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5lr. 63» 49 Jahrgang

3 Beilage des Vorwärts

Gonniag, 7. Februar 4932

Lehrlingsnot. Wo soll der Nachwuchs bleiben?

Der Ausfall an Knobengeburten während des Krieges erreickic im Jahre 1317 seinen tiefsten Stand. Gegen das Jahr 1913 mit 943 709 war ein Rückgang bis aus 471 399 eingetreten. Ein starker Anstieg auf 897 799 setzte im Jahre 1929 ein. während in den fol- genden Jahren sich«in ollmählicher Rückschlag bis auf 936 399 im Jahr« 1924 bemerkbar machte. Als Folge dieses Geburtenausfalls wurde in den an der Lehrlingsbeschäftigung interessierten Kreisen. vor allem im chandwerk, ein Mangel an Lehrlingen be- fürchtet, der im Jahre 1927 einsetzen und im Jahr« 1931 seinen tiefsten Stand erreicht haben sollte, um in diesem Jahre eine kleine Aufwärtsbewegung und in den folgenden Jahren wieder eine stärkere Steigerung an Lehrlingshänden zu erfahren. In G e- werkschaftskreisen wurde ein zu erwartendes Minder- ongebot an Lehrlingen begrüßt, well es dazu bemrtzt werden konnte, um die veralteten Lehrlingsverhältnisse günstiger zu ge- stalten. Dabei bestritten die Gewerkschaften von vornherein, daß ein Mangel an Lehrlingen in den von den Innungen angenomme- nen Maße«intreten werde. Talsächlich wurde der angenommene Umfang des Minderangebots an Lehrlingen weit übertrieben, um den angestrebten Reformen den Weg zu oerlegen oder sie wenigstens aufzuhalten und zu beeinträchtigen. Die Krise hat verhindert, daß der Geburienausfall im Lehr- lingswesen in Erscheinung trat, so daß weder die Befürchtungen auf der einen, noch die Erwartungen auf unserer Seite in die Er- scheinung traten. Immerhin,das Handwerk* kann zufrieden sein. Das Reichsarbeitsministerium hat es zwar in der Reform des Lehr- lingswesen» und des Jugendschiches zu mehreren Entwürfen ge- bracht, doch ist bis heute so ziemlich alles beim alten geblieben, ganz so wie die Innungen es wünschen. Auf sozialpolitischem Gebiet ist ein starker Rückschlag erfolgt. Wir sehen zwar deutlich die Verschlechterung der sozialen Versicherungseinrichtungen, weniger aber die Unterbindung aller notwendigen sozialen Reformen, insbesondere auf dem Gebiete des Arbesterschutzes. Jetzt vor Ostern kommen wieder von allen Berufsgruppen die Mahnungen und Warnungen an die Eltern, ihre schulentlassenen Söhne und Töchter diesen Berufen zuzuführen. In gewöhnlichen Zeitläuften mag es gut und zweckmäßig fein, vor dem Zustrom zu diesem oder jenem besonders stark übersetzten Beruf ohne Zukunftsaussichten zu warnen. Es stehen dann diesen Berufen andere gegenüber, die weniger stark übersetzt, weniger aussichtslos sind, so daß ein gcwisier Ausgleich möglich ist. wer kann aber heute den Eltern irgendeinen Beruf für ihre Kinder empfehle»? Kommen die Warnungen von allen Seite», dann sind sie vollkommen zwecklos. Gegenwärtig ist ollesüberfüllt*, sei es irgendein Handwerk, eine Angestellten- oder Beamtenlaufbahn oder die geistigen Berufe. Um so stärker ist das Wettrennen um irgend- eiue Lehrstelle, ohne jede Rücksicht auf ihren voraussichtlichen Wert. Die wohl- und planlose Annahm« irgendeiner Lehrstelle ist zwar verfehlt, doch die Eltern wollen ihre Kinder irgendwounter- bringen*. Der nächstliegende Ausweg wäre der, da« neunte Schuljahr einzuführen und soweit als irgend möglich darüber hinaus die Kinder i n d« r Schul« zu lassen. Doch ganz abgesehen von den Wirtschaft- lichen Verhältnissen der Eltern, die als Arbestslofe mit ihren Unterstützungen, als Kurzarbeiter mit unzureichendem Wochenverdienst chre Existenz fristen müssen, während der voll- beschäftigte Teil mst Lohn- und Gehaltskürzungen sich aufs äußerste

einschränken muß. mußten auch die einzelnen Länder sich aufs Sparen verlegen und den Schulbetrieb«inschränken, in einer Zeit, m der seine Erwesterung und Erleichterung für die der Schulpflicht entwachsene Jugend überaus notwendig wäre. Trotz der Besetzung auch der primitivsten Lehrstellen, «In großer Teil der schulentlassenen Zugendlichen bleibt aus der Strohe. Was das bedeutet, wie unermeßlich der Schaden für die Jugend- lichen selber und schließlich auch für die Gesellschaft ist. das zeigt uns zum Teil das Treiben der Jugendlichen in den radikalen Rechts- und Linkspartelen, die. an Stelle des geistigen Kampfes das Faust- recht, den Straßenkamps betreiben. Es ist nicht die Schuld der Jugendlichen, es ist die Ungunst der Verhältnisse,«s sind die Kriegsfolgen, unter denen die große Masse unserer Jugend von der Stund« ihrer Geburt an zu leiden hatte. Dem kalt rechnenden und spekulierenden Unternehmer- tum mag dieser Zustand, der ihm die jugendlichen Arbeitskräfte wehrlos und bedingungslos ausliefert, der sie in das Lager der Eroberer* von rechts und links treibt und so die Verhetzung und Zerfleischung der Arbeiterschaft unter sich begünstigt und chre orga- nisatorische Geschlossenheit verhindert, nicht unwillkommen sein. Dem um die Röte unserer Jugend und die Zukunft unseres Volkes auf- richtig besorgten Teil unserer Gefellschaft jedoch, vor ollem der Re- gierung und den Behörden, erwächst jedoch die V flicht, alles darauzufeßen. um die Zugeud nickst der Straß« zu überlassen. sondern ihr Gelegenheit zu geben, ihre Zeit zu nützen, sich körperlich und geistig zu betätigen und zu vervollkommnen. Man komme uns hier etwa nicht mit pemfreiwilligen Arbeitsdienst*. Selbst wenn wir nicht das geringste daran auszusetzen hätten wovon wir ziemlich weit entfernt sind, vierzehnjährige Kinder kann man in diesen Dienst nicht einspannen. Von den Eltern wäre es durchaus verfehlt, bedenken- los jede Lehr stell« anzunehmen, nur aus der Furcht heraus, der Junge würde fönst auf der Straße liegen. Handelt es sich unter den heutigen Verhältnissen dabei auch nicht ohne weiteres um Entscheidungen fürs ganze Leben, so ist es dennoch nicht gleich- gültig, in welche Hände ein Kind gerät. Lehrverträge werden heute meist auf vier Jahre abgeschlossen. Inzwischen kann immerhin ein Wandel der Krise eintreten, der Lehrvertrag aber bindet. Eltern, die sich ihrer Pflicht bewußt sind und denen sich die Mög- lichkeit bietet, eine Lehrstelle zu finden, tun gut daran, vor Ab- schluß des Lehrvertrags, dem ja in der Regel eine Probe- zeit voraufgeht, sich bei der für den Lehrberuf zuständigen Ar- beiter- oder Angestelltengewerkschaft zu erlundigen. Aus diese Weise können wenigstens die gröbsten Fehler noch recht- zestig vermieden werden. Werden die Lehrlinge von vornherein ihren Gewerkschaften zugeführt, dann haben sie stets ein« Stelle, bei der sie sich Rat und Auskunft holen können und, wenn nötig. auch Schutz finden. Wer jedoch keine Lehrstelle findet und die Zahl derer wird nicht allzu gering sein und es irgend möglich machen kann, lasse sein Kind eine höhere Schule besuchen. Das ist dann noch der beste Schutz vor der Gefahr des Herumlungerns, und wenn sich unsere wirtschaftlichen Verhältnisse einigermaßen zum Besseren ge- wandt haben, ist es noch immer Zeit,«ine Lehrstelle zu finden, die sowohl den Neigungen und Fähigkeiten des Lehrlings als auch dem Zweck der Lehre entspricht. F. E.

Oer Konflikt im Buchdruckgewerbe. Sie Arbeiter zur Abwehr entschlösse«. Der Lohnkonflikt im Berliner Buchdruckgewerbe ist jetzt in«in ernstes Stadium getreten. Die freigewerkschastlichen Betriebsräte der Betrieb« Scherl. Masse, Clsner, Seile-Ey sl er, Gxeve.Büxensiein. Langenscheidt. Deutsch » Tageszeitung*.Berliner Börsenzeitung*, und H. S. Hermann haben gestern in einer Konserenz beschlossen, dem Verlangen der Firmenleiwngen, die übertoriflichen Zulagen bis zu 59 Prozent herabzusehen, nicht nachzugeben. Di« Betriebsräte brachten übereinstimmend zum Ausdruck, daß die Belegschaften ihrer Betriebe iest entschlossen sind, nicht den geringsten Abbau ihrer Löhne widerstandslos entgegenzunehmen. Die graphische Arbeiterichaft Berlins fei durch den Lohnabbau, der durch die Schlichtungsinsumzen und die Regierung verfügt worden ist, bereits hart an die Grenze des Existenzminimums gedrängt, so daß für sie eine weitere Schmälerung ihrer Verdienst« einfach un­erträglich sei. Ebenso einmütig wurde aber auch zum Ausdruck gebracht, daß die Belegschaften der angeführten Betriebe rückhaltlos die Stellung. nähme billigen, die das Graphische Kartell bisher zu diesem Konflikt eingenommen hat. Die Arbeiterschaft dieser Betriebe werde sich in ihrem Abwehrkamps weder durch Provokationen der Unter- nehmer noch durch irgendwelche Parolen unverantwortlicher Ele-

ment« beirren lassen, sondern den Weg gehen, der einer ge- werkschaitlich gut organisierten und disziplinierten Arbeiterschaft als der richtige erscheint. Mit diesem unzweideutigen Beschluß der Funktionäre ist die Situation geklärt. Welche Schlüsse die Buchdrnckereibesitzex daraus ziehen, ist noch ungewiß. Ob sie es wagen werden, den rund 6999 Arbeitern, die in ihren Betrieben beschäftigt sind und dem Buchdruckertartf unterstehen, den Fehdehandschuh hinzu- werfen, bleibt abzuwarten. So ganz siegesgewiß icheinen die Berliner Bu chdxu cke reibe siß« r nicht zu sein: die meislen der er- wähnten Firmen hatten ihren Belegschasten am Montag ein Ultimatum mit 48 stündiger Frist gestellt, der Herab- setzung der übertoriflichen Löhne bis zu 59 Prozent zuzustimmen. In allen Betrieben ist dieses Ultimatum van den Betriebsver­tretungen im Auftrage der Belegschaften abgelehnt worden. per einmütige widerstand der graphischen Arbeiterschaft hat den Unternehmern offenbar den Mut genommen, aus der Ablehnung ihres Ultimatums die Kon- sequenzen zu ziehen und am Freitag die bereits angedrohten Massen- kündigungen auszusprechen. Die Buchdruckereibesiger wissen an- scheinend sehr genau, daß sich in Berlin trotz der Arbeitslosigkeit im graphischen Gewerbe nicht ein einziger Buchdrucker oder graphischer Hilfsarbeiter finden würde, der in einem durch die Aussperrung von Arbeitern entblößten Betriebe

Arbeit annimmt. Räch den klaren Bestimmungen des§ 99 des Gesetzes über Arbeitslosenversicherung und'Arbeitsvermittlung wäre dazu auch kein erwerbsloser Buchdrucker oder graphischer Hilfs- arbeiter verpflichtet. Die Berliner Buchdruckereibesitzcr haben sich augenscheinlich dos Gelingen ihres Husarenstreiches gegen die übertariflichen Löhne viel leichter vorgestellt, als es in Wirklichkeit ist. Ueberraschend ist diese Attacke der Unternehmer für die graphische Arbeiterschast nicht ge- kommen. Der Schlag ist von langer Hand vorbereitet worden. Wir erinnern uns, in dem Organ der Buchdruckereibesitzer, der.�Zeitschrift* im Dezember n. I., anläßlich einer Polemik gegen das Verbandsorgan der Buchdrucker, des.Korrespondent*. nach Abschluß der Tarisverhandlungen für das deutsche Buchdruck- gewerbe im Reichsarbeitsministerimn auch etwas über dieNot- wendigkeit* des Abbaus der übertariflichen Löhne gelesen zu haben. Sinngemäß hieß es in diesem Artikel, daß sich die Buchdruckerei. besitz«? mit dem 2ll>bau der übertariflichen Zulagen um einige Pro- zent nicht zufrieden geben könnten und deshalb diese Frage bei den Tarifverhandlungen nicht gelöst hoben wollten. Sie würden »bei passender Gelegenheit" die übertariflichen Zulagen auf das Mindestmaß reduzieren, das sie für angebracht halten. Die Unternehmer haben durch ihr Vorgehen, das jetzt auf den entschiedenen Wider« stand der Arbeiter stößt, wahrscheinlich schon etwas von den Mantel- tarisverhandlungen vorwegnehmen wollen, die in den nächsten Wochen geführt werden müssen. Politisch interessant ist das Vor» gehen der Unternehmer insofern, als daran in der Hauptsache rechtsgerichtete Unternehmen stark beteiligt sind wie Scherl, die Firma Greve, in der dieDAZ.* erscheint, dieDeutsche Tageszeitung*, dieBerliner Börsenzeitung* usw. Diese Preisfechter der Harzburger Front werden jedenfalls sehr schnell begreifen lernen, daß dasDritte Reich* mit seiner unbe- schränkten Unternehmerherrschaft noch ein Traumland ist und die Arbeiterschaft immer noch«in Wort mitzureden hat, wenn es gist, den Preis für die Ware Arbeitskraft festzusetzen.

Aus der Miiropa. Vorflofe zum Dritten Reich. Man schreibt uns: Bei der Mitropa , Abteilung Anhalter Bahnhof , herr­schen Zustände, die jeder Beschreibung spotten. Der Abteilungs- leiter Rüdiger ist hier Ober kommandierender: er schaltet und waltet wie ein Pascha. Seine Peitsche ist die Drohung mit so- fortiger Entlastung. Die Wagenputzer müssen bei grimmiger Kälte die Heizung abstellen: ob sie frieren und sich erkälten. dos kümmert den Herrn Abteilungsleiter nicht. Widerspruch wird nicht geduldet. Besonders tmongenehm wird der gute Mann, wenn das Per- sonal das ihm zustehend« Essen einnimmt.»Jetzt dulde ich noch das Kauen, ober während der Fahrt verbiete ich es euch.* Trifft er gar einen, der eine Buttersemmel mit Marmelade ißt, dann schreit er auf:»Ich werde Sie sofort entlassen: ich esse zu Hause auch keine Butter.* Daß der Uebereifrige von trockenen Bemmchen so dick geworden ist. glaubt ihm keiner. -Schikanen auf Schritt und Tritt! In der größten Betriebszeit kommt er auf den Einsall, alle Flaschen wieder auspacken zu lassen, damit er sehen kann, ob die Flaschen auch alle mit dem Etikett nach liegen. Die Namen der Angestellten sind für den Abteilungsleiter Schall und Rauch. Er pjeift ihnen und alles muß rennen. Jedes zweite Wort bei ihm fft»raus*.Wem, ich einstellen will, steht die ganze Königgrätzar Straße voll.(Die Äresemannstraße liegt ihm nicht, desto besser kennt er die Hedemannstraß«.) Dieser Ad- teilungsleiter schtkanisiert dauernd das Personal und macht ihm das Leben schwer. Im übelsten Kasernenhofton fortwährende Drohung mit Entlassung. Dem Direktor K i e s ch k e wäre dringend zu empfehlen, seinem Abteilungsleiter im Umgang mit dem Personal wenigstens«inen anständigen Ton beizubringen.

Vor einem Riesenkampf in Dänemark . Lieber 400090 Arbeiter be'rof?e». Kopenhagen , v. Februar. Da die Uulernehmer mit Massenaussperrungeu ge- droht haben, wurden vor dem staatlichen Schlichter Besprechungen zwischen dem Arbeitgeberoeretu und den Gewerkschaften geführt. die jedoch ergebnislos verliefen. Der Schlichter erklärie, daß er keine Grundlage für eine Vermittlung in dem Lohnsireii habe finden können, weshalb feine Vermittlungsversuche als g e- scheitert anzusehen seien. Am Fr ei lag kommender Woche werden daher die Au». sperrungen beginnen, von denen vorerst 80 000 wann betrosfea werden. Da aber von den Unternehmern welkere Aus- sperrungen beschlossen worden sind und die Arbeiter der uichk von den Aussperrungen bedrohten Industrien iu Streik treken wollen, wird die Zahl der uichlarbeiiendeu Arbeiter aus weil über 100 000 steigen. Die Lage ist äußerst ernst. Aus dem Versicherungsgewerbe. In letzter Zeit waren Gerücht« im Umlauf, wonach der Arbeitgeberverband deutscher V e r s i ch e r u n g s» Unternehmungen seine Mitgliedsgesellschaften unter An-

Wenn Sure Männer chre A.edtNL�erücherung torkallen lassen möchten: delkt ihnen, üe in Ä-rakt zu halten! Keltt mit. an anderer Ktelle lo diel zu lparen. dah Suer Veitrag eingezahlt Vierden Kann! Mr dann leid Mr und Sure Kinder auch in dem kchlimmssen Fall geschützt! »rlbft in fchwerrn Seiten gibr es fRittcl uns«eze. um eine �edensvcrLchrrung in Nrakt zu M «chstten. /ragt sm Trrffkbmmgfl'/aibmantt- et wird Such sachgematz verareni