Fix: Bayerischer Bilderbogen
Wenn der Norddeutsche von Bayern spricht, meint er im| allgemeinen das Bayern südlich der Donau , oder, genauer be= zeichnet, München und sein Hinterland. Boshafte Leute behaupten, bei Erschaffung der Menschen habe der Schöpfer vergessen, die Bayern zu hobeln und zu polieren. Das stimmt aber feineswegs. Die waschechten Bayern sind ganz handsame Leute, mit denen sich umgehen läßt. Und was da alles über„ Preußenhaß" gefabelt wird, ist halb so wild. Mag die bayerische offizielle Politit auch ihre besonders betonte eigenstaatliche" Färbung haben, die Bayern selbst sehen den Norddeutschen recht gern, zumal jetzt, wo der Fremdenstrom bedenklich abebbt. Der Fremdenverkehr spielt im wirtschaftlichen Leben Südbayerns eine recht bedeutende Rolle, und da kann man das Schimpfen auf die„ Saupreißen" schon gar nicht brauchen. Im übrigen führt jeder Münchener Schuhmann das Gerede über den Breußenhaß ad absurdum. Die dunkelblau berodten Hüter der Ordnung haben sich nämlich eine echte und rechte preußische Bidelhaube über den Kopf gestülpt und dementieren damit in persona alles antipreußische Gerede. Und diese Bickelhaubenbewehrten sind gar gemütliche Leute.
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Am Marienplag, der seine einstige beschauliche Geruhsamkeit längst verloren hat und von Straßenbahnen, Autos, Motorrädern und sonstigen Berkehrsvehikeln gar wimmelig belebt ist, wird ein bayerischer Ordnungshüter von ein paar Norddeutschen angesprochen: ,, Entschuldigen Sie, Herr Wachtmeister, tönnen Sie uns nicht sagen, wo hier etwas los ist...?" Es war schon nicht mehr ganz früh am Abend. Naa", sagt der Pickelhaubenmann ,,, dös kann i net." ,, Aber, Sie sind doch Berkehrsschuhmann", beharren die Fremden, ,, und wir sind doch gewissermaßen ein Stück Fremdenverkehr, da müssen Sie uns doch Auskunft geben können." Darauf der Schuß mann: Ja, Austunft tann i scho ge'm. Aba nur über andere Sachen jetzt lacht er übers ganze Geficht wie ein Honigfuchenpferd und fügt verschmitt hinzu, aba den Verkehr, den wo Sie moane, für den bin i net da..." Das ist Münchener Gemütlichkeit. Nun müßte die Sache aber nicht in München gewesen sein, wenn sich, da ein Schuhmann von vier Leuten umringt war, nicht gleich noch ein halbes Dutzend dazugestellt hätte. Hilfs bereit, wie der Münchener nun einmal ist, bietet sich gleich einer an, Die verweigerte Auskunft zu geben. ,, Was möchtens denn miss'n...?" ,, Könnten Sie uns nicht sagen, wo wir was erleben tönnen...?"" Ja", meint der Bayer, dös tönnen's leicht ha'm. Da gengens jegt pfeilgrad ins Hofbräu, stellens Eana auf an Tisch und singen:„ Ich bin ein Preuße, fennt ihr meine Farben"; da garantier' i Eana, nacpert fönnens was erleben!" Die übrige Korona lacht, und unsere Preußen haben lieber darauf perzichtet, die Probe aufs Erempel zu machen. Sie ergaben sich statt dessen dem Studium der Bierologie und haben
dabei sicherlich auch allerleihand erlebt.
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Am Vormittag trifft man sich, wenn man fremd in München ist, im Hofbräu. Unten ist die Schwemm". Das ist nur etwas für die Eingesessenen. Man trintt das Bier aus großen Maß trügen figt dabei in einem verräucherten Lokal; die Luft ist so did, daß man zwei daraus machen könnte, und Bierdunst liegt über allem. Zwischen den Stuhl- und Bantreihen segeln mahlbeleibte Kellnerinnen, die in jeder Hand etwa sechs Maßtrüge tragen. Hinterbrein fommt das Wassermädel, in jeder Hand ein paar Teller mit Weißmürsten. Aber die Weißwürfte gibt's auch oben im ersten Stod in der Trintstube, allmo die Fremden sich meist niederlaffen. Hier hört man alle deutschen 3ungen flingen. Sächsisch, Berlinerisch, Schwäbisch , Hamburgisch und wer meiß, mas für Dialette noch. 20s am Tische neben uns eine Berlinerin Weißmitrste bestellt und die Kellnerin fragt 21 Hells ober a Dunkels bagu?" und die Berlinerin meint: Nein, ich trhle eine Himbeer Jimonabe, ba hatte nicht viel gefehlt, und die 3enzl mare in Ohnmacht gefallen. D, Jeffes, Marie and Josef! Gibt's denn
dos aa? Himbeerlimonade zu die Weißwürscht! So was tönnens bei uns net ham. Aba a Springerl bring i Eana." Limonade zu Weißwürsten ist für den Münchener eine Schändung feines Heiligtums.
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Wir erfundigten uns nach dem ,, Braunen Haus " und betamen bereitwilligst Auskunft. Ueber den Odeonsplaz sollten wir gehen, die Brienner Straße hinunter, dann an dem großen Obelisten vorbei. Wissens, der hat an jeder Ede an großen Schafskopf am Sockel. Dös is aweng die Schafstöpf. die wo mit'n Napoleon feinerzeit nach Rußland sind und elendiglich derfrorn fan. Also, da gengens vorbei und immer gradaus! Dann feh'ns schon die pielen feinen Autos vor an großen Haus. Dos is dos „ Braune Haus ". Jetzt wußten wir's. Also dort, wo die vielen feinen Autos stehen, deren Befizer beim Osaf Besuch machen, ist das Haus der Nazi- Arbeiterpartei. Daher auch der Name NSDAP . Nationalsozialistische Deutsche Auto Partei.
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In München haben übrigens die Nazis nicht viel zu melden. wird. Das scheint symptomatisch zu sein. Der Hitler - Rummel ist Man hört recht saftige bayerische Wize, mit denen Hitler derblect" hier schon zu alt. Er zieht nicht mehr. Man hört immer nur die gleichen Phrasen, die man allgemach schon fennt. Schließlich hat der Münchener auch nicht vergessen, daß Hitler 1923 ausgefniffen iſt, als sein Butsch niedergeschlagen wurde. Versammlungsstörungen gibt's in München schon lange nicht mehr. Einmal sprach Mücke in München . Ueberfüllter Saal. An einem Tische fißt ein Dußend Nazis. Die Reichsbannerkameraden haben's schon g'ipannt. Sie umstellen unauffällig den Tisch. Da werden unterm Tisch ein paar Stinkbomben aufgetreten. Webler Duft zieht auf. Die Nazis wollen sich langsam einer nach dem anderen ,, perfrümeln". Aber da werden fie pon fräftigen Reichsbannerfäusten wieder auf die Stühle gedrückt. Jetzt fann niemand raus. Das würde stören." Die Nazihelden müssen noch über eine Stunde in ihrem eigenen Gestank fizen bleiben.
Die Bahn führt uns nach Mittenwald , dem Geigenbauerdorf. Es ist jetzt ruhig dort. Wenig Fremde, und den Geigenbauern geht's schlecht, sehr schlecht sogar. Wir wandern zwischen Wetterstein und Karwendelgebirge. Brachtvolle winterliche Alpenwelt. Einmal famen wir über die Tiroler Grenze. Auf bayerischer Seite steht eine gußeiserne Grenztafel. Sie ist weiß gestrichen; das bayerische Wappen und die Beschriftung sind reliefartig in die Tafel gegoffen. Die Königskrone über den beiden Löwen hat man befeitigt. Es hat sich also offenbar schon herumgesprochen, daß Deutschland eine Republik ist. Aber die Schrift verkündet noch freuzfidel, önigreich Bayern ". Damit aber niemand Anstoß nehmen tann, ist der König " mit weißer Delfarbe gestrichen, wie die übrige Tafel, während der Rest der Schrift schwarzlackiert fundtut, daß hier das reich Bayern " beginnt.
Im Winterkurort Garmisch- Partenkirchen stehen am Bahnhof zahlreiche Autos und Flaker. Die Chauffeure und Kutscher stehen auf einem Klumpen zusammen und bereden die schlechten Zeiten. Drei oder vier stürmen auf uns zu und wollen uns irgend wohin fahren. Wir wehren ab, tommen ins Gespräch. Is scho a G'frett, dös Jahr, daß toani Fremd'n temma." ,, Ja, die Wirt schaftskrise wirkt sich halt auch im Fremdenverkehr aus." A wos, Wirtschaftskrise. Schafti- Quasti! Die Leit, die wo zu uns nach Garmisch femma, die ham allweil no a Geld. An Schnee sollt ma ham, dann temma d'Leit scho ,, Jegt wird's ja bald Frühling und Sommer; dann tommen schon wieder Fremde."- 2, bis dahin is no lang. Aba nächste Woch'n pird's besser. Da femma 1000 Konditor So, be funditorennerband hat Nad, die ham ma b'ftellt zum Schallenbes Gelächter balehrt mich, daß ich auf einen bayerischen Scherz hereingefallen bin. Und da sol mir noch einer sagen, daß die Bayern nicht gemütlich find.
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hier wohl eine Zagung? Schneeschlag'n..
,, Her mit den Ramsch, dat ist all min!"
Na tom man' n beten, dat möt allens fin Ordnung hebben." Jan Bertagen fah mit gierigen Augen, mie fein Geld bedächtig gezählt und dann ganz langfam, fast behutsam, über den Tisch hinmeg ihm zugeschoben wurde. Dann griff er hastig zu, steckte aber schließlich seinen Geminn zögernd in die Tasche.
Er facte in sich zusammen.
,, Süt is ut mit dat Speelen, will na hus gahn." Jan Bertagen stand auf, nahm seine Mühe. ,, Na dann gah man, verget man nicht dat Weddertamen." Jan aber ging nicht heim. Er wandte seine Schritte zum Hafen. Die Spielleidenschaft war verflogen. Der fühle Wind umspielte sein Haar. Sam hatte er wieder Geld, mehr, als er hoffen konnte. Der Teufel hate es gut mit ihm gemeint. Nun fonnte er sich wieder ftreden, fonnte wieder etwas anfangen.
Die Masten tanzten im Mondlicht sachte Kreise. Dunnerflag, dat wer mat for mi."
Jan blidte tiefsinnig zu dem alten Gaffelschoner hinüber, der munt schon seit Menschengedenten im Hafen lag. Den sollte man mieder einmal mit der Nase in den Wind fahren.
Entschlossen ging er denselben Weg zurüd, den er gekommen war. Seine Kumpane faßen noch in der Kneipe.
Hallo, Jan hett noch nich allens webber verlorn, hei will wedder speeren."
,, Nee, bat gerad nich," antwortete Jan. ,, Aber mit di, Christian, will id een Geschäft maken."
Christian ging mit Jan in eine Ede, und beide flüsterten erregt miteinander. Während die ganze Kneipe im Dunst versant, beobochteten viele neugerige Augenpaare, mas nun werden würde. Endlich sah man, wie Jan in Christians Hand hieb. Der reichste Mann am Ort hate mit einem, der vor einer fnappen halben Stunde noch arm war wie eine Kirchenmaus, der kaum den Einsatz zum Spiel aufbringen fonnte, einen Handel abgeschlossen. Von diesem Augen blid an war Jan Schiffseigner. Der alte Gaffelschoner hate wieder einen Kapitän.
Christian rieb sich vergnügt die Hände. Der gute Jan sollte sich wundern. Mit dem Kahn fonnte er teine Meile meit jegeln. Der war taum als Brennholz zu verwenden.
Das jah Jan selber ein, als er am anderen Morgen bei hellem Sonnenschein an Bord gegangen war und den alten Kasten untersucht hatte. Christian hatte ihn gehörig angeschmiert. Na tom, Pömmt Lib, tömmt Rat, bat mar id bie betalen
Jan richtete sich häuslich ein. In der Kleinen Kubine war Plaz genug für ihn. Er fungerte wieder wie einst im Hafen herum, bettelte hier ein wenig, handlangerte dort ein bißchen. Aber er spielte nicht mehr. Dem reichen Christian ging er aus dem Wege und wo das nicht möglich war, begrüßte er ihn, als ob er nicht wüßte wie er betrogen worden war.
Jan wurde sparsam. Als der Sommer fam, hatte er ein hübs sches Sümmchen beieinander. Miete hatte er nicht zu zahlen. Das bißchen Effen brachte er auch ohne große Ausgaben zusammen. Eines Tages hantierte Jan mit Hammer und Säge. Er befferte an dem alten Schoner allerhand aus.
Jan will in See gehn," lachten die Leute. Dann pinselte Jan meisterhaft, so daß der Schoner in der Tat schmud aussah mie ein merftneues Schiff.
„ Geschickt is de Jan," sagten die Leute, dat möt em de teid laten." und alle waren neugierig. Aber alle ihre Erwartungen wurden übertroffen. Jan tat etwas, an das feiner in der Stadt und sieben Meilen in der Runde gedacht hatte: Jan murde Gastwirt an Bord seines Schiffes. Die Konzeffion hatte er in der Tasche. Die Leute tamen, seinen Kram zu befehen. Sie fonnten Bier und Grog, Tee und Staffee haben. Abends leuchteten buntfarbige Lampions über das Deck und spiegelten sich im leisen Wellenschlag des Hafens. Das war doch mal was anderes. Und wenn Jan noch dazu auf dem Schiffertlavier luftige Weisen spielte, die sie alle fannten und mitsingen fonnten, dann waren sie zufrieden.
Und Jan war auch zufrieden. Er wurde ein wohlhabender Mann, wenn er das Geschäft weiter betrieb.
Der Winter fah Jan als Einsiedler an Bord seines Schiffes. Sein Geschäft brauchte Sonne, Licht und warme Sommertage. Die falte Jahreszeit vertrieb die lustigen Gäste.
Bumeilen ging Jan an dunklen Abenden an Band, und wenn er heimtehrte, lächelte er verstohlen und pfiffig.
Der Sommer brachte wieder Leben in den Schiffsbetrieb. Jans geniale Einrichtung war an der Küste befannt geworden. Mancher Sommergast war, angelodt von Bampions und Musit, gleich am Ort geblieben. Alle Stuben waren vermietet. An Bord gab es jetzt Restauration und Tanzbetrieb. Die Sommergäste tanzten vergnügt mit den Einheimischen. Jan machte ein glänzendes Geschäft, und die Gastwirte der kleinen Stadt beschwerten sich über thn.
Abend für Abend tanzte auch des reichen Christians Tochter auf ben blankgescheuerten Schiffsplanten. Sie war ein hübsches, viel umworbenes Mädchen. Aber der Jan hatte es ihr angetan. Am liebsten tanzte sie mit ihm, der auch als Wirt hin und wieder für fte Zeit fand.
,, Mensch, Jan, die Dorothee, dat is mat für bi."
Jan guckte dann den Betreffenden von oben bis unten an, sagte aber fein Wort. Ein Küßchen in Ehren war ja schließlich nicht verboten. Bald mußte die ganze Stadt, daß zwischen Jan und der Dorothee nicht alles in Ordnung war.
Jeder sah, wie verliebt bie Dorothee in Jan war. Nur manchmal meinte der eine oder der andere, daß Jan sich wie ein Klog betrage, So ein Mädel, Donnerwetter.
Eines Tages wurde Christian in der Kneipe weidlich aufgezogen. ,, Een Prinzen wird die Dorothee ja wohl nu nich friegen, aber een
Schipper mit' nen morschen Kahn." Christian taumelte, als er nach Hause ging. Er ballte die Faust.
Dorothee ging feitdem mit verweinfen Augen umber. Aber eines Tages fuhr sie zu Jan und erklärte ihm, daß sie nun für immer bei ihm bleiben wolle.
Jan traßte fich hinter den Ohren. Er zog sein Gesicht in be dentliche Falten.
Am nächsten Tag lam Christian zu ihm. ich nicht gerufen. Wenn man seine Kinder nicht erziehen kann, muß Jan stand breitbeinig vor ihm. Die Dorothee," sagte er ,,, habe man eben felber die Verantwortung tragen."
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angewöhnt. Und dann war das auch ,, feiner". Jan fprach hochdeutsch. Das hatte er sich von den Kurgästen Christian drohte mit der Polizei.
Jan lachte ihn aus. Christian zog unverrichteter Sache ab. Er besprach sich mit dem Bürgermeister. Aber der fonnte ihn nicht helfen.
Da ging Christian wieder an Bord zu Jan.
Beide sprachen lange miteinander. Und endlich erreichte Christian, mas er wollte. Jan mußte weg. Und darum faufte er den alten Kahn zum doppelten Preis zurück und zahlte für die Aufgabe des schönen Geschäftes noch ein tüchtiges Stück Geld drauf.
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Unter diesen Bedingungen erklärte Jan sich großmütig bereit, abzureisen.
,, So, mein lieber Christian," sagte er, jetzt bist du angeschmiert. und dann grüß mir die Dorothee. Tut mir leid, das Mädel. Kann nich dafür. Hab aber felber Frau und Kinder. Wollte damals ein ehrlicher Schiffer werden. Du hast mich betrogen. Ich hab die Dorothee nicht gerufen. Sie muß sich schon bei dir bedanken. Na, denn_adjüs."
Jan ging von Bord. Die Stadt sah ihn nicht wieder. Christian aber sprach mit seiner Tochter wie einer, der eine schwere Sünde begangen hatte und nun büßen muß.
1. Hegeler: Tolenmasken
Gang durch eine große Sammlung
Prof. Dr. Friedenthal von der Universität Berlin hat eine Sammlung von Totenmasten zusammengestellt. Bon bedeutenden und interessanten Menschen werden seit einigen hundert Jahren die Totenmasten abgenommen, und es ist eine besondere Wissenschaft geworden, aus diesen Masten das herauszulesen, was man zu Leb zeiten in den betreffenden Menschen nur vermuten konnte. Denn jeder Mensch trägt eine Maste fein Leben lang, eine selbstgemachte. aber nicht immer undurchdringliche. Sobald sich in dem jungen Menschen die ersten Gefühle irgendwelcher Art, sei es Furcht, Scham, Reue, Liebe regen, dann setzt er eine Maste auf, spannt die Musfeln auf der Stirn, an den Schläfen, Augenbrauen, auf den Lippen
und Kinnbaden, zwingt das Auge in besondere Stellung, steift den Hals, preßt die Zähne aufeinander. Der Mensch wird älter, hat sich bei allen möglichen Gelegenheiten seine Maste so angewöhnt, daß aus ihnen im Laufe der Zeit eine Gewohnheitsmaske für den Alltag entsteht, die der Mensch dann für den Rest seines Lebens mit sich umherführt und die er nicht einmal im Schlaf mehr lüftet.
Rasch tritt der Tod den Menschen an, so rasch, daß keiner Zeit hätte, sich eine neue, eine schönere Maste zu besorgen. Das ist auch nicht nötig, der Tod löst alle Glieder, alle Muskeln, sie werden schlaff, fallen zurück in die Formen, die ihnen von der Natur angemiesen waren und aus denen heraus sie der Mensch drängte und preßte, um sich seine Lebensmaste zu schaffen. Um die Totenmaste braucht er nicht besorgt zu sein, fie formt sich von selbst. und erst dann erfennt man oft Züge im Gesicht eines Menschen, bie man im Leben an ihm vermißte, weil er fie zu gut zu berbergen mußte. Güte Spottfucht, Sinnlichkeit. Der Tod ist ein großer Stifler, menn er mill. Manche Gefichter faßt er zusammenfinfen, baß michts mehr einfallen farm, andere, bei denen es sich lohnt, nimmt er, formt die erfchlafftan Züge zu einer Schönheit, die einem Bildhauer, einem Maler unerreichbar ist.
Von großen Verbrechern und bedeutenden Menschen hängen bort die Masten nebeneinander, obgleich fie im Leben nichts miteinander zu tun hatten. Aber hier, wo der Tod seine Markierungen in die Gefichter geschnitten hat, ist es sehr schwer zu unterscheiden, ob Diese Maste einem Gauner oder jene einem Genie gehörte. So fann man zwischen den Masten des englischen Raubmörders Wash und des Bildhauers Danatello eine fabelhafte Aehnlichkeit feststellen. Von Revolutionären fallen Liebknechts Züge auf, daneben ist der feine Kopf Robespieres, der noch nicht der feinste war der französischen Revolutionäre.
Verändert sich der Mensch im Tode sehr? Nach den Masten zu urteilen ja, wenigstens in demselben Maße, in dem er bei Lebzeiten sich verstellte! Es ist oft schwer, von einer Maste zu sagen: Das ist der oder jener. Man hielt mir eine vor, ich riet hin und her, fünf, fechs Namen, schließlich war es. Wieland, auf den ich nie gekommen wäre. Manche Masken sind erkennbar, Ntegiche, dessen struppiger Bart und Augenbrauen selbst die ungeheuer groß und tief einfallenden Augen vergessen lassen, oder Menzel, dessen zerfnitterter, fleiner( nicht wie im Leben großer!) Kopf auffällt. Auch bei Richard Wagner fann man faum zweifelhaft sein. um men es fich handelt, vielleicht auch noch bei Voltaire , dessen Affentopf zu feinem anderen Menschen paẞt.
Bei den anderen ist es schwierig. Lange suchte ich nach Goethe, aber ich fand ihn nicht. Die wirkliche Totenmaste ist von der Idealmaste berart verschieden, daß man in dem etwas hohen Kopf mit wulstigen Brauen und nichtssagendem Mund niemals Goethe vermutet. Beethoven , dem es in den lezten Jahren gefundheitlich schlecht ging, ist nicht zu erkennen oder besser nicht mehr zu erkennen, Liszt ist nur durch seine vier großen Warzen zu agnofzieren.
Von den Verbrechertöpfen ist der des Frauenmörders Großmann intereffant burch die noch offenen Gehirnnähte, die bei anderen Menschen in frühester Kindheit schon zusammenwachsen.
Nur wenige Frauen haben sich zwischen die vielen Männer verirrt. 1. a. sah ich minna Cauer , die Frauenrechtlerin. Danach müßte ich annehmen, daß Frauen sich im Leben weniger verftellen als die Männer. Denn bei ihr merkt man zwischen Tod und Leben feinen Unterschied im Ausdruck. Die schönste Maske haben uns darum doch die Frauen geschenft, es ist die berühmte des, fiebzehnjährigen Mädchens, das vor Jahren in die Seine ging. 21s man sie auffischte, war ein Künstler dabei, der die Maske abnahm, und so ist uns dieses Lächeln erhalten geblieben, dieses Lächeln, bas nicht zu beschreiben ist.
Merkwürdige Gewichte. Bei den alten Römern herrschte der Brauch, beim Biegen von Waren immer Gewichte zu benüßen, die Den Waren, deren Gewicht sie bestimmen sollten, nachgebildet waren. So wurden zum Beispiel zum Wiegen von Schweinefleisch oder Fischen Gewichte in Gestalt fleiner Schweinchen oder Fische verwendet, während Gewichte für Knochen die Form von Rindertnochen besaßen Gelbst die Gewichte, mit denen Käse gewogen wurde, waren fleinen Käselaiben nachgeformt.
Zu Begräbniffen tletben fich die Chinesen immer in Weiß, während fte, wenn sie Hochzeit feiern, Schwarz tragen.