* Der Abend
1932
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Sieben Totgeglaubte leben
Verschüttete Bergleute nach sechs Tagen gerettet
Genau vor einer Woche, am Montag, dem 5. Januar, um 18 Uhr, ereignete sich auf der Karsten- ZentrumGrube bei Beuthen in Oberschlesien ein furchtbares Unglück: durch einen Gebirgssturz gingen zwei Abbaustrecken zu Bruch, wodurch 14 Bergleute ber=
Echo der Erklärung Brünings
ſchüttet wurden. Es mußte schon damals etwas be Pariser Preffe geteilter Meinung- Pariser Preffe geteilter Meinung- London wohlwollend- New Hork noch unklar
fremden, daß die Bergbehörden, trotzdem sie sofort die Bergungsarbeiten aufnehmen ließen, ihren Zweifel
fprochen hat, mit Recht feststellen fönnen, daß die Lausanner Konferenz sich nicht mehr sehr rechtfertigen lasse. Die einzige dann lands und der Schuldnerstaaten Amerikas .. Diese Konferenz hätte
öffentlich zum Ausdruck brachten, daß es gelingen werde, bemüht sich, der nationalistischen Heze gegen die Erklä. noch notwendige und ausreichende Zusammenfunft wäre in diesem
rung des deutschen Reichskanzlers entgegenzuwirken. In der Presse dagegen, die nicht umlernen will, äußert sich am Montag noch große Entrüstung.
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Selbst ein so besonnener Mann wie der Wirtschaftspolitiker Romier, der fürzlich im Paris Midi" die ganze Regelung des Schulden- und Reparationsproblems nach dem Kriege verurteilt hat, erklärt heute im Petit Parifien", daß eine formelle bleugnung der deutschen Reparationsverpflichtungen einer politischen Provokation gleichkomme und die Einleitung zu einer Aben
die Eingeschlossenen zu retten. waren die Arbeitskameraden der Eingeschlossenen. Er füllt von jenem den Bergarbeitern eigenen Optimismus, der an den Tod verunglückter Kameraden nicht eher glaubt, als bis sie vor ihnen liegen, gingen sie an das Rettungswerk. Mit einem durch nichts abzubringenden und zu beirrenden wahrhaft heldenmütigen Opferfinu und Kameradschaftsgeist haben die tapferen oberschlest schen Stumpels unermüdlich eine ganze Woche Tag und Nacht gearbeitet, um bis zu ihren eingeschlossenen Rateurerpolitik bedeute. meraden vorzubringen. Und was den Außenstehenden und offenbar auch den Bergbehörden nicht möglich er schienen war, das wurde Wahrheit: am gestrigen Sonntag gelang es der waderen Rettungsmannschaft, bis zu der Stelle vorzubringen, wo ein Zeil der Eingeschlossenen sich geborgen hatte und, wiewohl vollkommen erschöpft, dennoch veller Glauben und Vertrauen auf die Rettung durch ihre Kameraden gewartet hatte. Sie hatten, ihrer sieben, nicht vergeblich gewartet und gehofft und ge glaubt. Das Klopfen und Hämmern der Hauen und Bickel zeigte den bis auf den Tod Erschöpften das Nahen der Retter an. Dieser wunderbare Optimismus der Berglente hatte recht behalten: sieben lebende Bergleute konnten, nachdem sie eine ganze Woche lang in einer fürchterlichen Grabkammer tief unter der Erde ausgeharrt hatten, das Licht, der Erde, ihren Frauen und Kindern, ihren Eltern und Geschwister wiedergegeben
werden.
Beuthen , 11. Januar. ( Eigenbericht.)
Das Oberbergamt Breslau teilt mit: Die Rettungsarbeiten auf der Carsten- Zentrum- Grube in Beuthen haben den hocherfreulichen Erfolg gehabt, daß von den durch einen Gebirgs schlag verschütteten 14 Bergleuten nach sechs Tagen sieben lebend geborgen worden sind. Die Geretteten sind ver= hältnismäßig wohlauf, wenn auch zum Teil recht schwach. Nur zwei von ihnen find äußerlich verlegt. Das Schidsalder übrigen Berschütteten ist noch ungewiß, doch ist mit dem Tode der meisten zu rechnen.( Dasselbe fagte das Oberbergamt vor acht Tagen! D. R. ) Die Bergungsarbeiten sind äußerst schwierig. Sie konnten den gewünschten Erfolg nur haben, weil alle Leute unter Nichtachtung ihres Lebens ihr Aeußerstes getan haben, um zu ihren verschütteten Kameraden vorzubringen. Die Bergungsarbeiten gehen mit aller Kraft weiter."
Das„ Echo de Paris" spricht bereits von Gegenmaßnahmen, die die französische Regierung eventuell treffen müßte; die Bank von Frankreich könnte z. B. den Dollartredit, den fie mit der Bank von England und der Federal Reservebant über die BIZ. der Reichsban? gemährt habe, Ende Februar nicht erneuern. Ferner müsse die Frage geprüft werden, ob Franfreich nicht wieder auf das frühere System der direkten Erhebung von 2b gaben auf die Leutsche Einfuhr nach Frankreich zurüd greifen sollte. Auf jeden Fall sei man fich in Frankreich darüber einig, daß man dem Reichskanzler Brüning nicht die Freiheit lassen dürfe, einen neuen Papierfeten in den Korb zu werfen.
Nicht alle hehen.
glauben, daß die endgültige Streichung die vernünftige Löhung Das Blatt Dalabiers, La Republique, schreibt: Wir bleibt, wie sie durch die Umstände aufgezwungen wird. Aber wir glauben nicht weniger, daß diese Geste nur einen Sinn und Wert hat, wenn sie den Beginn einer Politik enger Ver. ständigung mit Deutschland bildet. Wir glauben, daß man ein für allemal nicht im Geist von Versailles , sondern im Geiffe von Locarno
mur zwischen zwei Lösungen zu wählen, entweder gegenüber Deutsch land zur Politik produktiver Pfänder zurückzukehren oder die 3ahlungseinstellung Europas gegenüber den Bereinigten Staaten zu proklamieren.
Nun hat aber Dr. Brüning teine revoltierende Stellung eingenommen, sondern einfach eine Erklärung völliger Zahlungsunfähigkeit für den Augenblid und wahrscheinlicher Zahlungsunfähigkeit für die Zukunft abgegeben.
Durch diese deutsche Geste wird nicht etwa der Reparationsgrundsatz, sondern der Grundsatz der Respektierung der Haager Abkommen mitten ins Gesicht getroffen. Das brauche nicht zu überraschen; denn seit Wochen hat man festgestellt, daß die Lausanner Sonferenz nichts regeln kann, ohne den Rahmen des YoungBlanes zu verlassen. Man muß auf jeden Fall ganz Neues erreichen oder überhaupt nichts. Eine Nichtweiterzahlung Deutsch lands muß eine nichtweiterzahlung der Schuldnerstaaten Amerikas nach sich ziehen.
Die ,, Ere Nouvelle" meint, zum erstenmal seit langer Zeit spreche und handele Deutschland mit offenem Bisier.
lischen Zeitungen die Kundgebung Brünings sehr ruhig; man verIn bemerkenswerter Uebereinstimmung beurteilen die großen engschweigt zwar nicht, daß sie für die herkömmlichen Borstellungen
vieler französischer Politiker sehr schwer erträglich sei, hebt aber hervor, daß die Weigerung, Deutschland mit weiteren politischen Zahlungen zu belasten, gut begründet ist.
New York , 11. Januar. ,, Tribune" wendet sich gegen die Behauptung des französischen Finanzministers, daß der Schritt Brünings das Bertrauen zerstöre und die Depreffion vertiefe.
alle Fragen lösen muß, die die Beziehungen zwischen unseren Nach barn und uns verschärfen könnten. Wir glauben, daß man nicht zu einer vagen Zusammenflitterung, sondern einer wahrhaft poli= Die amerikanischen Banten und das Schahzamt haben längst mit tischen und wirtschaftlichen Allianz gelangen muß, die einem ähnlichen Schritt gerechnet. allein den Frieden gewährleisten und die bedrohte Wirtschaft beider Völker retten fann. Wir glauben endlich, daß Frankreich , wenn es Die amerikanische Ansicht unterstützt allerdings nicht die deutsche Andarauf verzichtet, von Deutschland Geld zu erhalten, ehrlich und entnahme, daß der Schritt Brünings das Reparations en de bedeute. fchloffen erklären muß, daß es selbst außerstande ist, seine Schulden Es folgt dann eine Argumentation, warum Amerika wohl eine bei den Bereinigten Staaten zu bezahlen. zeitweilige Befreiung von den politischen Schulden billigen tönne, jedoch nicht ihre einseitige Aufhebung. Das könne nämlich solange nicht geschehen, wie die Deutsche Reichsbahn im Gegensatz zu anderen europäischen Bahnen schuldenfrei sei, wenn man von den Reparationsverpflichtungen absehe. Die„ New York Times " glaubt an eine Lints schwenkung Frankreichs . Briands Versöhnungsgeist werde die französischen Ansichten in Laufanne und Genf beherrschen.
,, La Volonté" erklärt: Der deutsche Regierungschef hat laut heraus erklärt, was jeder Deutsche bei sich denkt und was Millionen Menschen in der ganzen Welt einschließlich vieler Franzosen meinen. Gewiß, wenn der Reichskanzler erklärt hätte, daß sein Land bereits jetzt entschlossen sei, nichts mehr, überhaupt niemals mehr einen Pfennig für die Reparationen zu zahlen, dann hätte landin, der zweifellos ein wenig poreilig ge
Als die Rettungsmannschaft am Sonntagnachmittag nach 140ftündiger aufopferungsvoller Arbeit bis dicht an die Unglüdsstelle vorgedrungen war, vernahm fie plötzlich lebhafte Klopfzeichen. Sie gab Antwort und erfuhr, daß sieben von den Verschütteten noch am Leben waren. Mit aller Energie wurden die Rettungsarbeiten daraufhin fortgesetzt. Um 18.10 Uhr fonnte als erster der Einfache wirkte auf die Rettungsmannschaft wie ein elektrischer Schlag.| geschlossenen der Fäller Paul Kulpot, der am Sonntag seinen 25. Geburtstag feierte, dem Tageslicht wiedergegeben werden. Er wurde von einer vieltausendköpfigen Menge, die vor der Grube stundenlang verweilte, mit Jubel begrüßt. Um 19 Uhr wurden schließlich auch die übrigen eingeschlossenen Bergleute geborgen. Sie waren ziemlich erschöpft, so daß sie nähere Angaben über das Unglück bisher nicht machen konnten.
Die Nachricht von der Bergung der sieben sechs Tage von der Außenwelt abgefchloffenen Bergarbeiter ging wie ein Lauffeuer durch die Stadt. Abends setzte deshalb eine wahre Wallfahrt zu der Karsten Grube und dem Knappschaftslazarett, in dem drei der Geborgenen untergebracht waren, ein.
Wie die Bergleute gerettet wurden. Ueber den Hergang der Rettung der sieben von den 14 eingeschlossenen Bergleute auf Karsten- Zentrum erfahren wir u. a. folgendes:
Sonntag nachmittag gegen 3 Uhr fam mon mit dem Bohrer plaglig in einen leeren Raum. Diese Tat
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Denn das bedeutete, daß die Strede dahinter nicht zerbrochen war. Das entstandene Bohrioch wurde mit größter Vorsicht erweitert,
man hörte alsbald auch Klopfzeichen, die sofort erwidert wurden. Als die Deffnung groß genug war, wurde in sie hineingeleuchtet, und zu aller Erstaunen und freudigen Ueber raschung sah man fünf Bergleute eng aneinander gefauert sigen. Die Retter freuten sich ebenso wie die Geretteten über alle Maßen.
Der Held der Eingeschloffenen ist der 30 Jahre alte Rohrleger Slama, dessen Humor und Energie die Kameraden vor dem Aeußersten bewahrt hat und immer aufmunferte.
Wie die Geretteten erzählen, haben sie von Kaffe- und Brot resten gelebt und ihren Durst geställt, indem sie das sich an dem Preßluftrohr infolge der Untertagehige bildende Schweißwasser der Reihe nach abledten. Wie sie weiter erzählen, waren sie bet dem Gebirgsschlag zunächst verstreut. Einer hat dann immer nach dem anderen gesucht, bis sie endlich zu sieben aufammen waren. In den ersten fünf Stunden waren fie ohne Licht. Dann
fanden sie durch einen glücklichen Umstand Streichhölzer und
auch noch etwas karbid, das sie dann mit äußerster Sparfamkeit benußten. Sie wußten ganz genau, daß heute Sonntag war. Das erste, was die Geretteten forderten, waren 3igaretten, die ihnen auch sofort gegeben wurden, während gleichfalls verlangtes Getränk nur nach ärztlicher Anordnung mit größter Vorsicht und schluckweise verabreicht wurde.
Bon einer 100 Meter langen Strecke sind nach den bisherigen Feststellungen durch den Gebirgsschlag etwa 60 Meter zu Bruch geganzen. Die zu den Geretteten vorgetriebene Stoßstrecke durch die Rohle war nur 1,50 Meter hoch und 1 Meter breit. Von den anderen Berschütteten können die Geretteten nichts sagen, da sie von diesen feine Lebenszeichen bemerkt haben.
Dem Grabe entstiegen!
Die Rettung der sieben Bergleute aus dem durch Erdbeben ver schütteten Karsten- Schacht ist im oberschlesischen Bergbaugebiet mit freudiger Bewegung aufgenommen worden. Sie mutet geradezu wie ein Wunder an. Auch hier waren es, wie so oft in der Geschichte der Bergwerksfatastrophen, die Rettungsmonn