Einzelbild herunterladen
 
  

BERLIN  Dienstag 19. Januar 1932

Der Abend

Erscheint täglich außer Sonntags. Bugleich Abendausgabe des Borwärts". Bezugspreis für beide Ausgaben 75 Pf. pro Woche, 3,25 m. pro Monat ( davon 87 Pf. monatlich für Zustellung ins Haus) im voraus zahlbar. Vost bezug 3,97 m. einschließlich 60 Pf. Postzeitungs­und 72 Pf. Postbestellgebühren.

Spätausgabe des Vorwärts"

10 Pf.

Nr. 30

B 15 49. Jahrgang

Anzeigenpreis: Die einspaltige Millimeterzelle 30 Reklamezelle 2.-M. Ermäßigungen nach Tarif. Vostfcheckkonto: Borwärts- Berlag G. m. b. H., Berlin   Nr. 37 536. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor! Redaktion und Expedition: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Dönhoff( A 7) 292–297.

Das Reich als Banfier

Riesenbeteiligung des Reiches an schwankenden Banken

Bei Wiederbegim der Beratungen des Haushaltsaus schusses des Reichstags find die Deutschnationalen auf ihren Plätzen, die Nationalsozialisten ,, vernichten" die Republik   auf ihre ,, bewährte Art", sie beteiligen sich nicht an der sachlichen Arbeit.

Die Sigung des Haushaltsausschusses führt sehr rasch nach Erledigung verschiedener Kleinigkeiten zu einem entscheidenden Distuffionspunkt. Es handelt sich um die

sozialdemokratische Anfrage, was die Regierung mit der ihr wider Willen zugefallenen Bankenmacht zu tun gedenkt.

Der Bantenfommissar des Reichs eröffnet die Debatte, er macht nur allgemeine Randbemerkungen, fie genügen nicht, der Reichsfinanzminister mill selbst Erklärungen abgeben. Der Aus­schuß vertagt sich auf furze Zeit. Minister Dietrich kommt dann|

und erklärt etma:

Beschlüsse können nicht nur über Danatbant und Dresdner   Bant gefaßt werden. Das Bantenproblem muß aber in der Ge­famtheit gesehen werden. Deffentlich kann man über den tat­fächlichen Umfang der Krankheit und die notwendig gewesene Reichs­hilfe überhaupt nicht reden, dazu find die notwendigen Unterstützungen zu weitreichend. Wir leiden in Deutschland   unter einer fünft­lichen Hebergrößerung der Banken. Es sind schon die ver schiedensten Pläne für Reform und Gesundung beraten worden. Eine Entscheidung wird in den nächsten Tagen und Wochen durch die Entwidlung erzwungen. Mit der Zusammenlegung ver­schiedener Banken hat das nichts mehr zu tun. Die Reichsregie. rung ist der Meinung, daß es richtig sei, den Einfluß des Reichs auf die Banken so bald als möglich wieder abzubauen. Das ist die Tendenz der Regierung.

Zwei Opfer der Mordpest.

Nächtliche Schlacht in Reinickendorf   zwischen Nazis und Kommunisten.

In der Laubenkolonie Felsened in Reinicken dorf Ost, Am Schönholzer Weg, kam es heute früh Furz vor 1 Uhr zu einer schweren Schießerei zwischen Nationalsozialisten und Kommu= nisten. Bisher sind zwei Zote, ein schwer und fechs Leichtberlekte zu verzeichnen. Bei den Toten handelt es sich um den 60jährigen Professor und Kunstmaler Ernst Schwarz   aus der Burgfrauenstr. 15 zu Frohnau  , der der Nationalsozialistischen   Partei an

gehört, und um den 50 Jahre alten Arbeiter Fritz Klemke aus der Kolonie Felsened, Laube 20, der der KPD.   angehört. Der Kunstmaler wurde durch einen Messerstich in die Herzgegend, der Arbeiter Klemke durch Brust- und Kopfschuß getötet.

Die politische Polizei und die Mordkommission weilen zur Klärung des Tatbestandes an Ort und Stelle. Bisher wurden etwa 50 Verhaftungen vorgenommen. Die Verlekten wurden nach ihrer Vernehmung dem Kranken­hause Reinickendorf   zugeführt.

Die ersten Ermittelungen.

Die blutige Schießerei in der Reinickendorfer   Laubenkolonie Der Redner der Sozialemokratie, Abg. Hilferding, greiftelsened" ist zur Zeit Gegenstand der polizeilichen Unter­die grundsäglichen Bemerkungen des Reichsfinanzministers auf und fuchung. Bereits in der Nacht hatten zahlreiche Beamte an Ort führt sie in pofitivem Sinne weiter: und Stelle die ersten Ermittlungen aufgenommen, im Polizei­präsidium wurde heute vormittag die Bernehmung

Das Reich verfügt heute von sich aus über einen erheblichen Teil des deutschen   Kreditsystems, rund

60 Proz. des Kredilapparafes find heute öffentlich kontrolliert. Das ist ohne Zutun und ohne den Willen des Reiches geworden. Diese Entwicklung hat niemand vorausgesehen, aber beim ersten Echritte sei die Regierung frei gewesen, das weitere entwidle fich zwingend. Die Regierung fonnte gar nicht anders als mit den Mitteln des Reiches helfen. Sie fann deswegen auch nichts anderes tun als eine gewisse Kontrolle über die unterstützten Institu­tionen ausüben. Das ist ein Entwicklungsprozeß, der nicht rück­gängig gemacht werden kann. Der jezige Schwebezustand ist uner­träglich. Er führt dazu, daß das Reich zuletzt auf den Verlusten der von ihm geftüßten Privatbanken figen bleibt, das Richtigste wäre, das ganze Berhältnis zwischen Banken und Industrie neu zu gestalten, etwa durch eine Trennung zwischen reinen Finanzierungs­banken und Kreditinstituten. Dabei fönnte so verfahren werden, daß das Reich zuerst die Depofitenbanken in der Hand behält, und das industrielle Finanzierungsgeschäft davon trennt. Es müßten grundsägliche Lösungen im Sinne der Weiterentwicklung gesucht

werden.

Der staatsparteiliche Abgeordnete Stolper meint, daß die Schwierigkeiten wie in Deutschland   auch in anderen Ländern vor­handen seien und dort sich schon erwiesen habe, daß bestimmte Methoden der Staatshilfe unbrauchbar feien. Der Faschismus z. B. habe geglaubt, niedrige Börsenkurse nicht ertragen zu können, des wegen sei durch eine besondere Bantgründung mit Regie­rungsmitteln die hochhaltung der Kurse durchgeführt worden. Heute size die italienische Regierung auf den Aktien­paketen, die sie nicht los werden könne und müsse außerdem noch für die von ihr beherrschte Industrie die Finanzierungsforgen tragen.

der festgenommenen 49 Hakenkreuzler und der 12 aubentolonist en fortgesetzt. Bei den Kolonisten handelt Schlägerei Beteiligten beschuldigen sich gegenseitig, den Anfang es fich zum Teil um Kommunisten. Die an der Schießerei und gemacht zu haben.

Die Borgänge haben sich nach den bisherigen Feststellungen etwa fo abgespielt: Die Nationalsozialisten veranstalteten gestern abend in Waidmannslust   eine Kundgebung, zu der SA.   Trupps aus der ganzen Umgebung herangezogen worden waren.

Nach Schluß der Beranstaltung 30gen etwa 200 Hakenkreuzler in lofen Trupps nach Reinidendorf- Oft.

Die Zollkampf- Verordnung.

Ausgleichszuschläge gegen Valuta- Dumping. Amtlich wird folgende Verordnung des Reichspräsidenten über außerordentliche 3011maßnahmen mitgeteilt: Auf Grund des Art. 48 Abs. 2 der Reichsverfassung wird folgendes verordnet:

Artitel 1. Die Reichsregierung wird ermächtigt, im Falle eines dringenden wirtschaftlichen Bedürfnisses 1. bei der Ein­fuhr von Waren, die aus Ländern stammen, deren Währung unter die Goldparität gefunten ist, für einzelne Waren oder Warengruppen Ausgleichszuschläge zu erheben,

2. für Waren, die aus einem Lande stammen, mit welchem das Deutsche Reich   nicht in einem handelsvertraglichen Berhältnis steht oder welches die deutschen   Waren ungünstiger behandelt als die Waren eines dritten Landes, erhöhte 3oll= fäße festzusetzen. Von der Erhebung der erhöhten Zollfäze fann bis zur Dauer von höchstens 6 Monaten Abstand genommen werden, wenn mit diesem Lande Handelsvertragsverhandlungen schweben oder bevorstehen. Die Reichsregierung fann bei einzelnen Waren von der Anwendung der erhöhten Zollfäße ganz oder teilweise ab­sehen.

Artitel 2. Die Verordnung tritt mit dem Tage der Verkün­dung in Kraft. Berlin  , den 18. Januar 1932.

Der Reichspräsident. gez. von Hindenburg.

Der Reichskanzler.

gez. Dr. Brüning.

wirrung in den Währungsverhältniffen zeitigt Gegenmaßnahmen. Der llebergang Englands zur Schußzzollpolitik und die Ber Die Lösung der Weltwirtschaftskrise wird auf diese Weise immer schwieriger.

Elid war eine regelrechte Schlacht Mann gegen Mann im Gange. Mit Dolchen, Totschlägern und Zaunlatten schlugen die Gegner auf­einander ein, dazwischen ertönten unausgefeßt Pistolenschüsse. Zwei Polizeibeamte, die in der Dunkelheit ihre Dienstwaffen nicht Sechs Polizeibeamte begleiteten die Nationalsozialisten, da ziehen konnten, gerieten in das Handgemenge. Bolizeiwachtmeister man offenbar mit 3wischenfällen gerechnet hatte. Trotz des polizei- Hellwig wurde mit einem Baumstamm niedergeschlagen lichen Begleitfonmandos tam es dann in der Laubenkolonie zu der und so schwer verletzt, daß er später ins Staatsfrankenhaus gebracht verhängnisvollen Schießerei. merden mußte. Der zweite Beamte erlitt leichtere Kopfver= legungen. Zwei Tote blieben auf dem nächtlichen Kampfplatz. Der 29 Jahre alte fommunistische Arbeiter Frig Klemte aus der Kolonie Felsened" wurde von zwei Kugeln in den Kopf und in die Brust getroffen. Er brach sofort tot zusammen. Von den Hakenkreuzlern wurde der 49jährige Kunstmaler Ernst Schwarz   aus Frohnau  , Burgfrauenstr. 15, durch einen, Messer= stich niedergestredt. Sch. starb auf dem Transport ins Krankenhaus. Zwei weitere Nationalisozialisten, der 21 Jahre alte Bernhard Wittkowski aus Neu- Heiligensee und der 31 Jahre alte Angestellte Mandaler aus Hermsdorf   erlitten leichte Verlegungen durch Schläge.

Es scheint sonderbar, daß die nationalsozialistischen Trupps ihren Rüdweg ausgerechnet durch Laubengelände nehmen mußten, von dem in der ganzen Gegend befannt ist, daß die dort wohnenden Siedler zum großen Teil Kommunisten sind. Die Hakenkreuzler wollten zweifellos provozieren, denn sonst hätten sie sehr wohl einen anderen Weg wählen tönen. In den dunklen Lauben­gängen mußten die Polizeibeamten den Ueberblick über den nationalsozialistischen Trupp verlieren, so daß selbst die Beamten nicht mit Sicherheit behaupten tönnen, wer die ersten Schüsse abgefeuert hat.

fie

Der Kampf im Dunkeln. Blößlich frachten mehrere Schüsse- die Nazis behaupten, Plötzlich frachten mehrere Schüsse die Nazis behaupten, und im Augen­feien aus dem Hinterhalt abgegeben worden und im Augen­

Stolper ist für flare Einzellösungen bei den Banten, an denen heute das Reich wider Willen engagiert ist, lehnt also allgemeine Dauerlösungen durch den Staatswillen ab. Heute feien viele zu Politische pessimistisch, wenn erst die Börsenkurse wieder einmal sechs Wochen im Steigen feien, dann würde vieles von heute völlig vergeffen sein. Funktionärinnen Der Reichsfinanzminister erklärte schließlich sein Einverständnis mit dem Silferdingschen Vorschlag, in einem vertraulichen Unterausschuß des Haushaltsaus schuffes eingehende Auskünfte über die Hilfsmaßnahmen des Reiches gegenüber Industrie und Banken und über die allgemeinen Pläne des Reiches geben zu wollen. Der Ausschuh wurde eingefekt.

2

Versammlung

Freitag, den 22. Januar, 19%, Uhr, in den Musiker- Festsälen, großer Saal, Kaiser Wilhelm- Straße. Tagesordnung: 1. Was können die Hausfrauen für den Preisabbau tun? 2. Diskussion. 3. Aufstellung des Wahlvorschlages der Frauen für den Bezirksvorstand.- Der Referent wird morgen bekanntgegeben.

Die Polizeibeamten hatten inzwischen durch Beamte des zu­ständigen Reviers Verstärkung erhalten und das ganze Lauben­gelände wurde umstellt. Auch das Polizeipräsidium war von der blutigen Schlacht im Laubengelände sofort in Kenntnis gesetzt gelände wurde um stellt. Auch das Polizeipräsidium war von worden und ein ganzer Stab von Beamten der Politischen   Polizei begab sich unverzüglich nach Reinickendorf  . Leider war es in der abgelegenen und völlig dunklen Kolonie nicht möglich, alle an der

Schießerei Beteiligte zu fassen. Die Mehrzahl der Nazis, unter denen fich verschiedene Burschen mit Schußmaffen befunden haben müffen, setzte über die Zäune hinweg und flüchtete. Ins gefamt konnten von dem 200 Mann starten Trupp der Nazis nur noch 49 Mann festgestellt werden. Von den Beamten der Poli­ tischen   Bolizei wurden zum Teil aus ihren Lauben heraus 12 Kolo­niften feftgenommen, die im Berdacht stehen, an dem Kampf teil­genommen zu haben. Auf Lastwagen wurden die Festgenommenen ins Polizeipräsidium transportiert.