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BERLIN Donnerstag 28. Januar

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Der Abend

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Haftbefehl gegen Helldorf

Er fährt nach München - das Gericht kann warten!

3u 9 Uhr ist heute, wie immer, die Verhandlung in Sachen Helldorf und Genossen angefeßt. Um 9.15 Uhr ist der Saal noch leer. Dann füllt er sich langsam. Das Gericht erscheint noch immer nicht. Um 9.30 Uhr erschallt aus dem Richterzimmer noch heiteres Lachen. Kurz darauf erscheint Landgerichtsdirettor Ohnesorge auf dem Wege von seinem Dienstzimmer zum Gerichtssaal auf dem Korridor. 9.40 Uhr betreten die Richter endlich den Saal. Der Aufruf der Angeklagten ergibt, daß der Angeklagte Schulz, wegen dessen Unwohlseins die Situng am Dienstag unter­brochen werden mußte, zur Stelle ist. Es fehlen Helldorf und der Angeklagte Meyer- Mühlens. Ueber den letzteren liegt ein ärztliches Attest vor, nach dem der SA.- Mann Meyer- Mühlens fidh feit gestern wegen einer Rieferertranfung in Behandlung be­findet.

Landgerichtsdirettor Ohnesorge teilt mit, daß er sich heute morgen mit dem behandelnden Arzt in Verbindung gesetzt habe, Meyer Mühlens leide an einer Riefervereiterung, habe Fieber, und es sei möglich, daß er morgen verhandlungsfähig sein werde. Sollte fich jedoch sein Zustand verschlimmern, so würde eine Ueberführung in die Charité notwendig werden.

Borf: Sind bezüglich des Grafen Helldorf irgendwelche Er. flärungen abzugeben?

RA. Dr. Triebel: Nur die, daß Helldorf durch die Verteidigung vertreten iſt.

Bors: Es ist mir die Mitteilung gemacht worden, daß Graf Helldorf in einer dringenden Angelegenheit nach München ge. fahren set. RA. Sad hat mich gestern angerufen und hat mir gefagt, daß Graf Helldorf wegen einer dringenden und wichtigen politischen Besprechung von den SA. Führern nach München berufen werde. Ich habe darauf, erwidert, daß im Falle des Fernbleibens des Grafen Helldorf von der Gerichtsverhandlung das Gericht sich seine Schritte vorbehalten würde. Einige Minuten darauf habe ich Dr. Sac angerufen und habe ihm meine persönliche Meinung zum Ausdrud gebracht, daß Graf Helldorf Gefahr laufe, vorgeführt oder ver. haftet zu werden. RA. Sad hat versprochen, Graf Helldorf davon in Kenntnis zu setzen.

Der Angeklagte Ernst: Graf Helldorf hat um 8.15 Uhr das Büro in der Hedemannstraße verlassen, um sich zum Bahnhof zu begeben.

Staatsanwaltschaftsrat Dr. Stehnig: Der Angeklagte Helldorf ist unentschuldigt einer unterbrochenen Hauptverhand­lung ferngeblieben. Er hat das getan in voller Erkenntnis der Tatsache, daß das Gericht ohne ihn nicht weiter verhandeln fann. Er hat damit eine offene Nichtachtung des Gerichts gezeigt.

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Wenna die Partei ruft...

führte. Er wies auf die Prozeßlage hin und erflärte, daß bas Gericht nicht länger als zwei Tage die Verhandlung aussehen könne. Er erhielt zur

Antwort, daß er unverzüglich fommen und unverzüglich ab­reifen solle.

Die Kundgebung, zu der die Sozial­demokratie Berlins am Mittwoch auf­gerufen halle, löfte einen gervalligen Maffenaufmarsch aus. Unser Bild gibt einen Ueberblick über die ungeheure Fille im Sportpalaft.

Links unten: Die Redner des Abends: Marie Juchacz , Paul Faure, Paul Löbe und Pietro Nenni .

Der Minifter...

Der Borsigende hat dem Berteidiger des Angeklagten Grafen Hell­dorf in unzweideutiger Weise zu verstehen gegeben, daß sein Fern bleiben eine Vorführung oder einen Saftbefehl zur Folge haben würde. Trogdem ist Helldorf heute nicht erschienen. Er Daß er fommen würde. Er wolle seinen Anwalt damit beauftragen, land nur demjenigen werden, der dem Margismus eine beffere

in ußte, daß das Gericht die Verhandlung seinetwegen auszu fchen gezwungen sein würde. Ich beantrage seine Ver. haftung, da seine Vorführung feine Gewähr für die Durch führung der Verhandlung bietet. Die Verhaftung fönnte noch im Laufe des heutigen Tages durchgeführt werden.

Helldorf fagte darauf, unter dem Hinweis auf die möglichen Folgen, mit dem Gericht Rücksprache zu nehmen.

Das Gericht zieht sich zur Beratung zurüd. Nach etwa einer Stunde verfündet Landgerichtsdirektor Ohnesorge folgenden Gerichtsbeschluß:

Der Angeklagte Helldorf ist gemäß§ 230 der StrPO. zu verhaften, sein Ausbleiben ist unentschuldigt, die Vor­aussehungen des§ 238 liegen nicht vor.

Und seine Polizei am Grabe des Ermordeten. Braunschweig , 28. Januar. ( Eigenbericht.) Der Minister von Hakenkreuz Gnaden, Klagges, erklärte ire einer öffentlichen Bersammlung in Braunschweig nach dem Bericht der Endsieg könne in Deutsch­Weltanschauung mit noch größerer Brutalität als bisher" entgegenzusehen in der Lage sei. Vorher hatte Klagges von Reichs­bannerhorden" gesprochen, gegen die die S2.- Leute zu schärferem Borgehen aufgeftachelt wurden. Angesichts der gespannten Situation in Braunschweig bedeuten derartige Worte eines für die Ruhe und Ordnung verantwortlichen Ministers Del ins Feuer!

RA. Dr. Schirmer in Vertretung des RA. Sad: Es ist dem RA. Sad gestern nicht mehr gelungen, den Angeklagten Graf Hell. Den Rednern bei der Beerdigung des von Nazis dorf von dem Ergebnis der Unterredung mit dem Vorsitzenden in ermordeten jungen Reichsbannermannes Meier ist Kenntnis zu setzen. Ich bitte die Verhandlung gemäß§ 238 der Das Gericht hat meiter beschlossen, die Verhandlung morgen von der Polizei verboten worden, die nationalfozia. StrPO. fortzusetzen.(§ 238 StrBD. besagt, daß, falls die Ber fortzusetzen. Landgerichtsdirektor Ohnesorge ermahnt unter Anlistischen Mörder zu nennen oder die Mörderpartei ver­nehmung der Angeklagten zur Sache abgeschlossen und seine Androhung einer möglichen Verhaftung sämtliche Angeflagten an Ge- antwortlich zu machen, noch überhaupt die Nationalsozialisten wesenheit im Gerichtssaal nicht erforderlich erscheint, das Gericht richtsstelle zu sein. irgendwie anzugreifen! Klagges hat um die Gräber Polizei bei freiwilliger Entfernung auch ohne ihn weiter verhandeln kann.) postiert. -RA. Dr. Triebel: Auch ich schließe mich diesem Antrage an. Dem Staatsanwalt möchte ich entgegenhalten: Im Verhalten des Klagges denkt, wenn er das Wort verbiete, habe er auch schon den Geist getötet, der das Wort sprechen wollte. Er täuscht sich, Angeklagten Helldorf ist unter feinen Umständen eine Störung des wie hier, so in vielen anderen seiner Voraussetzungen! Gerichts zu erblicken. Helldorf steht als Leiter der Berliner SA. an politisch prominenter Stelle. In der jetzigen politisch so be megten Zeit fönnen Momente eintreten, wo er nicht zu ersehen ist, Momente, in denen die dienstlichen(!) Belange von solcher Wichtigkeit sind, daß die Nachteile, die aus der Nichterfüllung dieser Pflicht entstehen fönnten, größer erscheinen als die Nachteile, die durch das Fernbleiben vom Gericht ihm drohen.

Rechtsanwalt Dr. Triebel: Es liegt weder Fluchtverdacht noch Berdunkelungsgefahr vor. Staatsanwaltschaftsrat Dr. Steh­nig: Ich freue mich, die Kenntnis der Strafprozeßordnung des Herrn Berteidigers vervollständigen zu fönnen; es gibt auch eine Ungehorsamshaft. Angefl. Ernst: Ich befand mich im Zimmer, als Helldorf das Ferngespräch mit München

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Geheimfunt zum Nazireich. Gender und Empfänger beschlagnahmt. Magdeburg , 28. Januar.

Der nationalsozialistische Sturmführer Mechaniter Jonad Magdeburg wurde in seiner Wohnung mit dem ebenfalls der NSDAP . angehörenden Elektrifer Meinzhaufen aus Neu haldensleben beim Ausprobieren verbotener Fernmeldeapparate angetroffen. von deren geheimen Aufbau die Polizei Kenntnis er. halten hatte. Jonad hatte die Apparate in der vorhergehenden Nacht von dem Elektriker Meinzhausen mit einem Straftwagen abge holt. Die Geräte, die eine vollständige Empfangs- und Sendeanlage darstellten, wurden polizeilich sichergestellt. Gegen die Beteiligten ist ein Verfahren wegen Berstoßes gegen das Gesetz über Fermmefde. anlagen eingeleitet worden.

Die Blutfchuld von Braunschweig . Gegenüber der Klagges- Erklärung, der erschossene Jungbanner­mann Meier sei nicht von Nationalsozialisten, sondern von seinen eigenen Gesinnungsgenossen getötet worden, teilt uns die Bundes­preffeftelle des Reichsbanners mit:

Am Sonntag, dem 24. Januar, mittags, ist ein Augen. zeuge, der mit Meier am Bergsteig zusammen war und der von den Nazis ebenfalls mit dem Revolver bedroht murde, polizeilich vernommen worden. Die Angaben dieses Zeugen find zu Protokoll gegeben. Ausdrücklich sagt dieser Beuge, daß es fich um einen Nationalsozialisten handelt, der ihn und Meier bedrohte. Dem Augenzeugen gelang es, zur Seite zu