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Die Eiterbeule. Mahnung des Staatsanwalts im Favag-Prozeß an Wirt. schastsführer. Arauksurt a. ZN .. 8. Februar.(Eigenbericht.) Das letzte Kapitel des seit mehr als drei Monaten dauernden Monstreprozesses gegen die Favog-Direktoren hat begonnen. Heute vormittag begann der Staatsanwalt seine große An- llagerede: Für die Direktoren der Frankfurter Allgemeinen Dersicherungs- Gesellschaft galt das Wort Kants im umgekehrten Sinn:.�D a s Unmoralische verstand sich von selb st.* Eine ener­gische Reinigung war notwendig geworden. In die Eiterbeule mußte gestochen werden. Für alle im Wirtschaslsleben Tätigen geht von diesem Prozeß die Mahnung aus: ftehmt euch in acht, ihr seid gewarnt! Trotz seines großen Umfanges ist der Prozeß ein Torso, weil die Hauptschuldigen nicht zur Verantwortung gezogen werden können: der verstorbene Generaldirektor Dumcke und der durch Krankheit nicht vernehmungsfähige Direktor Becker. Es mag richtig fein, die Angeklagten des Fovog-Prozessesals Sterne zweiter Ordnung"' zu bezeichnen, soweit in diesem Zu- iammenhang von Sternen gesprochen werden darf. Direktor Dumcke wurde als großer deutscher Dirks chastsführer gepriesen, er war aber in Wahrheit ein dunkler Ehrenmann, der ein Doppelleben führte. Dumcke ist der Hauptschuldige an der Tragödie der Favag, die dem deutschen Wirtschaftsleben so schwere Wunden schlug. Dumckes Mit- direktor war sein gelehriger Schüler. Wir müssen auch von Mit- direktoren von Aktiengesellschaften Männerstolz vor Generaldirek- toren fordern'. Ein organisches Zusammenarbeiten des Favag-Borstandes fehlte durchaus. Man fand sich nur zusammen, wenn es galt, Sonder- Vergütungen zu verteilen. Nach Dumcke war Becker aktives Mitglied der Favag-Direktion. Wenn man nicht einen Finanzier gleichsetzen will mit einem gewissenlosen Spekulanten, so war er kein großer Finanzmann. Der Nimbus der Inflation, wo man mit einigen Devisen im Vordergrund und einem Bankkredit im Hintergrund Geschäfte machen konnte, ist vorüber. Ein großer Teil der Geschäfte wurde nur gemacht, um den äußeren Anlaß für die Sondervergütungen zu schaffen. Becker entnahm oft auch ohne solch« Vorwände Geld und ließ diese Entnahmen durch geradezu diabolische Mittel verschleiern. Die Angeklagten Schumacher und L i n d n e r haben vielfach eine passive Rolle gespielt. Es ist nicht erwiesen, daß sie ein« volle Einsicht in die übrigen Geschäfte gehabt haben, aber je mehr man ihnen zuerkennt, daß sie tüchtige Versicherungsmänner waren, um so bedauerlicher muß man es finden, daß sie nicht die mora- lische Kraft fanden, den Versuchungen, die an sie herantraten, zu wider st eh e n. Der Angeklagte Dr. Kirschbaum hätte als Jurist die Erlaubnis" des Generaldirektors zu unerlaubten Geschäften nicht annehmen dürfen. Cr hat seine Stellung als Leiter der Kaution»- abteilung unzulässig und strafbar ausgenutzt. Bei den ganz großen Geschäften hat man ihn nichtmitgenommen" Immerhin hat er 100 OOQ Mark Gewinne auf unrechtmäßige Weife bezogen. Das Streben nach Eigengewinn stand ihm stets im Vordergrund. Eine traurig« Rolle als Mitwisser und Mithelfer an den Be- trügereien spielle der Angeklagte S a u e r b r« y, der als junger Lehrling in die Favag eintrat und schon mit 23 Iahren Prokurist war, well er sich als brauchbar erwies für die betrügerischen Mani- pulationen. Sauerbrey brachte allesin Ordnung". Die Person Saucrbreys ist ein sinnfälliger Beweis, daß Begabung ohne Cha- rakter ein sehr zweifelhaftes Geschenk des Schicksals ist. Bald Halle sich Sauerbrey als gelehriger Schüler erwiesen und die Virtuosität der Bllanzverschleierung zur Entnahme großer Beträge oerwertet. Er gründete eine eigene G. m. b. H. ohne die geht es bei der Favag nicht, natürlich mit den Geldern der Favag. Sauerbrey hat nie oersucht, den Aufforderungen zum Betrug Widerstand zu leisten. Der Angeklagte Fuchs spielt eine untergeordnete Rolle. Doch seineNaivität" ist nicht glaubwürdig. Der Exponent der Favag in Berlin war der angeklagte Direktor Mädjen. Er will der Favag große Dienste geleistet haben, doch verwechselte er sie mit den Privatinteressen Dumckes und Beckers, die für ihn auch manches abfallen ließen. Mädjens Briefwechsel mit den beiden Direktoren beweist, daß er die betrügerischen Hand- lungen richtig erkannt hatte." Daraus wandte sich der Staatsanwalt in seinen Ausführungen der Rolle des A u f f i ch t s r a t s v o r s i tz e n d e n und der anderen Mitglieder des Aufsichtsraies zu, die es an jeder pflichtgemäßen Kontrolle der Gesellschaft fehlen ließen, für die sie verantwortlich waren. Die Sondervergütungen, die der Aufsichtsratsvorsitzende Jjoff gewissermaßenam laufenden Band" bewilligte, waren fast sämllich ungerechtfertigt, weil die ungeheuerlich hohen Gehälter ohnehin die Direktaren verpflichtet hätten, ihre Arbeitskraft voll in den Dienst der Gesellschaft zu stellen. Man hatte den Eindruck, daß die Direktoren der Favag die Gesellschaft als ihr persönliches Eigentum ansahen, mit dem sie schalteten und walteten, wie es ihnen gefiel. Unterbeteiligungen sind als Teilerscheinungen der allgemeinen Kor- ruption anzusehen, da durch sie der Aufsichtsrat zugunsten des Generaldirektors ausgeschaltet wurde. Geheimtonten mögen zulässig sein, wenn sie mit der allgemeinen Buchsührung durch Zwischenkonten verbunden sind. Bei der Favag handelt es sich aber um Berschlelerungskonten, die durch- aus unzulässig waren. Darauf trat in dem Prozeß eine Pause ein.

Die Beisetzung von Or. Heß. Am Montagvormittag wurde der verstorbene Führer des preußischen Zentrums. Dr. Heß, unter starker Anteilnahme der Reichs, und preußischen Staatsregierung, des Reichstages und Preußischen Landtages, des Wahlkreises des Verstorbenen, seiner studentischen Korporation und vieler persönlicher Freunde in Berlin zur letzten Buhe gebettet. Der zweite Vorsitzende der preußischen Zentrumspartei , Iustizrat Mönnig, gelobte am offenen Grabe, daß das preußische Zentrum die Politik seine? Führers Heß/ wie er sie wenige Tage vor seinem Tode in einem Brief an den preußischen Zontrumspartellag umschrieben hat, fortsetze» werde. Von der Sozialdemokratie nahmen Parteivorsitzender Ollo Wels und zahlreiche preußisch« Landtagsabgeordnete, darunter gandtagspräsident W l t t m a a ck an dem Begräbnis teil.

Hildburghausen , die große Kaschingsmode.

Auf den diesjährigen Faschingsbällen bemerkte man auffallend viel Gendarmerie-Llniformen. Tardieu für Vertragsrevision? Eine ausfallende Sielle in seiner Genfer Rede.

Zum Oberbürgermeister von Brandenburg wurde gestern der bishersga. Oberbürgermeister von Freital i. Sa. Genosi« Klimpe! mit 22 gegen ä Stimmen trotz bürgerlicher Obstruktion gewählt.

Genf , 8. Februar.(Eigenbericht.) In französischen Linkskreisen und in den revistonsfreundlichen Delegationen der Abrüstungskonferenz hat eine Stelle der Rede Tardieus vor der Abrüstungskonferenz eine besondere Wirkung ausgelöst. Er sprach am Montag von dem Problem der Abrüstung, das durch einen Vertrag gestellt sei, der den furchtbarsten oller Kriege beendet habe, und fuhr fort: Sind auch die Gipfel dieses Vertrages(gemeint ist der Völker- bundspatt) erhellt von einem leuchtenden Ideal der Zusammen- arbeik, so sind gewisse seiner Klauseln einzig von den Rot- wendigkeilen der Stunde bestimmt, zu der über den Vertrag verhandelt wurde. Durch die Aalur der Dinge sind Der- füguugen getroffen worden, die aus einer nahen Vergangenheil her- rührten und die jedes Ende eines Krieges immer mit sich brachte. Das ist eine Tatsache, und die Verneinung einer Tatsache Hai niemals etwas genützt. Die iniernaiionalea Verträge sind wie die privaten: sie trugen den Umständen Rechnung und gründen aus sie gewisse ihrer Festsetzungen." Die logische Erklärung dieser Stelle einer Rede, die von der französischen Regierung Wort für Wort durchgearbeitet war, kann nur die Schlußfolgerung sein, daß jene aus dem Geist des Per- gangenen stammenden Bestimmungen des Bersailler Vertrages nicht mehr den heutigen Umständen entsprechen und daher revidiert werden müssen. Es wird vermutet, daß die Andeutung Tardieus sich auf die E n t w a f f n u n g s b e st i m m u n g e n für Deutschland bezieht. Heftige Kritik eines pariser Linksblattes. Paris , 8. Februar.(Eigenbericht.) Die Rede Tardieus auf cer Abrüstungskonferenz wird von fast allen Pariser Abendzeitungen in vollem Umfange wiedergegeben. Der linksstehend«S o i r" veröffentlicht eine vernichtend« Kritik der Rede durch seinen Sonderberichterftattcr I. Kayfer. Er bezeichnet 0i« Ausführungen Tardieus als eine Wahlrede, die für Frank- reich, aber nicht für die internationale öffentlich» Meinung bestimmt fei. Der französisch« Kriegzminister habe sich auf einen Kommentar seines Planes und auf ein Plädoyer zugunsten Frankreichs be- schränkt, während man von ihm die Ausdeckung des bindenden Gliedes erwartet hätte, das alle diese Vorschläge mit der Herab» setzung der Rüstungen vereine. Die Frage sei, ob Tardieu bereit sei,«ine- Abrüstung anzunehmen, die p a r a l l e l mit der Organisa- tion des Friedens vorgenommen werde, oder ob er im Gegenteil getreu dem französischen Memorandum vom Juli aus der Ab- rüstung d i e F» l g e der Friedensorganisation machen wolle. Wenn dies der Fall wäre, nach seinem eigenen Ausdruck, eine große Katastrophe. Kardinal Faulhabers Abrüstungsbekenntnis. Eine mutige Friedenspredigt hielt am Sormtag in München das Haupt der� bayerischen Katholiken, Erzbischof Faulhaber. Er erklärte, die öffentliche Meinung müsi« sich In der Friedensfrag« noch ganz erheblich umstellen. AHtemebllisten! Lastkraftwagen-Besitzer! Motorradfahrer I Motorboot» Besitzer I Flugzeug- Besitzer I Meldet Euch spforl sunt MetorS£eri»s der Eisernen Front! Einzelchnungs- Formulare liegen In a 1 1 e n RUstkamraern der Eisernen Front aus I Reichsgeschäfftsstelle: Charloltenburg 2, HardenbergstraOe 18.

Der Mythos der Uniformen und Militärparaden sei vorbei, und die allen Kriegslieder könne man ruhig in den Museen zum alten Eisen legen. Die durch die modernen Kriegsmittel angerichteten Verwüstungen stünden nicht mehr im Verhältnis zum Zweck des Krieges. Die Nachwirkungen eines Krieges durch Blutopfer und Steuerlasten machten den Krieg von heute u n- me n s ch l i ch. Man mache der Kirche den Vorwurf, daß sie früher den Krieg gebilligt habe. Die frühere Zell aber habe die heutige unmenschliche, alles verwüstende Kriegstechnik nicht gekannt. Auch habe man damals der Ueberzeugung sein können, daß es sich uni einen irgendwie gerechten und nicht vermeidbaren Krieg handele. wenn man heute Rüslungsgieichhcil fordere, so dürfe da» auf keinen Fall Aufrüstung bedeuten, sondern nur eine Abrüstung der übergerüflelen Staaken . Es sei ein falscher Schluß, daß, wer den Frieden wolle, den Krieg vorbereiten solle. Denn von der Vereitschaft zum Frieden bis Mm Krieg sei nur ein kleiner Schritt. Man solle sagen:Wenn du den Frieden willst, dann rüste den Krieg ab und rüste den Frieden auf." Daß sich der Stahlhelm und der Kyffhäuserbund in Telegrammen nach Genf umgekehrt den Reichskanzler auf die Forderung der deutschen Aufrüstung festlegen wollen, falls nicht unbedingte Rüftungsgleichheit erreicht wird, versteht sich von selbst. Studenten für Abrüstung. Di« republikanischen, sozialistischen und katholischen Stu- dentenverbände Frankreichs , die die gesamte franzö- fische republikanische studentische Jugend umfassen, und der Deutsche Studentenverband, die Spitzenorganisation der republikanischen Studentenschaft Deutschlands , Oesterreichs , Dan- zigs und des übrigen deutschen Sprachgebietes, veröffentlichen folgenden gemeinsamen Appell aus Anlaß der Ab- rüstungskonferenz: Die Abrüstungskonferenz ist eröffnet worden, von deren Er- folg die Herabsetzung der nationalen Rüstungen, die allgemeine Sicherheit' und die Aufrechterhaltung des Friedens abhängt. In diesem entscheidenden Augenblick versuchen die moralischen und materiellen Nutznleher-des gegenwärtigen Zustands mit allen Mitteln, die Konferenz zu sabotieren, besonders durch die Bsrbreitung tendenziöser Berichte über die kriegerischen Vorbereitungen bestimmter Mächte und durch die Be- günstigung der kriegerischen Konflikte. Demgegenüber steht fest: Die Entwaffnung Deutschlands verpflichlcl unzwelfelhofi die anderen Staaten, ihre Rüstungen auf dasselbe Maß herabzusehen. Die republikanischen Studenten Deutschlands und Frankreichs rufen ihnen diese Verpflichtung unaufhörlich ins Gedächtnis und Protest leren gegen die Lügen der französischen Nationalisten.über einen drohenden deutschen Angriff, sowie gegen die Haltung der deutschen Nationalisten, die unter dem Borwand einer Abrüstungsaktlon ihren sinnlosen Willen zur Auf- r ü st u n g verbergen. Die republikanischen Studenten fordern von ihren Regierungen, alles daranzusetzen, um endlich das Recht und den Friedenswillen der Völker zum Siege zu führen.

Ausregender Freiballon. Alles ruhig bis auf die Militärbehörde. Prag . 8. Februar. Am Somllagnachmittag überflog«in Freiballon , der die Auf- schrift..Lauchhammer " trug, in geringer Höh« die Stadt, was die Militärbehörden erheblich aufregte. Sein Rahen war von dem Artillerieregiment in Ruzin nach Prag gemeldet worden, wo die Luftabwehrstation auf dem Laurenziberg versuchte, die Nummer des Ballons festzustellen. Da dies nicht gelang, stieg ein Mi- litärflieger aus, der den Ballon verfolgte, bis er bei Ritschan landete. Die Besatzung bestand aus dem Reichsdeutschen Bertram und zwei Damen. Die drei Ballonfahrer wurden zur Gen- darmerie gebracht, aus Verwendung des Prager Aero-Klubs aber wieder freigelassen. Der BallonLauchhamme?" ist Eigentum, des Chemnitzer Ber- eins für Lustfahrt.