Morgenausgabe
Nr. 89
A 45
49.Jahrgang
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Dienstag
23. Februar 1932
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Und Hugenberg proklamiert Duefterberg.
Gestern nachmittag beschlossen die Deutschnationalen und der Stahlhelm für den Fall, daß Hitler fandidieren werde ,,, um auch die letzte nationale Stimme im Kampfe gegen das heutige System zu erfassen", gemeinsam den zweiten Bundesführer des Stahlhelms, Oberstleutnant a. D. Du esterberg, als ihren Kandidaten für den
ersten Wahlgang aufzustellen.
Am Abend teilte in einer nationalsozialistischen Bersammlung im Sportpalast Goebbels mit, daß Adolf Hitler als Kandidat für die Reichspräsidentenwahl aufgestellt werde.
Nachdem Dr. Goebbels in der Generalmitgliederversammlung der NSDAP . etwa eine Stunde gesprochen hatte, fam er auf die Präsidentschaftsfrage zu sprechen und erklärte dazu u. a.:
Als vor vier Wochen zum erstenmal in diesem Saale diese Frage aufgeworfen wurde, da standen spontan 15 000 Menschen auf und jubelten dem Namen unseres Führers zu. Heute, Parteigenossen, bin ich vielleicht der erste Glückliche, der Ihnen sagen darf, Hitler
wird unser Reichspräsident.
Bei diesen Worten brach im Saal minutenlanger Beifall aus, der sich in Heilrufe auflöſte. Dr. Goebbels fuhr dann fort: Ich weiß, Ihr seid Euch der Größe dieser Stunde bewußt. Ich weiß mohl, daß Ihr mich versteht, wenn ich sage, Hitler wird unser Reichs präsident, und nicht vorausschide, unser Kandidat. Denn wenn ich fage, er wird unser Kandidat, dann weiß ich auch, daß er unser Reichspräsident wird. Hitler selbst war in der Versammlung nicht anwesend.
das ist eine ganz flare
Hitler gegen Hindenburg Situation. Die Nationalsozialistische Partei segi alles, alle Stoji nungen des Faschismus, auf die Karte der Präsidentenwahl. Sie
will ein Plebiszit für die faschistische Diktatur, dem der faschistische Staatsstreich nachfolgen soll. Die Kandidatur Hitlers wird jedem
die Augen öffnen, der das noch nicht erkannt haben sollte!
Diese Kandidatur bereitet übrigens den Harzburger Bundes brüdern schwere Verlegenheiten.
Die Deutschnationale Bolfspartei und der Stahlhelm haben be schlossen, den zweiten Bundesführer des Stahlhelms, Duester berg, als Kandidaten zur Reichspräsidentenwahl aufzustellen, falls die NSDAP . Adolf Hitler als ihren Präsidentschaftskandidaten ausrufen werde. Dieser Beschluß zeigt, daß die Verhandlungen der Harzburger untereinander über eine Einheitskandidatur endgültig gescheitert sind. In der Hugenberg- Zeitschrift„ Das freie Deutsch
land" fonnte man noch vor kurzem lesen:
,, Die Frage, welche Partei in der nationalen Opposition den Kandidaten für die Präsidentschaft aus ihren Reihen bestimmen foll, ist nahezu müßig. Selbstverständlich die bei weitem stärkste Partei. Dabei muß es ebenso natürlich sein, daß gleichzeitig eine feste Aussprache über ein flar umrissenes Mindestprogramm getroffen wird, das nach dem Sieg in Angriff zu nehmen ist, auch darüber, von wem es durchgeführt werden soll."
Man sieht hier, daß nicht nur über die Personenfrage wochenlang innerhalb der Harzburger Front verhandelt worden ist, sondern auch über die Frage, was nach dem Siege eines Harzburger Randidaten zu geschehen habe. Die Herrschaften haben sich in drei wöchigen Verhandlungen über die Verteilung des Felles des Bären, den sie noch nicht erlegt haben, auseinandergeeinigt. So geht durch wesenlose Träume die beste Freundschaft aus dem Leime! Gie konnten sich weder über die fachlichen Fragen eines künftigen faschistischen Regimes noch über die personellen Fragen einigen. Sie wollten nicht nur einen Präsidentschafts
Parteivorstand entscheidet
Ueber die Frage der Reichspräsidentenwahl
Der Parteiausschuß der Sozialdemokra tischen Partei nahm am Montag ein längeres Referat des Parteivorsitzenden Otto Wels über die gegenwärtige politische Lage im Hinblick auf die Reichspräsidentenwahl entgegen. Der Parteiausschuß wiederholte einstimmig die dem Parteivorstand bereits erteilte Vollmacht, die endgültige Entscheidung zur Reichspräsidentenwahl zu gegebener Zeit von sich aus zu treffen.
Es gibt äußere Vorgänge, die bligartig den Charakter der gestern vollzogenen Sanierung der deutschen Großbanken schärfer beleuchten als alle Einzelschilderungen. Alljährlich, wenn die Großbanken ihre Abschlüsse vorlegen, laden sie die Vertreter der Presse zu erläuternden Besprechungen ein. Gestern fanden die Aufsichtsratssitzungen und Pressebesprechungen bei allen Berliner Großbanken am gleichen Tage statt, und, was das Entscheidende ist, sie gipfelten in einer Besprechung, die nicht mehr in den Büros der Großbanken, sondern im Reichsfinanzministe rium stattfand. Und die Rundfunkrede, die dem deutschen Publikum den Vorgang der Bantensanierung erläutern sollte, hielt keiner der beteiligten Bankdirektoren, sondern der Herr Reichsfinanzminister!
Der Reichsfinanzminister Dietrich, der Reichsbankpräsident Dr. Luther und die Herren Staatssekretäre Schäffer und Trendelenburg sind bei den Worten, mit denen sie die große Sanierungsaktion der deutschen Banten begleitet haben, nicht müde geworden, immer wieder zu versichern, daß sie nicht etwa die böse Absicht hatten oder haben, die Banken zu sozialisieren oder auch nur Macht und Einfluß des Reiches im deutschen Bankwesen dauernd auszubauen. Die Funktionäre des Staates haben- leider- nicht mit dem Willen zur Macht gehandelt in der Richtung, die wir im Interesse der Gesundung der Gesamtwirtschaft für notwendig halten, in der Richtung des zielbewußten Ausbaues der Oberhoheit des Staates als Sachmalter fandidaten aufstellen, sondern sie haben zugleich auch noch den der Interessen der Gesamtheit über das private Bankwesen. Reichskanzler- und die Ministerposten verteilen wollen. Dabei sind Aber wenn auch der Wille gefehlt hat und wenn auch dieses Fehlen klarer Zielsetzung in gewissem Umfange Verlegenfie fich gründlich in die Haare geraten! Warum Duesterberg und nicht Hugenberg selber? Hugen- heitslösungen an die Stelle einer planvollen und organischen berg ist zu schlau, als daß er sich selber erponiert hätte. Der Kan Neugliederung des Bankwesens unter Zusammenfassung dicat, den Deutschnationale und Stahlhelmer gemeinsam aufsteilen, aller öffentlichen Zweige des Bankwesens gesetzt hat, so sind ift zu ganz kläglichem Durchfall bestimmt. Bei der letzten Reichstagswahl musterten die Deutschnationalen und das bedeutet doch die hohen Funktionäre des Reiches und der Reichsbank Reichstagswahl musterten die Deutschnationalen Deutschnationale und Stahlhelm zusammen! noch nicht 2,5 Mil wider willen zu Bollstredern einer unver lionen Stimmen. Die Kandidatur Duesterberg ist also die schwäch- meidlichen Entwicklung geworden. Die Entwicklung lichste Zähltandidatur, die es gibt. Herr Duesterberg aber ist der hat die ideologischen Vorfämpfer der freien Wirtschaft gezwungen, den ,, Vater Staat", den sie so gerne aus der Wirtzweite Bundesführer des Stahlhelms. Und schneidet er, wie zu erwarten, fläglich ab, so wird die Niederlage auf seine Organisation fchaft herausdrängen wollen, um Hilfe anzurufen. Der Staat zurückfallen, während Herr Hugenberg selber weniger diskreditiert mußte diesem Ruf folgen, weil mit der Erschütterung des ist. Die Ehre des Herrn Duesterberg , als Durchfallskandidat am Kreditsystems nicht nur die privaten Interessen der unmittelSchwanze der Kandidatenliste anzuhängen, wird also der Stahlhelm bar Beteiligten, sondern darüber hinaus Interessen der mit einer fräftigen Pleite bezahlen müssen! Gesamtwirtschaft, Arbeitsmöglichkeiten für Millionen bedroht waren. Der Staat fonnte mit den Mitteln der Allgemeinheit nicht helfend eingreifen, ohne sich gleichzeitig Einfluß auf die Bankenführung in erheblichem Umfange zu sichern. Er hat dieser von uns vertretenen Forderung, ent= sprechend der Einstellung seiner Funktionäre, nur zögernd und unentschlossen nachgegeben. Aber trotz alledem ist etwas, dabei herausgekommen, was den Einfluß und die Verantwor tung des Reiches für das deutsche Bankwesen gewaltig verstärkt hat. Man mag diese Zwischenlösung gemischtwirtschaftlich oder staatskapitalistisch nennen. Auf jeden Fall werden wir sie nur als einen Uebergang zu neuen Wirtschaftsformen anerkennen, bei denen flarer und eindeutiger die Oberhoheit des Staates als Sachwalter der Interessen der Gesamtheit gegenüber den privatkapitalistischen Interessen gesichert wird. Das Tempo der Entwicklung hängt auch hier von der politischen Machtgestaltung, von der Stärfung des Einflusses der Sozialdemokratie, ab. Aber die Entwidlungstendenzen sind so mächtig, daß sich ihnen auch diejenigen nicht entziehen können, die es als öffentliche Funktionäre noch immer für notwendig halten, sich zu entschuldigen, daß sie mit und nicht gegen den Geist einer neuen Beit wirken müssen.
Schwarzweißroter Wahlblock.
Wie von deutschnationaler Seite bestätigt wird, haben die Deutschnationalen und der Stahlhelm den Oberstleutnant a. D. Duesterberg als Kandidaten für die Reichspräsidentenwahl auf gestellt. Die Deutschhnationalen und der Stahlhelm haben sich zum schwarzweißroten Wahlblod zusammengeschlossen.
Die Sanierung der Banken.
Erklärungen des Reichsfinanzministers und des Reichsbankpräsidenten.
und Besonnenheit des Volkes. Es sei ein Zustand geschaffen worden, auf dem man weiter aufbauen könne.
Reichsfinanzminister Dietrich und Reichsbankpräsident Doktor| nommenen kredite zurüdzahlen können. Reich und Reichs Luther gaben gestern nachmittag zu dem Bankenjanierungswert Er- bank stehen weiterhin bereit. Was jeht nötig sei, jei nur Ruhe flärungen ab. Der Reichsfinanzminister fagte, daß jetzt die Bilanz aus den Ereignissen des vorigen Jahres gezogen werde. Die Vorwürfe, daß nicht früher etwas geschehen sei, seien unberechtigt. Die Bankenjanierung fei nicht früher möglich gewesen, weil umfangreiche Prüfungen der Gesamtlage der Banken und die Neuregelung der Stillhaltung vorher notwendig gewesen seien. Der richtige Zeitpunkt sei der der Bilanzveröffentlichung der Großbauten gewesen. Dabei habe die Gleichzeitigkeit der Aktion für alle Banken gesichert werden müssen, um die Schädigung einzelner Banken zu verhindern. Eine neue Beunruhigung der Bevölkerung wäre unvermeidlich gewesen, wenn nicht die eingetretenen Berlufte am gleichen Tage auf der ganzen Linie aufgezeigt worden mären. Darauf gab der Reichsfinanzminiffer die Maßnahmen im einzelnen bekannt( siehe den Wirtschaftsteil).
Man könne jetzt fagen, so führte Dietrich weiter aus, daß die Banken gründlich bereinigt sind. In den letzten Monaten feien auch Fortschritte an anderen Orten gemacht worden. Seit dem Monat Dezember hätten die Spartaisen 300 millionen Mark der bei der Akzept- und Garantiebant in Anspruch ge
Reichsbankpräsident Luther wies auf die Ungewöhnlichkeit der Tatsache hin, daß die Reichsbank Mittel zur Stüßung der Banken und besonders zum Erwerb von Bankbeteiligungen hergebe. Wäre das aber nicht geschehen, so hätte die Reichsbank ihre Mittel an anderer Stelle einsetzen müssen, und zwar bei ihren eigenen Forderungen. Man habe jetzt den Weg der volkswirtschaftlichen Reserveſtellung gewählt, der besser sei als der der privatwirtschaftlichen bei der Reichsbank.
Die Notverordnung zur Banfenreparatur.
Durch eine besondere Notverordnung ist die Reichsregierung ermächtigt worden, das Reich an Bantunternehmungen zu beteiligen, für einzelne Fälle Abweichungen von den Vorschriften des Handelsrechts zuzulassen, Sicherheiten zu Lasten des Reichs zu übernehmen, Beträge bis zu insgesamt 250 Millionen Mark zu verausgaben und bis zu 400 Millionen Mart im Wege bes Kredits zu beschaffen.
Sämtliche deutschen Großbanten haben auf Grund der internationalen und nationalen Kredit- und Wirtschaftskrise von 1931 jchwere Verluste erlitten. Gewiß bestehen, teils zufällig, teils durch die Qualität der Geschäftsführung bedingte Gradunterschiede. Aber das Entscheidende ist, daß das Bedürfnis nach Bilanzbereinigung, das Bedürfnis nach Rapitalherabsehung zu bichreibun= gen und nach Wiederauffüllung des herabgesetzten Kapitals als Kreditgrundlage bei allen großen Filialbanken gegeben ist, und daß sie, wenn auch in verschiedenen Formen, alle der öffentlichen Hilfe bei der Durchführung der Sanierung nicht entraten können. Es ist bei dieser Lage als zweckmäßig anzuerkennen, daß man gleichzeitig, mit einem Schlage, die notwendigen Sanierungen durchführt, damit nicht nuklos neue Einzelbeunruhigungen und Kundenver