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Morgenausgabe Nr. 23 49. Jahrgang

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Der Vorwärts erscheint modhentäg lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendousgabe für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Juuftrierte Sonntagsbeilage Bolt und Zeit".

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Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Freitag

15. Januar 1932

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Eiserne Front marschiert! Treibereien im Dunkeln.

Riesige Rundgebungen in Hamburg  .

Hamburg  , 14. Januar.  ( Eigenbericht.) Hamburg   hat am Donnerstagabend die gewaltigste Saal­fundgebung aller Zeiten erlebt. Die Eiserne Front ist mit dieser Kundgebung vor und von den Massen der Hamburger  Arbeiterschaft geschlossen worden. Die drei größten Säle Hamburgs   reichten nicht aus, um die Maffen zu faffen. Im Großen Saal des Gewerkschaftshauses mußte eine Parallelversamm. lung durchgeführt werden. Es waren schäßungsweise 30 000 per­lung durchgeführt werden. Es waren schäßungsweise 30 000 Per­fonen, die sich zu den Kundgebungen eingefunden hatten.

Zu den Massen sprachen der Bundesführer des Reichsbanners Höltermann und der Führer der Arbeitersportler Wildung. Von stürmischem Beifall empfangen und immer wieder unter­brochen führte Höltermann u. a. aus: Die Nationalsozialisten find

nichts anderes als die

Büffel der wirtschaftlichen und politischen Reaktionäre. Nachdem die Republifaner fich 1924 aufgerafft hatten, haben sie dann jahrelang die Entwicklung dieser Kampfpartei des Kapitalismus allzu gleichmütig aufgenommen. Der 14. September 1930 brachte dann das große Erwachen. Zugleich bot sich Hitler   eine große Chance. Er hat sie verpaßt und nur einmal bietet die Geschichte einer folchen Bewegung eine fo günſtige Stunde mie damals. Diese Stunde wird nicht wiederkommen, denn wir find da, wir deutschen  Arbeiter und Republikaner!

L

genommen werden kann, weil er einen republikanischen Minister hochleben läßt. Es fehlt nur noch, daß ein Minister festgenommen wird, weil er Republikaner   ist. Wir erflären ganz nüchtern: Wenn der Staat nicht seine Pflicht tut, müssen wir uns selbst helfen, um die politische Freiheit zu sichern.

Bir sichern damit den Staat als die Voraussetzung des sozialen Volfsstaates. Mit aller gebotenen Energie werden wir diesen Rampf führen. In den nächsten Tagen werden in die Schufo- Abtei lungen des Reichsbanners 100 000 attive Arbeitersportler eintreten, wenn das nicht genügt, dann rufen wir das zweite Hunderttausend. Daneben treten eine Million Gewerkschaftler in die Front ein. Die meisten in unseren Reihen sind erwerbslos. Wie viele sind es hier?" rief Höltermann aus, und mehr als die Hälfte der Zehntausend erhob die Hand!

Wer uns, der Arbeiterschaft, die Freiheit rauben will, der muß zuvor mit uns fämpfen. Denen, die ihren Spott über die Eiserne Front ausschütten, wird der Spott noch vergehen. Wir können 3mar feine Abgaben auf die Tonne Kohle erheben und in unsere Raffen leiten. Das Geld aber macht es nicht. Die deutschen   Ar­beiter sind treu und sie sind die entscheidende Macht. Sie machen auch unsere Erwartungen zur Gewißheit: das Dritte Reich tommt nicht.

Der Appell zum fampfbereiten Zusammenstehen wurde durch alle weiteren Reben eindrucksvoll unterstrichen. Zum Schluß er Ich kann aber nicht verstehen, wie ein Staat sich die Organi  - hoben sich die Zehntausende zu einem Hoch auf die Eiserne Front. fation des Gewaltkampfes durch die Hitler  - Partei gegen ihn gefallen Der Maffengefang des Sozialistenmarsches beschloß die aufrüttelnde lassen kann. Es ist weit gekommen, wenn ein Republikaner fest Sundgebung.

Sie raufen sich um die Posten.

Die nationale Opposition" ist sehr uneinig.

Raum haben die Nationalsozialisten in einigen Mecklenburgi­schen Aemtern Mehrheiten erhalten, so beginnt das Geraufe um die Aemter zwischen ihnen und ihren Bundesgenossen. Betrübt tlagt Hugenbergs ofal Anzeiger":

Ried, gegen dessen sachliche Eignung nicht das geringste von den Nationalsozialisten vorgebracht werden konnte, wählten diese einen Parteigenossen aus München  . Man stelle sich die Unterhaltung des Bayern   mit den mecklenburgischen Bauern vor! Für den Kreis bedeutet die Wahl auch eine finanzielle Be= Die Wahlen der Amtshauptleute in Mecklenburg  , von denen lastung, da nunmehr für den bisherigen langjährigen Amts­hauptmann Pension gezahlt werden muß. Diese Abfägung" ist die in Rostock   noch aussteht, haben eigenartige Momente ergeben. die Belohnung, daß Ried in den Zeiten, wo Mecklenburg   noch rot Von einem Zusammengehen der nationalen war, aus seiner Rechtsgesinnung nie Hehl gemacht hat. Dafür Opposition war herzlich wenig zu spüren, da wurde in Malchin   von den Nationalsozialisten der frühere rote die Nationalsozialisten überall dort, wo sie über die absolute Mehrheit verfügten von ihr einen menig rücksichtsvollen Gebraud) Amtshauptmann wiedergewählt, der zwei Wochen vor den Amtsvertreterwahlen von den Sozialdemokraten zur NSDAP  . gemacht haben. So tam es, daß z. B. in Parchim   der der Rechten übergetreten war. Man hatte eigentlich gedacht, daß die angehörende Amtshauptmann zugunsten des nationalsozialistischen Zeiten vorüber wären, wo die Belegung unpolitischer Aemter Kandidaten fiel, und in Rostock   dem deutschnationalen Kandidaten unter rein parteipolitischen Gesichtspunkten erfolgte." cin nationalsozialistischer Kandidat entgegengestellt ist. Besonders fraß liegt der Fall in Barchim. Troß der dringlichen lächerlich sie sich und ihre gemeinsame Front" dabei machen, So urteilen Sarzburger über Sarzburger. Wie Vorstellungen der Rechtsorganisationen, vor allem der Bauern, zugunsten des bisherigen Amtshauptmanns scheinen sie selbst gar nicht zu erfaffen.

England für baldige Endlösung.

Erörterung der Kriegsschuldenfrage einstweilen zwecklos.

London  , 14. Januar.

Die halbamtliche Reuter- Agentur meldet: Obwohl es unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht so aussieht, als ob eine endgültige Regelung der Reparationsfrage erfolgen tönnte, würde doch, wie man zu wissen glaubt, die englische Regierung

mit einer Zwischenlösung allein nicht zufrieden sein, die nur darauf hinausläuft, daß man auf der Stelle marschiert. Die zuständigen amtlichen britischen Streise unterstützen einigermaßen die Ansicht, daß ein langfristiges Moratorium nicht genüge; wenn man jet teine endgültige Regelung erlangen tönne, so wäre es

beffer, einen Bergleich zu schließen, der die Endlöfung be­fchleunigt anstatt sie zu verlagen.

darauf richtet, den für eine günstigere Stimmung frei zu machen, um dadurch eine endgültige Regelung in den Bereich des Möglichen zu rücken. Es gilt noch, eine vorläufige Eini­gung mit der franzöfifchen Regierung zu finden, und wenn es gelingt, mit Frankreich   zu einer Verständigung zu kommen -die britische Regierung hegt noch die Hoffnung, daß dies möglich sein wird, so wäre ein allgemeines Abkommen zwischen den Gläubigermächten in Lausanne   ungeheuer erleichtert Man glaubt zu wissen, daß die englische Regierung es vorziehen würbe, wenn die Strlegsschuldenfrage in Lausanne  nicht erörtert würde und sich die Konferenz einzig und allein

auf das Reparationsproblem beschränken mürde. Die Kriegsschuldenfrage tann befriedigend ohne Amerikas  Mitwirkung nicht diskutiert werden, und dieser Staat wird nicht einmal durch einen Beobachter in Lausanne   vertreten sein. Jm übrigen ist das Datum des 25. Januar feststehend. Man glaubt nicht, daß die Konferens länger als eine Woche dauern wird. nec sid to medan   ug di

Dieser Ansicht dürfte es zuzuschreiben sein, wenn die englische   Re gierung bas Reparationsproblem studiert und ihre Bemühungen

Die enthüllten Harzburger.

Die Herren Frid und Rosenberg haben das tattische Spiel der sogenannten ,, nationalen" Opposition aufgedeckt. Die Freude über das Gelingen der Sabotageaktion gegen den Plan der Reichsregierung zur Präsidentschaftswahl hat sie fühner werden lassen, so daß sie ausplaudern, was sie vor­

haben.

Herr Frick hat in einer weiteren Rede in Landau   ver­fucht, die außenpolitische Stellung der Regierung Brüning zu unterminieren, er hat ihr eine Niederlage prophezeit und hat dabei, wie die Reichsregierung sich in einer außerordentlich scharfen Zurückweisung der Frickschen Rede ausdrückt ,,, dem Ausland das Stichwort gegen die deutsche Regierung ge=

geben".

Herr Rosenberg hat großsprecherisch behauptet, daß eine Konspiration gegen die Regierung Brüning unter Teilnahme ausländischer Regierungen bestehe, deren Ziel es sei, eine auf die Hitler  - Partei gestützte Regierung an ihre Stelle zu setzen, daß bereits ein diplomatischer Schritt in dieser Richtung er­folgt sei und daß er selbst von einem fremden Botschafter davon unterrichtet worden sei.

Diesem zweiten Angriff auf die Verhandlungsposition der Reichsregierung von hinten her ist die Reichsregierung bisher noch nicht entgegengetreten. Sie wird auch hier Klarheit schaffen und vor allem sich wehren müſſen!

Frick und Rosenberg haben gemeinsam das Ziel der Taftit ihrer Partei erkennen lassen: Die Sabotage der tommenden außenpolitischen Verhand= Iungen hinter dem Rücken der Reichsregierung. .Es fragt sich, wie weit dies Komplott greift!

Man erfährt jetzt, daß ein Komplott zur Sabotage der. Pläne der Reichsregierung in der Präsidentenwahl bestand, noch ehe diese Pläne in der Deffentlichkeit bekannt wurden. Der Deutsche  ", das Organ der christlichen Gewerkschaften, teilt Darüber mit:

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,, Einem Mitglied unserer Redaktion war am Sonntag, dem 3: Januar, bereits bekannt, daß führende Persönlich= teiten der Rechtsopposition in Berlin   von dem Plan des Reichskanzlers die Amtszeit Hindenburgs durch den Reichstag  Kenntnis hatten. Das war also verlängern zu lassen schon zu einem Zeitpunkt, bevor Groener Hitler eingeladen hatte und bevor Hitler von Groener über die Pläne des Reichskanzlers ins Bild gesetzt wurde; das ist bekanntlich erst am 6. Januar ge= schehen. Am Sonntag, dem 3. Januar, erfuhr unser Redaktions­mitglied auch bereits, daß die führenden Persönlichkeiten der Rechts­opposition entschlossen waren, diesen Plan des Kanzlers zu fabotieren und ihm dabei möglichst eine Niederlage beizu­bringen. Es sollte versucht werden, die Schuld am Scheitern nach außen hin Brüning   zuzuschieben.

Es entzieht sich unserer Kenntnis, ob Hitler   vor den Be­sprechungen mit Groener und dem Reichskanzler über all das unter­richtet mar. Es ist durchaus möglich, daß er über diese Stimmungen im Bilde war. und Entschlüsse im Lager der Führung der Rechtsopposition nicht

Die Aktion ist dann so verlaufen, wie es am 3. Januar bereits feststand. Daß sich Hitler   bemüht hat, eine Mißstimmung beim Reichspräsidenten   zu vermeiden, paßt durchaus in den Plan, der darauf hinausläuft, Brüning und seine Aktion beim Reichspräfi­denten in Mißkredit zu bringen. Hitler  , der für den Plan und für die Argumente Brünings anfangs Verständnis zeigte, wurde, wie bekannt, von dem entscheidenden Führergremium der Harzburger Front in die beschlossene Linie hineingezwungen.

Wir weisen auf diese Zusammenhänge und dieses Spiel des­wegen hin, um festzustellen, daß die Rechtsopposition auf alle Fälle gegen die Wiederwahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten   ist und dementsprechend taktieren wird. Wir sind überzeugt, daß sie auch nach einem Sturz Brünings sich nicht für eine Wiederwahl Hinden­burgs einsetzen würde."

Man sieht hier die Fäden einer politischen Intrige, die sich mit den Treibereien messen kann, die unter dem kaiser­lichen Regime gespielt wurden, zu einer Zeit, als die Hinter­treppe der beliebteste Ort für politische Aktionen war!

Auf diese Weise kommt Licht in die Borgänge hinter den Kulissen der Harzburger Front! Wenn die Führer der Rechts­opposition bereits am 3. Januar von den Plänen des Reichs­tanzlers unterrichtet waren, so müssen Fäden aus dem engsten Kreise der Regierung zu den Führern der Harzburger Front laufen. Die Sabotage hätte dann nicht erst im Lager der Harzburger Front, sondern im Kreise um die Regierung felbft begonnen! Hier müßte entschieden die

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