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BERLIN  Donnerstag 25. Februar 1932

Der Abend

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Nr. 94

B 47 49. Jahrgang

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Am Freitag Abstimmung

Brüning- Rede im Reichstag  - Volkspartei beurlaubt

Die heutige Sihung des Reichstags eröffnete Prä­sident Löbe mit der Bitte, sich auf jeden Fall darauf ein­zurichten, daß morgen die Abstimmungen er­folgen können. Das sei wegen der Einhaltung der Fristen und der Vorbereitungen der Länder für die Prä­sidentenwahl dringend notwendig. Der Präsident kündigt an, daß deshalb auch heute abend die Situng länger dauern und die morgige Situng schon um 10 Uhr be­ginnen werde. Er bittet ferner durch die Vermeidung von Zwischenfällen dazu beizutragen, daß die Verhand­lungen nicht verschleppt werden.

Der Präsident teilt ferner mit, daß er den Abg. Dr. Schneider( D. Vp.) auf drei Tage und den Abg. D. Kahl( D. Vp.) auf sieben Tage beurlaubt habe. ( Sört, hört!)

In der Fortsetzung der Aussprache über die Präsi­dentenwahl spricht zunächst Abg. Leicht( Bayer. Vp.). Als Abg. Dr. Leicht von der sogenannten nationalen Opposition" spricht, protestiert die Rechte. Darauf jagt Dr. Leicht: Sie haben sich doch so genannt, also sind Sie so genannt. ( Große Heiterfeit.) Es kommt aber nicht darauf an, wie man sich nennt, sondern was man ist. Und national ist es am wenigsten, uns und andere gemäßigte Parteien, die so viel für Vaterland und Nation gearbeitet haben, als nicht national zu bezeichnen. Die Parole des Reichspräsidenten Freiheit und Gleichberech= tigung für Deutschland" müßte die nationale Parole sein. ( Beifall der Mitte. Gelächter und Hohnrufe rechts.) Der Redner bespricht dann die mangelnde Energie des Völkerbundes sowohl in der Abrüstung wie in China   und in Memel  . Nach unseren Erfahrungen mit der Abrüstung haben wir wohl gut daran getan, mit dem Zoll­abbau voranzugehen. Die innere Einigung ist nicht durch

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Terror herbeizuführen.

Der Revolver ist ein Instrument, das sehr wenig dezu geeignet ist, jemandem eine andere politische Ueberzeugung beizubringen. Fordern wir Abrüftung, so müßte die innere Abrüstung vorangehen. Als Dr. Leicht sagt, jeder Mensch müsse bestürzt sein über die Zunahme der Arbeitslosigkeit, ertönt lautes Lachen von den Nazis, was der Redner unterstreicht, um dann gegen die Zurufe der Faschisten hinzuzufügen: Es ist ein Ber­brechen, die Arbeitslosigkeit zum Hetzen zu benutzen! Wer behauptet, die Regierung Brüning sei an der Arbeitslosigkeit schuld, dem muß man mildernde Umstände zubilligen. Im Anschluß daran erzählt Dr. Leicht von einem Mann auf der Straßenbahn in Berlin  , der ihn fragte, ob dieses System, diese Regierung nicht beseitigt werden müsse, die nicht das Sandstreuen bei Glatteis fichere ( Stürmische Heiterkeit.) Alle Währungserperi­mente lehnt der Redner ab, ebenso den Aberglauben an das Dritte Reich oder andere Wunderkuren, und schließt mit einem Appell, Hindenburg   zu wählen.  ( Beifall in der Mitte.)

Gegen 13 Uhr ergriff

Reichsfanzler Dr. Brüning

das Wort, um zunächst auf die Bemerkungen einiger Redner über die Außenpolitif zu antworten. Er hob dabei hervor, daß in der gegenwärtigen Zeit auch die außenpolitische Situation un gemein rasch wechselt. Dann wandte er sich gegen die Kritik der Rechten an seinem Auftreten in Genf  , um dem Mißverstehen der nationalen Opposition" das volle Verständnis entgegenzustellen, das die Haltung der deutschen   Delegation in Genf   im Auslande gefunden hat. Nach einigen Worten über die schwerwiegenden Er­eignisse in Ostasien  , wobei der Kanzler die Zuversicht aussprach, daß es doch noch gelingen werde, den Frieden wieder herzustellen, fam er auf die Memelfrage.

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Hier wandte er sich gegen das Verlangen, vorzeitig Ver­geltungsmaßnahmen gegen Litaune zu treffen. Die litauische Re­gierung müsse jezt nach dem Rücktritt des Präsidenten Böttcher der übrigens aus freier Initiative und nicht auf reichsdeutsche Ein­wirtung erfolgt ist ihre Zusage erfüllen, den verfassungsmäßigen Zustand wiederherzustellen. Unter dauernden lärmenden und zum Teil unwürdig ulthaften zurufen der Nationalsozialisten erwidert der Reichskanzler auf die Be­hauptung Rosenbergs, daß unter den Bersonal der deutschen  Gesandtschaft in Kowno   fast die Hälfte litauische Statsangehörige feien Dazu sagt der Reichskanzler:

Unter den Angestellten ist eine Dolmetscherin, die als Reichs­angehörige geboren wurde und einen sogenannten Balten ge­heiratet hat.

Börsentempel wieder offen.

Biel   Publifum und wenig Geschäft.

Die Börse in der Burgstraße ist heute zum erstenmal seit

mehrere Nazis ihren festgenommenen Rumpanen heimlich gefolgt und hatten auf die Scheiben des Reviers ein Steinbombardement cr­öffnet. Der Rädelsführer dieser Fensterstürmer fonnte nach längerer Verfolgung am Wittenbergplatz gefaßt werden.

September wieder geöffnet worden. Es war fehr viel Vom Gendarmzur Kanalisation

Publikum erschienen, und man sah auch alle führenden Vertreter der Großbanken. Offenbar war aber die Neugierde größer als die Abficht und die Möglichkeit, Geschäfte durchzuführen.

In den einzelnen Papieren wird ziemlich viel gehandelt, aber es werden nur sehr kleine Umsätze gemacht. Es sieht so aus, als ob man die Lage erst einmal abwarten wollte. Reichsbankattien und auch Schultheiß   30gen um 1 bis 2 Pro3. an. Pfandbriefe waren eher gesucht als angeboten; auch Kommunalobligationen waren fefter.

Das Geschäft vollzieht sich so, daß auch in der Burgstraße jeht Kurse nur gesprochen" und nicht notiert werden. Nach wie vor bleibt ja eine Veröffentlichung von kursen ver­boten. 3m allgemeinen ist man optimiffisch. Man hofft auch, daß es bald wieder zu einer regulären Börje kommen wird.

( Stürmische, lang anhaltende Seiterkeit auf Kosten des Balten Rosenberg.)

Ferner ist da ein baltischer Pförtner und ein baltischer Hilfs­bote. Alle diese Balten waren früher russische und sind jetzt litauische Staatsangehörige.( Andauernde Heiterkeit gegen die lärmenden Nationalsozialisten verhängt Präsident Löbe einige Ordnungsrufe.)

Beförderungsstationen eines Parteibuchbeamten.

Gendarmeriekommissar in Hildburghausen  .

3. Februar: Die thüringische Staatsregierung hat der Reichs­regierung Dokumente übermittelt, nach denen der frühere thürin­gische Staatsminister Dr. Frick im Juni 1930 unter Umgehung seiner Ministerkollegen Adolf Hitler   zum Gendarmeriekommissar in Hildburghausen   ernannt habe.

4. Februar: Adolf Hitler   läßt erklären, Frick habe ohne sein Wissen gehandelt. Er hätte eine Einbürgerung auf diesem Wege abgelehnt.( Der Führer:" Es geschieht in der Partei nichts ohne mein Wissen und gegen meinen Willen!")

Bon zuständiger Seite wird festgestellt, daß Hitler   seit Kriegs­ende noch nie einen Einbürgerungsantrag gestellt, also nie den Versuch gemacht hat, auf legale" Art deutscher  Staatsbürger zu werden.

5. Februar: Es wird bekannt, daß Hildburghausen   als Siz der thüringischen Landesirrenanstalt den Spiznamen ,, Rappels­ dorf  " führt.

Das thüringische Staatsministerium gibt sein Bedauern be­fannt über die versteckte und unwürdige Art, mit der durch den damaligen Innenminister( Frick) die Anstellung Hitlers   versucht worden sei".

Kunstprofeffor in Weimar  .

Zum russisch polnischen Nichtangriffspaft stellt der Reichskanzler fest, daß bei einem Angriff Bolens auf einen dritten Staat Rußland   gemäß Artikel 2 dieses Vertrages feine Hand Staatsminister Dr. Frick- Pirmasens   bemüht war, Adolf Hitler   durch 6. Februar: Man erfährt, daß schon vor Juni 1930 lungsfreiheit zurückgewinnt. Es besteht also kein Anlaß, so wie Ernennung zum Professor an der staatlichen Kunst­der Abg. von Freytag- Loringhoven zu behaupten, daß Polen   nun die Hände gegen Deutschland   freibekommen hätte. Darauf betont hochschule in Weimar   die deutsche   Staatsangehörigkeit zu ver­der Reichskanzler, daß der Gedanke der österreichisch- deutſchaffen. Der Plan scheiterte am Widerstand des thüringischen fchen 3ollunion durch die wirtschaftliche Entwicklung seither Finanzministers. immer mehr gerechtfertigt worden ist und die Finanzkommission des Völkerbundes bereits, entgegen früherer Theorie, die Lebens­unfähigkeit eines auf seinen heutigen Umfang beschränkten Dester reich anerkannt hat. An allen Maßnahmen, die auf Grund dieses Gutachtens erfolgen, ist die Reichsregierung bereit, teilzunehmen. Ueber den Ausgang der Abrüstungstonferenz fann man heute noch kein Urteil fällen..

Aber ein Mitglied dieses Hauses, das hier meine Rede auf der Abrüftungskonferenz verdammte, hat dem Vertreter einer amerikanischen   Zeitung erklärt, daß mein Bestehen auf der Gleichberechtigung für Deutschland   ihm und feinen Partei­

freunden angenehm war.

( Lebhaftes Hört, hört! und Beifall in der Mitte und links, an­dauernde lärmende Zurufe der Hakenkreuzler. Als Präsident Löbe einen dieser Störenfriede zur Ordnung ruft und erklärt, er werde doch von niemandem provoziert und könne daher ruhig sein, ant­wortet der Hitlermann unter schallender Heiterkeit des ganzen Hauses, der Verkehrsminister habe ihn provoziert.)

Der Reichskanzler hält dann dem Abg. v. Freytag=

Loringhoven vor, daß er in seiner Rede Fragen gestellt hat, von denen er wissen mußte, daß die Regierung nicht öffentlich darauf antworten fann, weil die diplomatische Tradition und die Vertraulichkeit der Verhandlungen dem entgegenstehen.( Hört, hört! links und in der Mitte.) Aber er bedauere, die Rechte dadurch enttäuschen zu müssen, daß er auf die schwersten dieser Vorwürfe doch antworte.

Nun geht der Reichskanzler auf die Reparationsfrage ein. Bei Redaktionsschluß dauert die Rede Dr. Brünings noch an.

Steinwürfe gegen Polizeirevier.

Nazi- Terror in der Augsburger Straße.

Eine Gruppe von zehn bis zwölf Nationalsozia listen verübte heute gegen 4 Uhr früh in der Augsburger Straße einen beispiellosen Terror. Passanten wurden überfallen und zum Teil schwer mißhandelt. Die Rowdys fonnten schließlich von einer Polizeistreife gestellt und festgenommen werden. Als die Täter auf dem zuständigen Revier gerade vernommen werden sollten, wurden plößlich die Fensterscheiben der Polizeiwache durch zahlreiche Steinwürfe zertrümmert. Wie sich herausstellte, waren

Logiergast im Kaiserhof.

9. Februar: Hitler   hat wieder einmal im Kaiserhof in Berlin   Quartier bezogen und verkündet auf einem SA.  - Appell im Sportpalast, daß bei der Bekanntgabe der Entschlüsse zur Reichs­präsidentenwahl eine Millionenpartei vor Begeisterung aufschreien werde".

10. Februar: Der thüringische Staatsminister Baum ver­öffentlicht eine Erklärung über die nichtloyale Handlung des Ministers Frid" in Sachen Hitler  .

Profeffor für Pädagogif in Braunschweig  .

12. Februar: Der Plan, Hitler durch den braunschweigi­schen Minister Klagges zum Professor an der technischen Hochschule in Braunschweig   zu machen, wird bekannt.

14 Februar: Ausgerechnet Pädagogit" soll Hitlers  ,, Lehrfach" sein.

Hitlers   zum Professor für angewandte Pädagogik in Braunschweig  15. Februar: Meldungen über eine vollzogene Ernennung bewahrheiten sich nicht.

17. Februar: Die Profeffur soll steigen, steigt aber nicht. 18. Februar: Thüringische Sozialdemokratie bean­

tragt mit Erfolg Untersuchungsausschuß gegen Frid.

Reichspräsidentschaftskandidat.

22. Februar: Goebbels   proklamiert im Berliner   Sport­ palast   Hitler   zum Reichspräsidenten.

Staatsminister in Braunschweig  . 23. Februar: Hitler   soll als Nachfolger von Klagges Staatsminister in Braunschweig   werden.

Attache in Berlin  .

24. Februar: Hitler   soll nicht Minister, sondern Attaché für besondere Zwede bei der flaggestanischen Gesandtschaft in Berlin  werden.

Bei der Kanalisation gelandet.

25. Februar: Im Haushaltsausschuß des Braunschweigt­schen Landtags haben die Regierungsparteien einen planmäßigen Posten als Kanalisationsrat( im Landeskultur- und Ver­messungsamt) für Hitler   freigemacht damit er als Untergebe= ner des Gesandten Boden in Berlin   amtieren fann. Die amtliche Ernennung foll heute nachmittag bekanntgegeben werden. 26. Februar:??????????