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BERLIN Mittwoch 24. Februar

1932

Der Abend

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Ar. 92

B 46 49. Jahrgang

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Wir und Hindenburg

Breitscheid rechnet mitfaschistischer Demagogie ab/ 3weiHinauswürfe

Der Reichstag sette heute mittag 12 Uhr die politische Aussprache fort. Präsident Löbe er­öffnete die Situng mit der eindringlichen Mahnung an das ganze Haus, nicht wieder wie gestern Redner oder gar den Präsidenten an ihren Ausführungen durch Lärm zu behindern. Er müßte gegen solche Störungen mit den schärfsten Mitteln vorgehen.

Zu der gleichen Angelegenheit gibt dann Reichsminister Groener

folgende Erklärung ab:

Hitlers Dynamitarden.

Gartenhaus des hessischen Landtagsabgeordneten Steffan in die Luft gesprengt.- 3wei Nationalsozialisten verhaftet. Mainz , 24. Februar.( Eigenbericht.)

Die Nationalsozialisten verübten in der Nacht auf heute an dem Genossen Landtagsabgeordneten Steffan Oppenheim einen gemeinen Nacheakt, der alle bis­her von ihnen verübten Schandtaten in den Schatten stellt. Gegen Uhr abends wurde das dicht bei dem Wohn­haus gelegene Gartenhaus mit einer geivaltigen Deto­nation, die selbst in Nierstein gehört wurde, in die Luft gesprengt.

Die Sprengung ist mit einer schweren Dynamit packung verübt worden und richtete erheblichen Sach­schaden an. Mehrere Ueberfallwagen der Polizei waren bald zur Stelle. Nachts gegen 2 Uhr wurden bereits awei Nationalsozialisten verhaftet. Klarheit über die Täterschaft ist aber bis zur Stunde noch nicht vorhanden. Oppenheim stand ganz unter dem Zeichen des unerhörten Verbrechens. Zahlreiche Zusammen­stöße tamen im Laufe des Abends noch vor.

In der geffrigen Situng hat der Abg. Dr. Goebbels nach Fest­stellung des Helleftentats folgendes gejagt: Sage, wer dich lobt, und ich sage dir, wer du bist. Hindenburg gelobt von der Partei der Deserteure." Ich ergreife die Gelegenheit, wo Dr. Goebbels wieder anwesend ist, auf dieses Wort noch einmal einzugehen. Die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes wird es als eine Un­geheuerlichkeit auffaffen, wenn der Oberfte Soldat des Kriegs, der Sieger von Tannenberg , der Mann, der fich freiwillig zu Anfang des Krieges in den Dienst des Vaterlandes gestellt hat, der Mann, der diesen Dienst auch dann nicht verlassen hat als alles zusammenbrach( Stürmischer Beifall bei der Mehrheit, lärmende Rufe bei den nazis), wenn Hindenburg in irgendwelche Beziehung mit dem Wort Deserteur" gebracht wird. Diese Beleidi­gung, die ein Mann auszusprechen wagt, der selber den krieg nur vom Hörensagen tennt( lebhaftes Sehr richtig bei der Mehrheit, Lärm bei den Nazis), fann zwar der Größe der Leistung des Generalfeldmarschalls ebensowenig anhaben wie der Verehrung, welche das deutsche Volk vor seiner Pflichterfüllung im Krieg und Frieden erfüllt. Aber als Mitglied der Reichsregierung und als Vertreter der deutschen Wehrmacht habe ich die Pflicht und den Auftrag, diese ungeheuerliche Aeußerung des Abg. Goebbels als eine Beleidigung nicht nur des Herrn Reichspräsidenten , son­dern des deutschen Boltes zu fennzeichnen und sie auf das Die Jagd nach dem Aemtchen: Bom Gendarm zum Profeffor, fchärffte zurückzuweisen.( Stürmischer Beifall bei der Mehrheit.)

Die Erklärung des Ministers wurde von der Mehrheit mit stürmischem Beifall, von den Nationalsozialisten mit lärmenden Protestrufen aufgenommen. Von ihnen und den Deutschnationalen wurden zurufe gegen den Regierungstisch gerichtet. Reichskanzler wurden zurufe gegen den Regierungstisch gerichtet. Reichskanzler Dr. Brüning sprach erregt auf einzelne Deutschnationale ein.

Präsident Löbe erklärte unter dem Beifall der Mehrheit, er schließe die Abgg. Dr. Ley( Njoz. und Kleiner( Dnat.) wegen dauernder Störung und beleidigender Zurufe aus der Sizung aus. Abg. Dr. Frid( Njoz.) protestierte furz gegen die minifter erklärung, aber der Präsident sagte, er lasse persönliche Be­erklärung, aber der Präsident sagte, er lasse persönliche Be­

merkungen jetzt nicht zu.

Als nächster Redner in der Aussprache erhielt dann das Wort Als nächster Redner in der Aussprache erhielt dann das Wort

Abg. Dr. Breitscheid( Soz.): Breitscheid beginnt mit einem Hinweis auf die herabsetzenden Urteile Hitlers in seinem Buch Mein Kampf " über den Parla­mentarismus und die Parlamentarier. Man müsse die Selbstüber­windung bewundern, mit der Goebbels gestern, selbst auf die Ge­fahr hin, von seinem geliebten Führer in die Kategorien der kleinen verantwortungsfernen Köpfe eingereiht zu werden, hier gesprochen hat. Wir können uns nicht vorstellen, daß die Nationalsozialisten auf der Reichstagstribüne für die Präsidentschaftskandidatur Hitlers Propaganda machen wollen. Denn derselbe Goebbels hat doch vor­gestern im Sportpalast Herrn Hitler sogar schon als gewählt proflamiert.( Heiterkeit.) Die Nationalsozialisten wollen ja diese Tribüne hier nur benutzen, um Beschimpfungen und Ver­unglimpfungen gegen die Sozialdemokratische Partei zu schleudern. Darauf gehe ich nicht weiter ein. Das hat mein Freund Dr. Schu macher bereits gestern vollkommen besorgt. Sich noch weiter mit der Rede des Herrn Goebbels zu beschäftigen, hieße ihm eine Ehre erweisen, der er unserer Meinung nach nicht würdig ist.( Sehr gut! links und in der Mitte.)

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Mit besonderer Genugtuung stellen wir fest, daß die National fozialisten in der Sozialdemokratie den Hauptfeind erblicken. Alle Hinweise, daß Hindenburg das Werkzeug des von ihnen gehaßten und für verbrecherisch erklärten Syſtems ſei, find der legte Verfuch, den Reichspräsidenten zum Bruch mit dem System zu bringen, was ihm vielleicht noch jetzt die Möglichkeit eröffnen würde, von der nationalen Front begnadigt zu werden ( Buruf recht: Wir gönnen ihn euch!) Dieser Zuruf sollte gewiß nicht ein Lob für Herrn von Hindenburg sein, sondern eine

Steffan hat sich den besonderen Haß der Nazioten zu tätigkeit zugunsten Frankreichs aufgedeckt gezogen, weil er vor einigen Tagen die Spionage. hatte, die dem heutigen Naziführer Feldmann vom Reichs­gericht fünf Jahre Festung eingebracht hat.

Leidensweg eines Prätendenten.

vom Minister zum Gesandtschaftsattaché.

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Braunschweig , 24. Februar.( Eigenbericht.)

Die Deutsche Volkspartei hat die Absicht der Nazis, Hitler nach Abdankung Klagges zum Minister zu machen, mit der Erklärung durchkreuzt, daß sie für eine solche Scheineinbürgerung nicht zu haben sei, wohl aber werde die Volkspartei ihre Einwilli­gung dazu geben, daß Hitler seinen Dienst als Beamter der braunschweigischen Gesandtschaft in Berlin auf­nehme und somit die Staatsbürgerschaft erhalten werde. Hifler müffe allerdings einen Verpflichtungsschein unterschreiben, daß er tatsächlich sein Amt ausübe. Minister Klagges ist nach Berlin gefahren, um Hitlers Zuftimmung zu erbitten. Unmittelbar danach will die braunschweigische Regierung endlich eine amtliche Erklärung bekanntgeben.

neue Herabsetzung, die ich feststelle!( Sehr gut! links und in der Mitte.)

Gewiß haben wir 1925 die Kandidatur Hindenburgs bekämpft, wir fahen in ihm den Vertreter von Anschauungen, die nicht die unseren sind. Das gilt heute wie damals.

Herr von Hindenburg ist der Vertreter einer Weltanschauung, die mit der unseren nichts zu tun hat. Er ist der Bertreter eines fonservativen Systems, das im Gegensatz zu den Bestrebungen der Sozialdemokratie steht.

Vor sieben Jahren bestand aber die Befürchtung, daß Herr von Hindenburg als Reichspräsident sich zu Schritten bewegen laffen werde, die den Bestand der republikanischen Verfassung gefährden fönnten.( Von der äußersten Rechten ertönen wieder gellende Pfiffe, wie gestern. Die Linke fordert stürmisch, daß diese Buben hinausgeworfen werden. Präsident Löbe erhebt sich, worauf das Pfeifen eingestellt wird.) Zu unserer Auffaffung hatten wir um­somehr Anlaß, als diejenigen, die Herrn von Hindenburg damals auf den Schild erhoben, solche Maßnahmen von ihm er­warteten und diesen Hoffnungen offen Ausdrud gaben. Bei der damaligen Siegesfeier des Nationalverbandes deutscher Offiziere fagte Dr. Everling in einer Rede, die Wahl Hindenburgs bedeute den ersten Schritt zur Wiederherstellung einer monarchischen Verfassung in Deutschland .

Wir sind in dieser Beziehung vom Reichspräsidenten Hinden­burg angenehm enttäuscht worden.

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( Bustimmung links und in der Mitte. Aharufe der Komm.) Der Reichspräsident hat nichts unternommen, um die Verfassung zu fallen sein, aber niemals auch nur annähernd solche Beschimpfungen, verlegen. Es mag im Wahlkampf 1925 manches scharfe Wort ge= wie sie die Parteien der Rechten gegen den ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert gerichtet haben. Am 19. Mai 1925, unmittelbar nach der Wahl Hindenburgs erklärte ich hier im Namen und Auftrag der Sozialdemokratischen Fraktion: Die Demokratie verlangt, daß wir uns dem verfassungsmäßigen Boltsentscheid fügen. Wir werden nicht aufhören, Gegner der von Herrn von Hindenburg vor der Wahl vertretenen politischen Ideen und seiner politischen Auffassung zu sein. Aber wir bringen dem Präsidenten den Re­pett entgegen, der ihm als Person und der vor allem seinem Amt gebührt, solange er sich innerhalb der von ihm be­schworenen Verfassung bewegt."

Reichspräsiden von Hindenburg hat die Hoffnungen vieler seiner damaligen Anhänger enttäuscht. Er hat seinen Eid gehalten, und das ist es, was ihm die Nationalsozialisten am meisten vorwerfen. 1925 ist er von der Rechten in Poesie und Prosa als ,, der Retter"

gefeiert worden. Heute gilt er als schwächliches Organ des von der Rechten bekämpften Systems. Wie lange ist es her, daß die Rechte mehr Macht für den Reichspräsidenten " gefordert hat?! Jetzt wollen dieselben Leute diese Macht des Präsidenten auf das äußerste einschränken; sie verlangen, daß der Reichspräsident über den Reichs­ tag hinweg einen Kanzler, der ihnen nicht gefügig ist, durch einen Ranzler, der das Bertrauen der nationalen Oppofition hat, ersetzt. Wochenlang ist der Handel und der Kuhhandel

darum gegangen. Auch aus der gestrigen Rede des Herrn Goebbels tlang sein Wort hindurch: ,, Wollt ihr unsere Ware, so gebt uns euer Geld!" Das heißt, wollt ihr unsere Stimmen, so gebt uns die Macht. Wir haben die große Besorgnis, daß der jiddische Händler­gei st in bedenklicher Weise den Geist des Herrn Goebbels bereits umstrict hat.( Heiterkeit und Beifall links und in der Mitte.) Man wirft Herrn Brüning seine Notverordnungen vor. Aber wir wissen, daß ein Kanzler der Rechten noch ganz andere und für die Arbeiterschaft noch viel schädlichere Not­verordnungen machen würde. Da mun die nationale Front ihr Ziel nicht mit Hindenburg erreichen kann, soll es ohne oder gegen ihn geschehen. Der Retter von ehedem wird zum alten Eiſen ge­worfen und ein neuer Befreier Deutschlands wird gesucht. Aus dem Zusammentrefen der Harzburger Front ist allerdings nur ihr Auseinanderfallen geworden.

Uns

uns zu ver­man konnte sich nicht einigen. Man wird uns gewiß nachher sagen, dieses lange Hin und Her sei nur Tattit geweſen, um uber Betts­wirren und durcheinanderzubringen. Aber selbst in der Rechts­preffe werden Bedenken laut gegen diese Zerreißung der nationalen Front und gegen die Aufstellung von zwei Kandidaten. bringen Sie nicht in Berwirrung!( Stürmische Zu­stimmung der Soz.) Mit dem Kandidaten der Deutschnationalen und des Stahlhelms brauche ich mich nicht mehr zu beschäftigen, der wird ja im Wahlresultat doch nur unter Ferner liefen" er­scheinen. Heiterfeit links.)

Ueber die Kandidatur Hitlers bin ich allerdings ebenso erfreut wie Goebbels, wenn auch nicht aus denselben Motiven. Wir freuen uns über die Gelegenheit, dem Herrn Hitler und nicht einem feiner Leutnants eine Niederlage bereiten zu können. Allerdings, bis zur Stunde ist Hitler noch nicht deutscher Staats- und Reichsangehöriger, wenn auch sonst seine Fähigkeiten sowohl zum Gendarm wie zum Hochschulprofessor, zum Beamten wie zum Minister reichen sollen. ( Heiterkeit links und in der Mitte.)

Wenn Groener und General Schleicher die Handlungsweise der Nationalsozialisten auch persönlich leicht nehmen, der Staat tann sie nicht leicht nehmen.( Stürmischer Beifall in der Mitte.) Alles andere tritt heute vor dem Gedanken zurück, den Staat vor dem Faschismus zu bewahren und dem deutschen Volk die Freiheit zu erhalten. Wir werden deshalb den Kandidaten unterstützen, der die meiste Aussicht hat, die Mehrheit der Stimmen auf sich zu ver­einigen.( Stürmischer Beifall der Sozialdemokraten, zurufe der Kommunisten.)

Der Kampf der kommunisten gegen die Sozialdemokratie und die Aufstellung einer eigenen Kandidatur ist der Kampf für

Hitler.

Breitscheid weist darauf hin, daß Hitler nur das hätte tun sollen, was auch alle anderen tun müssen, wenn sie die Staatsbürgerschaft erhalten wollen. Jetzt werden alle Hintertüren geöffnet, um diesem