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BERLIN Sonnabend 16. Januar 1932

Der Abend

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Nr. 26

B 13 49. Jahrgang

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Hitler als Angeklagter

Stennes wird als Spitzel" bezeichnet/ Adolf will nicht verantwortlich sein

In Moabit großes Hiller- Gastspiel. Außerhalb und innerhalb des Gerichtsgebäudes immenses Schupoaufgebot. Bereits von 6 Uhr an drängt sich das Bolk" vor dem Eingang zum Gebäude. Stennes als Kläger in Begleitung seiner Rechtsanwälte Dr. Becker und Dr. Dehme erscheint als erster in Moabit , die Beklagten , Adolf Hitler und der Redakteur des Angriff" Dr. Lippert, laffen sich von den Rechtsanwälten Dr. Frank- München und Dr. Samede verteidigen. Alle vier betreten den Gerichtssaal, noch bevor Presse und Publikum cingelassen werden. Der große Schwurgerichtssaal ist im Nu überfüllt. Amtsgerichtsrat Bues regt gleich zu Beginn einen Ber: gleich an. Er redet Hitler gut zu. Wenn dieser auch dem Artikel im ,, Völkischen Beobachter fernstehe, müßte es ihm doch ein inneres Bedürfnis sein, durch eine Erklärung den Neben­tläger Stennes wegen der ihm zugefügten Beleidigung eine Genugtuung zu geben. Man habe ja im Augenblick genug innerpolitische Sorgen. Wenn er und Stennes auch in verschiedenen politischen Lagern stünden, menn sie auch getrennt marschierten, so sei das Ziel der beiden doch das gleiche. Mit dem gleichen Appell wendet sich Amtsgerichtsrat Bu es auch

an Stennes,

Rechtsanwalt Beder verlangt, daß zunächst die Gegen= seite sich zu der Vergleichsanregung äußere.

Rechtsanwalt Frant München: Ich danke dem Herrn Richter für feine national sympathischen Worte! Ich bestreite aber, daß auf der Seite Hitlers überhaupt eine strafbare Beleidigung vorliegt. Hitler hat den Artikel nicht verfaßt; er hat ihn nicht ge­zeichnet, er ist für thn auch nicht strafrechtlich verantwortlich zu machen. Es bedarf nicht viel Phantasie, um zu verstehen, weshalb Der Streit, der damals Hitler in die Sache hineingezogen wird. oftuell war, ist es heute nicht mehr. Es liegt für uns te in Anlaß vor, in diesem Stadium der Klage überhaupt irgendeine Erklärung abzugeben.

Amtsgerichtsrat Bues versucht noch einmal, einen Vergleich herbeizuführen. Er meint, es wäre auch im Interesse beider Bar: teien, Erörterungen in der Deffentlichkeit zu vermeiden, und zitiert dabei den Ausspruch aus Florian Geyer ": Der deutschent Zwie­tracht mitten ins Herz." Als Mensch und als Mitglied einer Ge­meinschaft wäre es vielleicht doch richtig, daß Hitler eine Erklärung, mit der die Sache aus der Welt geschafft werden könnte, abgebe.

Rechtsanwalt Dr. Beder: Nach dieser Erklärung des Rechts­anwalts Dr. Frank halten wir die

Möglichkeit eines Bergleichs für ausgeschlossen. Noch vor einem Dreivierteljahr war Stennes bereit, die Sache durch Vergleich aus der Welt zu schaffen. Die Verhandlung am 16. De­zember, zu der Hitler nicht erschienen war, hat aber den Beweis er­bracht, daß der Gegenpartei mur daran lag, die Sache zu ver­schleppen, da ihre Bergleichsvorschläge nicht von Herzen tamen. Daß dem so ist, beweist aud) eine Notiz im gestrigen Angriff". Es wird zu Anfang dargelegt, welcher Vorwurf gegen Stennes erhoben worden sei, nämlich der, daß er ein Spigelfei. Dann wird darin weiter gesagt, der Vorwurf könne in der Form nicht aufrechterhalten werden; eine Richtigstellung sei auch seinerzeit ge­bracht worden. Ich stelle fest, daß

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eine Richtigstellung nicht gebracht worden

ist. Wenn in der gestrigen Notiz aber gesagt wird, der Vorwurf könne nicht in der Form aufrechterhalten werden, so bedeute das, daß er wohl im allgemeinen zu Recht bestehe. Eine Richtigstellung in dieser Form bezeichne ich als Perjidie. Unter diesen Umständen tommt ein Vergleich nicht in Frage.

Rechtsanwalt Dr. Frank: Eine Richtigstellung ist seinerzeit im ,, Angriff" wohl gebracht worden. Als fanatischer Rechtsanhänger innerhalb und außerhalb des Gerichtssaales bestreite ich jede rechtliche Grundlage der Klage gegen Herrn Hitler .

H

Herriot gegen Brüning

Dementi der ,, Dépêche de Toulouse"

Paris , 16. Januar.( Eigenbericht.) 1 Als wir das Rheinland früher räumten, hat man uns dafür

,, Petit Parifien" veröffentlicht einen Artikel Herriots zu den Reparationserflärungen Brünings. Der Artikel ist über­schrieben Papier Feßen " und ist bereits vorher in einer amerikanischen Zeitung erschienen. Der Führer der Radikalen schreibt u. a.:

Die Erklärungen Brünings haben die bedauertiche Folge gehabt, die Aktion derjenigen schwieriger und zum Teil fast unmöglich zu machen, die die endliche Wiederversöh nung Frankreichs und Deutschlands auf den Grundlagen der Bernunft wünschten. Wir fragen uns heute fogar, welchen

3wed die Lausanner Konferenz haben fann? Wir gehen viel

weiter:

die Rechtsgültigkeit mir meinen, daß man nicht mehr an cines Bertrages glauben fann, wenn freiwillig gegebene Unter­schriften in dieser Weise jeden Augenblick bestritten werden fönnen.

und in denselben Idealisten, die mit aller Kraft ihres Geistes für den Frieden gearbeitet haben, wirft ihr unabhängiges Gewissen folgendes Problem auf: Was wird bei allen Abenteuern der Gegenwart aus der internationalen Moral oder aus der Moral überhaupt? Der Reichskanzler fündigt uns an, daß man das gegen­märtige Zahlungssystem nicht mehr aufrechterhalten könnte. Damit wird entschieden die völlige Abschaffung der Reparationen verlangt. Um diese Hoffnungen zu unterſtügen, hat man in verschiedenen Zeitungen die These verteidigt, daß Frankreich auf Reparations. tonto schon mehr erhalten habe, als es selbst für die Wiederaufbau­foften bezahlt hat. Der französische Finanzminister hat andere Biffern genannt und wir erklären uns in dieser Hinsicht mit allen Disfuffionen einverstanden,

Hitler: Ich war außerordentlich erstaunt, daß ich nicht ver­flagt worden bin wegen des Aufrufs, für den ich wohl verantwort: lich bin, wohl aber wegen eines Artikels, den ich weder verfaßt, noch eingeschickt habe

Amtsgerichtsrat Bues: Sie sind Herausgeber des Bölkischen Beobachter"? Schweben Sie nur sozusagen über den Waffern oder befassen Sie sich auch mit der Verwaltungstätigkeit?

Hitler : Verantwortlicher Redakteur ist Herr Binz ( Rechts­anwalt Dr. Becker ruft dazwischen: Er war ja nicht auffindbar). Na­türlich war er aufzufinden. Er ist heute noch Redakteur.. Man hätte seine Adresse feststellen können.

3ch aber fann als Herausgeber der Zeitung feine Berant­wortung für die Artikel übernehmen,

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fein einziges Wort des Dantes gejagt.

Kaum hatten wir unsere Soldaten zurückgezogen, als man sie be= leidigte. Man darf sich im Ausland feine Illusionen

über den Artikel der Dépêche de Toulouse" machen, der von einem Journalisten in einem Anfall von Erregung über das Reparationsproblem geschrieben worden ist. Frontreich mird edelmütig sein, aber es will nicht stupide sein. Man muß aufhören, uns wie ein schwer zu belehrendes Schulkind zu behandeln."

Bleibt Briand Völkerbundsdelegierter?

Paris , 16. Januar.( Eigenbericht.) Gestern nachmittag fand eine mehr als einstündige Unterredung zwischen Laval und Briand statt. Als Laval das Außenministerium verließ, antwortete dieser auf die Frage, ob sein Schritt von Er­folg begleitet gewesen sei, er habe Hoffnung und werde eine furze Mitteilung an die Presse geben. Diese Mitteilung lautet: Der Ministerpräsident hat heute nachmittag eine langee Unterredung gehabt, die von demselben freundschaftlichen und vertraulichen Geiſte wie die früheren Unterredungen beherrscht war. Laval und Briand haben zunächst die außenpolitische Frage besprochen, die gegenwärtig die öffentliche Meinung Frankreichs und der Welt be­wegen und sie haben besonders die Rolle Frankreichs im Bölker­bund erwogen. Laval hat, wie er es unaufhörlich getan hatte, auf das Intereffe hingewiesen, das er für Frankreich und die Sache des Friedens die wertvolle Mitarbeit Briands habe. Briand hat von neuem in seiner Antwort zum Ausdruck gebracht, wie sehr er für die lebhafte Bitte Lavals empfänglich sei und er hat erklärt, daß er durch seine juristischen und diploma. tischen Mitarbeiter die Form prüfen lassen werde, in der seine Mitarbeit in Erwägung gezogen werden könnte."

Auch Sie, Herr Rechtsanwalt Becker bitte ich, als Mann und Rechts­anwalt die Lage nicht zu verschärfen.

Rechtsanwalt Dr. Frank: Ich bitte, die Frage nicht zuzu­lassen, denn diese Fragestellung zielt auf Sachumstände ab, die mit der Verhandlung hier nichts zu tun haben.

Amtsgerichtsrat Bues: Sie haben ja das Recht, die Abgabe irgendeiner Erklärung zu verweigern. Es ist aber das Recht des Rebentlägers, Fragen zu stellen.

Rechtsanwalt Dr. Beder: Ich bitte, einen Beschluß darüber, ob die Frage zugelassen wird oder nicht. Es ist etwas anderes, wenn der Beklagte sich weigert, auf eine zugelassene Frage zu antworten.

Amtsgerichtsrat Bues: Ich bitte Ihre Fragen zu stellen. Rechtsanwalt Dr. Beder: Ich behaupte, daß der Angeflagte um so mehr, als ich mich nur drei bis vier Tage wöchentlich in Hitler der alleinige Inspirator jenes Artikels ist, daß er München aufhalte. die inkriminierte Behauptung erfunden Amtsgerichtsrat Bues: Ist der Artikel von Ihnen inspihat. Ich bitte also, an ihn die Frage zu richten, ob er auf der riert worden. Standartenversammlung jene Aeußerung gemacht hat. Ich bitte, an ihn ferner die Frage zu richten, ob er als 3euge vor dem Landgericht III auf meine Frage, ob es richtig sei, daß er jenen Vorwurf gegen Stennes erhoben habe, mit einem Ja geantwortet hat, und daß er ferner gesagt hat,

Hitler: Nein. Amtsgerichtsrat Bues: Haben Sie ihn viel leicht lanciert? Hitler : Nein. Wenn ich einen Artikel schreibe, so unterzeichne ich ihn auch. Es würde mir nie einfallen, zu bestreiten, der Verfasser eines Artikels zu sein, der tatsächlich von mir stammt. Ich würde mich ja dadurch der Gefahr aussehen, daß man mir nachweisen könnte, ich wäre der Verfasser. Rechtsanwalt Dr. Becker: Demgegenüber behaupte ich, daß Hitler den Artikel inspiriert

Landgerichtsrat Bues: Wir treten also in die Verhandlung ein. Es werden verlesen der Artikel aus dem Völkischen Beob­achter" mit der Ueberschrift Der Meuterer entlarot" und hat. Ich behaupte, daß er bereits im September 1930 auf einer ein fast gleichlautender Artikel im Angriff". Sie behandeln die Standartenführersigung behauptet hat, Stennes bereits allgemein bekannte Behauptung, daß, in Verbindung mit der fei ein Spigel. Ich bitte, an ihn die Frage zu richten, ob das Entlassung eines Polizeibeamten wegen dessen Zugehörigkeit zur stimmt. nationalfozialistischen Bewegung, sich Rechtsanwalt Dr. Frank: Ich bitte, diese Frage abzulehnen. Rechtsanwalt Beder: Aha! Rechtsanwalt Dr. Frank in höchster

Beziehungen von Stennes zum Polizeipräsidenten Grzesinski

er habe keine positiven Anhaltspunkte für seine Behauptung. Wenn aber jemand gegen seine Bewegung etwas unternehme, so fönne er nur bezahltes Organ der Polizei sein. Der Angeklagte Hitler hat erst vor kurzem in München auf einer Versammlung im Zirkus Krone gesagt, daß er für alles das die Verant­schehe. Auch dieser Artikel muß folglich mit seinem Wissen wortung übernehme, was in feiner Partei ge­erschienen fein.

Amtsgerichtsrat Bues: Selbst wenn ich unterstellen wollte, daß das alles mit hundertprozentiger Sicherheit vorliege, würde Sicherheit würde

ergeben hätten. Stennes wird in Verbindung mit dieser Erregung, fast schreiend: Ich verbitte mir derartige Bemerkungen. Denn daraus folgen, daß Herr Hitler an dem Zustandekommen

Tatsache als Spiel bezeichnet. Eine Notiz des gleichen Inhalts stand auch in der Flamme", deren verantwortlicher Re­batteur 2oder gleichfalls angeflagt, jedoch von dem Erscheinen entbunden ist.

Amtsgerichtsrat Bues: Ich

bitte, doch nicht einen derartigen Ton anzuschlagen. Er ist im Gerichtssaal nicht zulässig.

Dieses Artikels mitgewirkt hat?

Hitler : Ich möchte darauf folgendes fagen: Selbstverständ­lich bin ich verantwortlich für die Politik meiner Partei. Denn ich bin der verantwortliche Führer der Partei. Daß ich aber nicht für