Der Abend
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Nr. 94
B 47 49. Jahrgang
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Die heutige Sihung des Reichstags eröffnete Präsident Löbe mit der Bitte, sich auf jeden Fall darauf einzurichten, daß morgen die Abstimmungen erfolgen können. Das sei wegen der Einhaltung der Fristen und der Vorbereitungen der Länder für die Präsidentenwahl dringend notwendig. Der Präsident kündigt an, daß deshalb auch heute abend die Situng länger dauern und die morgige Situng schon um 10 Uhr beginnen werde. Er bittet ferner durch die Vermeidung von Zwischenfällen dazu beizutragen, daß die Verhandlungen nicht verschleppt werden.
Der Präsident teilt ferner mit, daß er den Abg. Dr. Schneider( D. Vp.) auf drei Tage und den Abg. D. Kahl( D. Vp.) auf sieben Tage beurlaubt habe. ( Sört, hört!)
In der Fortsetzung der Aussprache über die Präsidentenwahl spricht zunächst Abg. Leicht( Bayer. Vp.). Als Abg. Dr. Leicht von der sogenannten nationalen Opposition" spricht, protestiert die Rechte. Darauf jagt Dr. Leicht: Sie haben sich doch so genannt, also sind Sie so genannt. ( Große Heiterfeit.) Es kommt aber nicht darauf an, wie man sich nennt, sondern was man ist. Und national ist es am wenigsten, uns und andere gemäßigte Parteien, die so viel für Vaterland und Nation gearbeitet haben, als nicht national zu bezeichnen. Die Parole des Reichspräsidenten Freiheit und Gleichberech= tigung für Deutschland" müßte die nationale Parole sein. ( Beifall der Mitte. Gelächter und Hohnrufe rechts.) Der Redner bespricht dann die mangelnde Energie des Völkerbundes sowohl in der Abrüstung wie in China und in Memel . Nach unseren Erfahrungen mit der Abrüstung haben wir wohl gut daran getan, mit dem Zollabbau voranzugehen. Die innere Einigung ist nicht durch
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Terror herbeizuführen.
Der Revolver ist ein Instrument, das sehr wenig dezu geeignet ist, jemandem eine andere politische Ueberzeugung beizubringen. Fordern wir Abrüftung, so müßte die innere Abrüstung vorangehen. Als Dr. Leicht sagt, jeder Mensch müsse bestürzt sein über die Zunahme der Arbeitslosigkeit, ertönt lautes Lachen von den Nazis, was der Redner unterstreicht, um dann gegen die Zurufe der Faschisten hinzuzufügen: Es ist ein Berbrechen, die Arbeitslosigkeit zum Hetzen zu benutzen! Wer behauptet, die Regierung Brüning sei an der Arbeitslosigkeit schuld, dem muß man mildernde Umstände zubilligen. Im Anschluß daran erzählt Dr. Leicht von einem Mann auf der Straßenbahn in Berlin , der ihn fragte, ob dieses System, diese Regierung nicht beseitigt werden müsse, die nicht das Sandstreuen bei Glatteis fichere ( Stürmische Heiterkeit.) Alle Währungserperimente lehnt der Redner ab, ebenso den Aberglauben an das Dritte Reich oder andere Wunderkuren, und schließt mit einem Appell, Hindenburg zu wählen. ( Beifall in der Mitte.)
Gegen 13 Uhr ergriff
Reichsfanzler Dr. Brüning
das Wort, um zunächst auf die Bemerkungen einiger Redner über die Außenpolitif zu antworten. Er hob dabei hervor, daß in der gegenwärtigen Zeit auch die außenpolitische Situation un gemein rasch wechselt. Dann wandte er sich gegen die Kritik der Rechten an seinem Auftreten in Genf , um dem Mißverstehen der nationalen Opposition" das volle Verständnis entgegenzustellen, das die Haltung der deutschen Delegation in Genf im Auslande gefunden hat. Nach einigen Worten über die schwerwiegenden Ereignisse in Ostasien , wobei der Kanzler die Zuversicht aussprach, daß es doch noch gelingen werde, den Frieden wieder herzustellen, fam er auf die Memelfrage.
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Hier wandte er sich gegen das Verlangen, vorzeitig Vergeltungsmaßnahmen gegen Litaune zu treffen. Die litauische Regierung müsse jezt nach dem Rücktritt des Präsidenten Böttcher der übrigens aus freier Initiative und nicht auf reichsdeutsche Einwirtung erfolgt ist ihre Zusage erfüllen, den verfassungsmäßigen Zustand wiederherzustellen. Unter dauernden lärmenden und zum Teil unwürdig ulthaften zurufen der Nationalsozialisten erwidert der Reichskanzler auf die Behauptung Rosenbergs, daß unter den Bersonal der deutschen Gesandtschaft in Kowno fast die Hälfte litauische Statsangehörige feien Dazu sagt der Reichskanzler:
Unter den Angestellten ist eine Dolmetscherin, die als Reichsangehörige geboren wurde und einen sogenannten Balten geheiratet hat.
Börsentempel wieder offen.
Biel Publifum und wenig Geschäft.
Die Börse in der Burgstraße ist heute zum erstenmal seit
mehrere Nazis ihren festgenommenen Rumpanen heimlich gefolgt und hatten auf die Scheiben des Reviers ein Steinbombardement cröffnet. Der Rädelsführer dieser Fensterstürmer fonnte nach längerer Verfolgung am Wittenbergplatz gefaßt werden.
September wieder geöffnet worden. Es war fehr viel Vom Gendarmzur Kanalisation
Publikum erschienen, und man sah auch alle führenden Vertreter der Großbanken. Offenbar war aber die Neugierde größer als die Abficht und die Möglichkeit, Geschäfte durchzuführen.
In den einzelnen Papieren wird ziemlich viel gehandelt, aber es werden nur sehr kleine Umsätze gemacht. Es sieht so aus, als ob man die Lage erst einmal abwarten wollte. Reichsbankattien und auch Schultheiß 30gen um 1 bis 2 Pro3. an. Pfandbriefe waren eher gesucht als angeboten; auch Kommunalobligationen waren fefter.
Das Geschäft vollzieht sich so, daß auch in der Burgstraße jeht Kurse nur gesprochen" und nicht notiert werden. Nach wie vor bleibt ja eine Veröffentlichung von kursen verboten. 3m allgemeinen ist man optimiffisch. Man hofft auch, daß es bald wieder zu einer regulären Börje kommen wird.
( Stürmische, lang anhaltende Seiterkeit auf Kosten des Balten Rosenberg.)
Ferner ist da ein baltischer Pförtner und ein baltischer Hilfsbote. Alle diese Balten waren früher russische und sind jetzt litauische Staatsangehörige.( Andauernde Heiterkeit gegen die lärmenden Nationalsozialisten verhängt Präsident Löbe einige Ordnungsrufe.)
Beförderungsstationen eines Parteibuchbeamten.
Gendarmeriekommissar in Hildburghausen .
3. Februar: Die thüringische Staatsregierung hat der Reichsregierung Dokumente übermittelt, nach denen der frühere thüringische Staatsminister Dr. Frick im Juni 1930 unter Umgehung seiner Ministerkollegen Adolf Hitler zum Gendarmeriekommissar in Hildburghausen ernannt habe.
4. Februar: Adolf Hitler läßt erklären, Frick habe ohne sein Wissen gehandelt. Er hätte eine Einbürgerung auf diesem Wege abgelehnt.( Der Führer:" Es geschieht in der Partei nichts ohne mein Wissen und gegen meinen Willen!")
Bon zuständiger Seite wird festgestellt, daß Hitler seit Kriegsende noch nie einen Einbürgerungsantrag gestellt, also nie den Versuch gemacht hat, auf legale" Art deutscher Staatsbürger zu werden.
5. Februar: Es wird bekannt, daß Hildburghausen als Siz der thüringischen Landesirrenanstalt den Spiznamen ,, Rappels dorf " führt.
Das thüringische Staatsministerium gibt sein Bedauern befannt über die versteckte und unwürdige Art, mit der durch den damaligen Innenminister( Frick) die Anstellung Hitlers versucht worden sei".
Zum russisch polnischen Nichtangriffspaft stellt der Reichskanzler fest, daß bei einem Angriff Bolens auf einen dritten Staat Rußland gemäß Artikel 2 dieses Vertrages feine Hand Staatsminister Dr. Frick- Pirmasens bemüht war, Adolf Hitler durch 6. Februar: Man erfährt, daß schon vor Juni 1930 lungsfreiheit zurückgewinnt. Es besteht also kein Anlaß, so wie Ernennung zum Professor an der staatlichen Kunstder Abg. von Freytag- Loringhoven zu behaupten, daß Polen nun die Hände gegen Deutschland freibekommen hätte. Darauf betont hochschule in Weimar die deutsche Staatsangehörigkeit zu verder Reichskanzler, daß der Gedanke der österreichisch- deutſchaffen. Der Plan scheiterte am Widerstand des thüringischen fchen 3ollunion durch die wirtschaftliche Entwicklung seither Finanzministers. immer mehr gerechtfertigt worden ist und die Finanzkommission des Völkerbundes bereits, entgegen früherer Theorie, die Lebensunfähigkeit eines auf seinen heutigen Umfang beschränkten Dester reich anerkannt hat. An allen Maßnahmen, die auf Grund dieses Gutachtens erfolgen, ist die Reichsregierung bereit, teilzunehmen. Ueber den Ausgang der Abrüstungstonferenz fann man heute noch kein Urteil fällen..
Aber ein Mitglied dieses Hauses, das hier meine Rede auf der Abrüftungskonferenz verdammte, hat dem Vertreter einer amerikanischen Zeitung erklärt, daß mein Bestehen auf der Gleichberechtigung für Deutschland ihm und feinen Partei
freunden angenehm war.
( Lebhaftes Hört, hört! und Beifall in der Mitte und links, andauernde lärmende Zurufe der Hakenkreuzler. Als Präsident Löbe einen dieser Störenfriede zur Ordnung ruft und erklärt, er werde doch von niemandem provoziert und könne daher ruhig sein, antwortet der Hitlermann unter schallender Heiterkeit des ganzen Hauses, der Verkehrsminister habe ihn provoziert.)
Der Reichskanzler hält dann dem Abg. v. Freytag=
Loringhoven vor, daß er in seiner Rede Fragen gestellt hat, von denen er wissen mußte, daß die Regierung nicht öffentlich darauf antworten fann, weil die diplomatische Tradition und die Vertraulichkeit der Verhandlungen dem entgegenstehen.( Hört, hört! links und in der Mitte.) Aber er bedauere, die Rechte dadurch enttäuschen zu müssen, daß er auf die schwersten dieser Vorwürfe doch antworte.
Nun geht der Reichskanzler auf die Reparationsfrage ein. Bei Redaktionsschluß dauert die Rede Dr. Brünings noch an.
Steinwürfe gegen Polizeirevier.
Nazi- Terror in der Augsburger Straße.
Eine Gruppe von zehn bis zwölf Nationalsozia listen verübte heute gegen 4 Uhr früh in der Augsburger Straße einen beispiellosen Terror. Passanten wurden überfallen und zum Teil schwer mißhandelt. Die Rowdys fonnten schließlich von einer Polizeistreife gestellt und festgenommen werden. Als die Täter auf dem zuständigen Revier gerade vernommen werden sollten, wurden plößlich die Fensterscheiben der Polizeiwache durch zahlreiche Steinwürfe zertrümmert. Wie sich herausstellte, waren
Logiergast im Kaiserhof.
9. Februar: Hitler hat wieder einmal im Kaiserhof in Berlin Quartier bezogen und verkündet auf einem SA. - Appell im Sportpalast, daß bei der Bekanntgabe der Entschlüsse zur Reichspräsidentenwahl eine Millionenpartei vor Begeisterung aufschreien werde".
10. Februar: Der thüringische Staatsminister Baum veröffentlicht eine Erklärung über die nichtloyale Handlung des Ministers Frid" in Sachen Hitler .
Profeffor für Pädagogif in Braunschweig .
12. Februar: Der Plan, Hitler durch den braunschweigischen Minister Klagges zum Professor an der technischen Hochschule in Braunschweig zu machen, wird bekannt.
14 Februar: Ausgerechnet Pädagogit" soll Hitlers ,, Lehrfach" sein.
Hitlers zum Professor für angewandte Pädagogik in Braunschweig 15. Februar: Meldungen über eine vollzogene Ernennung bewahrheiten sich nicht.
17. Februar: Die Profeffur soll steigen, steigt aber nicht. 18. Februar: Thüringische Sozialdemokratie bean
tragt mit Erfolg Untersuchungsausschuß gegen Frid.
Reichspräsidentschaftskandidat.
22. Februar: Goebbels proklamiert im Berliner Sport palast Hitler zum Reichspräsidenten.
Staatsminister in Braunschweig . 23. Februar: Hitler soll als Nachfolger von Klagges Staatsminister in Braunschweig werden.
24. Februar: Hitler soll nicht Minister, sondern Attaché für besondere Zwede bei der flaggestanischen Gesandtschaft in Berlin werden.
Bei der Kanalisation gelandet.
25. Februar: Im Haushaltsausschuß des Braunschweigtschen Landtags haben die Regierungsparteien einen planmäßigen Posten als Kanalisationsrat( im Landeskultur- und Vermessungsamt) für Hitler freigemacht damit er als Untergebe= ner des Gesandten Boden in Berlin amtieren fann. Die amtliche Ernennung foll heute nachmittag bekanntgegeben werden. 26. Februar:??????????