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Andreas Lalzko:

bed opplist Hundertjähriger Kalender

Die Bauern, belächelt ob ihrer Einfalt, schwören noch immer| Staatsgedankens und der bürgerlichen Macht in das europäische ja noch nicht Wahrheit." Die Wahrheit steht im Telegramm. Im auf die Prophezeiungen des hundertjährigen Kalenders. der Hoche Festland. wasser, Dürre, Hungersnot oder reichen Erntejegen voraussagt, nur weil vor zehnmal zehn Jahren dieselben Wetterverhältnisse von ihren Urahnen verzeichnet wurden.

So drollig dieser Glauben an einen Zusammenhang zwischen Luftdrud, Sonnenscheindauer und dem Dezimalsystem, im Beit­alter der Meterologie und der radiotelegraphischen Meldungen wirken muß, es wäre vielleicht doch nicht ganz unnüß, eine Art hundert jährigen Kalender der kulturellen Entwicklung zu verfassen und für den Gebrauch von Kongressen, Parlamenten, und der sogenannten Boltsführer bereitzustellen.

Schauen wir uns einmal die drei letzten Jahrhundertfehren auf Wiederholung und Zusammenhang ihrer Sorgen und Hoff

nungen an!

I.

II.

Genau ein Jahrzehnt später, in 1815, stürzt bei Waterloo das Kartenhaus des Napoleonischen Kaiserreiches zusammen. Es stirbt an dem unheilbaren 3wiespalt, die glanzvolle Verwirklichung der bürgerlichen Beologie zu sein, und dennoch mit den Merkmalen und Waffen des ancien régime " gegen das Bürgertum regieren zu wollen.

Eine Schöpfung der großen Banfiers und Kriegslieferanten, die seinen italienischen Feldzug und seinen Staatsstreich finanzierten, auf den Thron, gehoben vom Bürgertum, aus Erkenntlichkeit für die Hebung der Rente und das Wiederaufblühen von Handel und Industrie, verleiht der Parvenu seinen Generälen und Offizieren die schönsten Adelstitel, umgibt sich mit Renegaten des erbgefeffenen und verjagten Adels, den er zurückruft, und greift zuletzt, um England zu treffen, zu der zweischneidigen Waffe der Kontinental sperre, die in erster Reihe den Handel Frankreichs trifft, die Seiden­spinnereien von Lyon , die Spigenindustrie von Brüssel, die Porzellan- und Parfümfabrikation ruiniert und alle Uebersee lieferungen den englischen Kaperschiffen ausliefert!

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1715, am 15. September, stirbt der Sonnenfönig, von allen feinen Getreuen verlassen, in dem prächtigen Bersailler Schloß . Kinder und Kindeskinder sind ihm im letzten Jahrzehnt seiner langen| Herrschaft entriffen worden, alle Eroberungen der ruhmreichen Periode hat ihm England abgejagt, ein einziger fräntlicher Urenfel im frühen Kindesalter, trennt die jüngere Linie der Herzöge von Also Geld verlieren, von einer größenwahnsinnigen Soldatesta Orleans von der Krone des verarmten, erbitterten Landes. Nicht verächtlich behandelt, und wieder über die Achsel angesehen werden weniger als vierzig Kriegsjahre haben während der Herrschaft| von dem neuen und dem alten Adel? Für diese Art natio­Budwig XIV. am Lebensmart Frankreichs gezehrt, und nur die naler Gloire" dankt das Bürgertum schönstens. Es gibt ja gar untragbaren Lasten der letzten, vernichtenden Niederlagen sind das teine Nation" mehr, nur Untertanen, die wieder nur Steuern bleibende Resultat seiner Regierungszeit. Als die Leiche des hoch zahlen und zu schweigen haben,--tein Finger rührt sich für mütigsten und meist umschmeichelten Herrschers, nur von einigen ben Gestürzten, wenn schon die alte Beier, dann immer noch lieber berittenen Soldaten begleitet, nach der Königsgruft in St. Denis in den kraftlosen Händen der degenerierten alten Geschlechter, als geschafft wird, sind alle Wiesen längs der Landstraße von lustigen in der brutalen Soldatenfaust! Parisern überfüllt, der vielleicht legte schöne Herbstsonntag wird bei Wein und Mufit in ungestörter Fröhlichkeit verlebt, nicht einmal während der Leichenzug in flottem Trab vorbeieilt, verstummen Musik und Gesang, die Paare drehen sich weiter und niemand hält es für nötig, mehr Respekt, wenn schon nicht für die tote Majestät, wenigstens für die Majestät des Todes zu fordern.

Lange noch wird der königliche Absolutismus sein Szepter über Frankreich schwingen, der fünfzehnte Ludwig und die Marquisen von Pompadour und von Dubarry werden alle Er pressungen und die schlimmsten Mißbräuche des Sommentönigs" un behindert und unbestraft wiederholen und übertreffen dürfen. aber der Grundstein zu dem Schafott Marie Antoinettes und ihres Gatten wird doch schon an diesem Herbstsonntag, mit der Gruftplatte Budwig XIV. in die französische Erde gesenkt! Denn die Pariser , die so fröhlich und unbeachtet die Leiche ihres Königs vorbeirollen lassen, sind nicht etwa ,, Volt" in dem heutigen Sinne des Wortes. Es ist die Bourgeoisie unserer Tage, es sind die Kaufleute und Gewerbetreibenden jener Zeit, der sogenannte ,, tiers", der dritte, und damals unterste Stand ist es, dessen erwachender Haß gegen die Person des Königs, noch nicht gegen die Institution der absolutisti Ichen Gewalt, zum erstenmal sich zu verraten magt. Der Bauer ist Beibeigener, eine Industrie existiert noch nicht, alle Lasten der vielen Kriege und der höfifchen Mätressenwirtschaft fallen auf die Schultern der Bürger, die allein Steuern zahlen müssen. Neun Behntel der französischen Erde sind Befiz der Krone und der beiden priviligierten Stände: Kirche und Adel ; aber das wichtigste Brivi legium dieser Befizenden ist eben ihre Steuerfreiheit! Fleiß und Intelligenz des Bürgertums sind die wichtigsten Einnahmequellen des Staates, und dieses Bewußtsein steist das Rückgrat des dritten Standes. Immer in Berbindung und Wettstreit mit dem englischen Handel, weiß der französische Kaufmann mehr über den verhaßten Gegner, als er offiziell wissen dürfte. Es ist dem Nachbar durchaus nicht schlecht bekommen, das er das gesalbte Haupt seines Königs von Gottes Gnaden vom Henter abschlagen ließ. In den fünfzig Jahren, die seit der Bluttat vergangen sind, haben britische Marine| und britisches Heer Frankreich seiner schönsten Kolonien beraubt, die Insel der Ketzer und Königsmörder schwimmt in Reichtum und feilscht doch knauferig mit der Krone, die feinen Groschen ohne Erlaubnis des Parlamentes von dem sauer verdienten Gelde des Bolkes für die eigenen 3wede verbrauchen darf.

Nur verdienen und bezahlen und obendrein noch verächtlich über die Achsel angeschaut zu werden von den Nichtstuern, die sich nur eben die eine Mühe nehmen, geboren zu werden, die Mühlen der Böltergeschichte, malen langjam, und wenn zwischen dem Tod des Sonentönigs und der Enthauptung feines Ururenfels auch noch acht Jahrzehnte vergehen, die Hände, die nicht die Hüte von den Köpfen reißen, als der Leichenwagen Ludwig XIV . vorbeirollt, pflanzen doch den Keim des parlamentarisch- liberalen

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Bieber werden einige Zwischenafte eingefügt, aber alle ver zweifelten Versuche der vereinigten Reaktion ganz Europas ver mögen nichts mehr gegen die arrivierte, fest begründete Macht des Bürgertums. Statt aus Gottes Händen, empfängt der König die Krone gegen Revers von den Vertrauensmännern der Großindustrie und des Bankfapitals, die zwei reichsten Geldmänner von Paris , die Herren Lafitte und Casimir Périer find seine Paladine, und er muß sich schmeichlerisch Bürger- König nennen, ohne mit allen Konzessionen den neuerlichen Umfturz verhindern zu können.

Mit dem ersten Napoleon ist das Geld an die Macht gelangt und seine Tyrannei bleibt unbestritten, ein Jahrhundert lang, genau wie vorher der Absolutismus der Geburt und des Adels. Wie Schlösser und Jagdgüter, fauft sich der Reichtum auch die Wappen der alten Geschlechter, die Leibeigenschaft wird abgelöst durch das Proletariat, eine Berschiebung, nicht mehr! Aus dem dritten Stand wird der erste, und von unten drängt langsam, mit alter Härte aber mit neuen Waffen niedergehalten, die Masse nach, bis wieder ein Jahrhundert um iſt.

III.

1915, zweihundert Jahre nach dem Erlöschen des Sonnentönigs, fegt der Weltfrieg zwölf Millionen Männer in die Massengräber. Wieder scheint nach außen die Allmacht des Geldes, und damit des Bürgertums unerschütterlich. Kohlen, Stahl, Kanonenkönige re­gieren, die richtig getrönten sind nur Figuren in ihrem Spiel, werden matt gefeßt und vom Brett gefegt, Minister und Barlamen tarier ersetzen die Generalpächter und das Hofgesinde, die feindseligen Gesichter und heimlich geballten Fäuste abseits der Straße bleiben unbeachtet, man läßt den Mob knurren und die Hüte auf den Köpfen behalten, schlägt nur seiten, aber dann fräftig zu, wenn er allzu aufdringlich wird, bis

diesmal am östlichen

Rande Europas das Aufrücken des neuentwickelten vierten Standes einsetzt.

Wieder schweißt die Gefahr die alten Mächte zu ungewohnter Solidarität. Männer der eisernen Faust tauchen allen Ortes auf, das alte Rezept des gewaltsamen Niederhaltens wird von der Heiligen Allianz " der bürgerlichen Geldmacht so unnachsichtlich angewendet, wie es einst gegen ihre ersten Ansprüche als unfehlbares Allheil­mittel gepriesen wurde.

Wäre es nicht beffer, im hundertjährigen Kalender nachzu schlagen, wie jeder Verfuch, die historische Entwicklung mit Schieß prügeln aufzuhalten, den Dammbrudh immer nur verzögerte und dafür die zerstörende Wucht der Flut stärkte? Die moderne Technik ieitet den wilden Sturz der Wasserfälle durch fluggestellte Schleusen unter Räder, die ferne Städte mit Kraft und Licht versorgen.

Sollte gerade nur im Verhältnis von Mensch zu Mensch der blinde Haß unbelehrbar die ewige Wiederholung derselben Kata­strophen fordern?

K.R. Neubert: Angst

Kurz entschloffen hatte er an Inge telegraphiert. Sie mußte sich endlich entscheiden. Ja oder nein! In zwei Stunden fonnte die Antwortdepesche da sein. Aufgeregt und von gewissen Ahnungen gequält, fonnte er die Luft seines Hotelzimmers nicht mehr ertragen und ging in die Halle hinunter. Er fand an einem Tisch Play, an dem nur ein einzelner Herr faß. Sie tamen bald ins Gespräch. Eine ihnen gegenilberfigende Dame mit einem für den Nachmittag zu tiefen Dekolleté versuchte einen Flirt mit ihm. Die Kapelle spielte einen Lanz.

Als plöglich der Page vor ihm stand und ihm das erwartete Telegramm überreichte, brach zufällig im selben Augenblick die Musir ab. So fette für einen Augenblick auch sein Herz aus. Er zerdrüdte nervös die Zigarette im Aschbecher und wollte das Telegramm auf reifen. Dann bestel ihn eine beflemmende Angst, und er beschloß, es erst cben in seinem Zimmer zu öffnen. Haftig stedte er das Telegramm in die Rocktaste. Die Dame lächelte ihn an.

Entschuldigen Sie", fragte plöglich der Herr, mit dem er be reits eine Stunde perplaubert hatte, warum öffnen Sie nicht?" Der junge Mann versuchte zu lächeln: Bielleicht ist es beffer, sich noch eine Biertelstunde eine Illusion zu lassen."

Eine Stfusion!" antwortete der Herr in Gebanten. Der Aus. brud feines Gesichtes hatte sich plöglich auffallend gewandelt. Es

mar, als wäre er an etwas Trauriges erinnert worden. Ich kann Ihr Zaubern begreifen!" fagte er lelle. So sehr mir flare Ent. Scheidungen herbeizuführen wünschen, befällt uns nicht im letzten Augenblick dann doch eine dumpfe Angst davor?

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Die Ungewißheit ist auf einmal beruhigender als die Aussicht auf Gewißheit. Ich verstehe, doß Sie jezt noch, das Telegramm in der Tasche, die Illusion genießen wollen, die Ihnen im nächsten Augenblick zerstört werden kann. Machen Sie es aber nicht wie ein Freund von mir, der ein solches Telegramm eine ganze Nacht un­geöffnet in feiner Tasche trug und am nächsten Morgen... Sie machen mich neugierig. Ich vergesse mein Telegramm." ,, Wollen Sie nicht doch lieber erst das Telegramm öffnen", fragte der Herr.

,, Nach Ihrer Geschichte, wenn ich bitten darf."

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Der fremde Herr blidte noch einmal die Halle hinab, fein Blid ging flüd tig über die am Nebentisch sitzende Dame, dann begann er: Einer meiner Freunde war damals mit einem reizenden Mädchen verlobt, das in einer anderen Stadt bei den Eltern wohnte. Das junge Mädchen- nennen wir es Quiseertrantte plöglich schwer. nennen wir es Buise- ertrantte plöglich schwer. In dieser Zeit erhält Fred eines Abends ein Telegramm. Einen Tag zuvor war ein Brief eingetroffen, der von einer leichten Ber­schlimmerung der Krankheit meldete. Fred sieht das Telegramm und wird blaß. Sofort durchzuckt ihn die Ahnung, daß es sich um etwas Schlimmes handelt. Quise liegte im Sterben. Er muß sofort fahren. Seine Hand zittert, aber er fann das Telegramm nicht öffnen. Er hat Angst vor der Gewißheit. Er steckt das Telegramm ungeöffnet in die Rocktasche und läuft aus dem Haus. Wie auf der Flucht vor der Wahrheit. Dret Stunden liegen noch vor ihm, dann geht der Zug, mit dem er fahren müßte. Drei Stunden Ungewißheit, Angft, Zweifel, Illusion. Er läuft durch die Straßen. Die Angst sigt ihm

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Im Naden. Treibt ihn. Er möchte schon im Zuge fizen und das monotone, einschläfernde Singen der Räder hören. Aber er hat noch drei Stunden Zeit. Er läuft und läuft. Das Telegramm in seiner Tasche knistert. Manchmal sieht ihn von irgendwo aus einem Fenster das Totenantlig seiner Braut an. Er stellt sich vor, wie sie still und weiß auf der Bahre liegt, aber wenn er diese Vorstellungen mit allen Qualen erduldet, regt sich eine leise Hoffnung in ihm: Es ist Wartesaal will er lesen. Er hat noch eine Stunde Zeit, um zu hoffen, zu zweifeln, auf ein Wunder zu warten. Dann muß er das Tele­gramm öffnen, wenn er den letzten Abendzug nicht versäumen will. Die Straßen glänzen in einem feinen dünnen Regen. Fred will über die Straße, um eine Elektrische zu erreichen, die nach dem Bahnhof fährt. Er rennt über die naffe Straße, ein Auto hupt gellend in seiner Nähe, seine Hand greift noch nach der Stelle, wo das Telegramm liegt, er stürzt. Ein Autobus hat ihn überfahren. Er erwacht erst in einer Klinik. Sein lintes Bein liegt in einent Verband. Er erträgt diese Entdeckung mit stoischer Ruhe. Erst als er sich das Telegramm, das noch immer in der Rocktasche steckt, von der Schwester geben läßt, schreit er auf. Das Telegramm stammt von einem alten Freund, der auf der Durchreise war und ihn an jenem Abend in seinem Hotel sprechen wollte..

,, Ein irrsinniger Bufall!" bemerkte, da der Erzähler jetzt schwieg, betroffen der junge Mann.

,, Irrsinnig!" wiederholte der andere. Bon seiner Braut fam ein paar Tage später eine Karte. Sie war auf dem Wege der Besserung. Sie wurde wieder völlig gesund und blühte auf, aber - geheiratet haben sie nicht. Ein Krüppel? Es gibt so viele gefunde männer!"

Er lachte bitter.

,, Wollen Sie jetzt nicht das Telegramm öffnen?"[ enfte er

dann ab.

Der junge Mann holte mit zitternden Fingern das Papier hervor. Er lächelte starr, als er das Telegramm aufriß. Sekunden später strahlte sein Gesicht.

,, Gratuliere!" sagte der fremde Herr, reichte ihm die Hand, stand auf und schritt in gezwungener Haltung dem Ausgange zu. Obwohl der junge Mann noch sehr mit dem Inhalt des Telegramms beschäftigt war, fonnte er doch bemerken, daß der Herr hinkte. Sonderbar!" dachte er. Er hatte aber faum noch Zeit zu der Vermutung, daß der Herr soeben seine eigene Geschichte erzählt hatte.

Peler Boll: Kullur

Grell leuchtet die Geschäftsauslage in die lebhafte, im Auf und Ab der Großstadt fiebernde Verkehrsstraße hinein. Menschen schalten eine turze Pause in die Vorwärtshaft ein, bleiben stehen und blicken geblendet in das Auslagenfenster. In der Mitte des Fensters steht eine Lampe, die an einen Lichtautomaten ge­schaltet fefundenlang aufleuchtet, um dann wieder sekundenlang zu verlöschen.

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Die Lampe durchleuchtet ein Tier. Ein totes Tier. Vor der Lampe ist zu lesen:

,, Das Gürteltier( Armadillo) lebt in Süd- und Zentralamerika . Es baut sein Nest etwa zwei Meter unter der Erde und verläßt es nur abends, um Nahrung zu suchen. Es betommt stets nur vier Junge des gleichen Geschlechts. Sehr originell! Unverwüftlich! Eine Bierde für jedes Damenzimmer! Körbchen aus einer ganzen Gürteltierschale für Früchte!"

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Gürteltiere sind sehr liebe, zutrauliche und äußerst nügliche Tiere, deren Daseinszwed taum darin zu suchen sein dürfte, daß ihre Hornhülle Fruchtschalen und Lampenschirme abzugeben hat.

Die Menschen fragen nicht nach Zweck und Ursache, nach der Dafeinsharmonie und der Geschlossenheit der Gesamtheit. Sie for­dern, denn sie bilden sich ein, in Kultur zu machen, ihre unsinnigsten Launen schrankenlos dort austoben zu können, wo sie zerstörend und verheerend sich ungestraft auswirken tönnen In diesem Fall bei den Gürteltieren. Welche Tierart wird in der nächsten Saison dem Zerstörer Mensch zwecklos zum Opfer fallen?

Neben dem hell erleuchteten Geschäft, in deffen ausgestellten, aus Tierhüllen hergestellten Fruchtschalen föstliches Obst serviert werden soll, steht ein Mann. Er blickt schweigend vor sich hin, steht, an die Mauer gepreßt, reglos wie eine Statue. Seine Augen find glanzlos, grünlich überschleiert: er ist blind. In den Härden hält er Zeitschriftenhefte, Altware aus dem vorigen Jahre, und wartet, daß sie ihm jemand ablaufen werde. Hin und wieder wird eine Münze auf die Hefte gelegt sie ist immer die kleinste-; dann zittern taftend die Finger über das Papier, suchen und er greifen das Geldstück und schieben es in die Tasche. Danke!" Es flingt tonlos, zaghaft, gewiffermaßen Berzeihung heischend. Not überfließt die Gestalt, das Gesicht, die Kleider, diesen ganzen Menschen.

Wenn in später Nachtstunde das Licht in der Auslage erlischt, die Blut erstirbt in der Gürteltierschale, die sie rojig durchleuchtet, so daß der Anschein erweckt wird, als pulsiere noch Blut in der Schale, dann tommt ein blasser, magerer Bub Er greift nach der Hand des blinden Mannes, und beide gehen mortlos nebeneinander durch die Straßen der nächtlichen Millionenstadt weit hinaus in einen der Vororte und verschwinden schließlicy in einem Hause niit ausgetretenen Treppen und muffiger Luft. Auf einen nackten, zer­terbten Holztisch legt der Blinde die Münzen; eine Frau zählt sie langsam und bedächtig, und der blasse, magere Bub jieht mit brennenden Augen zu. Alle wissen, daß das Geheimnis des Morgens in der Zahl dieser Münzen geborgen liegt.

Dann gehen die Menschen schlafen. Berdrückt. Zermürbt. Ein Stück Brot gibts noch, eine Schale Tée mit wenig Zucker, damit der Magen durchwärmt wird. Und feine Hoffnung lebt im Herzen, feine Liebe; alles Fühlen und Denken ist eine flaffende Wunde, ein zerschneidender Schmerz. Mann und Frau finden keine Tränen. Der Bub weint manchmal nachts still in ein zerschlissenes Bolster hinein.

Auch das Gürteltier( Armadillo), das in Süd- und Zentral­.amerita lebt, schläft in der Auslage. Wer dieses Opfer für häß ich­dumme Launen weniger Snobs fäuflich erwerben will, der muß einige Banknoten auf den Tisch legen. Die Münzen des Blinden erreichen nach sechs Monaten Hoffnungslosigkeit nicht die Höhe dieser Banknoten.

Und alle die Menschen, die an dieser Auslage vorbeigehen, das Gürteltier sehen und den Blinden, würden sich gewaltig empören, wenn man die geistige und seelische Kultur unserer Zeit in Frage stellen würde.

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Spittelmarkt 15, Goldfinkecke