Morgenausgabe
Nr. 27
A 14
49.Jahrgang
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Vorwärts
Beeliner Boltsblatt
Sonntag
17. Januar 1932
Groß- Berlin 15 Pf. Auswärts 20 Pf.
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,, Ruft es laut, daß die Ruinen des Krieges nur| nationalen Konferenzen, im Jahre 1921, nahmen die Sozialdemo-| durch die gemeinsame Arbeit der Völker wieder traten zu den brennenden Fragen Stellung. Sie erklärten, daß die| aufgebaut werden können." Kapitalisten, geleitet von ihrer Profitgier und ihrem Bestreben, das Ausbeutungssystem aufrecht zu erhalten, dahin gekommen feien, die Wiedergutmachung ihren besonderen Interessen unterzuordnen. Die endgültige und vollkommene Lösung des Problems ist nur möglich durch die Abschaffung des Kapitalismus und die Ver wirtlichung des Sozialismus."
Aufruf der französischen Sozialisten vom 5. Mai 1931. Bieber ringen die Regierungen um die Lösung des Reparationsproblems. Die Nationalisten haben wieder Hochsaison. Sie schöpfen ihre Kraft aus der Verhegung der Völker. Der Sozialdemofratie bleibt es überlassen, im Kampfe gegen den internationalen Nationalismus die wahren Lebensinteressen Boltes zu verteidigen.
Die Nationaliſten tun so, als gäbe es in Deutschland zwei Lager, von denen das eine Reparationen zahlen will und das andere nicht. Für sich selbst nehmen, sie in Anspruch, die einzigen zuverlässigen Kämpfer gegen die Reparationen zu sein. Die Marristen" dagegen beschuldigen sie des Verrats und der Untermürfigkeit gegenüber den chemaligen Striegsgegnern. Ja, fie tun fo, als ob wir Sozialdemokraten ein besonderes Vergnügen daran hätten, jährlich ein paar Milliarden an das Ausland zu zahlen und das deutsche Volk so in immer tiefere Abhängigkeit vom internationalen Finanzfapital zu bringen.
Das ist die Lüge, die seit Jahren mit ungeheurer Zungenfraft
dem deutschen Volk in die Ohren gebrüllt wird. Was aber ist die Wahrheit?
Für dieses Ziel müsse die Arbeiterklasse kämpfen. Sie have scharf zu betonen, daß die Verträge und die zu ihrer Durchführung von den Regierungen verfolgte Politik eine Wirtschaftslage erzeugt hätte, die einer Katastrophe zutreibe. An Stelle der Verständigung und Zusammenarbeit zur Auslöschung der Kriegszerstörungen und zur Wiederherstellung des Wirtschaftslebens seien die Regierungen den umgekehrten Weg gegangen. Die einen, indem sie eine Atmosphäre des Mißtrauens geschaffen hätten, die die Zusammen arbeit erschwere, die anderen, indem sie zum Mißbrauch gefährlicher militärischer und ökonomischer Zwangsmaßnahmen gegriffen hätten. Damit war flar gesagt:
wenn Sozialdemokraten überall die Macht hätten, gäbe es überhaupt kein Reparationsproblem.
Dann würden, wie die französischen Sozialisten von Anfang an erklärten, die Ruinen des Krieges durch die gemeinsame Arbeit der Völker wieder aufgebaut werden.
Wenn nun den Sozialdemokraten die Macht, eine rein fozia deshalb nicht dem Verhängnis feinen Lauf laffen. Sie hielten es für unentbehrlich, zu untersuchen, welche sofortigen Lösungen die Arbeiterklasse den Vorschlägen der Regierung entgegensegen müſſe, um die Wirtschaftskrise zu mildern und den Leiden der Völker ein Ende zu machen. Nach vorbereitenden Tagungen im April 1921 in Amsterdam , trat
Die Wahrheit ist, daß die Nationalisten für die Befreiung Deutschlands von unerträglichen Lasten nicht das geringste geleistet haben und daß alle praktische Arbeit zu diesem Ziel von der Sozialdemokratie oder unter ihrer hervorragenden Mitwirkung getan worden ist.listische Politik zu treiben, noch nicht gegeben war, so durften sie Die Linie der Sozialdemokratie ist vollkommen flar und gerade. Seit der Konferenz von Stockholm im Jahre 1917 forderte sie den ,, Frieden ohne Kontributionen" Was während des Krieges ein„ Frieden ohne Kontributionen" hieß, heißt heute Streichung aller Kriegsschulden". Und das ist die Forderung, die mir jegt im Einverständnis mit unseren sozialistischen Freunden im Ausland zu der unseren gemacht haben.
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Die Nationalisten waren gegen den Frieden ohne Kontributionen". Sie glaubten nämlich, Deutschland werde siegen und lönne sich dann an den Besiegten schadlos halten. Als es aber dann ganz anders gekommen mar, verlangten die Sieger von Deutschland Entschädigungen. Sie konnten sich darauf berufen, daß weite Gebiete verwüstet waren und daß wenigstens für Belgien der kaiserliche Reichskanzler Beethmann- Hollweg selbst in seiner Rede vom 4. August 1914 die Wiedergutmachung versprochen hatte.
So wurde mit dem Abschluß des Versailler Vertrages die Frage der Wiedergutmachung der Schäden akut. Maßlos, weit über die Ansprüche für den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete hinausgehend, waren die Forderungen der Sieger. Eine französische Schätzung bezifferte den von Deutschland aufzubringenden Betrag auf 800 Milliarden Goldmark. So zu lesen in einem Brief, den Lord Curzon am 11. August 1920 geschrieben hat. Eine öffentlich erhobene britische Forderung nannte 480 Milliarden Goldmark. Im Bahlungsplan von Spa standen 269 Milliarden; zahlbar in 42 Jahren.
In dem zusammengebrochenen Deutschland standen die Kapitalisten und/ Militaristen ratlos vor den Folgen ihrer eigenen Politif, die in den Krieg und Deutschland bis an den Rand der Vernichtung geführt hatte. Ohne Entschlußkraft. Hüben wie drüben hetzten die
Chauvinisten. Gewiffenlos, veranwortungslos.
Wo aber war ein Weg aus der Not? In Frankreich wurde wieder mobilisiert. Der Jahrgang der Neunzehnjährigen und Teile anderer Jahresklassen wurden zum Heeresdienst einberufen. Der Marsch ins Ruhrgebiet war das nächste Ziel. Zwei Jahre später lernten wir durch das Versagen einer bürgerlichen Regierung kennen, welche verderblichen Wirkungen eine Besehung des Ruhrgebiets haben mußte.
Am 5. Mai trat die Sozialistische Partei Frank reichs mit einem Aufruf dem imperialistischen Raubzug ihrer Regierung entgegen. In diesem Aufruf, von den Mitgliedern des Verwaltungsrats und der Parlamentsfraktion der Partei namentlich unterschrieben, wurde der Wiederbeginn des Krieges als die Folge des Versailler Vertrages bezeichnet und erklärt, daß die Sozialisten nicht für diesen Vertrag gestimmt haben.
Der Versailler Vertrag ist nicht der Friede der Völker, sondern der der Regierungen, der Kapita. listen und der Militaristen.
Die französischen Genossen schlossen ihren mutigen Aufruf mit ber Parole:„ Nieder mit dem tapitalistischen Krieg! Es lebe der Sozialismuis!"
Die sozialdemokratischen Parteien und die gemertschaftlichen Organisationen der beteiligten Länder bauten Brücken über die vom Grieg zwischen den Bölfern aufgerissenen Abgründe Auf inter
am 25. Februar 1922 in Frankfurt am Main die Fünfländerkonferenz
zufammen. Vertreten waren die sozialdemokratischen und gemertschaftlichen Organisationen aus Belgien , Deutschland , England, Frankreich und Italien .
Es wurde einmütig festgestellt, daß die kapitalistische Politik des Zwanges und der Gewalt, die den Wiederaufbau der Weltwirtschaft verhindere, Banterott gemacht habe. Nur der Sozialismus tönne durch die friedliche Berständigung der Völker und die allgemeine Souveränität der Arbeit die Schwierigkeiten, die aus den Rivalitäten und der Anarchie des Kapitalismus entsprängen, aus der Welt schaffen.
1000 Versammlungen!
Die Eisenbahner in der Eisernen Front.
Rund tausend öffentliche Eisenbahnerversammlungen hat der Einheitsverband der Eisenbahner im ganzen Reich peranstaltet, um die Eisenbahner aufzurufen zur aktiven Abwehr gegen Not und Diktatur. Soweit über den Verlauf dieser Bersammlungen bisher Berichte vorliegen, berechtigen sie zu einer optimistischen Einschätzung der Einsicht und Entschlossenheit der
Eisenbahner.
Bon den Versammlungen in Berlin sind noch zu erwähnen die sehr stark besuchte Versammlung im„ Edenpalaft" in Charlotten burg , wo Bette born. Neumünster referierte. Er wies auf den beschämenden Umstand hin, daß gerade die KPD., die vorgibt, die alleinige Arbeiterpartei zu sein, anstatt den Faschismus zu be fämpfen, ihr Hauptziel in der Berschlagung der Gewerkschaften sieht, anstatt den Kapitalismus und das Unternehmertum zu bekämpfen. Dann ging Wetteborn auf die Vorgänge in Eutin ein. Er schloß seine Ausführungen mit der dringlichen Mahnung zur Einigkeit auf der ganzen Linie.
In der Diskussion sprachen zwei zu dieser Versammlung abtommandierte RGD.- Leute. Ihre Ausführungen waren die alten Platten der KPD .. Die Genossen Münchau, Meißner und Bonaty gaben ihnen die verdiente Abfuhr. Nach einer Aufforderung an die Versammelten, die Eisenbahner aufzurütteln und für die freie Gewerkschaftsfront zu wirfen, wurde die imposante Versammlung mit einem Hoch auf den Einheitsverband der Eisenbahner Deutschlands geschlossen.
In Tegel referierte gestern Seine- Berlin in einer gut be suchten Versammlung. Auch hier versuchten die Kommunisten ihre Störungsmanöver, 30gen aber( 14 Mann) ab, als sie dessen Ausfichtslosigkeit erkannten.
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In kopenic sprach Beilschmidt Berlin , der die Eisen bahner aufrief, geschloffen jeder Diftatur Widerstand zu leisten.
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Die Sozialdemokraten waren aber auch überzeugt, daß schon sofort wenigstens eine teilweise und provisorische Lösung auf der Grundlage der internationalen Solidarität gefunden werden könne und daß die Frage der Leistungsfähigkeit Deutschlands in unlösbaren Zusammenhang mit der gesamten Weltwirtschaft steht.
Das Problem war: Frankreich und Belgien mußten von den unerträglichen Lasten befreit werden, die auf ihnen lagen; Deutsch land mußte es ermöglicht werden, die Wiedergutmachung, beschränkt auf den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete, durchzuführen, ohne daß Deutschland zu Maßnahmen gezwungen würde, die zur Verelendung des deutschen Proletariats führen müßten.
Diese Lösung ist nur möglich durch Maßnahmen von internationalem Charakter, wie sie in ihren Einzelheiten bereits von den sozialistischen Konferenzen von Amsterdam vorgesehen waren. Diese Maßnahmen verfolgten den Zweck, die zerstörten Gebiete schnell wieder herzustellen, ohne Frankreich und Belgien unter der Laft der unvermeidlichen Barauslagen zu erdrücken und die finanzielle Gesundung Deutschlands zu erleichtern, indem ihm die not
wendigen Zahlungsaufschübe und Erleichterungen gewährt würden.
Diese Maßnahmen sollten nach dem einstimmigen Beschluß der Frankfurter Konferenz namentlich sein:
1 Annahme eines Systems von Natural- und Arbeitsleistungen innerhalb der Grenzen seiner Anwendungsmöglichkeit.
2. Schaffung eines internationalen Wiederaufbauinstituts durch alle daran interessierten Staaten, um die Rohstoffe und Arbeitsfräfte den Bedürfnissen des Wiederaufbaus dienstbar zu machen. 3. Annullierung und internationale Uebernahme derjenigen Lasten, die Deutschland in bezug auf die Kriegspensionen aufgebürdet wurden; im Widerspruch zu Wilfons 14 Punften, die beiderfeits als Grundlage des Waffenstillstandes angenommen waren. 4. Streichung der internationalen Schulden, die aus dem Krieg entstanden sind.
5. Borschüsse an die Länder, deren Kauf- und Produktionsfähigfeit zur Zeit lahmgelegt ist, durch Lieferung von Maschinen, Lebens- und Transportmitteln, die unentbehrlich sind, um die Hungersnot bekämpfen und die Industrie wiederaufbauen zu fönnen.
6. Gründung eines internationalen Instituts für Wiederaufbau und Kreditgewährung, namentlich zu dem Zweck,
a) den verwüsteten Ländern sofort die nötigen Summen zu sichern, die für ihre Wiederherstellung unentbehrlich sind; b) den von der Hungersnot heimgesuchten Ländern, die nicht imstande sind, ohne Hilfe von auswärts ihren Platz in der internationalen Wirtschaftsgemeinschaft wieder einzunehmen, zu Hilfe zu kommen;
c) die Zahlung von Pensionen an alle Kriegsopfer in dem Maße des Möglichen zu internationalisieren.
7. Einsetzung eines internationalen Schiedsgerichts für alle Streitigkeiten, die sich aus der Ausübung des Wiederaufbauplanes ergeben tönnen.
Ebenso unermüdlich und energisch wie in ihrem Kampf gegen die kapitalistische Reparationspolitik waren die Sozialdemokraten in ihrem Bestreben nach einer
Revision des Versailler Vertrages
Schon auf ihren internationalen Konferenzen im Jahre 1921 in Amsterdem sagten die Sozialdemokraten in ihren Beschlüssen über die Reparationsfrage, daß der ökonomische Frieden, die Grundlage des Friedens überhaupt, abhänge von der Revision des Bersailler und der anderen Verträge.
In einem sozialistischen internationalen Aufruf zum 1. Mai 1921 findet sich die Parole der allgemeinen Revision der Friedensverträge. In der Frankfurter Resolution über die Reparationen heißt es, daß die Tatsachen schon die Unhaltbarkeit des im Vertrag von Verfailles zur Durchführung des Wiederaufbaus vorgesehenen Systems erwiesen hätten.
Niemand hat von Anfang an und entschiedener die Methoden der Gewalt und der Bedrückung bekämpft als die Sozialdemokraten. Und es ist nicht zuletzt ihr Verdienst,
daß die Revisionen der Reparationspläne einander folgten und daß die Forderungen der Siegerstanten immer geringer wurden.
Die ersten Zahlen wurden schon genannt. Die Konferenz der Siegerstaaten Paris 1921 fegte den Betrag der von Deutschland zu