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Morgenausgabe

Rr. 35

A 18

49.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Freitag

22. Januar 1932

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Reparationsdebatte in Paris .

Wird Frankreich an der negativen Politik festhalten?

Paris , 21. Januar. ( Eigenbericht.)

In der Kammer. murde am Donnerstagnachmittag die Interpellationsdebatte über die Zuſammenſegung und die Außenpolitik der Regierung fortgefeßt. Das Haus war anfangs mäßig besetzt, füllte sich aber allmählich, als der zweite Interpellant, Abg. Forgeot, die Tribüne bestieg.

Frankreich verzichtet auf jämtliche deutsche Zahlun gen gegen Erlaß der Schuldenzahlungen, Herab. setzung der militärischen Ausgaben um 25 Proz. gegen die Unterschrift Amerikas unter den Garantie­pakt von 1929.( Großer Beifall links und auf einigen Bänken der Mitte, Bewegung rechts.)

Der erste Redner der Sigung, der radikale Abg. Nogaro, er­klärte, häufig durch Zwischenrufe unterbrochen, die wichtigste Frage sei, ob die Regierung das Vertrauen des Parlaments habe. Seit dem Rücktritt Poincarés befände man sich einer Ministerschaft gegenüber, die eine Politik durchgeführt habe, deren Ergebnis man heute sehe: landwirtschaftliche Krise, Finanz- und Wirt­schaftstrise, Arbeitslofigfeit, Staatshaushalt mit einem offenen Defizit, leere Staatstaffe, Aufhebung des Young- Schuß gegen eine solche Gefahr bestehe nicht darin, noch mehr zu Plans usw. Von dem verblaßten Wohlstand bleibe Frankreich nichts anderes als der Ruf übrig, die einzige zahlungsfähige Nation Europas zu fein.( Beifall links.) Die an dieser Situation Schul­bigen nähmen heute die Ehrenplätze ein und

die Verantwortlichen fäßen in der Regierung.( Großer Beifall links, Proteste rechts.)

Benn die Regierung unter diesen Bedingungen noch eine Mehrheit fände, dann müsse sie unerschöpfliche Quellen an Mut besigen, falls es nicht Quellen von Furcht und Gleichgültigteit feien. Man wundere fich darüber, daß die radikale Partei sich geweigert habe, mit den für diesen Zusammenbruch verantwortlichen Männern zusammenzuarbeiten. Mangels einer solchen Zusammenarbeit würde die radikale Fraktion der Regierung eine desinteressierte Unter­fügung geben, wenn sich die Regierung in außenpolitischen Schwierigkeiten befände. Aber auch dazu wäre es noch nötig, daß die Radikalen Vertrauen zu den Männern haben, denen die schwere Aufgabe dieser Politi? anvertraut ist. Der Mann aber, der den Friedenswillen Frankreichs verförpere, fiße nicht mehr in der Regierung.( Großer Beifall links und in der Mitte.) Es gehöre eine große Autorität dazu, einen Mann zu ersetzen, der über ein folches internationales Prestige verfügte. Man müsse einige Be­unruhigung darüber empfinden, ob Laval diese Autorität besize. Die Frage sei also, ob das Parlament die Regierung habe, der sie die Geschicke des Landes anvertrauen könne. Vielleicht werde sich Bielleicht werde sich in einigen Stunden eine Mehrheit finden, die diese Frage mit 3a beantwortet. In diesem Falle müßte sich die Mehrheit wenigstens ihrer Berantwortung bewußt sein.( Beifall links.)

Der nächste Interpellant war der Sozialrepublikaner

Forgeot,

einer der besten Redner der Rammer, deffen Ausführungen vom ganzen Hause mit großer Aufmerksamkeit angehört wurden. Ihn beschäftige eine einzige Frage, erflärte Forgeot: Ist es angesichts der großen Probleme, denen die Welt gegenübersteht, nicht möglich. eine flare, praffische und einfache Formel für eine französische Löfung zu finden, die jedermann verständlich ist? Das wesentliche Kennzeichen der Weltkrise bestehe darin, daß ihre Wirkungen nach einander Ursachen werden, die wiederum neue Wirkungen hervor­rufen. Deutschland fönne seine Reparationszahlungen nur leisten, wenn es genügend produziere Es sei durch die Krise mehr als andere Länder betroffen, weil es mehr produzieren müsse. Gegenwärtig beherrsche Furcht die ganze Welt. Nur wenn das Bertrauen zurüdtehre, fönnte die Krise allmählich verschwinden. Welche Borbedingungen sind für die Rückkehr des Ver­trauens erforderlich? Eine wesentliche, nämlich die vollständige und mirklich endgültige, einfache und klare Lösung der mitein ander verbundenen Probleme der Reparationen und Schulden, der Sicherheit und der Abrüftung. Das Recht Frank reichs auf die Reparationen gehe nicht nur auf den Versailler Ver­trag zurüd, sondern vor allem auf den Young- Plan. Es set, wie Léon Blum ausgeführt habe, ein öffentliches Recht.

Forgeot fuhr fort: Man sei mit Recht darüber empört, daß Frankreich die zwei Milliarden Franken, die ihm nach dem Young- Plan zustehen, opfern solle, um Deutschland zu erlauben, seine Privatschulden zu bezahlen.

Aber Empörung fei teine Lösung.

Die Stunde zu einem einfachen und klaren französischen Vorschlag, der in die ganze Welt gerichtet werde, habe jezt geschlagen. Borin bestehe dieser Borschlag? Wäre es nicht möglich, ohne unsere Sicher heit zu verringern, an unserem Militärbudget eine Summe einzu­sparen, die den Young- Plan- Zahlungen entspräche? Läge darin nicht der Versuch einer flugen Lösung? Frankreich müßte fich offen an Amerika , das de facto wirtschaftlich und vielleicht auch militärisch den europäischen Kontinent beherrscht, mit folgendem Borschlag wenden:

fügung habe, um Deutschland zum Zahlen zu zwingen. Diese Frage unterbreite er der Regierung.( Beifall rechts.)

Die Kammer beschloß, die Debatte in einer um 9 Uhr beginnen­den Nachtsizung fortzusetzen. Laval soll erst um Mitternacht deutscher Zeit mit seiner Antwortrede beginnen.

Forgeots Vorschlag.

Ein fonstruktiver Plan.

Die Frage ist natürlich, ob dieser Vorschlag Frankreich und Amerita genehm sei. Was Frankreich betrifft, sei das augenschein­lich. Bom militärischen Standpunkt aus betrachtet, beschränke er, der Redner, sich auf die Feststellung, daß die Politik darin bestehe, zwischen verschiedenen Gefahren zu wählen. Deutschland könne morgen in einem Anfall von Massenwahnsinn Frankreich Da der Ministerpräsident Laval feine Antwortrede von neuem überfallen, weil es Frankreich isoliert glaubt. Der beste auf die verschiedenen Interpellationen erst in später Nacht­rüsten, sondern England und Amerika hinter sich zu stunde gehalten hat, wird man erst im Laufe des Freitag er­haben. Für Amerita habe der Vorschlag den Vorteil, daß es der fahren, wie sich die französische Regierung zu dem außer­einzige Gläubiger seines größten wirtschaftlichen Gegners von ordentlich interessanten und wichtigen Vorschlag des Abge­mergen, Deutschlands , sein würde. Man könne allerdings ein- ordneten Forgeot verhält, der anscheinend auf weite Kreise wenden, daß Amerika fich stets gemeigert habe, den Garantie des französischen Parlaments, vielleicht sogar auf die Mehr­paft zu unterzeichnen. Aber seit 13 Jahren habe sich die Lage heit der Deputierten sehr starten Eindruck gemacht hat. Daß geändert. England habe das Locarnoabfommen unter­zeichnet, und Amerita predige heute Europa die Abrüstung. Präfi. die französischen Nationalisten und Militaristen den Plan bent Hoover habe Frankreich im vergangenen Jahre um seine Unter- Forgeots schon deshalb verurteilen, weil er an eine 25prozen­tige Einschränkung der Rüstungsausgaben gebunden ist, kann ftügung zugunsten einiger Banten gebeten. man mohl ohne weiteres annehmen. Da die französischen Rüstungsausgaben im fommenden Jahr über drei Mil­liarden Màrt betragen, würde allerdings auch nach der Durchführung dieser Einschränkung der Wehretat unserer westlichen Nachbarn immer noch sehr stattlich, ja sogar ver­Schmenderisch sein. Aber das würde immerhin einen An­fang bedeuten, der seine günstige Wirkung auf die deutsche öffentliche Meinung nicht verfehlen und der Sache der deutsch­französischen Berständigung sehr nützlich sein würde.

Warum folle Frankreich nicht seinerseits Amerita um Unter­ffügung zugunsten der Menschheit und des Friedens bitten? ( Großer Beifall links.)

Ein flares Wort Amerikas würde das heil für die Welt sein. Frank. reich müsse die Initiative zu diesem Vorschlag ergreifen. Es dürfe nicht weiter an einer negativen Polifit festhalten.( Großer Beifall links und auf einigen Bänken der Mitte.)

Es folgt eine Sigungspause, während der in den Wandelgängen der Vorschlag Forgeots lebhaft erörtert, aber faft allgemein als undurchführbar bezeichnet wurde. Nach Wiederaufnahme der Sigung sprach der Abgeordnete Dubois von der Fraktion Marin. Er tönne die end gültige Zahlungsunfähigkeit Deutschlands nicht zugeben. Er sei im Prinzip für eine Unterbrechung der 3ahlungen während zwei oder drei Jahren gemäß den Bestimmun­gen des Young- Plans, d. h. unter Fortsetzung der Zahlung der un geschützten Annuitäten. Andererseits müsse man sich fragen, ob Frankreich noch irgendwelche Mittel zur Ber

Der schwache Punkt dieses Vorschlages liegt freilich darin, daß seine Durchführung einen völligen Umschwung in den bisherigen Auffassungen Amerifas zur Voraus­fegung hat. Denn Forgept verlangt nicht nur als Gegen­leistung für den völligen Verzicht Frankreichs auf den Young­ Plan die Streichung seiner Schulben an Amerika , sondern auch den nachträglichen Beitritt der Vereinigten Staaten zu jenem Garantievertrag, den Wilson,

SA. Ueberfall auf Betriebsarbeiter

Neues Naziverbrechen in Braunschweig. - Empörung in der Arbeiterschaft.

Braunschweig , 21. Januar. ( Eigenbericht.)

Bor dem Betrieb der Mühlenbau- A.- G. fam es am Mittwoch und Donnerstag zu einem Ueberfall nationalsozialistischer Rowdys auf andersdenkende Arbeiter der Firma.

Die Ursache des Konflifts waren Reibereien dreier national­sozialistischer Arbeiter mit Arbeitskollegen. Die Nationalsozialisten bestellten daraufhin am Mittwoch und Donnerstag zahlreiche Natio­nalsozialisten vor die Fabriklore. Am Donnerstag beteiligten sich auf beiden Seiten etwa 100 Mann an den Auseinandersetzungen. Aus den Nazifafernen waren alle Hitler - Anhänger vor den Fabrik­betrieb beordert worden. Im Verlauf der Auseinandersetzung gaben die Nationalsozialisten mehrere Schüffe ab. Ein Jungbannermann wurde angeschoffen, so daß er ins Krankenhaus transportiert werden mußte. Außerdem wurde ein Arbeiter durch einen Armschuß ver­letzt, während zwei Arbeiter mit Eisenstangen niedergeschlagen wurden.

Die Borfälle vor dem Miagwerk stellen sich als bedeutend ernster heraus, als es zunächst den Anschein hatte. Nachdem bereits am Mittwoch nach Betriebsschluß die Nazis den Arbeltern auf­gelauert haften und durch die Polizei vertrieben worden waren, rückten heute abend die Jufaffen der S.- kaserne. schwer bewaffnet und zum Teil uniformiert, in kolonnen an und schwärmten rund um die Fabrit aus. Ahnungslos nach Hause gehende Arbeitergruppen wurden be­ichoffen und überfallen. Zwei fozialdemokratische Arbeiter wurden durch Stedschüsse in den Arm bzw. in den Unterleib schwer verlegt. Außerdem gab es vier Leichtverletzte.

Der feige Ueberfall wurde von der Nazizelle der fechnischen An­geftellten des Betriebes gededt. Als die zunächst überraschten Ar­belter die feigen Revolverschüßen in die Flucht schlugen, erhielten die Nazis im Verwaltungsgebäude Unter­fchlupf. Der mit ihnen sympathifierende Portier schlug auf die nachdrängenden Arbeiter mit der Eisenffange ein und fügle einem eine fchwere Kopfwunde zu. In der Borfierloge wurden von der viel zu spät eintreffenden Polizei Schußwaffen und Schlagwerkzeuge beschlagnahmt, die anscheinend die Nazis zur Verwahrung abgegeben hatten. Ein einziger Nationalsozialist wurde festgenommen. Die Braunschweiger Arbeiterschaft ist heute abend über den wohlvorbereiteten feigen Ueberfall der in hiesigen Nazikafernen untergebrachten Verbrecher ungeheuer empört,

Klagges gegen Groener.

Braunschweig , 21. Januar. Das braunfchweigische Staatsministerium teilt mit: Der Herr Reichsminister des Innern hat die braunschweigische Re­gierung ersucht, die Braunschweigische Landes­3eitung" megen des Aufsatzes in Nummer 13 vom 13. d. M. unter der lleberschrift:" Fort mit Brüning", im Hinblick auf die darin enthaltene Kritik des Herrn Reichskanzlers auf die Dauer von einer Woche zu verbieten.

Der braunschweigische Minister des Innern hat diesem Ersuchen nicht entsprechen können und gemäß§ 13 Abs. 3 der Verordnung des Reichspräsidenten vom 28. März v. J. die Entscheidung des vierten Straffenats des Reichsgerichts angerufen.