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Morgenausgabe

Rr. 65

A 33

49.Jahrgang

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Der Borwärts" erscheint wochentäg lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend". Sunstrierte Sonntagsbeilage Bolt und Zeit

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Dienstag

9. Februar 1932

Groß- Berlin 10 Pf.

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Der Bericht der Konsuln. Die Lettion von Memel

Schwere Anklagen gegen Japan. - Sofortige Ratssitzung beantragt.

Genf , 8. Februar.( Eigenbericht.)

Der erste Bericht der ausländischen Untersuchungs­fommiffion in Shanghai wurde am Montag in Genf veröffentlicht. Er stellt eine schwere Antlage gegen die Japaner dar, die trotz der Erfüllung aller Forderungen ihres Ultimatums nach neuen Vorwänden gesucht hätten, um die Chinesen niederwerfen zu können. Im Chinesenviertel von Schapei feien mehrere hundert Personen getötet worden. Japan begründete das damit, daß sie gegenüber der internationalen Siedlung einen chinesischen Beobachtungsposten, der Einsicht in die japanischen Stellungen erlangt habe, häften zerffören müffen!

Der Bertreter Chinas im Bölferbund hat die sofortige Einberufung des Rates beantragt.

Indessen berichtet das Wolff- Bureau aus Genf , daß man dort mit Rücksicht auf die gegenwärtig in ein recht kritisches Stadium tretenden Berhandlungen Englands und Ameritas mit Japan im Augenblid jedenfalls eine öffentliche Aus­sprache des Bölkerbundsrats sowohl über den Schanghaier Fall als auch über den Gesamikomplex des chinesisch- japanischen Konfliktes für nicht angezeigt hält.

Das ist unseres Erachtens ein unmöglicher Stand punti. Er ließe sich nur vertreten, menn gleichzeitig mit diesen Verhandlungen eine Waffenruhe eingetreten wäre. Aber davon ist teine Rede. Im Gegenteil, die Beschießung Schanghais durch die Japaner dauert fort, und eine neue japanische Offensive steht bevor. Unter diesen Umständen ist der Versuch, die neue Aussprache im Rat hinauszuschieben, ein Skandal.

Ein dreister japanischer Borschlag.

Es scheint, daß sich diese Verhandlungen Amerikas und Eng­

lands mit Japan auf einen japanischen Borschlag beziehen, alle inesischen Häfen zu internationalisieren und zu demilitarisieren. Japan erklärt sich bereit, Schanghai wieder zu räumen, wenn eine solche Entmilitarisierung und Internationali­sierung beschloffen und durchgeführt wird.

Das wäre die& rönung des japanischen Rechtsbruches und

gefecht fich in nordöstlicher Richtung vom Bahnhof Schafei zu ent­fernen, was auf die Abweifung des japanischen An­griffs durch die Chinesen schließen läßt. Gegen Abend hielten die Chinesen die Wujung- Forts noch befeht. Die chinesischen und japanischen Stellungen vor Schapei find unverändert

geblieben.

Die deutschen Gelehrten in Sicherheit!

Hamburg , 8. Februar. Nach einem Telegramm, daß das Hamburger Fremdenblatt" von seinem Berichterstatter in Shanghai , dem Syndikus der dortigen Handelstammer, erhielt, find alle deutschen Dozenten der Busung- Hochschule in Shangai gelandet.

Schanghai , 8. Februar.

Die nach der Landung der Japaner bei Busung entbrannten heftigen Kämpfe erzwangen die vollständige Räumung der Tungschi- Universität, deren Gebäude dem Streufeuer der Bomben flieger und der Schiffsgeschütze ausgesetzt waren. Die Flüchtlinge mußten die letzte Nacht in selbstgebauten Unterständen zubringen. Heute morgen fonnten dann dank dem Entgegenkommen des chinesischen Divisionskommandanten die Frauen und Kinder auf Tschenju nach Schanghai gelangen; die Männer marsierten fechs Stunden lang auf Umwegen hierher. Sie berichten, daß die Beschießung der Universität durch die Japaner großen, wenn nicht gar unerfeglichen Schaden angerichtet hat.

Das Elettro- Laboratorium ift durch zwei Bolltreffer völlig zerstört.

Es iſt zudem zu befürchten, daß die unerjegliche sinolo. gische Bibliothef von Professor Othmer jomie meitere mert volle Brivatbüchereien vernichtet sind. Die Flüchtlinge erzählen voll Bewunderung von dem hartnädigen Widerstand der Chi­nesen, die feit entschlossen zu sein scheinen, Busung bis zum letzten zu verteidigen. Wahrscheinlich wird die Universität Stüßpunkt der militärischen Operationen werden, so daß ihr Weiterbestand ge­fährdet ist. Man hat sie vollständig geräumt, auch das chinafische Personal, welches bis zuletzt ausgehalten hat, schloß sich den deut­ schen Flüchtlingen an. Alle retteten nur das Notwendigste.

Ein dunkles Kapitel deutscher Außenpolitik. Man schreibt uns:

Die plötzliche Berhaftung des Präsidenten des Memel­ländischen Landtags, Boettcher, durch den Beauftragten der litauischen Zentralregierung, Mertys, hat mit Recht startes Aufsehen in der gesamten deutschen Oeffentlichkeit er regt. Man wird die überraschende Tatsache feststellen dürfen, daß von der kommunistischen Presse bis zu den Blättern des Herrn Hugenberg, ja selbst bis zur Nazipresse hinüber eine wirkliche Einheitsfront der Meinung besteht. Die litauische Dittatur hat der deutschen Presse zu einer Einheitlichkeit des Urteils verholfen, wie sie wohl felten möglich ist. Der Ton ruhiger, aber entschiedener Zurückweisung ist allgemein, und wenn man von unvermeidlichen Ausnahmen ab< man hat sieht, allen Anlaß, die unnervöse und eindrucksvolle Sach lichkeit der Kritik zu loben. Da ein solcher Stil maßvoller Sicherheit in großen Teilen der deutschen Presse bislang nicht immer gerade üblich gewesen ist, so fönnte man, wie es scheint, die Pressebehandlung des Memeler Skandals als einen Fortschritt bemerkenswerter Art begrüßen.

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Leider scheint es nur so! Man stelle sich einmal vor, daß die Verhaftung Boettchers nicht in Kowno , sondern in Warschau angeordnet worden wäre, und man tann sich das infernalische Geheul unserer Nationalbolschewisten nur allzu deutlich vorstellen. Wenn diesmal das sonst so beliebte Säbelraffeln bei den Blättern Hitlerscher und Hugenbergscher Prägung unterblieben ist, so hat das Gründe, die alles andere als moralischer Natur sind. Der litauische Gewaltstreich gegen die memelländischen Deutschen ist nämlich nichts an= deres als eine Niederlage derjenigen Oberschlauberger, die geglaubt haben, die schwerwiegenden litauisch- polnischen Diffe= renzen in deutschem Sinne ausnußen zu können. Kurz gesagt: Da Litauen sich mit Polen wegen der Wilna - Frage bis auf den Tod verfeindet hat, gab es genug Leute in Deutschland , die in Litauen einen willkommenen Bundes genossen zum Einkreisen Polens zu finden glaubten. Es ist gar fein Zweifel darüber möglich, daß die Lage der memel ländischen Deutschen sich von Jahr zu Jahr verschlechterte, und daß sie feineswegs diejenige Unterstützung gefunden haben, die sonst den deutschen Minderheiten zuteil wird. Das ist um

seine Anerkennung durch die Mächte. Werden sich die Regie- linge angenommen und sie beherbergt. Es handelt sich, da eine 10 grotesker, als die Deutschen im Memelland ganz gewiß

rungen von London und Washington dazu hergeben?

Neuer japanischer Angriff gescheitert. Shanghai , 8. Februar. Nach einem ruhigen Tag jetzte gegen abend eine heftige Be­schießung wieder ein. Nach drei Stunden schien das Feuer­

Die hier wohnenden Deutschen haben sich der deutschen Flücht­Anzahl von Professoren und ihre Frauen bereits früher die Uni­versität verlassen haben, noch um folgende Personen: Stübel, Wal. Deyer, Othmer nebst Frau und zwei Kindern, Wagner nebst Frau und zwei Kindern, Böning nebst Frau und drei Kindern, Slotnarin mit Frau, Lift, Spiro, Stumpf mit Frau, Requard mit Frau, Reh­bein, Schade und Brust.

Franzosenwunsch nach Hitler- Wahlen.

Um die Wahltermine in Frankreich und Preußen.

Aus Paris wird gemeldet:

Der Kongreß der republikanischen Vereinigung, einer rechts­ftehenden Regierungspartei, wurde am Sonntag mit einem Bantett beendet, auf dem Ministerpräsident Laval sich durch den Innen­minister vertreten ließ. In der Vormittagssigung warf der Wahl­macher des ultranationalistischen Echo de Paris", de Kerillis, folgende Frage auf: Sollen die französischen Wahlen vor den Wahlen in Deutschland stattfinden, soll also Frankreich gewissermaßen im Dunkeln tappen? Die republikanische Vereinigung verlange von der Regierung, ihren eindeutigen Willen zu hören, daß die fran zösischen Wahlen nicht vor denen in Deutschland stattfinden dürfen. Diese Erklärungt wurde mit großem Bei­fall aufgenommen. Louis Marin erklärte, er habe den Minister­präsidenten Laval gebeten, die franzöfifchen Wahlen so spät wie möglich anzusetzen. Man müsse verhindern, daß Linksmahlen in Frankreich erfolgten, weil diese ein Auftrieb für Hitler seien.

Wenn Herr Marin wirklich glaubt, Lintswahlen in Frankreich wären ein Auftrieb für Hitler, so tennt er Deutsch­ land so wenig wie den Mond. Im Gegenteil: jede Stimme für Marin bedeutet mehrere Stimmen für Hitler, jede Stimme für die Sozialisten aber ist eine Ermutigung für alle deutschen Friedensfreunde und Republikaner .

Marin und Kerillis fennen Deutschland schlecht. Frank reich kennen sie um so besser. Für ihre Politik der unverföhn lichen Feindschaft gegen Deutschland brauchen sie national sozialistische Wahlerfolge. Sie wollen die Kammerwahlen bis

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feine Minderheit darstellen und daß der überwiegende deutsche Charakter des Landes in keiner Weise in Frage gestellt wer den kann. Die Lage dieses Deutschtums, das durch die Memeler Konvention ziemlich weitgehende Rechte erhalten hatte, wurde von Jahr zu Jahr übler. Nicht nur, daß der Versuch einer systematischen Litauisierung gemacht worden ist es wäre nicht das Schlimmste gewesen, was man gegen die Memellanddeutschen unternehmen konnte, schlimmer mar die stetige wirtschaftliche Aushöhlungspolitik, die das litauische Diktaturregiment befolgt hat. Vor allem aber ift seit Jahr und Tag der den Deutschen in der Memeltonvention gewährte Rechtszustand mit tausend advokatischen Kniffen und Schlichen unterhöhlt worden, wodurch eine lähmende Entmutigung unter der deutschen Bevölkerung aller Schichten sche Volkstum im Memelland ist. von unseren Patentpatrioten anders behandelt worden als die deutschen Voltsteile in anderen Ländern.

nach den Wahlen in Preußen verschieben in Hoffnung auf Platz gegriffen hat. Wir wiederholen es nochmals: das deut­einen Sieg Hitlers !

Frid will sich reinwaschen. Nazi- Frids Köpenidiabe von Hildburghausen wird nun im Gerichtssaal auf ihre Legalität geprüft werden. In der ersten Nummer des nach achttätigem Verbot wieder erschienenen Münchener Hitler- Blattes verteidigt der königliche Heimkrieger von Pirmasens feine Blamage mit folgenden Worten:

,, Bei dem Verfuch, Adolf Hitler zum thüringischen Staats­beamten zu ernennen, habe ich mich durchaus im Rahmen meiner erfahrungsmäßigen Befugniffe als thüringischer Innenminiffer gehalten. Es hat sich dabei also nicht um einen Schiebungsversuch, sondern um einen legalen Staatsatt gehandelt."

Diefe Behauptung, die mit den Feststellungen der thüringischen Staatsregierung in direttem Widerspruch steht, ist in einem Straf antrag enthalten, den Frid bei der Staatsanwaltschaft gegen die Münchener Neueste Nachrichten" gestellt hat. Das Blatt hat den legalen Staatsaft" als einen unwürdigen Schiebungsverfuch gefennzeichnet. Frid erblickt darin eine formale Beleidigung seiner Berson und verlangt darüber hinaus als ehemaliger Minister und derzeitiger bayerischer Regierungsrat unter Bezugnahme auf die vierte Notverordnung des Reichspräsidenten auch staatlichen Ehren fchuh und Erhebung der öffentlichen Anklage.

Bemerkenswert ist im übrigen, daß Frid in demselben Schreiben an den Münchener Staatsanwalt sich nicht scheut, unter beschimpfen­den Ausfällen gegen den Staat die unwahre Behauptung aufzu­stellen, daß dem Frontkämpfer Hitler die von ihm versuchte Ein­bürgerung auf dem ordnungsmäßigen Weg bis heute vorenthalten worden sei.

Die andauernden groben Verlegungen des Statuts, die schifanösen Auslegungskünfte und vieles andere mehr, was von litauischer Seite den Deutschen zugefügt wurde, sind nichts anderes als Folgen jener Dittaturentwicklung, die seit Jahr und Tag dem guten Namen Litauen zur öffent­lichen Unehre gereicht. Das aber gerade ist es gewesen, daß unsere Nationalpolitiker zum mildesten Wohlwollen veranlaßt hat: in Litauen ist seit Jahr und Tag d as Dritte Reich ausgebrochen, und genau so, wie die Hakenkreuz- und Stahl­helmerbärmlichkeit das Deutschtum Südtirols . den Brutali­täten des Faschismus opfert, genau so hat in Sachen des Memellandes die internationale Sympathie der Diktatur­freunde die sonst so leicht zu entzündende Flamme der natio­nalen Empörung reichlich gedämpft. Wir wollen nun nicht die Meinung vertreten, daß man umgekehrt in vorliegendem Falle einen besonders harten Ton reden müsse. Wir sind nach wie vor gegen jede Bolemit, die die sowieso schon üblen inter­nationalen Beziehungen noch weiterhin verschärft und bleiben bei der ruhigen Behandlung der Dinge, die die Sozialdemo fratie auch in diesem Falle für richtig gehalten hat. Wie oft aber sind wir gerade deswegen verschmäht und verleumdet worden!

Das Spiel, das die internationale Politit um Litauen