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Morgenausgabe

Nr. 29

A 15

49.Jahrgang

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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Sonntagsbeilage Bolt und Zeit".

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Dienstag

19. Januar 1932

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Brüning antwortet.

Er will Hitlers Denkschrift einer Antwort würdigen.

Wolffbüro teilt mit: Die von Herrn Adolf Hitler beröffentlichte ,, Denkschrift" ist dem Herrn Reichskanzler übermittelt worden. Die Reichsregierung wird nicht verfehlen, die darauf zu erteilende Antwort ebenfalls der Oeffentlichkeit bekanntzugeben.

Die Krise der Führerschaft.

Das Blatt der Stennes, Otto Straßer und Ehrhardt nennt den Ausgang der Aktion für Verlängerung der Amtsperiode Hinden­ burgs die schwerste Niederlage der nationalen Opposition" mit den Dames- Gesetzen".

Hugenberg wird folgendermaßen charakterisiert:

Da

In dem Brief Sugenbergs an den Kanzler spiegelt sich die naive Auffassung eines Mannes, der unter Opposition ganz einfach die mechanische Tätigkeit versteht, seinem Gegen­pieler das Konzept zu verderben. Wäre Brünings Plan ge lungen, so wäre das für den Kanzler ein Erfolg gewesen, ein Erfolg, der dem ganzen Volt zugute gekommen wäre. aber Hugenberg Brünings parteipolitischer Gegner ist, geht sein Bestreben in primitivster Art dahin, jeden Erfolg dieses Gegners nach Kräften zu verhindern. Erwägungen über die Nation schei­den hierbei aus. So wird aus der Opposition des Geheimrats. ehe man sich dessen versicht, eine Opposition gegen das Bolt,

Ueber die Rolle, die Hitler bei den Verhandlungen ge­Spielt hat, äußert sich das Blatt:

Hitlers Versagen ist mehr tragischer Art. Er selbst hat gewollt. Aber er besaß nicht die Kraft, sich gegen seine Haupt­ratgeber und Unterführer durchzusetzen. Er hätte, schnell ente schlossen, eine fegensreiche Entscheidung treffen und Hugenberg Dor vollzogene Tatsachen stellen können. Aber im Kaiser hof" tobte ein heftiger Kampf, und in diesem Kampf ging die Hitlersche Führerschaft zugrunde. Was sich bei den hessischen Vorgängen schon zeigte, der Mangel an Autorität, führte hier zu verhängnisvollstem Bersagen in

"

geschichtlicher Stunde. Hitler beugte sich dem Willen der politisch furzsichtigen, aber robusten Straßer, Frid und Stöhr. Gegen feine eigene Ueberzeugung ließ er sich dieses Sugen bergsche Mein" abzwingen. Nach dieser Niederlage aber scheint jede Leitung in der Partei verlorengegangen zu sein. Auch die Möglichkeit, durch eine einheitliche Neuwahl Hindenburgs unter Verzicht auf Gegenfandidaten die vom Kanzler angestrebte Bolfs­front herzustellen, suchen die Rebellen um Hitler von sich aus zu hintertreiben, Die Reden Frids in dieser Frage sind sicher nicht im Sinne Hitlers , aber sie schaffen eindeutige Festlegungen, denen Hitler scheinbar nicht mehr zu widersprechen wagt. So ist in der NSDAP . die politische Entscheidung einer Anzahl von Männern anvertraut, von denen jeder auf eigene Fauft und Ver: antwortung drauflos handelt. Dieser Zustand muß zur inneren Auflösung führen, und diese Auflösung ist verdient, denn wo die Verantwortung fehlt, erlischt der Führeranspruch. Die

Nationalsympathische Justiz.

Auf dem Wege zum Dritten Reich.

Ein Berliner Gerichtsvorsigender hat es sich unlängst gefallen lassen müssen, daß ihm einer der Hauptschreier unter den Nazianwälten, Herr Frank II, den Dank für ,, national­Harzburger Berneiner glauben noch, einen Sieg errungen zu fympathische" Ausführungen aussprach. Wir wollen hoffen, haben, weil sie Brüning einen Plan verðarben. Sie waren noch daß er dieses zweifelhafte Lob ebensowenig verdient hat, wie nie jo flein und nie dem Kanzler so unterlegen, wie jetzt, die arme deutsche Sprache es verdient, von nationalen und wo sie das Wohl der Nation über ihren Parteiinteressen ver- ,, nationalsympathischen" Mannen täglich in durchaus gaßen.

Demnach wäre die langatmige Denkschrift Hitlers an die Reichsregierung nichts anderes als seine Rapitulationsurkunde vor Hugenberg und seinen eigenen Unterführern!

Der Sinn des Dritten Reiches.

Nationalsozialist Wagener über die SA .

Erst jetzt wird der Wortlaut einer Rede des national­sozialistischen Reichstagsabgeordneten Wagener ( Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung der Reichsleitung) be­fannt, die er am 7. November auf dem Gautag der NSDAP. in Düsseldorf hielt. Aus den reichlich verwirrten Aeußerungen sind zwei Stellen besonders bemerkenswert. In einer Darstellung der Aufgaben der Nationalsozialisten erklärte Wagener wörtlich: Die Entscheidung zwischen rechts und links, zwischen national und international muß herbeigeführt werden, bevor der Auf ruhr von lints entsteht. Wir Nationalsozialisten haben uns eine Truppe geschaffen, S2. und GS., deren alleinige Aufgaben dieser notwendige Kampf gegen lints ist, deren wir sicher sind, weil sie gegen die

feindlichen Batterien immun ist, was man von der Polizei noch

weniger als von der Reichswehr behaupten tann."

Dieses Bekenntnis einer schönen Seele zerstört nochmals nach träglich den Legalitätsschwindel der Leute um Best, die ihre terro­ristischen Angriffsabfichten mit Bürgerfriegsmaßnahmen der Kom mune" zu tarnen suchen. So deutlich wie hier hat sich noch feiner der Führer der NSDAP . über die Aufgaben der Terrortruppen ausgesprochen, so deutlich noch niemand das wahre Gesicht der SA.

enthüllt.

Nicht minder deutlich spricht Wagener in dem wirtschaftspoli. tischen Teil seiner Ausführungen über die Frage des Tarif fyft e ms . Er erklärte:

"

Wir wünschen in Zukunft die unterſte Festsetzung eines Lohnes als unabdingbar, der dem Eriftenzminimum entsprechen müßte, darüber hinaus foll aber feine Bindung befteben, so daß für den Leistungslohn Raum geschaffen wird..." Alles andere foll aber im Betrieb vereinbart werden, fünftig Ent

werden die Betriebsräte mit dem Unternehmer beraten. scheiden muß natürlich stets der Unternehmer."

Auch hier wird mit erfreulicher Deutlichkeit die Feststellung ge­troffen, daß in dem Fünfständestaat der Nazis, in dem der ,, Klaffen tampfgedanke ausgerottet werden muß", natürlich stets der Unter­nehmer zu entscheiden hat. Deutlicher fonnte er in wenigen Worten das wahre Gesicht der NSDAP . nicht enthüllen.

Heute Laval- Erklärung.

Die Außenpolitik im Vordergrund.

Paris , 18. Januar. ( Eigenbericht.)

Die Regierungserklärung Cavals, die am Dienstag in der Kammer abgegeben wird, dürfte fich fast ausschließlich mit der außenpolitischen Lage Frankreichs beschäftigen.

Borläufig sind in der Kammer zu der Erklärung 12 Inter­pellationen angemeldet. Sie gehen von einem Kommunisten, zwei Sozialisten( Léon Blum und Frossard), vier Radikalen, einem sozia­ listischen Republikaner , je einem Mitglied der Unabhängigen Linfen und der Radikalen Linken und zwei Vertretern der Rechtsparteien aus. Die Debatte dürfte daher am Dienstag noch nicht beendet

merden.

Die französische Kammer tritt heute in einer Atmosphäre der Nervosität zusammen, wie man sie schon seit vielen Jahren in Frankreich nicht beobachten konnte. Anlaß zu dieser Erregung bildete die bekannte Erklärung Dr. Brünings be­sonders in der ursprünglichen, nicht authentischen und bru­talen Sajjung des belannten Reuter- Telegramms, die durch Fassung das nachträgliche WTB.- Interview des Reichstanzlers wesentlich abgeschwächt wurde. Aber trotz dieser Richtig stellung hält die Erregung an, weil inner politische Ge­fichtspunkte übrigens genau wie bei uns in die außen­politischen Debatten hineinspielen: Frankreich steht vor baldi­gen Neuwahlen und die Regierung fürchtet sich vor dem Borwurf der Nationalisten, daß sie die Intereffen ihres Landes nicht energisch genug wahre.

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Wir find nach wie vor der lleberzeugung, daß Brünings neueste Erklärungen nichts enthielten, was er nicht schon un mittelbar nach Beröffentlichung des Bajeler Berichts, und ge­stützt auf diesen, in mindestens ebenso prägnanter Form zum

Ausdruck gebracht hatte, ohne daß sich damals in Frankreich ein Sturm der Entrüftung bemerkbar machte. Wenn die amt­lichen französischen Stellen dies sofort in aller Ruhe fest­gestellt und wahrheitsgemäß hinzugefügt hätten, daß Dr. Brü­ning über den deutschen Standpunkt für Lausanne den französischen Botschafter schon vor seiner Unterredung mit dem englischen Vertreter loyal unterrichtet hatte, dann wäre wohl der große Eflat vermieden worden. Aber viel leicht lag diesen amtlichen Stellen eben aus innerpolitischen Gründen gar nicht so viel daran, diese Sturzwelle der natio­nalen Erregung einzudämmen.

Von dem Berlauf der heutigen Pariser Debatte hängt manches für die weitere Entwicklung der außenpolitischen Probleme ab. Sowohl der Ministerpräsident wie das ge­famte Parlament dürften sich bewußt sein, daß nichts leichter ist in der heutigen Situation, als durch scharfe Reden die internationalen Gegenfäße in einer Weise zu vertiefen, die sich auf die politischen Beziehungen zwischen den Bölkern und auf ihre wirtschaftliche Lage verhängnisvoll aus­wirten müßten. Von den berufsmäßigen nationalistischen Scharfmachern, die es in der französische Kammer ebenso gibt wie im Deutschen Reichstag, darf man Selbstbeherrschung und Verantwortungsgefühl natürlich nicht erwarten. Wohl aber ist es angebracht, in diefer fritischen Stunde der Er­wartung Ausdruck zu geben, daß die Staatsmänner und alle diejenigen, denen es mit der friedlichen Lösung der gegenwärtigen Probleme Ernst ist, vermeidbare Schärfen unterlassen und die notwendigen Lösungen, die auf den be­vorstehenden internationalen Zusammenfünften zumindest vorbereitet merden müssen, nicht erschweren.

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deutschabträglicher" Weise vergewaltigt zu werden. Aber mag das Wort des Nazi- Rechtsanwalts auf jenen Richter speziell nicht zutreffen, auf einen Teil unserer Justiz paßt es in der bedenklichsten Weise: dieser Teil schwenkt ,, nationalsympathisch" ein, zu deutsch : er richtet sich bereits in auffälligster Weise nach den Wünschen und Ansprüchen der Nationalsozialisten.

Eine Zeitlang hat es so ausgesehen, als wollten die Gerichte dafür sorgen, daß dem Staat und der geltenden Ver­fassung der nötige Schuh gegen freche und gemeine Anpöbe­leien zuteil werde. Damals, vor zwei, drei Jahren, ver­sicherten Optimisten, daß die Bertrauenskrise" der Justiz, von der ein preußischer Justizminister gesprochen hatte, nunmehr überwunden sein. Es war zu schön, um wahr zu sein. Es läßt sich fast mit statistischer Genauigkeit erweisen, wie genau parallel mit dem Ansteigen der Wahlziffern für die Nazis der Eifer der Gerichte für den Schuh der Republik erlahmt ist.

Da nun vom Reichsgericht die Rede ist, so müßten wir eigentlich streng logisch gemäß seiner Judikatur nicht Fahne", sondern, appen" sagen. Denn in seiner all­umfassenden Weisheit hat das Reichsgericht festgestellt, daß das Wort ,, Lappen" im Munde eines Rechtsradikalen feine Beschimpfung der Reichsflagge ist, da hiermit ja nur ,, Stod und Tuch rein materiell gemeint gewesen seien".( Ein siebenjähriger Junge, der Erwachsene über dieses Urteil sprechen hörte, fragte allerdings ganz verstört, wieso man denn mit Lappen" auch den Stock meinen fönne... Aber was versteht solch ein Kind von Juris­prudenz!)

Solche Reichsgerichtsurteile sind die selbstverständlichen Folgen einer jahrelangen Vernachlässigung jeder perfonalpolitischen Aufsicht durch das Reichs= justizministerium. Vor ein paar Wochen hat der ,, Borwärts" darauf hingewiesen, daß man unter den Berliner Richtern als jüngsten Nachwuchs für Leipzig niemand anders hat finden können als den Berliner Landgerichtsdirektor Erich Schulze, der so ungefähr ein Pendant zu dem Magdeburger Fürst" seligen Angedenkens, dem Land­gerichtsdirektor Hoffmann, darstellt. Wir nehmen noch immer nicht an, daß Herr Reichsjustizminister Jo el sich bereits über die Erfolge" seiner als Minister und Staatssekretär betrie­benen Personalpolitik zu wundern beginnt.

Eine vierte Reichsnotverordnung hat uns eine angebliche Schnelljustiz gegen politische Gewaltverbrecher und Berleumder gebracht. In Berlin äußert sie ihre Wirkungen zunächst in der Langsam- Justiz des Herrn Landgerichts­Direktors Ohnesorge.

Leider kann man nicht umhin, in diesem Zusammenhang auch vom Reichsgericht und seinem Verhältnis zur schwarzrotgoldenen Fahne zu sprechen.

Als der Kurfürstendamm - Prozeß in der Berufungs­instanz einsetzte, wurde an dieser Stelle die Persönlichkeit des Borsigenden gewürdigt. Niemand kann behaupten, daß diese Würdigung hetzerisch oder verletzend war. Wir schrieben:

,, Herr Ohnesorge gilt als vorzüglicher Jurist, aber auch als Federchenfucher", der aus den Bedentlichkeiten nicht herauskommt... Die unbestrittene Sorgfältigkeit des Herrn Ohnsorge in allen Ehren... zum Vorsitzenden in einem poli­tischen Prozeß dieser Art hätte sich besser ein Mann geeignet, der das Wesentliche und hauptsächliche eines Falls von An­fand an flar ins Auge faßt."

Die Entwicklung des Prozesses hat unsere Befürchtungen

bei weitem übertroffen. Genau einen Monat währt er, und mindestens ein Vierteljahr soll er dauern. Im Zeichen der Aber das wäre erträglich, wenn Schnelljustiz! wenigstens unsere lobende Erwähnung, daß Herr Ohne­forge ein vorzüglicher Jurist" sei, aufrechterhalten werden könnte. Nach seinen letzten Leistungen müssen wir dies zu­rüdnehmen. Die Nichtvereidigung zweier Hauptbelastungs­zeugen, der Brüder Deterding, weicht dermaßen start vom Pfade gesunden juristischen Denkens ab, daß noch nicht ein­mal ein durchschnittlicher Jurist darauf hätte verfallen dürfen. Man bebente folgende Konstruktion: Inmitten eines