1932
Der Abend
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Nr. 34
B 17 49. Jahrgang
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Nazi- Zellen in Gewerkschaften
Die Reichsleitung der NSDAP . bringt die nachstehenden vertraulichen Richtlinien für die Arbeit der Betriebsfunttionäre ,, mit allem Nachdruck in
Erinnerung":
,, Für die Werbung in den Betrieben ist die genaue kennt. nis der nationalsozialistischen Einstellung zu den Gewert. fchaften unbedingt erforderlich. Jeder Arbeiter und jeder Angestellte kann und soll in seiner Gewerkschaft bleiben, auch in der Mit freigemerkschaftlichen, soweit er überhaupt organisiert ist. anderen Worten: mirtfd) aftlich steht er in der Gewerkschaft, politisch jedoch gehört er zur NSDAP . Keine Gewerkschaft ist in der Lage, ihn nur deshalb, weil er Nationalsozialist ist, hinauszuwerfen; und die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft verträgt sich durchaus mit der politischen Zugehörigkeit zur NSDAP .
Die Stellung des Parteiführers lautet: Die NSDAP . fieht in den Betriebszellen- Organisationen die Grundlage, von der aus zu gegebener Zeit die
Schaffung eigener nationalsozialistischer Berufsgewerkschaften
in Angriff genommen werden wird. Bis dahin haben die Pg., die als Arbeiter, Angestellte oder Beamte tätig sind, in ihren heutigen gewerffchaftlichen Berbänden zu verbleiben und dort, geftützt auf die von diesen Verbänden ftatutarisch verbürgte parteipolitische Neutralität, jede Propaganda zugunsten der marristischen und demokratischen Parteien zu verhindern.
Im übrigen bietet das Berbleiben in den bestehenden Gewerfschaften, trotz der offenkundigen Mängel, mit denen diese behaftet find, dem einzelnen Arbeitnehmer auch wirtschaftliche Bor= teile, die nicht von der Hand zu weisen sind."
Diese Richtlinien der Parteileitung gehen mit einem von der Gauleitung Berlin gezeichnetem An= schreiben an die Vertrauensleute der Betriebszellen. Darin mird versichert, daß die nationalsozialistische Agitation bereits unverkennbar eine fräftige 3erschlagung der reaktionären Kräfte bewirkt" habe. Damit sei jedoch nicht gesagt, daß die Reaktion schon endgültig besiegt ist. Immerhin hat der nationalsozialistische Kampf diese Reaktion zu stellen gewußt und ihre Front durchbrochen und durchlöchert. Denn es heißt weiter:
,, Nicht so das margiftische Lager!
Troß seines großen politischen Mißerfolges... ist es im großen und ganzen unerschüttert geblieben. Die Gründe hierfür liegen nicht nur in der beinahe religiösen Hoffnung auf den Margismus, sondern vor allem aud) in der beispiellos, festen organisatorischen Berankerung der Arbeiterschaft in ihren Organifationen, SPD., KPD. , Gewerkschaften, Sport- und Kulturvereinen, Genossenschaften usw. Die gelegentlichen Einbrüche der nationalsozialistischen Bewegung in die margistische Front dürfen uns darüber nicht hinwegtäuschen, daß
der Marxismus in seiner Gesamtheit bisher von uns ernsthaft nicht getroffen worden ist. Im Gegenteil:
eroberte Pofitionen gingen der NSDAP . oft genug durch falsche politische Stellungnahme und taktische Fehler wieder verloren. Borhandene Sympathien in der Arbeiterschaft verstanden wir nicht auszunuzen. Der Verlust war ein doppelter: er zeigt die Unfähig teit der Parteileitung, fich gänzlich auf das Niveau der Arbeiterschaft einzustellen( nur so fann man nationalsozialistische Arbeit betreiben), und die dadurch verursachte Abkehr der mit uns sympathifierenden Teile der Arbeiterschaft vom Nationalsozialismus zum Margismus. Die Gewinnung dieser marristischen Arbeiterschaft bleibt jedoch trotz dieser Fehler die Hauptaufgabe der NSDAP ." So gibt die ,, Gauleitung Berlin" das ist Goebbels also offen den bisherigen Mißerfolg der hakenkreuzlerischen Propaganda in der Arbeitsgemeinschaft zu! Offen - das heißt nur in vertraulichen Rundschreiben! Nach außen treibt man die Hib"-Propaganda. Im geheimen will man die Zersegung der Gewerkschaften durch Nazi- Zellen betreiben! Die Gewerkschaften denken aber gar nicht daran zu warten, bis die Hakenkreuzler so weit sind ,,, eigene Berufsorganisationen" aufzuziehen.
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Inzwischen wird die Braunhemdengarde sich noch oft an den Gewerkschaften die Zähne ausbeißen.
Der Blutweg nach Felseneck
rach Frehnau
Label
Bergscries
Mißlungenes Täuschungsmanöver des GA.- Trupps
Tatort skizze
wilderennslus
Bf Chilleres
zu den Ereignissen am 18.1.1932 in Reinickend- Ost, Schönholzer Weg
Erläuterung
Kürzester Marschweg Marschweg mit Umweg
von 3,75 km
ww
BY Schinke
Tatort
Stel Br
Die Zeichnung läßt deutlich ersehen, daß die Nationalsozialisten nicht den kürzesten Weg zur Heimkehr gewählt haben.
Neben der gerichtlichen Borunterju chung, für die bereits ein Untersuchungsrichter bestellt worden ist, werden die polizeilichen Ermittelungen zur Klärung des nächtlichen Bandenüberfalls der Nazis auf die Kolonie Felsened" in Reinidendorf energisch weiterbetrieben. Ueber 50 Personen, meist S.- Ceute der verschiedenen SA.- Stürme aus den nördlichen Vororten, befinden sich noch im Polizeigewahrsam. Die Verhöre gehen unausgesetzt weiter und nach verschiedenen an der Schießerei beteiligten Hakenkreuzlern wird zur Zeit noch geforscht.
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Wie aus der nebenstehenden Stizze hervorgeht, haben die Hakenfreuzler einen großen Umweg gemacht, für den sie keine stichhaltige Erklärung abgeben können oder wollen. Sie sind, wie bereits gemeldet, die Graf- Roedern- Allee hinuntermarschiert und dann einen längs der Bahn führenden Steg eingebogen. Im Laubengelände zwischen der Graf- Roedern- Allee und der Kopenhagener Straße soll nach Aussage des Sturmführers angeblich ein SA. Mann namens Weinert wohnen, den man nach Hause begleitet hatte. Als der in Haft befindliche Hakenkreuzler die Laube näher bezeichnen sollte, wo der vermeintliche Weinert wohne, vermochte er feine näheren Angaben zu machen. Wenn mait dreist als wahr unterstellt, daß dort ein SA.- Mann wohnt, warum hat bann der ganze Trupp nicht fehrt gemacht oder hat einen naheliegenden Feldweg bemußt, der direkt nach Reinickendorf - Ost führt? Es bestanden also vielerlei Möglichkeiten, einen anderen Weg zu mählen, aber die Nazis gingen den Feldweg weiter, wohin ihnen der Polizeimagen wegen des schlechten Fußmeges nicht zu folgen vermochte und bogen in einem spitzen Winkel in den Schönholzer Weg ein. Nach Aussagen der Nazis be= fanden sich in dem Zug allein 50 SA.- Leute aus Reinickendorf - Ost. Mußten also die vereinigten Stürme, nur um angeblich drei„ Pg.s" an besonders gefährdete Stellen zu bringen, an dem Marsch teilnehmen? Das waren Fragen, die den festgenommenen Hafenfreuzlern höchst unangenehm waren und auf die sie die Antwort schuldig blieben. Der 11 m meg zur Strafexpedition", die zweifellos in dem Waidmannsluster Lokal genau durchgesprochen worden ist, beträgt annähernd 4 kilometer. Nichts, auch rein gar nichts tann mehr die feststehende Tatsache verwischen, daß der Marsch auf die Kolonie Felfened" planmäßig vorbereitet und entsprechend durchgeführt worden ist.
Die Nachricht eines Berliner Vormittagsblattes, daß die Poli tische Polizei bereits die Täter kennt und daß Kriminalkommisjar Dr. Braschwitz die Verfolgung der flüchtigen Täter, die versuchen wollen ins Ausland zu entkommen, aufgenommen habe, werden vom Polizeipräsidium als Phantasie bezeichnet. Dr. Braschwitz hat gestern Berlin verlassen, um in einem in Altona stattfindenden Prozeß als Zeuge aufzutreten.
Wo bleiben die Taten?
Gefährdung des Pensionsfürzungsgesetzes
Der Haushaltsausschus des Reichstags begann heute
Abg. Keil
Dieser einleitenden Erklärung folgte eine ganze Serie von Ermit der zweiten Beratung des vielumfämpfen Penflärungen der Parteivertreter. Der Kommunist Torgler betonte, seine Partei sei bereit, sionskürzungsgesehea. Sie führte sofort bei Beginn zu grundsätzlichen Erörterungen und für das Pensionsfürzungsgesetz in der Fassung der ersten Lesung zu stimmen. Die jetzt neueingebrachten Aenderungsvor= zeigte die gegensätzlichen Fronten so stark, daß das geschläge bedeuteten aber eine solche Verschlechterung, daß ja mte Pensionstürzungsgesetz als gefähr die Kommunisten das nicht mitmachen würden. bet zu betrachten ist. Die notwendige Zweidrittelmehrheit, die die Voraussetzung für eine flare Gestaltung des Pensionsrechts ist, erscheint im besonderen deswegen heute als ganz unwahrscheinlich, weil die National sozialisten an der Beratung nicht teilnehmen und sich damit der entscheidenden Stellungnahme entziehen, ob wohl sie draußen mit der übelsten Heze gegen die hohen Pensionen vorgetäuscht haben, als ob sie für einen Abbau der Pensionsgewinnler seien.
Für die zweite Beratung sind viele Dußende von Anträgen eingebracht. Das Reichsfinanzministerium hat seine Aenderungsanträge durch das Zentrum einbringen laffen.
Der Abg. Ersing( 3.) begründete die durch ihn eingebrachten Aenderungsanträge der Regierung damit, daß durch das neue Bensionstürzungsgesetz sämtliche entsprechenden Teile der einzelnen
früheren Notverordnungen, soweit sie die Penfionsfürzungen betreffen, mit zusammengefaßt werden sollen, um eine einheitliche rechtlich fichere Gestaltung des Pensionsrechtes zu schaffen.
gab für die Sozialdemokratie folgende schriftlich formulierte Erklärung ab:
,, Die fozialdemokratische Fraktion ist der Auffassung, daß weder die Notverordnung noch der Gesetzentwurf über die PensionsWenn die sozialdemokratische Fraktion in der Lage wäre, die fürzung den Wünschen der großen Mehrheit des Volkes entspricht. Pensionsgefehgebung nach ihren Auffaffungen zu gestalten, so würde fie in einer Reihe von Einzelfragen über die Regelung hinausgehen, die von der Regierung beabsichtigt ist. Sie würde besonders eine Begrenzung der Pensionen nach oben treffen, die entfprechend der gesteigerten Notlage des Boltes erheblich unter dem Satz von 12 000 m. im Jahre bleiben würde und das Einkommen des Pensionärs aus anderen Quellen, namentlich auch
cus Bermögen, in verstärktem Maße auf die Pension anrechnen.
Die fozialdemokratische Fraktion ist sich jedoch bewußt, daß eine durch die höchften Gerichte unanfechtbare Neuregelung des Pensionsrechts nur durch eine 3 weidrittelmehrheit