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Morgenausgabe

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49.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Mittwoch

3. Februar 1932

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Eröffnung der Abrüftungskonferenz Sindenburg- Salomonjohn.

Große Rede Arthur Hendersons.

Genf , 2. Febuar.( Eigenbericht.) Unter gewaltigem Andrang von Diplomaten, Publi­fum und Prefse wurde am Dienstag um 16.30 Uhr die Weltabrüstungskonferenz von ihrem Präsidenten Arthur Henderson eröffnet. Die kurz vorher erfolgte Dämpfung des japanischen Angriffsgeistes durch den Verlauf der Ratssitzung( über die wir an anderer Stelle berichten. Red.) wurde die feierliche Stimmung unterstrichen. All gemein wurde das Ergebnis dieser Ratssitzung als cin günstiger Auftakt für die Konferenz bewertet, gegen die seit Wochen ein immer stärkeres Trommelfeuer von Kriegshehen und Falschmeldungen vorgenommen worden

war.

Präsident ArthurHenderson, Führer derLabour Party

führte aus:

Die Weltabrüftungstonferenz steht vor der tragischen Tatsache, daß im Augenblick der Eröffnung ihrer Arbeiten im Fernen Osten eine außerordentlich schwierige Lage entstanden ist. Es ist eine

imperative Pflicht der Unterzeichnerftaaten des Bölkerbunds­pattes und des Kellogg - Paffes, fich an die genaue Einhaltung diefer beiden großen Sicherheiten und Garanfien gegen Krieg und Gewalt zu halten.

Die Konferenz umfaßt die Vertreter des Völkerbundes und der außerhalb des Bölkerbundes stehenden Staaten. Hier sind die Wortführer von 1700 Millionen Menschen versammelt. Stein menschliches Bejen, sei, es, in den großen Industriezentren, in den Wüsten Afrifas oder in den Dschungeln des Ostens, in den Cis­

regionen der Arttis, das nicht hier durch einen Wortführer vertreten

ift. Niemals hat es noch eine Konferenz in der Geschichte ge­geben, die eine bringendere und für die Menschheit wohl tuendere Aufgabe hat als diese. Ueber die Schwierigkeiten darf man sich einen 31lufionen hingeben. Wir müssen den festen Entschluß zeigen, sie zu überwinden und Wege zu schaffen, um neue glorreiche Ausblicke der Menschheit zu eröffnen. Die Konferenz

beginnt ohne eine feste Tagesordnung.

Die Aufgabe der Konferenz besteht daher nach meiner Auf­

faffung in folgenden drei Punkten:

1. Ein gemeinsames Abkommen über ein wirksames Programm praktischer Vorschläge, um so schnell wie möglich eine wesentliche Herabsehung und Beschränkung der Rüftungen aller Länder zu erreichen.

2. Keinerlei Rüstungen außerhalb des jetzt festzusetzenden Rahmens des Vertrages, durch den sich alle Nationen verpflichten, das große Ziel der allgemeinen Abrüftung zu erreichen.

3. Sicherung der weiteren Arebilen, um das endgültige Ziel zu erreichen, auf dem Wege ähnlicher Konferenzen, die in furzen Zeit­abschnitten zusammentrefen follen.

Es tann nicht geleugnet werden, daß die Furcht der Nationen por Angriffen einer der Gründe für die Auf­rechterhaltung der schweren Rüstungen in der Welt war. Dennoch bedeutet das Bestehen von Rüstungen eine der Haupt ursachen der gegenseitigen Furcht und des Argwohns, die das internationale Leben vergiften, den Willen zum Frieden paraly­fieren und die Nationen immer wieder in das Wettrüften fchleudern. Die moderne Geschichte fennt genug Beispiele der Irr tümlichkeit der Auffassung, daß die Sicherheit einer Nation in direktem Verhältnis zu der Stärke ihrer Rüstungen steht. Es ist daher nicht verwunderlich, daß die gegenwärtige Generation immer argwöhnischer gegenüber dem sogenannten be­waffneten Frieden wird, der bisher als einzige Garantie gegen den Krieg gegolten hat. Immer stärter ist

die Erkenntnis im Wachsen, daß es teine größere und sichere Bedrohung des Friedens und der Sicherheit gibt als die Aufrechterhaltung der außergewöhnlichen Rüstungen.

Die Welt sehnt sich heute nach einem endgültigen Fort. Schritt auf dem Wege der allgemeinen Abrüftung. Der Bölkerbund hat seit seinem Beginn fortgesetzt an der Organi sation des Friedens gearbeitet. Aber das Empfinden für die Un­ficherheit hat bisher fortgesetzt zu neuen Rüstungen geführt und das Anwachsen der Rüstungen führte wieder zu einem fortgesetzten An­wachsen des Empfindens der Unsicherheit. Dieser Zirkelschluß muß jetzt unterbrochen werden. Die überbürbeten Nationen haben bisher teinen anderen Ausweg gewußt, als den Konflikt. Aus diesem Grunde ist die Abrüstung einer der Hauptteile des Völkerbundspattes geworden. Die Mitglieder des Böller bundes haben sich

im Artikel VIII des Paties verpflichtet und festgestellt, daß die Aufrechterhaltung des Friedens eine Herabfehung der nationalen Rüstungen zu dem niedrigsten Punkte fordert, der mit der na­fionalen Sicherheit vereinbar ift

und durch gemeinsames Borgehen die internationalen Berpflichtungen zu stärken. Diese Verpflichtung bleibt weiter auf allen Mitgliedern des Völkerbundes laften und jeder einzelne muß jezt versuchen, den bund hat bisher feine Zeit verloren, dieses Problem in Angriff zu Bölkerbund von dieser Verpflichtung zu befreien. Der Bölter­

nehmen.

Nach einem langen historischen Rückblid auf die früheren Ber­handlungen des Völkerbundes über Abrüftungswesen und besonders auch auf die Locarnoverträge entwidelt

Henderson entwickelte die Richtlinien der vom Abrüftungsaus schuß ausgearbeiteten vorläufigen Konvention, die lediglich die Methoden der Abrüstung behandelt. Die Abrüstungskonferenz müsse, so fährt der Präsident fort, jeßt die endgültigen Zahlen für die Herabsehung und Beschränkung der Rüstun gen bestimmen. Der Abkommensentwurf ist vielfach auf starten Widerstand gestoßen. Selbst über die Methoden der Abrüstung bestehen verschiedene Auffassungen. Die Abrüstungstonferenz ist selbstverständlich frei, auch jeden anderen Vorschlag oder jeden neuen Entwurf eines 2bkommens zu erörtern, der ihr vor gelegt wird.

Das Problem der Abrüstung ist von lebenswichtiger Bedeutung in der gegenwärtigen schweren Wirtschafts- und Finanzkrise der meisten Nationen.

Die Kosten der Rüstungen sind eine der hauptsächlichsten Ursachen der heutigen schweren Lage und der zerrütteten Staats­haushalte. Die öffentliche Meinung verlangt, daß jetzt eine wesentliche Serablegung der auf allen Völkern lastenden Heeresausgaben erreicht wird. Die Augen der ganzen Menschheit sind heute auf diese Konferenz gerichtet. Ich lehne es ab, die Mög: lichteit eines Zusammenbruches der Konferenz in Erwägung zu ziehen. Niemand kann sagen, welche Folgen ein Zusammenbruch

haben würde. Henderson schloß:

Gegenwärtig kann es nur eine Gleichheit der Rechte für jede Nation in der von uns gebauten freien Gefell schaft der Völker geben. Es kann nur die Brüderlichkeit aller Völker geben, die in Zukunft nicht mehr Feinde, sondern treue Freunde sein werden. Es kann jetzt nur die Freiheit für jedes Volk geben, sein Leben ohne Furcht vor Ungleichheit, vor Bedrückung oder Krieg leben zu können. Laßt uns die große uns auferlegte Aufgabe in Angriff nehmen, laßt uns Entscheidungen fällen und die

Nationen den ersehnten Höhen entgegenführen! Nachdem der lebhafte Beifall verrauscht war, ernannte Henderson den Bundespräsidenten Motta Schweiz zum Ehren­präsidenten der Konferenz. Sofort wurden drei Kommiffionen für die Geschäftsordnung, Prüfung der Bollmachten und Betitionen ge­bildet. Am Sonnabend wird sich voraussichtlich eine Boll. versammlung mit den bis dahin durchgearbeiteten Petitionen befassen, unter denen vor allem die unzähligen Kundgebungen zu nennen sind, die auf Anregung der Sozialistischen Arbeiter. Internationale und des Internationalen Gewertschaftsbundes an die Weltkonferenz gerichtet worden sind.

Ein schäbiger Schwindel.

Genf , 2. Februar.( Eigenbericht.) Hugenbergs Telegraphen- Union verfucht Stimmung gegen Henderson und den Generalsekretär Drummond zu machen. In einer Meldung behauptet sie, Henderson habe das Abrüstungs programm der Sozialistischen Arbeiter- Internationale ursprünglich in feine Rede verarbeitet gehabt. Dieses habe ihm aber Sir Eric Drummond herausgestrichen.

Wie wir von zuständiger Stelle erfahren, ist eine solche Zensur, die sich Henderson nicht hätte gefallen laffen, schon deshalb nicht wahr, weil die behauptete Stelle nie in dem Manuskript enthalten war. Henderson hat als Vorsitzender viel wirksamere Möglichkeiten, für dieses Programm einzutreten, als fie ihm eine Eröffnungsrede geboten hätte.

Die Delegiertenliffe.

Die Weltabrüftungskonferenz umfaßt nach der amtlichen Liste des Bölferbundssekretariats die Bertretungen von 64 Staaten, da von die zehn nicht mitgliedsstaaten des Bölkerbundes: Bereinigte Staaten, Sowjetrußsand, Türkei . Afghanistan , Abessinien, Merito, Brasilien , Costa Rica , Hedschas und Ecuador . Die Republik Gan Domingo ist durch einen Beobachter vertreten. Der Konferenz ge hören u. a. an: fünf Ministerpräsidenten, 24 Außenminister, 28 Generale und 15 Admirale, ferner viele hundert Gene ralstabs. und Admiralstabsoffiziere, attachés, zahlreiche Botschafter, Gesandte und hohe Beamte der Außenministerien.

Militär

Ministerpräsident MacDonald ist am grünen Star erfrantt und wird sich operieren lassen. Vor Ablauf von vierzehn Tagen mird er nicht nach Genf zur Abrüstungskonferenz reisen. Damit dürfte auch die Reise des Reichskanzlers Brüning um so viel ver­schoben werden.

Nationalsozialistisches zur Reichspräsidentenwahl.

Was die Hitler - Partei zur Reichspräsidentenwahl mill, meiß niemand, wie es scheint, am wenigsten sie selbst. Goebbels aber legt es offenbar darauf an, ihr eine Zu­stimmung zur Kandidatur Hindenburgs unmöglich zu machen. Seine Stellung zur Initiative des Sahm- Ausschusses fennzeichnet er durch die Balkenüberschrift:

Pleite der Sahm- Aktion. ,, Volkswahl" von Grünfeld und Salomonjohn.

Mit dieser Ueberschrift soll gesagt werden, daß Hinden­ burg der Kandidat der Juden ist. Im Tert wird Goebbels noch deutlicher:

Die Juden in der Jerusalemer und Kochstraße überschlagen sich direkt in orientalischen Begeisterungsausbrüchen. In der Lat eine bemerkenswerte Rumpanei. Und hinter all dem Geschrei steht die blasse Angst, daß am Ende das Volt, auf das es ja schließlich ankommt, doch seine Gefolgschaft ver fagen tönnte.

Nach solchen Auslassungen ihrer Presse wird es den Nationalsozialisten kaum möglich sein, in die Spuren der ,, Grünfeld und Salomonjohn" zu treten, ohne ihre Front zu zerbrechen.

Hitler Gegenfandidat?

Eine Kandidatur Hitlers gegen Hindenburg wird in nationalsozialistischen Kreisen lebhaft diskutiert. Zwar wissen die Unterführer genau, daß der große Führer" nur ein Popanz, eine Attrappe ist, daß er hilflos hin und herschwankt und schon von Brüning für die parlamentarische Aktion ge= wonnen war, als ihn Hugenberg wieder zurückriß. Die Massen der Anhänger aber, die an Hitler als den neuen Nationalhelden und-heiligen glauben, würden es nicht ver­stehen, wenn ein anderer fandidieren würde. Auch sagt man sich, daß Hitler der einzige Nationalsozialist ist, der es gegen Hindenburg wenigstens noch zu einem Achtungserfolg bringen fönnte. Mit einem anderen Kandidaten befürchtet man eine Niederlage, die den nationalsozialistischen Vor­marsch jählings ins Gegenteil verwandeln könnte.

Hitler entspricht jedoch als Kandidat nicht der Bestim mung der Berfassung, daß nur ein Reichsangehöriger wählbar ist. Er ist staatenlos, die Gerüchte von seiner heim­lichen Ernennung zum thüringischen oder braunschweigischen Staatsbeamten scheinen falsch zu sein, außerdem würde durch ein solches Scheingeschäft nach Ansicht der Juristen des Reichsinnenministeriums die Reichszugehörigkeit nicht er­worben werden können.

Stimmen, die für einen nicht wählbaren Bewerber ab­gegeben werden, sind ungültig. Es würde also wahr­scheinlich, wenn Hitler kandidiert, schon im ersten Wahlgang die Entscheidung fallen, und gefiegt hätte derjenige Kandidat, der die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen er­hält.

Treibereien um Hindenburg .

Die Situation, in der sich die Nationalsozialisten be­finden, ist nach alledem nicht angenehm. Die der Deutsch nationalen und der anderen Rechtsorganisationen, zumal des Stahlhelms, ist es noch weniger. Für sie alle wäre es eine ungeheure Erleichterung, wenn Hindenburg seine Wieder­aufstellung ablehnen würde. Gewisse Rechtstreise denken aber noch an eine andere Möglichkeit, die gestern von der Hugen­berg- Bresse mit folgenden dunklen Worten angedeutet wurde:

Es ist anzunehmen, daß noch im Laufe dieser Woche sehr wichtige innenpolitische Verhandlungen statt­finden und vielleicht auch Entscheidungen getroffen werden, die im Zusammenhang mit der Reichspräsidentenwahl auch auf anderen Gebieten große Bedeutung haben fönnen.

Was bedeutet das? Das bedeutet, daß man Hindenburg zumutet, Brüning fallen zu lassen. In diesem Falle würde sich Hindenburg aus einem Kandidaten Grünfeld und Salomonjohn" in einen Kandidaten Hugenbergs und Seldtes zurückentwickeln dürfen.

Dem Gelingen dieses Plans steht der Umstand entgegen, daß eine Rechtsregierung aller Voraussicht nach sofort vom Reichstag ein Mißtrauensvotum erhalten würde. Eine Re­gierung aber, die auch dem Zentrum tragbar wäre etwa mit Brüning als Außenminister und anderen Mitgliedern aus dem Zentrum und ohne Nationalsozialisten würde dem größten Teil der Harzburger für die reuige Rückkehr zu Hindenburg nicht als ausreichender Preis erscheinen.

,, Der Deutsche", das Organ der christlichen Gewerk­schaften, ist der Meinung, daß die Harzburger Front wieder