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BERLIN Sonnabend 23. Januar 1932

Der Abend

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10 Pt.

Nr. 38

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Skandal vor Gericht

Goebbels verhöhnt den Staat und seine Organe

Im Helldorf Prozeß ist heute morgen die Berteidiger­bank dicht besetzt. R.-A. Dr. Freißler hat sich aus Kassel herbei bemüht, auch die Rechtsanwälte Dr. Sad und Dr. Everling sind zur Stelle. Dr. Goebbels foll vernommen werden. Um 11 Uhr zu diesem Zeitpunkt war er geladen ist er, wie durch Aufruf fest­gestellt wird, noch nicht im Gerichtssaal.

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In Erwartung seiner Anfunft wird zunächst ein Kriminal­assistent vernommen. Die Angeklagten haben behauptet, daß auf sie ein Drud ausgeübt worden sei. Freißler und Everling ver­fuchen, den Zeugen zu verwirren. Es gelingt ihnen nicht.

Dr. Goebbels ist unterdes erschienen. Landgerichtsdirektor Ohnesorge: Ich will, bevor ich Goebbels hereinlasse

In diesem Augenblid erhebt sich einer der Angeklagten und bittet um eine Pause. Die Berteidigung, und noch einige Angeflagte schließen sich dieser Bitte an.

Landgerichtsdirektor Ohnesorge läßt eine Pause von fünf

Minuten eintreten. Die

Angeflaglen stürmen mit großem Carm auf den korridor und begrüßen dort stürmisch durch Armerheben und Haden­zusammenschlagen Herrn Goebbels .

Die Pause ist zu Ende, die Angeklagten fizen bereits auf ihren Blähen. Richter und Staatsanwalt find noch nicht anwesend. Goebbels wird mit seinen Begleitern in den Gerichtssaal geführt, die Angeflagten springen wie ein Mann auf, R.- 2. Dr. Freibler fagt einige Worte zum Justizwachtmeister, Goebbels wird wieder hinausgeführt.

Das Gericht betritt den Saal, Landgerichtsdirektor Ohne. forge: Ich bitte den Zeugen Goebbels , norzutreten.

Der Justizwachtmeister: Dr. Goebbels ist noch draußen.

Bors: Ich hatte doch angeordnet, daß er in den Saal geführt wird. R.-A. Dr. Freißler: Da Sie, Herr Vorsitzender, noch norher etmas fagen wollten, habe ich veranlaßt, daß er wieder hinausgeführt wird.

Landgerichtsdirektor Ohnesorge: Sie haben sich nicht in meine Anordnungen einzumischen.

R.-A. Dr. Freißler: Ich wußte nicht, daß Sie nichtöffentlich irgendeine andere Anordnung getroffen haben. Ich dachte, Sie wollten vorher etwas sagen.

Borf.: Ich tue es jetzt. Ich ersuche die Angeklagten wie das Publikum sich von jedem demonstrativen Gruß und vom Erheben von den Pläzen zu enthalten.

Landgerichtsdirektor Ohnesorge wußte nicht ,, daß die De­monstration bereits geschehen war.

Goebbels tritt in den Gerichtssaal. R.- 2. Dr. Sad: Ich bitte, das Beweisthema zu benennen.

Borf: Das wird sich aus den Fragen ergeben. Haben Sie von der beabsichtigten Demonstration auf dem Kurfürfiendamm vorher kenntnis gehabt? Halten Sie deswegen eine Be­sprechung in Ihren Führerkreisen?

R.-A. Dr. Sad: Das Beweisthema ist ein ganz anderes, Herr Vorsitzender, nämlich es bezieht sich auf die Bekundung eines Gewährsmannes der Polizei, ich nenne ihn Spigel, über eine Be­sprechung zwischen Goebbels und Helldorf hinsichtlich einer Demonstration auf dem Kurfürstendamm .

Staatsanwaltschaftsrat Dr. Stenig: Die Fragen bestimmt das Gericht. Der Zeuge ist vom Gericht geladen. Nach einigen heftigen Auseinandersetzungen stellt Landgerichtsdirektor Ohnesorge noch einmal seine Frage.

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Goebbels: Ich habe aus den Zeitungen entnommen, daß ein sogenannter Gewährsmann ich nenne ihn einen Spigel und einen bezahlten Denunzianten der Polizei die Mitteilung gemacht hat, daß zwischen mir und Helldorf wegen einer Demon­stration am Kurfürstendamm eine Besprechung stattgefunden haben foll. Das Polizeipräsidium verweigert die Namensnennung dieses Gewährsmannes. Ich halte einen derartigen Zustand für unerträg. lich. Ich erachte es unter meiner Würde, mich in eine Intrige einspinnen zu lassen. Wenn die Dinge hier geflärt werden follen, fo möge diefer Gewährsmann hier im Gerichtssaal auftreten und mir gegenübergestellt werden.

Borf: Sie haben ein Zeugnisverweigerungsrecht nur, wenn Sie sich durch Ihre Aussage selbst strafbar machen würden.

Goebbels : Mich geht der Strafprozeß nichts an. Ich ver trete hier die öffentliche Sauberkeit. Das Verhalten des Polizei­präsidiums ist das der öffentlichen Unjauberfeit.

Borf: Die Strafprozeßordnung ist für alle maßgebend. ( Fortfegung auf der 2. Geite.)

Die Bilanz der Laval - Rede

Lausanne verhindert- Abrüstungskonferenz sabotiert

Paris , 23. Januar. ( Eigenbericht.)

Die Begeisterung der nationalistischen Morgenpresse über die Erklärungen Lavals und den Ausgang der Kammerdebatte ist nicht sonderlich groß. Die Freude über den Sieg der Regierung ist ges trübt durch die Tatsache, daß die Radikalen doch nicht zu bewegen waren, menigstens für den Teil der Tagesordnung zu stimmen, der die Außenpolitik der Regierung betrifft, und daß die Regie rungsmehrheit in der vorhergegangenen Abstimmung über die Tagesordnung der Radikalen geringer war, als man erwartet hatte.

Der sozialistische Populaire" aber schreibt, jetzt fei fein Zweifel mehr möglich, daß die Ereignisse der letzten Wochen Laval nichts gelehrt haben:

Laval ist sich des Ernstes der Lage in Europa nicht bewußt geworden und habe nicht verstehen wollen, daß die ganze Welt von Frankreich eine Rettungsinitiative erwartet hat, Laval hat die Tür zu allen Berhandlungen zugeschlagen. mit leinlicher Hartnädigteit lehnt der neue Außen­minister jede Prüfung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage Deutschlands ab. Er flammert sich an das Hoover- Moratorium und will von nichts anderem als von seiner einfachen Berlän gerung wissen. Und was noch schlimmer ist, er legt eine Art Beto gegen jede Diskussion ein. Lavals Erklärung ist hat dadurch in Wirklichkeit die Konferenz von Lausanne überflüssig noch brutaler und unangenehmer als die Brünings, und Laval gemacht und so der deutschen Nationalistenpresse ermöglicht, zu fagen, daß sie mit dieser Beschuldigung Recht behalten habe. Oder, so schreibt das Organ der Sozialisten weiter, der Ministerpräsident hat sogar erflärt, daß die französische Delegation auf der Ab­rüftung fonferenz sich strikt an das Moratorium vom 15. Juli

halten werde. Dieses Dokument ist eine faum verhüllte Weige= rung, auch nur die geringste Anstrengung zugunsten einer Be­schränkung oder Herabsehung der Rüstungen zu machen. Dafür werde Laval den Dank der Hitlerei ernten, die auch keine allgemeine Abrüstung wolle, sondern das Recht Deutschlands zur Aufrüftung verlange.

Von den 261 Abgeordneten, die gestern gegen die Regierung gestimmt haben, sind 11 Kommunisten, 109 Sozialisten, 99 Radikale, 23 Sozialrepublikaner, 5 radikale Linke, 9 unabhängige inte, 5 Barteiloje; 20 Abgeordnete haben sich der Stimme ent halten und 13 maren beurlaubt.

Alles Gold nach Frankreich .

Paris , 23. Januar. ( Eigenbericht.) Mit dem amerikanischen Dampfer Paris " find am Freitag 273 Kisten mit Gold in Le Havre eingetroffen. Die Ladung hat einen Wert von fast 12 Millionen Dollars.

Wochenendbesprechung Macdonald- Laval.

Paris , 22. Januar.

( Eigenbericht.)

Wie amtlich mitgeteilt wird, hat der englische Botschaffer Cord Tyrrell dem Ministerpräsidenten Laval in einer Unterredung ihm zu treffen. Caval hat noch keine endgültige Antwort erteilt, am Mittwoch den Wunsch Macdonalds übermittelt, sich mit da er erst den Ausgang der Kammerdebatte abwarten will. Die | Antwort wird wahrscheinlich heute abend erfolgen. Die Zusammen­funft dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach am Sonnabend oder Sonntag stattfinden, und zwar entweder in London , in Bou­ logne oder Follestone.

Brüning diskutiert brieflich

Auf schnodderige Beleidigungen antwortet die Regierung sechs Seiten lang

Auf den frechen Brief Hitlers über die Verweigerung der Ju-| Gewinn Deutschlands bewerten zu sollen glauben, so muß ich Ihnen ftimmung zur parlamentarischen Amtsverlängerung des Reichs- die Verantwortung für diesen Angriff auf eine Regierung, die alle präsidenten fühlt sich die Reichsregierung genötigt, in einem 6% Schreibmaschinenseiten umfassenden Schreiben zu antworten. Der Brief befaßt sich mit den verfassungsrechtlichen und den polifischen Bedenken, die Hitler gegen die Verlängerung der Amtszeit des Reichspräsidenten geäußert hatte.

Der Kanzler weist in dem Briefe darauf hin, daß eine Aende rung der Verfassung im Wege der Gesetzgebung zulässig und die politischen Argumente Hitlers unfachlich seien. Er betont, seine Anregung in der Präsidentschaftsfrage sei ausschließlich von nationalen, überparteilichen Gesichtspunkten dittiert gewesen. Er müsse es ablehnen, mit Hitler in eine Erörterung über Schlagwortbegriffe einzutreten. Er müsse es ferner auffällig finden, daß er die Hauptursachen der deutschen Not auf parteipolitische Verhältnisse zurückführe. Nach fast allgemeiner Auf­fassung sei ein außenpolitischer Tatbestand, nämlich der Versailler Vertrag, mit seiner politischen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeit und Unvernunft der entscheidende Grund der deutschen Not. An diesem Gesichtspunkt gehe Hitler vorbei.

Wenn er im übrigen seine, Brünings, Anregung in der Präsi dentschaftsfrage als ein Produkt der Angst des Systems vor der politischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus bezeichne, fo tönne er damit seine, Brünings, Mitarbeiter und ihn felbst nicht treffen. Durch das Bertrauen des Reichspräsidenten auf den Posten gestellt, fennten fie alle nur ein Ziel, Rettung des Bater landes aus seiner großen Not.

Der Kanzler schließt dann mit folgenden Worten:

,, Wir schauen daher auch das Urteil bes beutschen Boltes über unsere Maßnahmen nicht. Wenn Sie die von Ihnen gewünschte Beseitigung des herrschenden Systems" als einen außenpolitischen

Kraft an die Besserung der Lage des deutschen Volkes in den kommenden Verhandlungen zu setzen entschlossen ist, überlassen. Es muß Ihnen bekannt sein, wie die ganze Arbeit dieser Regierung von dem Primat der Außenpolitik beherrscht wird. Ebenso aber werden Sie nicht leugnen wollen, daß der außenpolitische Erfolg zum Teil durch die Geschlossenheit bedingt ist, mit der die Nation hinter ihren Unterhändlern steht. Ich kann nur be= dauern, daß Sie selbst in dieser kritischen Lage nicht die Folgerung aus dieser Wahrheit ziehen, die sich von selbst ergibt. Wenn Sie zum Schluß meine Fühlungnahme mit Ihnen, als dem Führer einer, wie Sie sagen, jahrelang verfemten Partei, von dem Gesichtspunkt der Moral aus beanstanden, so kann ich Ihnen nur erwidern, daß es nicht das erftemal war, daß ich mit Ihnen politische Probleme besprach, und daß es andererseits sich für mich von selbst ver­ft and, daß ich mich in einer die ganze Nation tief bewegenden Frage auch mit dem Führer der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei unmittelbar in Berbindung setzte.

Mit vorzüglicher Hochachtung gez. Brüning."

Der Bombenprozeß.

Kaphengst zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Altona , 23. Januar.

3m& aphengft- prozeß wurde am Sonnabendmittag des Urteil gefällt, monach der Angeklagte zu einer 3uchthaus­ftrafe von 3 Jahren verurteilt wird. Auf die Strafe werden 1 Jahr, 5 Monate und 3 Wochen Auslieferungs- und Untersuchungs­haft angerechnet.