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Nr. 17« 49. Iahrc-anq$0<��01*10(11*�0 Oiensiag. 12. Januar 19Z2

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Beuthen. IL, Januar. sEigenSericht.l Die Bergungsarbeiten auf der durch Gebirgsschlag teilweise zusammengebrochenen Karsten-Zen- trumS-Grube bei Beuthen , in der am Zonntagabend sieben verschüttete Bergleute nach 144 Stunden bangen Harrens fast unversehrt gerettet werden konnten, gehen weiter. Sieben weitere Bergleute sind noch durch erhebliche Gestcinsmassen von der Rettungskolonne ge- trennt. Der seitlich neben der zusammengestürzten Strecke im Kohlenflöz angelegte neue Gang, von dem aus die am Sonntag Geretteten aufgefunden wurden, wird unter Anspannung aller Kräfte vorgetrieben. Bon der Stelle, an der die Bermitzten beim Einsehen des Gebipgs- schlags gearbeitet hatten, war man am Montagnach- mittag gegen 3 Uhr schätzungsweise 12 bis 13 Meter ent- fernt. ES dürfte vermutlich weitere 13 bis 23 Stunden dauern, bis man dieses Stück der zusammengebrochenen Strecke erreicht haben wird. Die Arbeitskameraden der geborgenen Kumpels haben in vorbildlicher Kamerad- s ch a f t eine ganze Woche lang Tag und Nacht an der Rettung ihrer Kollegen gearbeitet. Die sieben geretteten Bergleute, die sämtlich im Bcuthener Knappschastslaza- rett liegen, befinden sich den Umständen nach wohl. Auch für die beiden Verletzten der eine hat Fleischwunden, der andere einen Beinbruch erlitten besteht keinerlei Lebensgefahr. Während der bisherigen Rettungearbsiten hatten die Gruben- beamten und die Vertreter der Aufsichtsbehörden bei dem Eifer der Kumpels die größte Mühe, die Einhaltung der amtlich vor- geschriebenen Vorsichtsmaßregeln durchzusetzen. Nachdem am vor- vergangenen Montagabend die gesamten an den Unglücksort vor- getriebenen Stämme durch einen zweiten Erdstoß zu Bruch ge- gangen waren, wurde parallel zu der Unglücksstrecke eine neue Strecke getrieben, von der aus alle paar Meter Seitengänge nach der Unglücksstrscke angelegt wurden. Das Vordringen in der Unglücksstrecke selbst wäre durch das stete Nachrutschen von Ge- steinsmassen fast unmöglich gewesen. Erschütternde Berichte. Die Geretteten, von denen fünf oerheiratet sind, erzählen, daß sie ihr Leben einer Reihe von glücklichen Zufällen verdanken, Die Sieben waren im Augenblick der Katastrophe verstreut und fanden sich erst nach einigen Stunden zusammen. Erstickungs- g« f a h r bestand nicht, well die Wetterführung in Ordnung ge» blieben war Dadurch, daß das Beben mitten in der Schicht ein- getreten war. hatten einige noch Brot: auch etwas Kaffee und Wasser war noch vorhanden. DieserProviant" wurde sorgsam verteilt. Man fand auch eine Karbidlampe und Streichhölzer. Besonders stark litten die eingeschlossenen Kumpels in den ersten Tagen ihrer Todesangst durch das unheimliche Rollen der in Bewegung befindlichen Gebirge. Später trat eine völlig« Stille ein.Am Freitag", berichtet einer der Geretteten,waren wir hier alle fertig. Wir hockten zu- sammen, und als wir glaubten, daß der Abend da fei, sangen wir uns selbst ein A b s ch i e d s l i e d." Ein anderer erzählt:Der eine hatte Fieber, der andere begann in dem engen Schachtloch un- unterbrochen herumzukriechen, schließlich bedrohten sie sich und hatten furchtbare Angst, daß der eine gegen den anderen losgehen würde und ihm mst der Lampe den Kopf einschlüge."

Vor allem soll der Rohrleger S l a m a seine oerzweifelten Kameraden, von denen der Aelteste 32 und der Jüngste lg Jahre alt war, immer wieder aufgemuntert und ermutigt haben, Slama erzählt:Ich habe die Kumpels richtig angeschwindelt. Als wir nach meiner Rechnung schon vier Tage unten waren, da sagte ich: Wir sind ja erst zwei Tage hier: jetzt werden wir sicher bald herauskommen. Und denen, die immerfort nach Wasser rieten und fürchteten zu oerdursten denen sagte ich: Ihr habt ja heute Nacht so viel Wasser getrunken, ihr habt es bloß im Schlaf ge- macht und es dann vergesien" Als sie am Sonntag gerettet wurden, hatten sie meint Slama schon alle Hoffnung verloren," Hoch klingt das Lied... Sie leben, sie sind da. die verschütteten Berg- leute der Korsten-Zentrumsgrub« bei Beuthen in Oberschlesien . Aus dem Grab, aus der K o h l e n h ö h I e hat sie die Treue und Hingab« der Kameraden gerettet. Sie haben nicht umsonst gehofft, die Verschüttelen, nicht umsonst an ihre Kameraden geglaubt 140 Stunden lang, 140 Stunden im Rachen des Todes. 140 Stunden in Hunger. Durst und Ver- zweiflung und Finsternis. 140 Stunden konnten sie Gewissens- erforschung halten und zurückblicken auf«in Leben voll von Sorge und Not, in Not und Sorge für Frau und Kinder, die zu Hause bereits den Vater beweinten. 140 Stunden Rückblick von drüben, hinter dem Tor des Todes. Und dennoch Zuversicht und Glauben an die Kameraden. Diese Kameraden 140 Stunden im Wetllaus mit dem Tod! Werden sie es schaffen? Werden sie stärker sein als das Gebirge? Der Pickel fliegt, der Bohrer dröhnt, die Pulse fliegen, der Schweiß

fließt in Strömen, die Kniee zittern macht nichts, es wird> veiter gegraben nach Menschen gegraben Kohlen gräbt man ja alle Tage, Dieses Mal aber galt und gilt es, Menschen, woniögltch lebendige Menschen aus dem Grab zu graben. Immer neu« Wider- stände wirst das tückische Gestein in den Weg, immer von neuem werden sie überwunden, weggeschafst, weggetragen, wepgensisn 140 Stunden lang. Sie müssen durch, durch das Tor des Todes, hinter dem lebendige Kameraden warten, warten, hoffen und warten, klopfen und horchen,, ob nicht einer ist. nicht einer von den Käme- raden tief unten in der Grube, der sie hört, der sie rettet. Und tie Menschengräber graben, graben 140 Stunden laug. Sie.iberwinden den Tod. Sie holen sie heraus, aus den Armen des Todes zum Leben, aus der Nacht zum Licht, und geben den Kindern den Vater wieder, den Mann der Frau, den Freund dem Freund. Hoch klingt das Lied vom braven Bergmann der Karstengrube. Der Reichspräsident hat die Retter der Karstengrube beglück- wünscht. Mit ihm beglückwünscht sie ganz Deutschland , Glückwünichs sind aber, und wenn sie noch so sehr von Herzen kommen, nur Worte Die Rettung sollte der Regierung Veranlassung sein, auch ihrerseits et» Beispiel von Solidarität und Mitgefühl zu offenbaren Die Bergarbeiter müssen in ihrem ganzen Arbeitsverhältnis bessergestellt werden! Noch Hoffnung für die Verschütteten. Beutheu. 11. Januar. Die Rettungsarbeilen aus Karsten-Zentrum gehen mit uuver- miuderter Kraft weiter. Man ist bis acht Meter weit in der Hauptstrecke vorgekommen, so daß es nach den Angaben der Ge­retteten nur noch sieben Meter bis zu den nächsten verschütteten waren. Man hat die feste Hoffnung, noch mindestens zwei oder drei Mann bergen zu können. Bei der Rettungsarbeit benutzt mau ein ganz modernes Horchgerät, um Klopfzeichen besser hören zn können. Man hört dann und wann leises Geräusch, als wenn Kohle, beiseite geschafft würde. Bach dem schönen Erfolg von Sonntag ist der Geist der so heldenhaft arbeitenden Bergungsmannschafl der denkbar beste.

Gerüstet zum Kampf. Versammlung der Paricirclerenicn/ 22. lanuar Sporipalasi-KundgeUung.

I« den Sophiensäleu fand gestern eine �ußcrordent» lich gut besuchte Zusourmeukunst der Parteireferenten der Berliner Sozial demokratie statt. In seinen einleitenden Worten machte Genosse W e n d t darauf aufmerksam, daß der Propaganda der Nationalsozialisten in den Betrieben die schärfste Gegen- wehr entgegengesetzt werden müsse. Da dieHibler- Leute" den Argumenten geschulter sozialdemokratischer Referenten nicht gewachsen sind, muß letzten Endes der Erfolg aus unserer Seite sein. Genosse Paul Hertz hielt ein außerordentlich auf- schlußreiches Referat, in dessen Mittelpunkt er die Fragen der Reichspräsidentenwahl, der Reparationen und der allgemeinen Wirtschaftslage stellte. Die Zuhörer folgten den Ausführungen des Redners, der mit positivem Material in reichem Maße aufzuwarten wußte» mit ge- spannter Aufmerksamkeit. Die Versammlung bewies wieder einmal, daß die Berliner Sozialdemokraten gegen jede Reaktion, von welcher Seite sie auch kommen möge, aus der Wacht sind. Sie sind sich der Tatsache bewußt, daß es sich im Kampf gegen den Nationalsozialismus um

Sein oder Nichtsein der deutschen Arbeiterklasse schlecht- weg handelt. Die Berliner Parteigenossen, die besonders berufen sind, in den öffentlichen Versammlungen, in den Betrieben und wo immer es sei, für die Sozialdemokratie und damit für die Interessen der Arbeiterschaft ein- zutreten, haben vor dengeistigen Waffen" der National- sozialisten und Kommunisten keiue Furcht. Sie wissen, daß sie ihnen auf diesem Kampffelde überlegen sind. Die Zusammenkunft der Referenten war ein er- freulicher Auftakt für die große Kundgebung, die am 2 7. Januar von der Berliner Sozial- demokratie im Sportpalast veranstaltet werden wird. Dort werden die Genossen Peetro Renni- Italien , F a u r e- Frankreich, Paul L ö b e und die Ge- nossin Maria I u ch a c z sprechen. Der Kampfeswille der Funktionäre, die gestern in den Tophicnsälen versammelt waren, kann schon heute als ein sicherer Beweis dafür gedeutet werden, daß sich die Versammlung im Sport- Palast zu einer cindruiksvollen Kundgebung der Berliner Arbeiterschaft für Sozialismus, Republik und Freiheit gestalten wird!

Nach einem Tagebuchroman von Karl Hans Schober erzählt von Erich Knauf Matrosen.

Wir wurden auseinandergerissen und nisten jetzt verstreut auf den Schiffen. Zwiesel kam auf ein Torpedoboot im Nach- barhasen. Das größte Schwein hatten Walter und Müllach, die auf ein Torpedoboot gerieten, das festlich illuminiert zum Feinde überging, Kotzourek wollte unter Ehrenwort erfahren haben, daß der Kommandant dieses Kastens von der Be- fatzung vorher über Bord befördert worden sei. Bei dieser Gelegenheit verbrannte sich Kotzourek die Schnauze, er wurde degradiert und dem Gefangenenhaus zugeführt. Horst läßt sichs auf dem Flaggschiff gut gehen so schreibt er wenigstens... Ich habe den Eimer, auf dem ich vier Monate lang saß, verlassen und bin alsFreiwilliger" zu den U-Booten ge- gangen. Mit ziemlicher Mühe stampft dieNixe" durch den Hauptkriegshafen nach der Inselgruppe Brioni. Das Meer ist unruhig, und das Kielwasser wirft wütenden Gischt um den Achtersteven. Wir drehen uns nach Backbord und rollen längs der schmalen Fahrstraße durch die Barritadensperre der Schutznetze. Eine große Wolke wirft einen heftigen Regen nieder, und ich fehe drüben aus dem Lande die Menschen in die Baracken flüchten. DieNixe" legt an der Mole an. Auf dem Strand stehen statt der Badetabinen jetzt Holzbaracken, und die Pro- menadenwege sind zerfurcht und zertrampelt. Die Fenster des Hotel«Palace" sind mit Brettern verschlagen, und an der Eingangspforte steht eine Pickelhaube mit aufgepflanztem t

Bajonett. Wie große brütende Gluckhennen auf ihren Nestern liegen die U-Boote auf dem Wasser. Das U-Boot-Kommando ist in einer Billa untergebracht. Ich zwänge mich mit meinem Kleidersack durch die Tür und rapportiere. Aber mir wird die Tür vor der Nase zugc- schlagen:Hier sind Offizierswohnungen! Dort hinten in der Baracke melden Sie sich." Dort treffe ich Krain , der mit mir in der Rekrutenschule war.Serous, Servus!" Er trägt keine ausgediente Parade- uniform, eine hohe weiße Kappe, und ist dick' zum Zerplatzen. Schaust ja lieb aus." Bin Zuckerbäcker im Offizierskasino." Aha! Darum!" ,T), die fressen fein. Heut hoben sie auch Menscher da." In den Baracken stinkt es nach Teer und Karbolineum. Bon den Dächern tropft stinkende Tunke. Ich glaube, ich bin vom Regen in die Traufe gekommen Estler, ein guter Freund von Kotzourek, bestätigt mir das:Du wirst dich wundern, schau, daß du wieder weg- kommst." Auf der großen Rasenfläche übt dos Seebataillon Ge- wehrgriffe. Der Instrukteur war früher höherer Stabs- lmteroffizier, ist jetzt als PB. �Politisch verdächtig) um die liälfte der Charge degradiert und strafweise beim See- bataillon. PB. -Leute sehe ich auch an der Küste. Ihre Kappe trägt kein Band, auch fehlt der Matrysenkragen mit dem Halsflor. Sie arbeiten mit Radehacke und Schaufel und werden auf Schritt und Tritt bewacht und kujoniert. Dort schaufelt einer Kies und Sand. Rur mit An- strengung hebt und senkt er die Schaufel. Jetzt kniet er nieder und trinkt gierig das salzige Wasser des Meeres. Wie er sich erheben will, schwankt er und bricht zusanimen. Seine Leidensgenossen springen zu ihm hin und heben ihn aus. Alle werden wir krepieren", ruft einer in der Truppe, aber da gehen die Kommißpolizisten schon mit gefälltem Bajonett aus sie los. Mit Kolbenschlägen werden die PB.-Leute aus- einandergetrieben. Ununterbrochen rattert dort drüben der Berbrennungs- motor, um die Batterien der U-Boote mit Preßluft zu füllen. Die meterhohen Zahlen vorn auf der Bordwand spiegeln sich im Wasser, das nach dem Regen schwarz und unruhig ist. Ich und noch neun Mann sitzen in einem Boot, das wir mit langen Rudern vorwärtstreiben. Bor mir auf Achter sitzt Lutz, der Taucher. Reben ihm liegt der Tauchanzug. ß

Born steht die Luftpumpe, und in der Mitte des Bootes liegen zusammengerollt die Luftschläuche. Eins zwei drei vier eins zwei drei vier." Jeden Ruderstoß zählen wir und suchen dabei das Meer nach den von den Schulbooten abgeschlossenen Tor- pedos ab. Jetzt erkennen wir auf dem Wasser ein Korkstück in der Größe eines Kochtopfes. Wir halten darauf zu. Lutz hält sich dran fest, und die Holzstiege, die am Äootsrand hängt, wird ins Meer gelassen. Wir rücken die Pumpe nach Steuerbord, rollen die Schläuche aus, und Lutz schlüpft in den dicken Wollanzug, während wir das Gummihemd be- reithalten. Wirst net schwitzen?" Habts a Idee", Lutz zeigte aufs Meer, ,.da unten ist es kalt." Der wasserdichte Taucheranzug aus Zelttuch, der an den Enden der Aermel und Hosen durch Gummimanschetten straff an die Glieder gepreßt wird, kommt jetzt an die Reihe, dann die Schuhe und der Helnr. Auf dem Rücken des Tauchers hängt der Apparat und Luftverteilcr. und vorn auf der Brust trägt er ein großes herzförmiges Bleistllck. Dann betritt Lutz die Stiege. Aufgepaßt!" Bis zur Brust steht er schon im Wasser. Ein scharfer Ruck Gefahr, zwei Ruck mehr Luft, drei Ruck Torpedo gefunden, vier Ruck Torpedo hochheben." Estler schraubt die Scheibe am Taucherhemd zu, ich reiche Lutz das lange dolchartige Messer, das er in der großen Tasche des Taucheranzugs verstaut, und dann läßt er sich rücklings ins Wasser fallen. An den aufsteigenden Luftblasen können wir seinen Gang verfolgen. Vorsichtig tastend schreftet er auf den schlüpfrigen Steinen vorwärts, gleitet aus und erhebt sich wieder. Schließlich reichen die Schläuche nicht mehr aus. Wir müssen mit dem Boot folgen. Da kommt das SignalTorpedo hoch!" Wir ziehen und ziehen. Wie ein großer fllberner Fisch glänzt tief unten im Wasser ein Torpedo, es kommt immer höher.Hce ruck", schon ist es an der Oberfläche. Bald liegt es im Boot. Lutz folgt wie ein geprellter Frosch. Er kommt langsam an die Oberfläche, hält sich an der Stiege fest und klettert ins Boot. Die Scheibe ist setzt los. und er atmet tief die frische Luft. Seine Schuhe sind von Schlinggewächsen über- zogen. Lachend zieht er aus der Tasche zwei große Hummer. Aber jetzt den Wein her!" und leert die Flasche auk einen Zug.(Fortsetzung folgt.)