Nr. 67 49. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Preise noch viel zu hoch!
1 Kubikmeter Wasser 1,10 Mark.
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Als die Notverordnungen herausfamen, wandte sich die bürgerliche Presse mit verdächtigem Eifer besonders gegen die Tarife der städtischen Betriebe wie Gas, Wasser, Elektrizität, Verkehr usw. Wasser aus den städtischen Leitungen kostet heute pro Kubikmeter 25 Pf. Man möchte es noch billiger haben, trotzdem die städtischen Wasserwerke außer diesen 25 Pf. feinerlei Verwaltungsgebühr erheben. Indem man auf die städtischen Werke lospaufte, hatte man das passiert in solchen Fällen gar zu gern total vergessen, daß es in Berlin außer den städtischen, auch noch ein recht großes privates Wasserwerk gibt und zwar die Charlotten. burger Wasser und Industrie werke, deren unerhörten Tarifen der ganze Berliner Süden und Südwesten ausge= liefert ist. Die Charlottenburger Werte erheben zunächst eine Grundgebühr von 30 Pf. pro Kubikmeter, sodann einen Zuschlag von 4 Pf., so daß jeder Kubikmeter ohne weiteres 34 Pf. kostet. Außerdem aber, man höte und staune, erheben die privatwirtschaftlichen Werke auch von dem allerärmsten Benutzer ihres Wasser eine Berwaltungsgrundgebühr von vierteljährlich 4,76 Mart. Damit nicht genug, verfügen diese Wirtschaftsmonarchen selbstherrlich, daß ein Mindestverbrauch von 12 Rubikmeter vierteljährlich, gleich 4,08 Mart, zu bezahlen ist. Wenn nun ein armer Mensch, 3. B. ein Kleinsiedler im Winter, nur 8 Kubit meter Wasser verbraucht, so muß er dafür trotzdem 4,08+ 4,76 Marf Verwaltungsgebühr zahlen, zusammen 8,84 Mart. Also für den Rubikmeter Wasser 1,10 Mart. Das dürfte in Deutschland wohi die Höhe sein und es ist sehr verwunderlich, daß Herr Gördeler hier noch nicht mit eiserner Hand zugepackt hat. Der Uebermut der Charlottenburger Wasserdiktatoren muß ein Ende haben!
Ein Friseur flagt!
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Früher hatte er für Dauerwellen 22 Mart genommen und be: fommen. Das war zwar ein riesiges Stück Geld, aber die Damen zahlten es, weil sie was davon hatten. Nahezu ein halbes Jahr konnten sie damit gehen. Heute nimmt er ,, nur" noch 17 Mark. Für Haarschneiden statt 1 Mart, 80 Pf., und so fort. Und doch tommt er nicht zurecht. Er hat selbstverständlich eine große Elektrizitätsrechnung und die ist nur um Bruchteile billiger. Er hat allmonatlich eine große Mietrechmung, und auch die ist noch nicht billiger, denn die Siedlungsgesellschaft hat die Miete nicht heruntergesezt. Er muß dauernd Parfümerien und Seifen einkaufen, aber die Fabrikanten und Grossisten denken nicht daran, einen wesentlichen Breisabschlag zu gewähren. Und wenn sie wirklich 10 Broz. gewähren, dann tun fie, als ob sie pleite gehen müßten. Dabei weiß heute jedermann, daß sie an ihren teuren Fabrikaten ein riesiges Geld verdienen. Einzig und allein die Löhne der Gehilfen wurden herabgesetzt, und dabei scheint es auch bleiben zu sollen. Wenn aber die Preise für Elektrizität, Miete und Waren nicht oder nur unwesentlich herabgesetzt werden, fann er, der Friseur, auch nicht billiger werden. Wird er nicht billiger, bleiben ihm die Kunden meg. Bleiben ihm die Kunden weg, muß er den Laden schließen. Schließt er den Laden, bekommt Elektrizitätsgesellschaft, Siedlungsgesellschaft, Fabrikant und Grossist von ihm feinen Pfennig mehr.
Kaffee und Kuchen, ein teurer Spaß.
Vor dem Kriege zahlte man für ein Pfund gerösteten guten Kaffee 1,40 Mark. Für 1,60 Mart bekam man das Beste vom Besten, und der war so ausgezeichnet, daß der zu 1,80 Mart das Pfund, den es auch noch gab, sehr selten gekauft wurde. Und heute, nach zwei angeblichen Preissenfungsaktionen? Eine sehr bekannte und auch angesehene Berliner Kaffeespezialfirma hat sich vor der Preissenkung durch folgende raffinierte Weise gedrückt. Sie gibt bei Kaffeeinkauf Bons im Werte von 10 Proz. aus, die natürlich nur in ihrem eigenen Geschäft eingelöst werden können. So bleibt das Geld im Laden. Nehmen wir an, der Käufer hat für 1 Mart
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NOVELLE
Anita and Cowboy
VON ERNA BUSING
ZEHMERY
Beim ersten Flug jedoch geriet er in einen Taubenschwarm. Dabei hat er wider Willen so viele Tiere getötet. Er kann innerlich mit diesem Zwischenfall nicht fertig
werden.
Billy gewinnt er plötzlich lieb, weil der so gut zuzuhören versteht. Der junge Flieger will in diesem Augenblid nämlich nur sprechen. Sich aussprechen.
Billy ist heilfroh über diese Situation. Er denkt unausgesetzt an Anita und John. Beide lieben sich. Der John ist ein grundanständiger Kerl, er wird der Anita einen Heirats antrag machen. Sie wird ja sagen, sie werden sich heiraten.
Das wird für John Großfrach mit seiner Familie bedeuten. Instinktiv wartet John doch bloß auf einen günstigen Augenblick, um mit seiner Familie brechen zu können.
John meint, er habe dann alle Schwierigkeiten behoben. Sie werden erst beginnen. Wer aus seinem Kreise geht, wird zum Verräter an ihm. Als Billy sich endlich von dem Flieger trennt, liegt er ganz seiner Gewohnheit und seinem Schlafbedürfnis entgegen die Nacht über wach und grübelt.
Ein Hengst mird eingefangen. Ein früher Herbst zog ins Land. Die Tage sind naß, falt, ungemütlich.
Der Zirkus rast weiter von Stadt zu Stadt. Nirgendwo ist es gemütlich. Alles ist Nässe, Regen und Morast, grau in grau ist der Himmel und spärliche Farbe ersteht erst mit dem Zirkus.
Abends werden offene Holzkohlenbecken in die Manege gestellt. Für ein paar Augenblicke durchwärmen sie den Birkus wohlig. Dafür wird es bei der Abwicklung der zweiten Brogrammhälfte desto ungemütlicher. Kälte und Nässe dringen ins Zelt. Und Billy hat die Schlußnummer.
Diesmal tut ihm der Herbst meh. Er hätte den Sommer gern intensiver ausgekostet.
Bons zusammen und kauft dafür ein, so gibt ihm die Firma in Wirklichkeit nur für etwa 60 bis 70 Bf. Ware, das heißt, für so viel, als ihr die Ware im Einkauf kostet. Sie gewährt also nicht etwa 10 Broz., fondern nur 6 bis 7 Proz. Nachloß. Der beste Kaffee dieser Firma kostet wie vor zwei Jahren immer noch 4,80 Mark und die übrigen Sorten dementsprechend. Bei 4,80 Mart liegt der Preis um 140 Proz. über Friedenspreis, also eine unge= heure Spanne. Kaffee, der früher 1,40 Marf gekostet hat, foftet heute immer noch 3 Mart. In Deutschland ist der Kaffee so teuer, daß ihn niemand mehr bezahlen fann und in Brasilien heizt man die Lokomotiven damit und fabriziert Gas daraus.
Vor dem Kriege war so ein kleiner Kaffeeklatsch gar keine teure Angelegenheit. Der Kaffee war wie gesagt viel viel billiger als heute, und wenn man den Kuchen einkaufte, dann bekam man überall gute 5- Pfennig- Stücke, die 10- Pfennig- Stüde waren ausgezeichnete Konditorware. Man bekommt natürlich auch heute schon Groschenstücke, aber entweder sind sie kleiner als früher oder die Qualität ist nicht dieselbe. Will man heute dieselbe Qualität haben, dann muß man mindestens 20 Pf., oft sogar noch 25 Pf. ausgeben, alfo 100 bis 150 Proz. über Friedenspreis. Sahnenbaiser und Windbeutel gehören gewiß nicht zu den Dingen, die der Mensch unbedingt haben muß, aber die faufmännische Angestellte, die sich in der kurzen Mittagspause zur Taffe ermunternden Kaffees ein Sahnenbaiser leisten, die Mutter, die ihren Kindern einmal eine süße Freude bereiten will, die müssen auch heute noch 150 bis 200 Pro3. mehr als im Frieden zahlen, und das Wort Wucher liegt einem unter solchen Umständen auf der Zunge. Denn im Frieden kostete jedes Sahnenbaiser 10 Pf. und der Windbeutel auch, heute aber immer noch 25 bis 30 Bf. Die Bäcker und Konditoren denken offenbar gar nicht daran, diese Preise herabzusetzen.
Mittwoch, 10. Februar 1932
Bierfutscher überfallen und erschossen.
Die Reservemordkommission des Berliner Polizeipräsidiums wurde in den gestrigen Abendstunden nach Oranienburg alarmiert. Unweit der Stadt auf der
Chaussee nach Zühlsdorf war gegen 20 Uhr ein Bierkutscher der Schultheiß- Brauerei aus Oranienburg auf seinem Gespann erschossen aufgefunden worden.
Der Chauffeur eines nach Oranienburg fahrenden Lastautos, der das Gespann überholte, sah den Bierkutscher auf dem Kutscher bod zusammengesunken sizen. Der Chauffeur brachte sein Fahrzeug. zum Stehen und zu seinem Schrecken stellte er fest, daß der Bier futscher tot war. Der Führer des Lastwagens alarmierte sofort die Oranienburger Polizei. Nach den bisherigen Feststellungen befand sich der Bierfahrer, der seine Tagestour beendet hatte, auf dem Heimwege. Offenbar ist er von den Tätern aufgelauert worden, die aus dem Hinterhalt die tödlichen Schüsse auf ihn abgaben. Da in der Geldtasche des Ermordeten ein Betrag von 228 M. gefunden wurde, scheint es, daß die Täter in ihrer Arbeit gestört worden sind. Wahrscheinlich haben sie, als die Scheinwerfer des Lastwagens auftauchten, von ihrem Opfer abgelassen und sind quer feldein geflüchtet, ohne etwas erbeutet zu haben. Noch in den späten Abendstunden wurde ein Spürhund auf die Fährte gesetzt.
Hinein in die Eiferne Front!
Der Einheitsverband der Handel- und Gewerbetreibenden und freien Berufe, der in Leipzig seinen Siz hat und treu zur Weimarer Verfassung steht, hat sich als Gesamtorganisation de m Kampfausschuß der Eisernen Front angegliedert Seine Gau- und Ortsgruppenverbände werden angewiesen, sich an den bezirklichen bzw. örtlichen Aktionen der Eisernen Front zu beteiligen.
Ein idyllischer Waldfriedhof
stil mit roten Ziegeldächern. Oben am Giebel der Kapelle das Toten glöcklein. Ein Blick auf eine alte Dahlemer Gebietskarte zeigt, daß alles seine Richtigkeit hat. Hier an der äußersten Südroestecke Dahlems war
as toar con, jeher ein
Die alten Militärschießstände in Dahlem , auf einem weiträumigen Vorplatz das Verwaltungsdenen heute nicht mehr Reichswehr , sondern Schupo gebäude und die Kapelle, beide im Landhausübt, und die demnächst verschroinden werden, sind vielen Gruneroaldbesuchern rohlbekannt. Nicht bekannt aber dürfte es sein, daß hinter diesen Ständen, die sich etwa 800 m tief in den Grunewald hineinziehen, in den letzten Wochen, begünstigt von dem milden Wetter, eine Anzahl Baulichkeiten entstanden sind. Die Bauten gehören zu einer prachtvollen Parkanlage, die sich bei näherem Zusehen als idyllisch gelegener Waldfriedhof erweist, angelegt von Gehag - Siedlung durch die Stämme schimmern. der Kommission zur Aufteilung der Domäne Dahlem.| Unmittelbar an diesen idyllischen Waldfriedhof Den Schießständen gegenüber an der von dem Thiel- grenzt der Hockey- und Tennissportplatz eines Park bis hierher durchgeführten Hüttenallee liegen an feudalen Klubs.
Die Kapelle im Walde
Sobald die Dämmerung sich auf die Erde senft, erstrahlt der Zirkus im elektrischen Licht. Das ist noch immer die beste und anziehendste Reklame.
Billy wehrt sich intensiv gegen das künstliche Licht. Ihm als Naturmenschen fällt es auf die Nerven. Er flagt: Ach, er ist nicht schön, dieser Tag ohne Abend."
Anita ist nervös. Sie ist aufgeregt, wenn ein Brief von John tommt und sie ist aufgeregt, wenn fein Brief von John kommt.
,, Mit einem Wort, Anita, du bist verliebt", sagt Billy. " Ja", sagt sie und Tränen tommen ihr in die Augen. Fürchtet sie den Kampf, den John mit seiner Familie zu bestehen haben wird? Befürchtet sie die Trennung von Billy? Sie sind sehr aneinander gewöhnt, sie sind wirkliche Freunde.
Billy fennt ihre Sorgen, ohne daß sie von ihnen spricht. Er sagt: Anita, was hat denn Liebe mit Freundschaft zu tun? Wahre Freundschaft ist nicht an heute, morgen oder übermorgen gebunden. Die muß immer währen, gerade darum steht sie meistens über der Liebe.
Anita sagt: Billy, dich muß ich immer behalten."
*
Billy fizt im Wagen, der Bad- und Garderobenwagen zugleich ist, als die Tür aufgerissen wird und eine aufgeregte Stimme ruft: ,, Billy, komm, ein Hengst ist wild geworden!" Billy greift nach den Lassos.
Als er unter das Zirkuszelt tritt, tobt dort in der Manege ein Hengst. Er hatte Druse, stand lange und spielt nun den wilden Mann. Man hatte ihn in die Manege getrieben, damit er sich etwas austobte. Er jedoch war dieser freundlichen Aufforderung gar zu gründlich nachgekommen. Erst hatte er sich ein paarmal überschlagen und jetzt galoppiert er und legt sich derartig schräg, daß er immer nahe vor dem Sturz ist. Der Sand gleitet ihm unter den Hufen weg, er ruiniert die Manege. Der Direttor hat feinen Lehm auf fahren lassen; denn der Zirkus steht bloß zwei Tage am Ort und der Lehm hätte immerhin zweihundert Mark gefostet. Diese Sparmaßnahme ist den Stehendreitern nicht recht, müssen sie doch unbedingt bei ihrer gefährlichen Arbeit einen festen, ebenen Boden haben. Die Sparsamkeit des Direktors ristiert ihre Knochen. Und jetzt tobt der Hengst.
Ein Clown, der ihn einfangen wollte, hat schleunigst flüchten müssen. Er hat sich unsanft zwischen die Stühle des
Waldfriedhof vorgesehen; 17% wenigen Minuten ist man an der Försterei Dachsberg und wenn man einige Schritte in südwestlicher Richtung tut, sieht man bereits die bunten Häuser der
| Sperrsizes gesezt und unfreiwillig eine tomische Rolle ge spielt. Trotzdem war niemandem zum Lachen zumute. Der Hengst tobt und feilt und gleich ist Einlaß für die Abendvorstellung. Man darf die Einlaßzeit nicht hinausschieben; denn es regnet und man muß sich freuen, wenn die Menschen überhaupt kommen. Man hat nicht einmal die Kohlenbecken in die Manege stellen können, weil es dem Hengst nicht gefiel.
Billy packt seine Lassos. Eigentlich müßte es für diese Arbeit ja Leder sein. Doch, ein Mensch, der sich nicht zu helfen weiß, ist gar nicht wert, in Verlegenheit zu kommen. Sicher umspinnt er den Hengst und fängt ihn ein. Hurtig gehen die Zirkusangestellten ans Werk und stampfen die Manege glatt.
Die Tat steigert Billys Ansehen. Man kennt gar zu viele Saloncowboys, die die Prärie nie gesehen haben. Hier aber betätigte sich nicht nur Mut, hier betätigte sich Erfahrung. und ein Kerl, der ungeniert zupact, der imponiert Artisten.
Billy betrachtet seine Lassos. Sie sind etwas schmutzig gemorden. Er sucht nach den Ersaglassos, kann man doch nur mit blendend weißem Handwerkszeug in die Manege gehen. Fast verliebt streicht er über die Leinen. Er denkt an John, er denkt an Anita. Wie wirds werden? Behält er feine effektvolle Assistentin noch lange?
Der Liebe tann und soll man sich nicht entgegenstellen.
Aber, was ist eine Person? Was ist die Liebe? Sie fann wohl Schicksal spielen, Lebensinhalt fann die Liebe für Billy nicht sein, Lebensinhalt bleibt für ihn die Arbeit.
Träumereien und Rehpinscher.
Anita und Billy haben in Hamburg in einer Artistenpension je ein Zimmer bezogen.
Auf dem Heizkörper in Anitas Zimmer, auf dem Heizförper in Billys Zimmer und auf den Heizkörpern im EBzimmer, das zugleich das sogenannte Empfangszimmer ist, liegen Billys weißgefärbte Lassos, um zu trodnen.
Jetzt geht es ins Barieté- Engagement. Die Aufmachung muß eine glänzende sein, das weiß Billy. Auf die Aufmachung tommt hier nicht nur viel, sondern alles an.
Sonst haben Anita und Billy es eigentlich verhältnismäßig leicht. Sie fommen aus Amerika , sind noch frische Importen und die Direktoren sind ohne weiteres zu Engagements bereit. ( Fortsetzung folgt.)