschlüsse des letzten Kongresses, die auf die Bildung einer Konzentrationsregierung nach den Wahlen hinauslaufen. Die Fraktion tönne auch nicht turz vor Schluß der Legislaturperiode die Ver. denen sie nicht beteiligt gewesen sei. Laval wird also genötigt sein, antwortung für die Politik von Regierungen mit übernehmen, an mit seiner bisherigen Mehrheit weiterzuarbeiten. In folgebeffen dürfte sich die Umbildung des Kabinetts auf die durch den Tod Maginots und die Demission Briands notwendig werdenden Steuernenmungen beschränken. Da Laval während der letzten Morate die außenpolitischen Verhandlungen teils an der Seite Briands, teils allein geführt hat, wird er wahrscheinlich selbst das Außenministerium übernehmen und Tardieu das Kriegsministerium anbieten. Für Tardieu müßte dann ein neuer Ackerbauminister ernannt werden.
Briand zu müde für Konferenzen.
Paris , 9. Januar. ( Eigenbericht.) Am Freitagabend wurde befannt, daß Laval bereits im Besitz des Demissionsschreibens Briands ist, daß er es aber erst in einigen Tagen offiziell befanntgeben wird. Der Entschluß Briands soll dem Ministerpräsidenten in einer Unterredung mitgeteilt worden sein, die die beiden Staatsmänner am Freitagvormittag im Außenministerium hatten. Briand hat dabei, wie verlautet, Laval erklärt, daß er sich gegenwärtig nicht die Strapazen zweier großer internationaler Konferenzen zumuten könne, und daß die gebieterische Notwendigkeit, sich einige Zeit auszuruhen, es ihm zur Pflicht mache, fein Amt niederzulegen. Laval hat versucht, Briand von diesem Entschluß abzubringen, was ihm aber nicht gelungen zu sein scheint. Er hat Briand darauf gefragt, ob er den Posten eines Staatsministers und ständigen Vertreters Frankreichs im Völkerbund annehmen würde. Briand hat dieses Anerbieten zwar nicht kategorisch abgelehnt, sich aber eine endgültige Antwort vorbehalten.
Am Sonntag Entscheidung über Gemeinde: und Kreisvertretungen
Detmold , 9. Januar. ( Eigenbericht.)
Am Sonntag finden in Lippe die Wahlen zu den Gemeindevertretungen und Kreistagen statt. Es sind die ersten Wahlen nach der durchgeführten Verwaltungsreform, die vier Aemter zu zwei Kreisen und die beiden Städte Salzuflen und Schütmar zu einer Stadtgemeinde zusammengelegt hat. Alle Städte des Landes, mit Ausnahme von dreien, unterstehen von nun ab den Kreisen.
Der Wahlkampf konnte erst nach Beendigung des sogenannten Weihnachtsfriedens am 4. Januar einfeßen, so daß sich eine Flut von mehr als 400 Wahlversammlungen innerhalb sechs Tagen über das kleine Land mit seinen 165 000 Einwohnern ergoß. Die Sozialdemokratie hat allein 140 Wahlversammlungen abgehalten, die glänzend besucht waren und zum Teil sogar Rekordbesucherzahlen aufmiesen. Die Stimmung in der Arbeiterschaft ist zuversichtlich; sie ist überzeugt, daß sich die Sozialdemokratie behaupten wird.
Der eigentliche Wahlkampf wird nur zwischen drei Parteien ausgefochten: Sozialdemokraten, Kommunisten und Nationalsozialisten. Nationalsozialisten. Die Deutsch nationalen haben selbständige Listen aufgestellt, aber sie haben nicht allzu große Aussichten;
die übrigen bürgerlichen Parteien mit Ausnahme des Evangelischen Volksdienstes und des hier unbedeutenden Zentrums haben sich zu Einheitslisten zusammengeschlossen, um aus den Trümmern ihrer schon nach den Reichstagswahlen. stark dezimierten Parteien noch zu retten, was zu retten iſt. Die Reichstagswahlen Deutschnationale 7278, 3entrum 2543, Kommunisten 6098, Deutsche 1930 hatten in Lippe folgendes Ergebnis: Sozialdemokraten 30 068, Bolkspartei 6591, Wirtschaftspartei 2315, Nationalsozialisten 20 193,
Landvolk 2891, Volksrecht 2066, Staatspartei 4373, Volkskonservative 1645, Evangelischer Volksdienst 5023. Die lippische Sozialdemokratie führt den Wahlkampf fast ausschließlich mit den Kräften des eigenen Bezirkes. Neben den drei Reichstagsabgeordneten aus dem Bezirk östliches Westfalen haben nur noch vier weitere sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete in den letzten zwei Tagen in den Wahlkampf eingegriffen. Die Nationalsozialisten ließen eine große Anzahl ihrer sogenannten Kanonen auffahren, darunter Hitler , Klagges, Feder, Prinz Auwi. Bei den legten Reichstagswahlen hat die lippische Sozialdemokratie ihren Bestand fast voll behauptet und nicht einmal ganz 1 Broz. ihrer Stimmen eingebüßt; in einzelnen Orten hat sie jogar noch Stimmen gewonnen. Die Nationalsozialisten führen den Wahlkampf in der Hauptsache gegen die Sozialdemokratie und bedienen sich dabei der gehäffigsten Verleumdungen und Beschimpfungen. Die Sozialdemokratie stellt demgegenüber neben den