Einzelbild herunterladen
 

BERLIN Donnerstag 21. Januar

1932

Der Abend

Erfcheinttäglich außer Sonntags. Zugleich Abendausgabe des Borwärts". Bezugspreis für beide Ausgaben 75 f. pro Woche, 3,25 m. pro Monat ( dason 87 Vf. monatlich für Zustellung ins Haus) im voraus jahlbar. Poft being 3,97 m. einschließlich 60 Vf. Postzeitungs­und 72 Pf. Bestbestellgebühren.

Spalausgabe des Vorwärts"

10 Pf.

Nr. 34

B 17 49. Jahrgang

Anzeigenpreis: Die einfpaltige Millimeterzeile 30 Bf. Reflamezeile 2.-M. Ermäßigungen nach Tarif. Vostfcheckfonto: Borwärts- Berlag G. m. b. 5., Berlin Nr. 37 536. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor! Redaktion und Expedition: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Dönhoff( A 7) 292–297.

Nazi- Zellen in Gewerkschaften

Die Pläne des Braunen Hauses

Die Reichsleitung der NSDAP . bringt die nachstehenden vertraulichen Richtlinien für die Arbeit der Betriebsfunttionäre ,, mit allem Nachdruck in

Erinnerung":

,, Für die Werbung in den Betrieben ist die genaue kennt. nis der nationalsozialistischen Einstellung zu den Gewert. fchaften unbedingt erforderlich. Jeder Arbeiter und jeder An­gestellte kann und soll in seiner Gewerkschaft bleiben, auch in der Mit freigemerkschaftlichen, soweit er überhaupt organisiert ist. anderen Worten: mirtfd) aftlich steht er in der Gewerkschaft, politisch jedoch gehört er zur NSDAP . Keine Gewerkschaft ist in der Lage, ihn nur deshalb, weil er Nationalsozialist ist, hinaus­zuwerfen; und die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft verträgt sich durchaus mit der politischen Zugehörigkeit zur NSDAP .

Die Stellung des Parteiführers lautet: Die NSDAP . fieht in den Betriebszellen- Organisationen die Grundlage, von der aus zu gegebener Zeit die

Schaffung eigener nationalsozialistischer Berufs­gewerkschaften

in Angriff genommen werden wird. Bis dahin haben die Pg., die als Arbeiter, Angestellte oder Beamte tätig sind, in ihren heutigen gewerffchaftlichen Berbänden zu verbleiben und dort, geftützt auf die von diesen Verbänden ftatutarisch verbürgte partei­politische Neutralität, jede Propaganda zugunsten der marristischen und demokratischen Parteien zu verhindern.

Im übrigen bietet das Berbleiben in den bestehenden Gewerf­schaften, trotz der offenkundigen Mängel, mit denen diese behaftet find, dem einzelnen Arbeitnehmer auch wirtschaftliche Bor= teile, die nicht von der Hand zu weisen sind."

Diese Richtlinien der Parteileitung gehen mit einem von der Gauleitung Berlin gezeichnetem An= schreiben an die Vertrauensleute der Betriebszellen. Darin mird versichert, daß die nationalsozialistische Agitation bereits unverkennbar eine fräftige 3erschlagung der reaktionären Kräfte bewirkt" habe. Damit sei jedoch nicht gesagt, daß die Reaktion schon endgültig besiegt ist. Immerhin hat der nationalsozialistische Kampf diese Reaktion zu stellen gewußt und ihre Front durchbrochen und durchlöchert. Denn es heißt weiter:

,, Nicht so das margiftische Lager!

Troß seines großen politischen Mißerfolges... ist es im großen und ganzen unerschüttert geblieben. Die Gründe hierfür liegen nicht nur in der beinahe religiösen Hoffnung auf den Margismus, sondern vor allem aud) in der beispiellos, festen organisatorischen Berankerung der Arbeiterschaft in ihren Organi­fationen, SPD., KPD. , Gewerkschaften, Sport- und Kulturvereinen, Genossenschaften usw. Die gelegentlichen Einbrüche der national­sozialistischen Bewegung in die margistische Front dürfen uns darüber nicht hinwegtäuschen, daß

der Marxismus in seiner Gesamtheit bisher von uns ernsthaft nicht getroffen worden ist. Im Gegenteil:

eroberte Pofitionen gingen der NSDAP . oft genug durch falsche politische Stellungnahme und taktische Fehler wieder verloren. Borhandene Sympathien in der Arbeiterschaft verstanden wir nicht auszunuzen. Der Verlust war ein doppelter: er zeigt die Unfähig teit der Parteileitung, fich gänzlich auf das Niveau der Arbeiter­schaft einzustellen( nur so fann man nationalsozialistische Arbeit be­treiben), und die dadurch verursachte Abkehr der mit uns sympathi­fierenden Teile der Arbeiterschaft vom Nationalsozialismus zum Margismus. Die Gewinnung dieser marristischen Arbeiterschaft bleibt jedoch trotz dieser Fehler die Hauptaufgabe der NSDAP ." So gibt die ,, Gauleitung Berlin" das ist Goebbels also offen den bisherigen Mißerfolg der hakenkreuz­lerischen Propaganda in der Arbeitsgemeinschaft zu! Offen - das heißt nur in vertraulichen Rundschreiben! Nach außen treibt man die Hib"-Propaganda. Im geheimen will man die Zersegung der Gewerkschaften durch Nazi- Zellen betreiben! Die Gewerkschaften denken aber gar nicht daran zu warten, bis die Hakenkreuzler so weit sind ,,, eigene Berufs­organisationen" aufzuziehen.

-

-

Inzwischen wird die Braunhemdengarde sich noch oft an den Gewerkschaften die Zähne ausbeißen.

Der Blutweg nach Felseneck

rach Frehnau

Label

Bergscries

Mißlungenes Täuschungsmanöver des GA.- Trupps

Tatort skizze

wilderennslus

Bf Chilleres

zu den Ereignissen am 18.1.1932 in Reinickend- Ost, Schönholzer Weg

Erläuterung

Kürzester Marschweg Marschweg mit Umweg

von 3,75 km

ww

BY Schinke

Tatort

nach Berlin ,

Stel Br

Die Zeichnung läßt deutlich ersehen, daß die Nationalsozialisten nicht den kürzesten Weg zur Heimkehr gewählt haben.

Neben der gerichtlichen Borunterju chung, für die bereits ein Untersuchungsrichter bestellt worden ist, werden die polizeilichen Ermittelungen zur Klärung des nächtlichen Banden­überfalls der Nazis auf die Kolonie Felsened" in Reinidendorf energisch weiterbetrieben. Ueber 50 Personen, meist S.- Ceute der verschiedenen SA.- Stürme aus den nördlichen Vororten, be­finden sich noch im Polizeigewahrsam. Die Verhöre gehen unaus­gesetzt weiter und nach verschiedenen an der Schießerei beteiligten Hakenkreuzlern wird zur Zeit noch geforscht.

=

Wie aus der nebenstehenden Stizze hervorgeht, haben die Haken­freuzler einen großen Umweg gemacht, für den sie keine stich­haltige Erklärung abgeben können oder wollen. Sie sind, wie bereits gemeldet, die Graf- Roedern- Allee hinuntermarschiert und dann einen längs der Bahn führenden Steg eingebogen. Im Laubengelände zwischen der Graf- Roedern- Allee und der Kopen­hagener Straße soll nach Aussage des Sturmführers angeblich ein SA. Mann namens Weinert wohnen, den man nach Hause begleitet hatte. Als der in Haft befindliche Hakenkreuzler die Laube näher bezeichnen sollte, wo der vermeintliche Weinert wohne, vermochte er feine näheren Angaben zu machen. Wenn mait dreist als wahr unterstellt, daß dort ein SA.- Mann wohnt, warum hat bann der ganze Trupp nicht fehrt gemacht oder hat einen nahe­liegenden Feldweg bemußt, der direkt nach Reinickendorf - Ost führt? Es bestanden also vielerlei Möglichkeiten, einen anderen Weg zu mählen, aber die Nazis gingen den Feldweg weiter, wohin ihnen der Polizeimagen wegen des schlechten Fußmeges nicht zu folgen vermochte und bogen in einem spitzen Winkel in den Schönholzer Weg ein. Nach Aussagen der Nazis be= fanden sich in dem Zug allein 50 SA.- Leute aus Reinickendorf - Ost. Mußten also die vereinigten Stürme, nur um angeblich drei Pg.s" an besonders gefährdete Stellen zu bringen, an dem Marsch teil­nehmen? Das waren Fragen, die den festgenommenen Hafenfreuz­lern höchst unangenehm waren und auf die sie die Antwort schuldig blieben. Der 11 m meg zur Strafexpedition", die zweifellos in dem Waidmannsluster Lokal genau durchgesprochen worden ist, beträgt annähernd 4 kilometer. Nichts, auch rein gar nichts tann mehr die feststehende Tatsache verwischen, daß der Marsch auf die Kolonie Felfened" planmäßig vorbereitet und entsprechend durch­geführt worden ist.

Die Nachricht eines Berliner Vormittagsblattes, daß die Poli­ tische Polizei bereits die Täter kennt und daß Kriminalkommisjar Dr. Braschwitz die Verfolgung der flüchtigen Täter, die versuchen wollen ins Ausland zu entkommen, aufgenommen habe, werden vom Polizeipräsidium als Phantasie bezeichnet. Dr. Braschwitz hat gestern Berlin verlassen, um in einem in Altona stattfindenden Prozeß als Zeuge aufzutreten.

Wo bleiben die Taten?

Gefährdung des Pensionsfürzungsgesetzes

Der Haushaltsausschus des Reichstags begann heute

Abg. Keil

Dieser einleitenden Erklärung folgte eine ganze Serie von Er­mit der zweiten Beratung des vielumfämpfen Penflärungen der Parteivertreter. Der Kommunist Torgler betonte, seine Partei sei bereit, sionskürzungsgesehea. Sie führte sofort bei Beginn zu grundsätzlichen Erörterungen und für das Pensionsfürzungsgesetz in der Fassung der ersten Lesung zu stimmen. Die jetzt neueingebrachten Aenderungsvor= zeigte die gegensätzlichen Fronten so stark, daß das geschläge bedeuteten aber eine solche Verschlechterung, daß ja mte Pensionstürzungsgesetz als gefähr die Kommunisten das nicht mitmachen würden. bet zu betrachten ist. Die notwendige Zweidrittelmehrheit, die die Voraussetzung für eine flare Gestaltung des Pensionsrechts ist, erscheint im besonderen deswegen heute als ganz unwahrscheinlich, weil die National sozialisten an der Beratung nicht teilnehmen und sich damit der entscheidenden Stellungnahme entziehen, ob wohl sie draußen mit der übelsten Heze gegen die hohen Pensionen vorgetäuscht haben, als ob sie für einen Abbau der Pensionsgewinnler seien.

Für die zweite Beratung sind viele Dußende von An­trägen eingebracht. Das Reichsfinanzministerium hat seine Aende­rungsanträge durch das Zentrum einbringen laffen.

Der Abg. Ersing( 3.) begründete die durch ihn eingebrachten Aenderungsanträge der Regierung damit, daß durch das neue Bensionstürzungsgesetz sämtliche entsprechenden Teile der einzelnen

früheren Notverordnungen, soweit sie die Penfionsfürzungen be­treffen, mit zusammengefaßt werden sollen, um eine einheitliche rechtlich fichere Gestaltung des Pensionsrechtes zu schaffen.

gab für die Sozialdemokratie folgende schriftlich formulierte Er­klärung ab:

,, Die fozialdemokratische Fraktion ist der Auffassung, daß weder die Notverordnung noch der Gesetzentwurf über die Pensions­Wenn die sozialdemokratische Fraktion in der Lage wäre, die fürzung den Wünschen der großen Mehrheit des Volkes entspricht. Pensionsgefehgebung nach ihren Auffaffungen zu gestalten, so würde fie in einer Reihe von Einzelfragen über die Regelung hinausgehen, die von der Regierung beabsichtigt ist. Sie würde besonders eine Begrenzung der Pensionen nach oben treffen, die ent­fprechend der gesteigerten Notlage des Boltes erheblich unter dem Satz von 12 000 m. im Jahre bleiben würde und das Einkommen des Pensionärs aus anderen Quellen, namentlich auch

cus Bermögen, in verstärktem Maße auf die Pension anrechnen.

Die fozialdemokratische Fraktion ist sich jedoch bewußt, daß eine durch die höchften Gerichte unanfechtbare Neuregelung des Pensionsrechts nur durch eine 3 weidrittelmehrheit