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Nr. 63 49. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Gonntag, 7. Februar 1932

Zwischen Rixdorf und Hundekehle

Heute sind es auf den Tag 50 Jahre her, daß der erste Stadtbahnzug vom Schlesischen Bahnhof nach Charlottenburg hinausfuhr. Und wie heute war auch der 7. Februar 1882 ein Sonntag. Ja", erzählt ein alter Parteigenosse ,,, das war damals ein großes Ereignis, die Eröffnung der Stadtbahn; wir haben an jenem Sonntag die Sache auch gleich probiert. Zwei Stationen Fahrt kosteten seinerzeit 10 Pfennig. Wir stiegen am Bahnhof Börse ein, hielten einmal in Friedrichstraße , und am Lehrter Bahn­hof war unser Groschen abgefahren." Die Berliner Stadtbahn ist ein Kind der Gründerjahre. Wie man damals über das Projekt der Berliner Stadtbahn dachte, zeigt cin Zitat aus dem Buch Politische Gründer und die Corruption in Deutschland ", das von dem angesehenen Nationalökonomen Dr. Rudolph Meyer verfaßt ist und 1877 in Leipzig erschien. Es heißt darin über die ,, Deutsche Eisenbahnbau- Gesellschaft":" Die Gesellschaft übernahm den Bau verschiedener Bahnen, die sie aber nicht fertigstellen konnte, und erwarb die Concession zur Berliner Stadtbahn . Diese sollte vom Ostbahnhof nach Charlottenburg durch ganz Berlin oder vielmehr darüber weg führen. Hierbei wurde nun colossal gemacht. Man kaufte zu fabelhaften Preisen für ca. 12 000 000 Thlr. Grundstücke in Berlin . Einige Commissionäre wurden hierbei durch die bewilligten 2 Proc. Provisionen reiche Leute. Die II. Emission von Baubank- Actien, durch die das Capital auf 20 000 000 Thlr. gebracht werden sollte. scheiterte, da jeder Berliner den Schwindel durchschaute." Damals wurde also tatsächlich der Bau einer Berliner Stadtbahn als Schwindel eingeschätzt. Minister Miquel habe gesagt: Die Bahn sei eine militairische Nothwendigkeit. Im Falle eines Krieges mit Rußland könnte die Armee Don Westen 4 Tage schneller durch Berlin befördert werden." Der allmächtige Bismarck ließ übrigens Meyer megen dieser Schrift strafrechtlich verfolgen; Meyer wurde zu Gefängnis verurteilt und mußte ins Exil. 1874 wurde mit dem Bau be­gonnen; zum Teil benutzte man den alten zugeschütteten Stadtgraben für die Linien­führung; 1882 mar man endlich fertig. Dabei hat sich über vier Jahrzehnte lang an der Stadtbahn kaum ein Stein geändert. Mit einigen Ausnahmen vielleicht: Damals in den 80er Jahren gab es noch keinen Bahnhof Tiergarten, keinen Bahnhof Savignyplatz und keinen Bahnhof Warschauer Brücke. Auch der Verkehr war recht bescheiden. Nur menig mehr als 200 Züge fuhren am Tage. Heute dagegen fahren über 1000 Züge täglich. Und wenn im ersten Jahre der Stadtbahn 35 000 Menschen pro Tag befördert rourden, sind es heute 360 000.

Bahnhof Friedrichstraße mit der Stadtbahn im Jahre 1882.

50 Jahre Berliner Stadtbahn . Aber wenn auch die Stadtbahn alle die Jahre hindurch unver ändert blieb, so ist doch ihre Umgebung eine andere geworden. Statt eines Schumanns in weißen Hosen steht heute ein republi­tanischer Schutzpolizist am Bahnhof Alexanderplaz, am Bahnhof 300 machten die Droschtenkutscher ein Ricerchen, wo heute in langen Reihen beschäftigungslose Tarameter herumstehen, und am Bahnhof Friedrichstraße erleuchteten Meine Gaslaternen spärlich den Bahnhofsvorplatz, während heute Bogenlampen aufflammen und die Nacht zum Tage machen.

Es interessiert natürlich, ob das Fahren damals eine teure oder eine billige Sache war. Es tam ganz darauf an, meinte der afte Genoffe. Bei den vielen Berkehrsunternehmungen gab es natürlich auch viele Tarife. Daß man für einen Groschen nur zwei Stationen fahren durfte, war nicht überwältigend, aber die Pferde­bahn war auch nicht billiger. Ben die Daten imteressieren: 1846 fam der erste Pferdeomnibus auf, turz vor 1870 die erste Pferde­bahn, 1882 die Stadtbahn, 1896 die elektrische Straßenbahn, 1902 die erste hoch und Untergrundbahn und 1905 der erste Autobus. Daneben gab es nod) mertwürdige Behitel. Bom Rollendorfplatz fuhr eine Dampfstraßenbahn nach dem Herthasee in der Kolonie Grunewald . Sonntags mit zwei Anhängern, und dann rumpelte der Zug über den Kurfürstendamm , der damals eine staubige, un­gepflasterte Landstraße war, in die Gegend der heutigen Billen folonie Grunewald. Außerdem fuhren in den achtziger Jahren über die Ringbahn Sonntagnachmittags Züge in den Grunewald . Für diese Züge wurden Rückfahrkarten ausgegeben; von Schön­houser Allee foftete es 50 Pf., ab Wedding nur noch 30 Pf.

Die von der Weidendammer Brüde nach Tegel fahrende Pferdebahn nahm für die ganze Tour 50 Pf., das war für damalige Zeiten ein schweres Stück Geld. Die Teilstrecke von der Weiden­dammer Brücke nach dem Wedding fostete Gott sei Dant nur einen Groschen. Dagegen war der Pferdeomnibus, der vom Alexander­ platz über Pankow nach Niederschönhausen fuhr, beinahe billig, die ganze Fahrt tosteta 25 Pf. Die elektrische Straßenbahn tam erst später. Aus Anlaß der Gewerbeausstellung im Treptower Park errichtete Siemens eine Straßenbahn, die von der Behrenstraße über die Mauer, Schützen-, Markgrafen und Hollmannstraße zum Görlizer Bahnhof und von da weiter nach Treptom fuhr. Diese fogenannte Siemensbahn blieb nach Schluß der Ausstellung stehen und wurde der Grundstock unferes heutigen Straßenbahnneges.

Kleine Landkarte von 1882.

Me denn nun damals Berlin ausgesehen hat, mollten wir wissen. Ich sagte ja schon", wiederholte der Alte, wenn man den Kurfürstendamm nach Halensee hinausgepigert war, jah man aus wie ein Landstreicher, so staubig war es dort." Der Nollen­dorfplatz war eine Wüste, am Friedrichshain war Berlin zu Ende. Auf der Landkartenbeilage zum Berliner Adressbuch von 1882/83 ist Lichtenberg ein fernes Dorf; Pankow ein Ort weit draußen vor den Toren; jenseits der Potsdamer Brücke liegen Schönebergs Felder, und Wilmersdorf und Schmargendorf sind traumveriorene,

Die

weisse

Dampfbahn bezahlen und dann noch für vier Personen je eine Taffe Kaffee à 35 Pf. taufen. Das lebliche mar, zu Fuß nach Pankow , Schöneberg , Halensee , Rigdorf, Treptow oder nach dem Gesund­ brunnen zu laufen und dort für 60 Pf. einen Riesenbottich Kaffee zu tochen. Es tam ja auch keiner auf den Gedanken, sich in den Ausflugslokalen etwas zu essen zu laufen; man brachte sich bis zu dem Glas voll Gurkensalat alles mit.

miejemumgürtete Dörfer. Rigdorf steht auf der Karte und danetén| Arbeiterfamilie konnte also schlecht erst das Fahrgeld mit der find die Rollberge verzeichnet, die höher als die Häuser waren. In Borhagen war eine Tulpenzwiebelzucht nach holländischem Muster; Berliner , die sich die Hyazinthenfelder gern ansehen wollten, pil­gerten damals mit Kind und Kegel nach Borhagen, immer die glühheiße, dorrende Landstraße entlang. Und diese Straße ist heute mitten im Berliner Osten die bescheidene Borhagener Straße. Wedding und Moabit waren Gutshöfe, dorthin wurden noch in ben achtziger Jahren Sonntagsausflüge gemacht! Am Dranien burger Tor, auf dem Grundstück Chausseestr. 1, stand noch die Maschinenfabrik pon 2. Borsig mit den Kolonnaden am Eingang. Ab und zu fuhr eine Pferdebahn über das menschen leere Tor. Der Schiffbauerdamm hatte noch kein gemauertes Bett,

Modell eines zweistöckigen Stadtbahnwagens, wie er in den ersten Jahren auf der Stadtbahn verkehrte.

die Spree floß durch Berlin wie heute etwa die Dahme bei Schmöck­wiß, und der große Rummelplag Berlins war die Hasenheide, um­geben von Wiesen und Feldern.

Zaffe Kaffee= 35 Pf.!

Bei allen Chroniken fällt nun auf, daß sie den Bergnügungen der jungen Reichshauptstadt jo außerordentlich viel Raum schenken. Man ist in drei Minuten orientiert, wie die Tanzfäle in den acht­ziger Jahren hießen, und welche Biersorten es gab, aber nach einem Hinweis auf die Höhe des Mietzinses zwischen 1880 und 1890 wird man vergeblich suchen. Also fragten wir: Haben denn damals die Berliner so schrecklich herumgetobt?" I bewahre. Ich erinnere mich noch gut, daß die Taffe Kaffee in den Cokalen rings um den Herthajee im Grunewald damals schon 35 Pf. foftete. Dann waren das dort seine Lokale, die schenkten nicht einmal Kaffee in Kannen aus. Wer eine Kanne Kaffee haben wollte, der mwanderte weiter nach den Fischerhütten bei Schlachtensee." Eine

Verschwundene Musentempel.

Bei den geringen Verdiensten war es übrigens eine schwierige Sache für junge Arbeiter, ins Theater zu gehen. Einmal im Jahr fonnte ich es mir leisten, in die Kgl. Oper zu gehen. Der Stehplat im 4. Rang tostete 1 Mart. Wer zuerst da war, tonnte sich an­lehnen. Denn die Hize da oben war fürchterlich. Damals gab es Und die nicht mur Gasbeleuchtung, das heizte vielleicht! zeitig genug gekommen waren, jahen nicht einmal die Bühne, sondern hörten nur die Musit." In den anderen Theatern waren die Trampellogen billiger. Viele Musentempe! von einst find verschwunden. Wo heute die Kaiser- Wilhelm- Straße die Münzstraße durchbricht, stand das Biktoriatheater; ein großer Bau, der Ausstattungsstücke herausbrachte. Der Weinbergsweg mar in den achtziger Jahren bepflastert mit Theatern: es gab da das National und das Germaniatheater. Hier stand die berühmte Mutter Gaebert und schenkte ihr Weißbier aus. Auch das nicht minder berühmte Königstädtische Theater, das am Alexanderplatz stand, ist verschwunden, aus dem Friedrich- Wilhelmstädtischen ist ein Kino geworden, und im Deutschen Theater es hieß damals anders wurden in den achtziger Jahren die Operetten von Offen­ bach , Millöder und Strauß herausgebracht. Im Opernhaus haben wir in der Hitze vier Stunden lang auf Zehenspizen gestanden, nur weil Albert Niemann in Meyerbeers Prophet" die Titelrolle jang". Uebrigens drückte man sich früher während der Pausen nicht in den Foyers herum, sondern ging in den Garten, den faft alle Theater hatten.

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11 bis 24 Mark Wochenlohn.

Nun wollen wir endlich wissen, was die Leute vor 50 Jahren verdienten. Als unser Gemährsmann 20 Jahre alt war, verdiente er als Hausdiener 11 Marf in der Woche. Er suchte sich andere Arbeit und bekam da 52 Mart im Monat. In einer Peitschen­fabrik verdiente der Vorarbeiter 24 Mart in der Woche, die Ar­beiter 15 bis 20 Mart. Wir wohnten damals in Schlafstelle. Das Wir waren drei Mann im Zimmer. kostete 9 Mart im Monat.

6 Mart machte das Schlafen und 3 Mark der Kaffee. Wenn man nur zu zweit in einem Zimmer sein wollte, mußte man 8 Mark pro Zimmer bezahlen. Gearbeitet wurde von 7 bis 7 Uhr. Davon machten die Arbeiter eine halbe Stunde Frühstück, eine Stunde Mittag und eine halbe Stunde Vesper. Ein Gastocher war bereits in der Fabrit. Da tochten wir uns Kaffee und aßen unsere Stullen da­Die Zeitungen fosteten 5 Pf. An Paddelboote und Fahr­zu." Die Läden hatten bis räder konnte damals fein Arbeiter tenten. 10 1hr geöffnet. Auch Sonntags. Nur während der Kirchzeit

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