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Rr. 15 49. Jahrgang

3. Beilage des Vorwärts

Sonntag, 10 Januar 1932

10 Jahre gewerkschaftliche Bildungsarbeit

Von der Kritik zum Aufbau.- Von der Theorie zur Praxis.

Auf Sem 4. Gewerkschaftskongreß, der im Jahre 1902 in Stuttgart   stattfand, wurde zum erstenmal die Frage, ob es notwendig sei, ein eigenes gewerkschaftliches Bildungswesen zu schaffen, öffentlich diskutiert. Anlaß dazu gab ein Antrag, der die Veranstaltung von Kursen über Theorie und Praxis der Gewerkschaftsbewegung forderte. Zu einem grundsätzlichen Beschluß darüber kam es jedoch erst auf dem Kölner Kongres im folgenden Jahre, auf dem der Antrag erneut eingebracht und von Johannes Sassenbach   begründet wurde. Von diesem Zeitpunkt an datiert also die systematische freigewerkschaftliche Bildungsarbeit.

Die gemertschaftliche Bildungsarbeit der Borkriegszeit wollte sich nicht in Gegensah stellen zu der von der Sozialdemokratischen Partei schon seit ihren ersten Anfängen bewußt betriebenen Arbeiter bildung, die bestimmt war, das geistige Gerüst für den prole­tarischen Klassenfampf zu bauen, sondern sie sah Aufgaben vor sich, die zwar durchaus auf der gleichen Ebene lagen, in ihrer fon­treten Form aber von dieser gar nicht erfaßt werden konnten. Diese ersten von der Generalfommission( heute ADSB.) einge richteten gemertschaftlichen Bildungsfurfe hatten die Ausbildung von Gewerkschaftsfunktionären und Gewerkschaftsange­fteliten zum Ziel. Bon 1906 bis 1915 gab es im ganzen 22 folcher vierwöchigen Kurse, die von zusammen 1387 Hörern besucht wurden; außerdem fanden noch vier Lehrgänge für Ar­beiterfefretäre statt.

Die Nachfriegszeit stellte Arbeiterbildung und Gemert­schaftsbildung vor ungeheuer erweiterte Aufgabenfreise. Der Ar­beiter mußte beweisen, daß er

nicht nur zur Krifit am alten System, sondern auch zur Mit­arbeit am Aufbau eines neuen fähig

war. Die wirtschaftlich und politisch unterdrückte Arbeiterschaft hatte nur geringe Möglichkeit gehabt, ihre gesellschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse in so umfassende Kenntnisse umzusehen, wie sie die Neu­ordnung und Verwaltung eines aus den Fugen gegangenen Staates erforderten. Eine Verantwortung von schwerstem Ge­wicht lastete auf den Arbeiterräten, die das von Entbehrungen zermürbte, ausgehungerte Volf mit der Führung betraute. Aus dieser Erkenntnis entstand die Freie hochschulgemeinde für Proletarier". In einer Denkschrift wurde ihre Notwendig feit begründet. Ueber ihre wichtigsten Aufgaben heißt es darin:

,, Die Dringlichkeit dieser grundsäglichen Forderung wird erhöht durch die besonderen Notwendigkeiten, die bei der Sozia­lisierung der Wirtschaft von seiten der Gesellschaft geltend zu machen sind. Es gilt einen Stamm junger fozia­listischer Beamten heranzubilden, fähig, zu Beginn der Ver­gesellschaftung in den technischen Betrieben, im Verwaltungs­apparat, den Berfehrseinrichtungen usw. in höheren oder leitenden Stellen das nötige zu leisten.

Was in den ersten Tagen der Revolution als ein empfindlicher Mangel in Erscheinung trat, der auch heute noch nicht vollkommen überwunden ist, war das Fehlen vorgebildeter, technisch und orga­nijatorisch geschulter Mitarbeiter. Infolgedessen fonnte ja 3. B. nicht einmal die Organisation der Regierungsbehörden im Reichs tag, im Abgeordnetenhaus und dem Polizeipräsidium schnell durch geführt werden..

Die Schule war als Internat geplant, das eine Anzahl junger Proletarier in dreijährigem Lehrgang, der auch weitgehende Einbeziehung der praktischen Betriebsarbeit, ebenso Besuch von Vor­lefungen an allen anderen Hochschulen vorsah, ausbilden sollte. Außerdem wollte sie den gewählten Arbeiter und Betriebs. raten und darüber hinaus der gesamten Arbeiterschaft die Mög fichkeit bieten, fich die zur Erfüllung der neuen Aufgaben unerläß lichen Kenntnisse anzueignen.

Der gesamte Plan fonnte in den politischen Birrnissen jener Tage nicht zur Ausführung fommen. Das in ihm niedergelegte Bildungsprogramm zeigt aber,

welche umfaffenden Forderungen an die Arbeiterbildung im weiteffen Sinne plößlich geftellt werden mußten.

Es tamen jedoch nur recht systemlos zusammengewürfelte Unter­richtsturse zustande, die in der Auswahl ihrer Lehrstoffe völlig von den gerade zur Verfügung stehenden Lehrkräften abhängig waren und die immer mehr in das Gebiet der allgemeinen und fachtechnischen Bildung abzugleiten drohten. Die Um benennung der Freien Hochschulgemeinde" in Räteschule der Berliner   Arbeiterschaft" im Jahre 1920 dokumentierte die Abkehr von dieser systemlosen Arbeit. Doch immer noch blieb die geistige und mehr noch die wirtschaftliche Basis der Schule reichlich unsicher. Erst nachdem am 26. November 1920 eine Lehrerfonferenz die Bereinigung der Räteschule mit der freigemertschaft lichen Betriebsrätezentrale beschlossen hatte, tonnte sie

Inventur

Beginn: 4.Jan.

U

sich, getragen von dem Organisationsapparat der Gewerkschaf| will. Er wird nicht nur über das Betriebsrätegesez felbstverständ­ten, zielbewußt entfalten. Sie führte nun den Namen Belich genau Bescheid missen müssen, sondern sich in der Sozialgesez­triebsräteschule". Ihr erster Lehrgang begann Anfang Ja- gebung, im Tarifwesen, im Arbeitsschutzrecht gründlich auskennen nuar 1921. Sie ist

die einzige gewerkschaftliche Bildungseinrichtung in Deutschland  , die die Juflation überdauerte

und die nicht einmal vorübergehend während dieser Zeit ihre Pforten schloß. Bereits in den ersten Jahren ihres Bestehens wurde sie von Gemertschaftsmitgliedern und delegationen aus den Bereinigten Staaten, aus Merito, Japan   und Indien   aufgesucht, ebenso von Bertretern von Bildungsorganisationen aus fast allen europäischen  Ländern.

Bis zum Jahre 1924 blieb der Unterricht ausschließlich den Be­dürfnissen der Betriebsräte angepaßt. Für die anderen Funktionärgruppen errichteten die Gewerkschaftskommission( heute Ortsausschuß des ADGB  .) und das AfA- Ortsfartell eine besondere Gewerkschaftsschule, die fich eng an die Betriebsräteschule anschloß. Die organisatorischen Arbeiten, die für die Gewerkschafts­einrichtungen nach Beendigung der Inflationszeit nötig wurden, griffen auch in das Bildungswesen ein. Nach Auflösung der frei­gewerkschaftlichen Betriebsrätezentrale wurden die Betriebsräteschule und die Gewerkschaftsschule miteinander verschmolzen als Ber= liner Gemertschaftsschule" und ein gemeinsames Bildungs­institut für alle Gewerkschaftsfunktionäre geschaffen. An die Stelle einzelner, in Vierteljahrstursen behandelter Lehrgebiete wurden zweijährige Arbeitsgruppen eingeführt, die gründlichere und systematischere Arbeit gewährleisteten. In den Jahren nach der Inflation wurden die wichtigsten Unterrichtsstoffe:

Arbeitsrecht, Betriebslehre, Sozialpolitik, Volkswirtschaft und Gewerkschaftsbewegung.

Seit jener Zeit hat die Berliner Gewerkschaftsschule in eindeutiger Linie ihren Aufgabenkreis auf die Schulung der gewerkschaftlichen Funktionäre beschränkt.

und die für die Verhältnisse in seinem Betrieb besonders wichtigen Punkte übersehen müssen. Außerdem aber ist es von größter Be­deutung, daß er die wirtschaftliche Struktur feines Betriebes und deffen Zusammenhänge mit der gesamten Wirtschaft erfassen fann, meil erst diese Kenntnisse ihn in die Lage versetzen, dem Unter­nehmer oder seinem Vertreter oei Verhandlungen ebenbürtig gegen. überzutreten. Die Menschen, die ich nach anstrengender täglicher Wertark it ovat endlich in den Kursen der Gewerkschaftsschule zu­fammenfinden und die Opfer an Zeit und Geld bringen, um sich hier das geistige Rüstzeug zu schmieden, das fie in ihrem Kampf für die Interessen der Arbeiterschaft nötig haben, haben die Notwendigkeit folcher gründlichen und weitgehenden Ausbildung erkannt.

Das Wissen, das von der Gewerkschaftsschale vermittelt wird, ist in feinem Punkte Selbstzwed. Der einzelne Hörer kann aus dem Besuch der Gewerkschaftsschule teinerlei Vorteile für fich persönlich erhoffen; er fann sie nur verwerten, um damit der Arbeiterklasse zu dienen.

Die Gewerkschaftsschule hat in der Zeit von 1921 bis 1931 36 378 hörer gehabt. Das ist eine Zahl, die für sich selber spricht.

In dem Vierteljahrsheft der Berliner Gewerkschaftsschule, in dem Frizz Fride, der seit ihrem Bestehen ihr Leiter ist, inen Rückblick über die zehn Jahre ihres eigentlidjen Bestehens gibt, drückt er diesen Hörern seinen Dank aus. Und diesen Tant haben fie voll verdient. Friz Fricke hat das Heft Johannes Sassenbad), dem nunmehr in den Ruhestand getretenen Generalsekretär des JGB., gewidmet, dessen Anregungen im Jahre 1905 die gewerf­schaftliche Bildungsarbeit auslöfte und der er seitdem stets ein tat­fräftiger Förderer blieb. Trude E. Schulz.

Linie ihren Aufgabenkreis auf die Schulung der gewerkschaftlichen Arbeitervertreter unerwünscht?

Die Anerkennung der Gewerkschaften als Sach­walter der wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten der Ar­beiterschaft, die die Verfassung der deutschen   Republit aussprach, forderte für eine Fülle neuer Gebiete ihre Mitarbeit. Vor dem Kriege gab es in Krantentassen und Rassenverbänden, in den Ver­waltungsförperschaften der Landesversicherungsanstalt und in den Bersicherungsämtern einige Gewerkschaftsvertreter; außerdem wurde eine größere Anzahl in die Gewerbe- und Kaufmannsgerichte ent­sandt. Um diese Stellen zu befeßen, bedurfte man taum mehr Leute, als aus den Kreisen der erfahrenen Gewerkschaftsangestellten zur Verfügung standen. Jetzt war es anders.

Befruiebsräte, Betriebsratsmitglieder in den Aufsichtsräten, Gesellenausschußmitglieder bei den Innungen, Schlichtungs­ausschußbeisitzer, Arbeits-, Candesarbeits- und Reichsarbeits­richter, Beifiker in den Selbstverwaltungskörperschaften der Reichsanftalt, Vertreter in den Körperschaffen für Jugend­fürsorge und Wohlfahrtspflege, Berfreler in den Kuraforien und Beiräten von Berufs- und Fachschulen

mußten nun ebenfalls von den Gewerkschaften gestellt werden. Die Zahl dieser Funktionäre geht heute in die Zehntausende. Sluf jedem dieser Bosten lastet eine Fülle von Verantwortung; jeder er fordert eire Fülle gründlichster Fachkenntnisse. Diese Bildungsarbeit fann nur von den Gewerkschaften geleistet werden. Sie ist unerläßlich, nicht nur wegen der Bedeutung, die die Arbeit des einzelnen in seinem bestimmten Wirkungstreis hat, sondern auch, weil jedes einzelne Gewerkschaftsmitglied, das solchen Posten verficht, als Vertretung, ja als Vertörperung des gewerk. schaftlichen Geistes erscheint und entsprechend bewertet wird. Die erfolgreiche Arbeit ihrer Funktionäre ist auch das finnfälligste Werbemittel der Gewerkschaften. Welche Anforderungen an das Wissen der Funktionäre gestellt werden, davon fann man sich eine ungefähre Vorstellung machen, wenn man in großen Umrissen die Kenntnisse zusammenstellt, über die etwa cin Betriebsrats mitglied verfügen muß, wenn es feiner funktion voll genügen

3m Verwaltungsrat der Reichsbahn. Sind im Verwaltungsrat der Reichsbahn Arbeiter pertreter unerwünscht? Bisher bestand der Verwaltungs­rat aus 13 Vertretern des Industrie- und Finanzkapitals, aus 3 höheren Beamten als Ländervertreter, aus einem Berjonal vertreter und einem Vertreter des christlichen Deutschen   Gewerk­schaftsbundes. Nicht vertreten ist der ADGB  . Bei der neuen Berufung am Jahresende wurde 3 Stellen frei. Dafür wurden jetzt 3 mei höhere Beamte ernannt. Der bisherige Staatssekretär Gutbrod im Reichsverkehrsministerium ist wohl als Bertreter des Reichs berufen worden. Wie verlautet, soll noch ein Bertreter der Beamtenschaft ernannt werden. Dagegen wäre grundsätzlich nichts einzuwenden, es geht aber nicht an, die von der Reichsregierung längst als berechtigt anerkannten Forderungen der Arbeiterschaft wieder zurückzustellen.

Die Arbeiterschaft erwartet, daß die Reichsregierung die bereits vor zwei Jahren gegebenen Bersprechungen nun endlich einlö ft. Der Regierung liegt seit langem ein wohlbegründeter Borschlag vor, der, wie von allen maßgebenden Stellen anerkannt murde, allen Anforderungen entspricht, die für diese wichtige Körperschaft ver­langt werden müssen. Hinter diesem Vorschlag stehen der ADGB  . und rund 360 000 Arbeiter der Reichsbahn. Die Reichsregierung wäre schlecht beraten, menn sie die berechtigten Wünsche der Arbeiterschaft aufs neue übergehen würde.

Protest der Bergarbeiter.

Gegen die Verschleppung des Kohlenabkommens.

Genf  , 9. Januar. Das Eretutiofomitee der Internationale der Bergarbeiter nahm in seiner heutigen Sigung eine Ent­schließung an, in der der Entrüftung darüber Ausdrud gegeben wird, daß die Konferenz der Regierungsvertreter Deutschlands  ,

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