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BERLIN Montag 18. Januar

1932

Der Abend

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Nr. 28

B14 9. Jahrgang

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Zugkatastrophe bei Amiens

Bisher 10 Tote geborgen, 25 Verletzte

Paris , 18. Januar. ( Eigenbericht.)

=

Ein schweres Eisenbahnunglück hat sich am Sonn= tagabend in Nordfrankreich ereignet. Der Personenzug Paris- Amiens, der um 5 Uhr nach­mittags Paris verlassen hatte, entgleiste, wahrschein­lich infolge Achsenbruches, kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof St. Just En Chaussee, etwa 45 Kilometer südlich von Amiens . Die beiden ersten Personenwagen des Zuges stürzten um, der dritte Wagen fuhr über den Bahndamm hinaus, über ein Weichenstellerhaus hinweg und zerschellte an der Bahnböschung. Die drei entgleisten Wagen bildeten ein unentwirrbares Chaos von Eisen und Holzteilen, aus dem heraus furcht­bare Schmerzensschreie ertönten. Von dem nahen Bahn­hof, von dem aus man die Katastrophe bemerkt und gehört hatte, wurde sofort Hilfspersonal entsandt. Much die Feuerwehr und die Gendarmerie von St. Just sowie einige Militärurlauber beteiligten sich an dem Rettungswert. Bis zur Ankunft eines Kranes war es fast unmöglich, die Berunglückten unter den Trümmern hervorzuholen, so daß mehrere Schwerverlette in der Zwischenzeit starben:

TW

Der Richter.

,, Hohes Gericht, ich danke für die nationalsympathischen Ausführungen" RA. Frant I im Glennes- Hiller Prozeß

national.

Die Zahl der geborgenen Toten betrug in den Morgenstunden zehn. Man befürchtet, daß unter den Wir wollen ihn in das Album der Trümmern weitere Tote begraben liegen. Die Zahl der Berlekten beläuft sich auf etwa fünfundzwanzig, fympathischen Richter" aufnehmen, die im Dritten von denen sich sechs in hoffnungslosem Zustand befinden. Reich weiter amtieren dürfen." Der Verkehr auf der Strecke ist in beiden Richtungen unterbrochen. Die Züge nach Amiens werden über Montidier umgeleitet. Die Zahl der Verunglückten ist deshalb so groß, weil der Zug bis auf den letzten Plak mit Reisenden gefüllt war, die zum größten Teil den Sonntag zu einem Ausflug nach Paris benutt hatten und sich auf der Heimreise befanden. Nur von zwei Todes: opfern konnten bisher die Personalien festgestellt werden. Alle anderen find so verstümmelt, daß die Fest­stellung ihrer Personalien auf große Schwierigkeiten stößt. Die Ursache des Unglücks steht noch nicht fest. Man glaubt aber, daß sie auf einen Weichenbruch zurück zuführen ist. Es ist damit zu rechnen, daß eine ganze Anzahl von Verlekten nicht mit dem Leben davonkommt.

Achsenbruch die Ursache.

Paris , 18. Januar.

Das Eisenbahnunglück ist in seinen Ursachen noch nicht völlig geklärt, doch glaubt man, daß es auf einen Achsenbruch am vierten Wagen zurückzuführen ist. Das Unglück ereignete sich furz vor dem Bahnhof der kleinen Station Saint- Just . Trotz des Achsenbruches fuhr der Zug, wenn auch mit verminderter Schnellig­feit, bis zur ersten Weiche, wo die Katastrophe erfolgte. Die vier Wagen, die hinter dem beschädigten liefen, sprangen aus den Schienen. Zwei Wagen zweiter Klaffe gingen in Trümmer. Dicht an der Unglücksstelle stand ein Weichenstellerhaus, dessen Mauer eingedrückt wurde: Drei Weichensteller, die sich im Augen­blick der Katastrophe im Innern des Häuschens befanden, sind schwer verlegt worden.

Verschwiegenes Eisenbahnunglück.

Sowjet- Eisenbahner vor Gericht.

Riga , 18. Januar. ( Eigenbericht.) In Moskau beginnt heute ein Prozeß gegen den Stationsvorsteher der Moskauer Vorortstation Koskino und zehn Lokomotivführer usw. Sie sind angeklagt, vor zwei Wochen eine schwere Eisenbahnkatastrophe ver­schuldet zu haben. Dabei sind 65 Menschen getötet und 131 verlegt worden. Die Sowjetzeitungen haben kein Wort darüber gebracht. Erst jetzt veröffentlichen sie zur Begründung des Prozesses eine amtliche Meldung, der

wir folgendes entnehmen:

Ein aus Moskau kommender Personenzug mußte nach furzer Fahrt halten, da sich ein Selbstmörder( por die Maschine ge­worfen hatte. Das Zugpersonal suchte den Leichnam, traf aber

feinerlei Maßnahmen, um die Strecke zu sperren. Der nachfolgende Vorortzug aus Mostau fuhr mit voller Geschwindigkeit auf den haltenden Personenzug auf und zertrümmerte seine letzten Wagen. Auch jetzt wurde die Strecke weder von dem Zug personal, noch von dem Stationsbeamten in Koskino, der das Krachen des Zusammenstoßes hören fonnte, gesperrt, so daß in die Trümmer auch noch eine Reservemaschine hinein­fuhr. Ein Güterzug wurde unmittelbar an der Unglücksstelle von dem Lokomotivführer zum Stehen gebracht, nachdem er durch die Schreie der Verletzten aufmerksam geworden war."

Den Angeklagten drohen hohe Strafen. Das Gericht in Irkutsk verurteilte seinerzeit einen Stationsvorsteher und einen Weichen­steller, die ein Eisenbahnunglück auf der Transbaitalbahn mit 6 Toten und 19 Berletzten verschuldet haben sollten, zum Tode. Den angeklagten Beamten wird in der Hauptsache ,, verbrecherische Nachläffigkeit" vorgeworfen. Das Unglüd bei Kostino soll schon das dritte bei Mostau gewesen sein.

man längst, daß im russischen Eisenbahnwesen schwere Un­Aus verschiedenen Sowjet- Erlassen und dergleichen weiß ordnung besteht. Im vorliegenden Fall hat, wenn der amtliche Bericht ehrlich ist, zuerst Menschlichkeit die Wachsam­teit ausgeschaltet und dann das Unglück die Beamten um alle Fähigkeit zur Vorsorge gebracht. Das alles fann schließlich auch in anderen Ländern passieren; aber ein so schweres Diktatur der Presse aufzwingen. Die Frage liegt nur zu Massenunglück totzuschweigen, fann nur eine hemmungslose nahe: was muß die Presse der Diktaturländer noch alles verschweigen?!.

Dem

Ein Vertrag ist kein Vertrag wenn ihn der Herzog" mit dem Staate schließt. Der 3. Zivilfenat des Oberlandesgerichts Jena hat heute als Be­rufungsinstanz die Forderungen des ehemaligen Alten­ burger Herzogs an das Land Thüringen aus formalen Grün­den anerkannt. Das Urteil erstreckt sich zwar nur auf einen Teilanspruch des ehemaligen Altenburger Herzogs . Cande Thüringen wurde zunächst auferlegt, gegen Sicherheitsleistung ven 10 000 Mark vier Grundstücke in diesem Werte an den Herzog herauszugeben. Es wird im Urteil auch ausgeführt, daß der ehemalige Herzog im Auseinandersetzungsvertrage von 1919 angemeffen entschädigt wurde. Bei dem Vertrage feien jedoch zwingende gefehliche Borschriften nicht beachtet worden. Das Armenrecht hat der ehemalige Herzog nur für den Teil seiner Ansprüche erhalten, über den jetzt entschieden wurde. Die klage auf Herausgabe des ganzen Grundbefizes wäre zwar begründet; fie jetzt im Armenrecht durchzuführen, wäre wegen des damit verbundenen außerordentlichen Koftenaufwandes jetzt nicht zweckmäßig, und zuläffig.

Parteiabzeichen wieder erlaubt!

Eine Korrektur zur Notverordnung.

Amtlich wird folgende neue Verordnung des Reichss präsidenten über das Tragen von Abzeichen vom 16. Januar 1932 herausgegeben:

..Bom Inkrafttreten dieser Verordnung ab gilt das im 8. Teil Kapitel II der 4. Notverordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schuhe des inneren Friedens vom 8. Dezember 1931( Reichsgesehblatt 1 Seite 699) ausgesprochene Verbot des Tragens von Ab­zeichen nicht mehr für Nadeln, Rosetten und ähnlicher kleinerer Abzeichen in der Form und Größe, wie sie bisher bei politischen Vereinigungen üblicherweise getragen wurden."

Reichspräsidentenwahl 28. Februar?

Wie wir hören, ist an die Behörden Anweisung ergangen, die Borbereitungen für die Reichspräsidentenwahl so zu treffen, daß mit dem 28. Februar als wahrscheinlichem Wahltermin ge­rechnet wird.

Hermann Kube

Von der Gewerkschaftsgarde ist wieder einer der Alten dahin gegangen. Am Sonntag, dem 17. Januar, mittags, starb der Rassierer des Bundesvorstandes des ADG B., Ge­nosse Hermann Kube, im 67. Lebensjahr. Der Verstorbene hatte im November einen Schlaganfall erlitten, der ihn schon damals an den Rand des Grabes führte. Gegen Weihnachten erholte er sich zwar wieder, doch Anfang Januar trat eine Verschlimmerung seines Zustandes ein, die keine Hoffnung mehr aufkommen ließ.

Herman Kube ist am 18. September 1865 in Torgau ges boren. Er wurde Zimmerer und fam jung zur Gewerkschafts­bewegung. Die Zimmerer gehörten zu den ersten, die unter dem Sozialistengesetz ihren Verband wieder aufrichteten. In Berlin wurde Kube bald Führer der Zimmererbewegung und später Ausschußvorsitzender des Verbandes.

Im Jahre 1902 wählte ihn der Stuttgarter Gewerkschafts­fongreß in die Generalfommision der Gewerkschaften Deutschlands , die ihm nach ihrer Uebersiedlung von Hamburg nach Berlin den Kassiererposten übertrug. Fast 30 Jahre hat Kube diesen Posten treulich ausgefüllt und sich das Vertrauen der deutschen Gewerkschaften in solchem Maße errungen, daß seine Wiederwahl von Kongreß zu Kongreß völlig selbstverständlich war.

Im so schwieriger gestaltete sich eine Ersagwahl, als Kube por dem Frankfurter Kongreß 1931 seine Rücktrittsabficht wegen hohen Alters befundete. Der Kongreß vermochte für sein Amt einen geeigneten Bewerber nicht zu finden, zumal eine ganze Reihe von Nebenämtern hinzugekommen waren. So war Kube in der Geschäftsleitung der Verlagsgesellschaft des ADGB., im fürsorge, im Aufsichtsrat der Bank für Arbeiter, An­Bentralausschuß der Reichsbant, im Aufsichtsrat der Volks­gestellte und Beamte und im Aufsichtsrat des Ver= bandes sozialer Baubetriebe tätig. Auch dem Vor­läufigen Reichswirtschaftsrat gehörte er als Mitglied an. In allen Finanzfragen und Baufragen des Bundesvorstandes war er dessen rechte Hand und genoß unbedingtes Vertrauen.

Kube konnte seinen 65. Geburtstag vor anderthalb Jahren in verhältnismäßiger Frische feiern. Auch sein Entschluß, in den Ruhestand zu treten, ließ nichts vom körperlichen Verfall erkennen. So rapid trat der Zusammenbruch an ihn heran, daß niemand, auch in seiner Familie nicht, darauf gefaßt war.

Nun müssen wir den alten Mitkämpfer zum Grabe geleiten. Tausende Genossen aus Berlin und aus dem ganzen Reiche werden ihn auf seiner letzten Fahrt das Geleit geben und Hunderttausende Führer der großen Gewerkschaftsbewegung.

werden sein Andenken bewahren als das eines der großen

In Spanien haben die Streits und Unruhen zugenommen. In Bilbao ist zur Zeit wieder ein Generalftreit im Gange, in Gualata wird in einem Teil der Werke gestreift, in Huelva war am Freitag fuchten Arbeiter den Bürgermeister und die Stadträte zu lynchen. ein vierstündiger blutiger Kampf zu verzeichnen, in Salamanca Die Streifs werden zum Teil mit Lohnforderungen, zum Teil mit Maßnahmen der Behörden gegen die kommunistischen Machen= schaften begründet.