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BERLIN Freitag 12. Februar 1932

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B 36

Der Abend

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Spätausgabe des Vorwärts"

49. Jahrgang

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Das ,, Militär- Kabinett"

Taktik und System der Schleicherei"

Die Mitteilung, daß das Reichswehrministerium dem Eintritt ausgesprochener Nationalsozialisten in die Reichswehr feine Ablehnung mehr entgegensehen werde, hat in den weitesten Kreisen des Volkes nicht nur peinlichstes Aufsehen erregt, sondern ruft auch lebhaften Protest hervor.

Diese neueste Maßregel des Wehrministeriums steht in einem schreienden Widerspruch sowohl zu den wiederholten Er­

klärungen des Reichswehrministers Groener wie zu den Er. klärungen des Reichstanzlers vom 8. Dezember und zu den Entscheidungen des Reichsgerichts vom 10. Februar und 30. Sep: tember 1931. In den erwähnten Erklärungen und Gerichtsentschei dungen ist der staatsfeindliche Charakter der National­ ſozialistischen Partei ausdrücklich betont worden. Und das mit Recht. Allmöchentlich erklären in Hunderten von Versammlungen, Flug schriften und Beitungsartikeln die Nazis, daß sie, einmal zur Macht gelangt,

diesen Staat zerschlagen

marben und daß sie auch Träger dieses Staates zur blutigen Berant wortung siehen wollen. Um den täblichen has gegen ben heutigen Staat bis zur Sicdehize und bis zum Bar. brechen gegen den Staat zu steigern, ist den Nazis in Wort und Schrift teine Beschimpfung des heutigen Staates gemein genug. Wegen Betätigung nationalsozialistischer Pros paganda murde einigen Reichswehroffizieren der Prozeß gemacht und sie wurden aus der Reichswehr entfernt. Jest mit einemmal sollen den Nazis die Tore zur Reichswehr offiziell geöffnet werden! Es handelt sich dabei nicht nur um einen Kurswechsel im Reichswehrministerium selbst, es handelt sich auch um eine er ausforderung gerabe der Kreise, die soeben dabei sind, unter persönlichen Opfern und Mühen die Straft des Staates zur Siche. rung der inneren Ordnung und Ruhe zu erhöhen. Dieser Streich des Reichswehrministeriums ist auch spekulativ darauf be rechnet, lähmend auf die Bewegung der Eisernen Front zu wirfen und, wir nehmen bas als sicher an, wenn möglich, die zwie trachtsfackel zwischen die Parteien zu werfen, die bis heute die Existenz des abinetts Brüning ermöglicht haben. Es handelt sich also auch um einen

Stoß gegen das Kabinett Brüning.

Als verantwortlicher Redakteur und intellektueller Ur­heber dieser Leistung ist der Chef des Ministeramts im Reichs­wehrministerium, Generalleutnant p. Schleicher , anzusprechen.

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v. Schleicher ist der allmächtige Mann im Reichswehrministe­rium, nicht erst seit Groener, er war es schon unter Geßler. v. Schleicher ist der Typ eines politisierenden Büro Generals, der in ganz felten rascher Weise Karriere gemacht hat. Das Kriegsende sah ihn als Oberleutnant heute ist er Generalleutnant. Seit seiner Leutnantszeit hat v. Schleicher über­haupt keinen militärischen Front dienst mehr geleistet; in der Ad­jutantur und im Bürodienst erschöpfte sich seine Tätigkeit. Blant man im Reichswehrministerium die Stelle eines( dann des pier ten) Generals im Range eines Generals der Infanterie zu schaffen, so ist die militärische Laufbahn des Herrn v. Schleicher in nicht allzu ferner Zelt beendet; denn zur Uebernahme eines militärischen Kom­mandos fehlt ihm die Ausbildung. Herr v. Schleicher , dessen Be­triebsamkeit eine sehr große ist, scheint nun für die Zeit vorzu forgen, wo aus Gründen des Avancements und vielleicht auch des Etats die militärische Bahn ihr Ende erreicht hat. Wenn seit Jahr und Tag gelegentlich immer wieder der Name des Herrn v. Schleicher bald als zukünftiger Reichswehrminister, ja, selbst als Reichskanzler oder als Mitglied eines militärischen Direktoriums ge­nannt wurde, dürfte Herr v. Schleicher in einem Falle davon überrascht worden sein. v. Schleicher hat seine Finger in allen Töpfen steden, die irgendwie für die Reichswehr erreichbar sind, und daß die Reichswehr ihre Finger sehr oft zum Schaden gerade der Außenpolitik auch in die politischen Töpfe steckt, dafür hat Herr v. Schleicher gesorgt.( Wenn Stresemann noch lebte, er fönnte interessante Dinge darüber erzählen.)

v. Schleicher ist der Mann der Harzburger. Mit ihnen will er in die nächste Zukunft gehen, sie mit ihm. Ban Schleicher weiß, daß die durch die Motverordnungspolitik be dingte ohnehin varhandene Spannung zwischen dem Kanzler und der Sozialdemokratie fich verschärfen muß, wenn der Kanzler die Brüstierung der republikanisch- bemokratischen Bolfskreise deckt: von Schleicher weiß, daß die Sozialdemokratie in einen scharfen Gegenfats auch zum Reichswehrminifter Groener geraten muß wegen

Rüstungskapital und Faschismus

Schneider- Creuzot fubventioniert Hitler

Eine Hauptaufgabe im Kampf der Sozialisten aller| Waffen nach Japan und vielleicht auch nach China . Der jezige Länder gegen Kriegstreibereien und Kriegsgefahr ist die französische Marineminister Dumond ist Aufsichtsratsvorsitzender Aufdeckung der internationalen Versppung und der Ver- dieser Bank! schwörungen des Rüstungskapitals. Diese Aufgabe hat ich in der Donnerstagütung der französischen Kammer der sozialistische Abgeordnete von Le Creuzot, dem Si der Rüstungsfirma Schneider- Grenzot, der Sozialist Baul Faure, unterzogen.

Er hat schon jüngst auf seiner Berfammdungstour durch Deutsch land von der Berbindung Schneider- Creuzet mit den tschechoslomali fchen Rüftungswerten von Staba in Büfen davon gesprochen, baß beurische Direttoren dieses Werks zu den Geldgebern der Sitterbewegung gehören. In feiner gestrigen Rammer eh hat Paul Baurs dies miederholz und hinzugefügt, daß auch bie bel Schneiber- Creusot beteiligte Union Européene Industrielle et Financiere" die Sitterpartei fubventioniert. internationalen tapitalistischen Zusammenhänge der Rüstungs. Darüber hinaus madte Faure michtige Mitteilungen über die industrien. Ber bei Creuzot touft, erhält Kredite in gewünschter Höhe. Merito, Südflawien, Rumänien , Polen , die Türkei , Japan und auch Ungarn gehören zu den Beziehern und Schuldnern. So habe der gewesene ungarische Ministerpräsident Graf Bethlen Der Vorsitzende der B33. Quesnay hat ihn den größten Schwindler eine solche Anleihe er­und Fälscher des Jahrhunderts" genannt halten, wodurch die Ungarische Kreditbank saniert merden sollte, zumal Schneider- Creuzot und die Banque de l'Union Parisienne" an ihr beteiligt sind. Ein Vertrauensmann Schneider- Creuzots, der Pariser Bankier Neuflize, gehört dem Aufsichtsrat der Ottomanis schen Staatsbank und dem der Argentinischen Hypothekenbank an, was in einer großen Waffenlieferung nach Argentinien seine Auswirtung gefunden hat.

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Neuflize gehört zufammen mit Krupp der Leitung verschiedener polnischen Unternehmungen an.

Haben Schneider- Creuzot und Krupp in der Borkriegszeit für Ruß­ land zusammengearbeitet und die Petersburger Butilow. Werte betrieben, fo geschehe das gleiche heute in Polen . Durch die französisch- japanische Bank liefern Schneider- Creuzat und Stoda

der Kapitulation vor den Nazis Herr n. Schleicher kennt und er mill diese Wirkung, um Hitlers und um hugenbergs willen. Können und dürfen die Parteien, die bisher das Kabinett Brüning zur Abwendung schwer drohender innen und außenpoli­tischer Gefahren gehalten haben, sich die Sabotage und die Quertreibereien gefallen lassen? Wir fagen: Nein! Der Reichswehrangehörige ist zum Schuge der Verfassung verpflichtet durch seinen Diensteid. Nimmt man in der Reichswehr ganz auss gesprochen Leute aus einer Partei auf, die täglich diese Berfaffung schmähen und ihre Zerschlagung offen propagieren, dann werden diese verfaffungsfeindlichen Kreise von Regierungs wegen geradezu gestärkt, das Ansehen der Berfassung herabgewürdigt und das Ber­trauen zu dem Staat aufs schwerste geschädigt.

Darum: Fort mit der Schleicherei" im Reichswehrministerium! Reichswehrminister Groener hat bei der Uebernahme des Amts in einer programmatischen Rede dargelegt, daß er es als seine besondere Aufgabe betrachte ,,, die

Reichswehr aus der politischen Dredlinie herauszubringen". Und nun sehen wir in der Pragis an einem eklatanten Fall das genaue Gegenteil. Der General und Reichsmehrminister Groener ganz offensichtlich in ben Händen des Herrn v. Schleicher , dieses Bildchen hat in der Reihe unerfreulichster Erscheinungen der legten Zeit gerabe noch gefehlt. Dazu tommt noch, daß die Presse der Harzburger ihre große Freude über den Kurswechsel im Reichswehrministerium gar nicht zu verbergen vermag und daß dieser Tage der Extronprinz mit bem

Hier fiel der Budgetminister Pietri mit der Bemerkung ein, Dumond habe sicherlich" seinen Bosten niedergelegt. Aber Paul Faure war noch nicht am Ende. Er legte der Kammer zwei Aus­führerlaubnisse für Schneider- Creuzot vor: die eine für Bulver an die Gemehrfabrik in Leipzig , die zweite für noch größere Mengen Spezialpulver an Paul Capit in Balmrain bei Lörrach in Baben. In allen drei Fällen sind es geheime französische Striegspulber, teils für Gemehrpatronen, teils für Artillerie­gefcoffe. Faure fügte hinzu, daß die nach Leipzig gefchickte Bulver­menge zu Botronen für 3 a pan bestimmt set. Schließlich bedte der Rebner noch die beabsichtigte Gewährung einer französischen Anleihe pan 3 Milliarden Lei an Rumänien auf.

Der größte Tell der Pariser Presse demonstriert seine Abhängig. felt vom Rüstungstapital dadurch, daß er die sensationelle Rede Paul Faures tofschweigt

oder höchstens die nicht mehr ganz aftuellen Stellen abdruckt, die sich auf Schneider- Creuzots Borfriegsbeziehungen zu dem deutschen Kaifer, dem bulgarischen Zaren und dem türkischen Marineminister - also den Weltkriegsfeinden Frankreichs erstreckt haben! Allein der sozialistische Populaire" bringt diese Rede ausführlich. Berstaatlichung der Rüstungsindustrie gefordert. Paris , 12. Februar.( Eigenbericht.)

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Die fozialistische Kammerfraktion hat ihre Abgeordneten La font und Renaudel am Donnerstag beauftragt, einen Gesegesvorschlag einzubringen, in dem die Verstaatlichung der Waffen- und Munitionsfabriken und bis zur Durchführung dieser Maßnahme eine Fabrikationskontrolle verlangt wird Jn bezug auf die zur Zeit in der Kammer stattfindende Budgetdebatte wurde beschlossen, möglichst feine Abänderungs­anträge zu stellen und die Zahl der Redner zu beschränken. Die

Fraktion hat sich ferner darüber geeinigt, ihre Opposition gegen die Wahlreformvorlage der Wahlrechtskommission fort­zulegen. Die Abgeordneten Brade und Renaudel sollen während der Debatte einen Gesetzesvorschlag über die Einführung, des Frauenstimmrechts einbringen. Schließlich ist der Ere­

Reichstanzler Dr. Brüning beim General v. Schleicher gemeinsam gefrühstückt hat. Dieses Frühstück wird gleichfalls start beachtet, zumal einige Blätter glauben berichten zu können, die Unterhaltung bei diesem Frühstück habe sich vorwiegend um die militärische Erziehung der Jugend gehandelt.

Wie auch aus diesen Nachrichten hervorgeht, bemüht sich General p. Schleicher in start auffälligem und eifrigem Maße, Mittelpunkt des innerpolitischen Geschehens zu werden. Aus den bitteren Erfahrungen heraus missen mir zur Genüge, daß in Deutsch­ land politisierende Generale noch stets Unheil ange richtet haben. Herr v. Schleicher ist eben mitten in dieser Tätig feit begriffen, und der Herr Reichskanzler dokumentiert seine Stellung zu der politischen Geschäftigkeit des Reichswehrgenerals burch ein gemeinsames Frühstück mit dem Erfronprinzen und dem General! Georg Schöpflin , M. d. R.

Aussprache mit Groener.

Der geschäftsführende Borsigende des Reichsbanners, Hölter­mann, hatte gestern gemeinsam mit dem Abg. Lemmer eine Unterredung mit dem Reichswehrminifter Groener über die be­leidigende Zusammenstellung des Reichsbanners mit den National­fozialisten in dem bekannten Groener- Erlaß.

Der Bundesvorstand des Reichsbanners wird sich außerdem schriftlich an den Reichswehrminister wenden und zugleich eine Unterredung mit dem Reich stanzler nachsuchen, unter dessen politische Verantwortung der Reichswehrerlaß fällt.