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BERLIN Montag 15. Februar 1932

Der Abend

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Nr. 76

B 38 49. Jahrgang

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Hindenburg kandidiert wieder!

Eine öffentliche Kundgebung des Reichspräsidenten

Reichspräsident von Hindenburg gibt auf die an ihn in den letzten Tagen gerichteten Auf­forderungen und Anfragen öffentlich folgende Antwort:

,, Nach ernster Prüfung habe ich mich im Bewußt. fein meiner Verantwortung für das Schicksal des Waterlandes entschlossen, mich für eine etwaige Wiederwahl zur Verfügung zu stellen. Der Umstand, daß die Aufforderung hierzu an mich nicht von einer Partei, sondern von breiten Volksschichten ergangen ist, läßt mich in meiner Bereitwilligkeit eine Pflicht erblicken. Sollte ich gewählt werden, so werde ich auch weiterhin mit allen Kräften dem

Waterlande treu und gewissenhaft dienen, um diesem nach außen zur Freiheit und * innen zur Einigung Gleichberechtigung, und Aufstieg zu verhelfen. Werde ich nicht ge wählt, so bleibt mir dann der Vorwurf erspart, meinen Posten in schwerster Zeit eigenmächtig ver­lassen zu haben.

Für mich gibt es nur ein wahrhaft natio nales Ziel: Zusammenschluß des Volkes in seinem Existenzkampf, volle Hingabe jedes Deutschen in dem harten Ringen um die Erhaltung der Nation! Berlin , den 15. Februar 1932.

gez. von Hindenburg.

Der Reichspräsident empfing heute vormittag den Reichskanzler Dr. Brüning zum Vortrag.

Stahlhelm für Hindenburg . Aber nur unter Bedingung des Kurswechsels. Am Sonntag waren die Landesführer des Stahlhelms in Berlin zur Besprechung der Frage der Reichspräsidentenwahl versammelt. Die Aussprache ergab in voller Einstimmigkeit, daß der gesamte Stahlhelm wie im Jahre 1925 zum Einsatz für den Generalfeldmarich von Hindenburg bereitsteht, wenn eine aus­reichende htbare Vorsehung für einen Kurs wechsel geschaffen wird. Dem Herrn Reichspräsidenten ist dieses Ergebnis zur Kenntnis gebracht worden.

Kyffhäuserbund bleibt freu! Reichspräsident von Hindenburg empfing heute den Präsi Des Rechttriegerbundes" Kyffhäuser ", General v. Horn, der ihm erneut das Vertrauen und die Treue der im Kyffhäuserbund vereinigten alten Soldaten zum Ausdruck

denten

brachte.

Adolfs Weg zur Macht

Reichs­präsident

Professor für angewandte Pädagogik

Professor der schönen Künste

Gendarm

Die letzte Sufe ift etwas hoch ausgefallen!

Hilfe für Hitler.

Kommunisten forgen für Naziwahl.

Frankfurt a. M., 15. Februar.( Eigenbericht.)

In dem bei Frankfurt gelegenen hessischen Städtchen Neu- Isenburg wurde am Sonntag der nationalsozialistische Kandidat in der Stichwahl mit 2772 Stimmen gegen 2646 sozial­demokratische Stimmen zum Beigeordneten gewählt. Die für den kommunistischen Kandidaten abgegebenen 996 Stimmen find ungültig.

Im ersten Wahlgang hatten die Nazis 2300, die Sozialdemo­fraten 1700 und die Kommunisten 1300 Stimmen erhalten. Eine nähere Prüfung dieses interessanten Wahlergebnisses ergibt, daß immerhin 300 kommunisten, also rund ein Viertel, der Parole ihrer Partei nicht gefolgt sind, daß jedoch die Sozialdemokratie über diese 300 fommunistischen Stimmen hinaus 650 Stimmen aus eigener Kraft gewinnen konnte. Da der Vorsprung des Nazimannes nur 126 Stimmen beträgt, ergibt sich fiar, daß nur das eigensinnige 900 KPD. - Stimmen und dadurch den Sieg des Hakenkreuzlers her­beiführte. In der Arbeiterbevölkerung herrscht ungeheure Er­bitterung über diesen neuesten Berrat der Kommunisten.

Wels über die Präsidentenwahl. efthalten an einer eigenen Kandidatur die Ungültigkeit der

Nur ein Ziel: Niederlage des Faschismus.

Frankfurt a. d. O., 15. Februar( Eigenbericht.) Der Führer der deutschen Sozialdemokratie, Genosse Otto Wels . sprach am Sonntag in Frankfurt a. d. D. auf einer Be­zirkskonferenz der sozialdemokratischen Organisationen für den Bezirk Frankfurt , Lebus , Ost- und Westfpremberg über die politische Lage. Wels befaßte fich dabei u. a. mit der Reichspräsidenten­wah! und führte dazu aus: Es gelte jetzt, alle Kräfte zu­sammenzufaffen, wie es bei dem Aufmarsch der Eisernen Front bereits geschehen sei, und zwar zur Sicherung der Demo­fratie, der wirtschaftlichen Entwidlungsmöglichkeiten der Arbeiter flaffe und für den europäischen Frieden. Der Kampf um das Reichs. präsidentenamt werden von den Nationalsozialisten in sachlicher und persönlicher Beziehung hemmungs- und rücksichtslos geführt werden. Für die Sozialdemokratie gebe es in diesem Kampf nur ein 3iel: dem Faschismus in Deutschland eine Niederlage zu be reiten, die seinen in- und ausländischen Geldgebern die Lust zu meiteren Kapitalsanlagen in Braunen Häusern für alle Zeit ver­leidet

Noch nicht!

Die Hitlerschiebung läßt auf sich warten. Braunschweig , 15. Februar. Minister Klagges teilte heute mit, daß die Meldung eines Ber­ liner Montagsblattes über eine bereits am Freitag voll zogene Ernennung Hitlers zum Professor für angewandte Bädagogif" an der Technischen Hochschule Braunschweig nicht den Tatsachen entspreche.

Die Rache des Gendarmen.

Weimar , 15. Februar.

Die nationalsozialistische Fraktion des Thüringer Landtags erklärt, daß sie an den Beratungen des Landtages bis auf weiteres nicht mehr teilnehmen werde. Die Reise des Staatsministers Baum zum Reichsinnenminister in Sachen der Er

nennung Adolf Hitlers zum Gendarm von Hildburghausen und die damit verbundene Bloßstellung des ehemaligen Innen­ministers Dr. Frid wird als Grund angegeben.

Siegfried Weinberg

Am Sonntagnachmittag ist Rechtsanwalt Genosse Dr. Sieg­fried Weinberg einem heimtüdischen Gallenblasenleiden er­legen.

Dr. Weinberg, der am 3. Dezember 1880 in Magdeburg ge­boren wurde, stand im 52. Lebensjahr. Sein Tod fommt allen, die ihn fannten, völlig überraschend und wird von Partei und Gewerk­schaften, um die er sich besonders als juristischer Berater sehr ver­dient gemacht hat, außerordentlich schmerzlich empfunden. Genosse Weinberg gehörte zu den Kämpfern der Sozialdemokratie, die schon in ganz jungen Jahren ihr Bekenntnis zum Sozialismus abgelegt haben. Er hatte in Bonn und Genf Rechtswissenschaft studiert, war, faum großjährig geworden, der Partei beigetreten und hatte sich 1909 als Rechtsanwalt in Berlin niedergelassen. In zahllosen poli­tischen Prozessen hat, er oft in uneigennüßigster Weise die Inter­effen der Gewerkschaften, besonders des Metallarbeiterverbandes und bes sozialdemokratischen Bezirksverbandes vor Gericht vertreten.

Im April 1918 entsandte ihn das Bertrauen der Berliner Parteigenossenschaft in das Stadtparlament, wo er sich durch seine juristischen und fommunalpolitischen Renntnisse weit über die Kreise seiner Parteifreunde hinaus die Achtung und das Vertrauen der Stadtverordneten erwarb. In der sozialdemokratischen Stadt­berordnetenfraftion reißt sein Tod eine Lücke, die nur schwer auszufüllen sein wird. In der Stadtverordnetenverfamm­lung setzte er sich in ganz besonderer Weise für die Förderung der Künste durch die Stadt ein. Es gab in der Kunstdeputation feine Vorlage, die ohne seine Mitarbeit zustande gekommen wäre. Auch um den Ausbau der Städtischen Oper hat er sich als Mitglied ihres Aufsichtsrats sehr verdient gemacht. Die Berliner Stadt­bant betrauert gleichfalls das Hinscheiden eines ihrer Aufsichts­ratsmitglieder. In seinen Mußestunden war Genosse Weinberg ein leidenschaftlicher, still für sich wirkender Marg Forscher. Der Tag, an dem die Stadt Berlin Karl Marg durch die Anbringung einer Gedenktafel an dem Hause Mohrenstraße 17/18 ehrte, zählte zu seinen schönsten Erinnerungen. Damals, am 31. August 1929, hielt Siegfried Weinberg bei der schlichten Enthüllungsfeier eine Rede auf Karl Mary, die von seiner tiefen Verehrung für den großen Sozialisten durchdrungen war.

Zweierlei Deutschtum.

Patriotismus mit doppeltem Boden.

Das gewaltsame Vorgehen Litauens gegen das deutsche Memel ist für unsere Ueberpatrioten ein Anlaß, sich in friegerischen Redensarten zu überschlagen. Natür­lich darf dabei auch der Angriff" des fleinen Goebbels nicht fehlen. Er schreibt in seiner Nr. 32 vom 12. Februar 1932 in einem Dr. v. L. gezeichneten Artikel:

,, Das Maß ist voll! Die schlimmsten Befürchtungen find ein­getroffen... Was hier geschehen ist, ist der frech st e Rechtsbruch, der in den letzten Jahren gegen Deutschland begangen worden ist. Das Memelland hat im ganzen 147 000 Einwohner, von diesen sind nach der Zählung von 1925 110 000 Deutsche und nur 37 000 Litauer. Das Land ist also deutsch ... Die Zeit der Zauderei ist nun wirklich vorbei. Wir fordern, daß die ostpreußische Reichswehr­division zur Herstellung der Rechtslage das Memelland befeht."

Man sieht den fleinen Goebbels bereits im Stechschritt an der Spitze der ostpreußischen Reichswehrdivision die Grenze nach Memel überschreiten! Aber wie denn: Hat nicht der große Ofaf Adolf Hitler in einem ganz ähnlichen Falle die direkt entgegengesette Haltung ein­genommen? Damals handelte es sich um Südtirol . Am genommen? Damals handelte es sich um Südtirol . Am 30. März 1927 erklärte Hitler in einer Versammlungsrede in

München :

,, Wer hat die Stirne, für 170 000 Deutsche in Südtirol 300 000 Deutsche auf dem Schlachtfelde zu opfern?"

Alfo für 110 000 Deutsche in Memel soll die Reichswehr einen friegerischen Konflikt provozieren, der auch Polen und Frankreich gegen uns mobil machen würde, aber die 170 000 Deutschen in Südtirol sollen nach Hitler teinen Schuß Pulver wert sein! Woher dies zweierlei Maß der national­