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föeilage Donnerstag, 25. Februar 1932

VprMmö

Jugmö, Schule und Politik G«e Auseinandersetzung mit Groener/ von Kurt

Vor dem Kriege... Vor dem Kriege gab es eine pädagogische Zeitung, die der rechtsgerichtete pädagogische Reformer Berthold Otto heraus- gab. Sie hießDer Hauslehrer" und unterrichtete Schul -! linder, die 10-, 12- und 14jährigen, über die p o l i t i f ch e n Z u- sammcnhänge und Probleme ihrer Zeit. Das wurde damals ganz allgemein als eine begrüßenswerte pädagogische Tat angesehen. Berthold Otto war kein Sozialdemokrat, sondern ein konser- vativer, ein monarchisch und hohenzollerisch gesinnter Mann. Sein politischerHauslehrer" war daher kein politisches Problem der Re- gierungsftellen. Heute. Der ProblemkreisJugend, Schule, Politik" ist heute aktuell geworden. Ein jeder, der dieses Problem aus der Wirklichkeit unseres gesellschafllichen Lebens heraus beobachtet hat, wird zu- geben, daß extreme Lösungen, ein radikales Entweder-Oder, nicht gefunden werden können. Niemand wird die blutrünstigen und phrasenhaften Flugblätter der Nazis für geeignete Jugendliteratur halten und das Ein- exerzieren des Rassenhasses, des Terrors und der G e- waltmaßnahmen in der Schule und auch außerhalb der Schule für erträglich halten. Wenn ein kommunistisches Schulecho davon spricht, daß die Lehrer sichden Dreck um das Leben der Arbeiterkinder kümmern", wenn schon Zehnjährige für Reden gegen den Sozialfaschismus und für den Schulstreik gedrillt werden, dann gehört solch pädagogischer Unfug und derartige poli- tische Berbildung ganz sicher weder in die Schule hinein, noch wird ein verantwortungsbewußter Mensch sie in der Jugendbewegung dulden wollen. Es gibt einen zwar nicht absolut abgrenzbaren, aber doch relativ sicher zu umschreibenden Legalitätsraum für Politik und Schule. Unsere Schulen sind im überragenden Maße öffentliche Schulen, durch Verfassung und Gesetze geschützte Einrichtungen der Allgemeinheit. Man kann daher von allen, die in der Schule leben, von Lehrern sowie von Schülern, die Respektierung dieses Zustandes schlechthin verlangen. Unsere Schulen haben politisch für die R e p u b l i k zu er- ziehen, sie haben den Geist der Völkerversöhnung und die Achtung vor jeder ehrlichen Anschauung zu pflegen. Wenn nur diese drei Fundamente in allen Schulen sicher gebaut wären, dann wäre schon manches, was heute an politischen Gefahren in der öffentlichen Schule vorhanden ist, gebannt. Wer wollte aus der Erfahrung unserer Schulen heraus behaupten, daß hier seitens Lehrer und Leitungen alles geschehen sei!? Roch nicht einmal die Lehrbücher, vor allen Dingen die Geschichtsbücher, sind nach dieser Richtung hin einwandfrei. Wenn nationalsozialistische und monarchistische Treibereien nicht nur ge- duldet, sondern gelegentlich sogar gefördert werden, dann werden allerdings diese Fundaments unseres öffentlichen Schulwesens er- schllttert. Gewiß sind auch hier und dort von den Kommunisten Verwirrungen in unsere Schulen getragen worden, hat man auch hier und dort Ersatzrevolutionen mit Schulkindern zu machen ver- sucht. Aber das ist schließlich auf wenige Schulen beschränkt ge- blieben und auch dort mit Recht bekämpft worden. Um den legalen Raum in unseren öffentlichen Schulen zu sichern, dazu bedarf es überhaupt keiner neuen gesetzlichen Anstren- gung. Dazu ist nur nötig, daß mit eisernerHand überall da durchgegriffen wird, wo dieser legale Boden verlassen wird. Wir hoffen, daß auch Herr G r o e n e r energisch gegen Herrn K l a g g e s in Braunschweig vorgehen wird, wenn er den ver- fassungswidrigen Ungeist der Hitlerbewegung in dem braunschweig- scheu Schulwesen pflegen will, daß er das ebenso energisch machen wird, wie S e v e r i n g und W i r t h gegen die Hahpädagogik Fricks vorgegangen sind. Hände tuen von der Jugend?! Doch mit dieser Legalitätsfrage ist das Problem ganz bestimmt nicht gelöst. Selbst wenn man Groeners Wunsch folgen würde und die politischen Parteien sich nicht um Jugend und Schülerschaft kümmern würden, würde damit die politische Beeinflussung auf- hören? Es gibt Leute, die der Meinung sind, die Herabsetzung des W a h l a l t e r s sei die Ursache der Politisierung der Jugend. Es ist merkwürdig, daß das zumeist auch die Leute sind, die vor- her schon Gegner des jetzigen Wahlrechts waren. Die politische Verwilderung in manchen Teilen unserer Jugend ist für sie nur ein billiger Vorwand für reaktionäre Machenschaften Auch Herr G r o e n e r erwähnte in seinem Briefe das Wahlalter. Aber sollte Herr Groener und die anderen nicht eine Tatsache zum Nachdenken zwingen: sind es nicht dieselben Kreise, die Terror und Gewalt predigen und üben, ob sie Harzburger Paraden abhalten, ob sie im Wahlkampf stehen oder ob sie an den Universitäten, in den höheren Schulen oder in den Jugendverbänden ihre Haßsaat ausstreuen? Die Rathenau-Mörder reichten mit ihren Spuren in höhere und Hochschulen hinein, wie jugendliche Gewalttaten immer wieder auf diese Kreise zurückgehen. Der Erlaß von Herrn Groener, der die National- so zi allsten für die Reichswehr legalisierte, ermutigt auch die terroristische Verhetzung in der Jugend und in den Schulen. In der Erziehung, auch in der politischen Erziehung, ist immer noch das Vorbild entscheidend gewesen. Herr Groener fordert von den politischen Parteien: Hände weg von der Jugend, aber er hindert um es ganz vorsichtig auszudrücken nicht, daß in der von ihm protegierten Jugenderziehung, in den Wehr- sportorganisationen. nationalistischer und nationalsozia- listischer Geist gepflegt wird. Ist der Grat Helldorf etwa das Musterbild eines unpolitischen, verfassungsmäßigen Jugenderziehers? Herr Groener sehe sich einmal mit der gleichen Liebe die poli- tische Erziehungsarbeit an, die in unserer Arbeiterjugend geleistet wird. Er wird uns dann zugeben müssen, daß bei uns der Wille zum sozialen Ausbau und die Verantwortung für politisches Wollen und Handeln außerordentlich ernst fundiert ist. Nicht das Wahlrecht, sondern die wirtschaftliche und gesellfchaft-

l i ch e Lage ist ee, die die Menschen politisiert. Man kann nicht daran vorbeigehen, daß der Prozeß der Politisierung alle erfaßt hat. Schon an das Ohr des jungen Kindes dringt das ganze Repertoire politischer Agitation, beunruhigt und stört, regt an und enthuflas- miert. Die Millionenarbeitslosigkeit ist nicht nur eine statistische Angelegenheit, sondern setzt sich um in Not und Unsicher- heit für alle. Wenn der Vierzehnjährige keine Lehrstelle bekommt, wenn der Siebzehnjährige keine wirtschaftliche Zukunft sieht, und wenn all diese Tatsachen nicht einzelne wenige betreffen sondern wenn sie ganz allgemein Tatbestand unseres wirtschaftlichen Daseins sind, dann kann man nicht die Jugend damit festigen, daß man ihr vonechter Menschlichkeit und tiefftem Gerechtigkeitssinn" etwas vor- erzählt. Die Sprache der Tatsachen ist härter und rauher, so rauh, daßdas Streben nach innerer Harmonie des Geistes" wie eine Verhöhnung des tatsächlichen Schicksals empfunden wird. Haben unsere Schüler auf den höheren Schulen nicht reichlich viel von diesen Idealismen in der klassischen Literatur gelesen, haben sie nicht genügend Sprüche in Aufsätzen oerarbeitet? Und doch sind sie jene vandalierende Jugend auf den Universi- täten geworden. Oder vielleicht sind sie es gerade geworden, weil f i e n i ch t p o l i t i fch e r z o g e n w o r d e n sind? Di« Frnge der Politischen Erziehung. Politische Erziehung ist eben etwas ganz anderes als der Flug- fand aus den Hetzwllsten der Nazis und Kozis. Wenn das Leben notwendigerweise so stark politisiert ist, dann kann man die politische Entwicklung der heranwachsenden Jugend nicht dem Zufall über- lassen. Der Zufall macht aus der Jugend Opfer für politische Draht- zieher. Das deutsche Volk leidet ganz bestimmt nicht an einem Ueber- maß politischer Erziehung. Aber, so höre ich schon die Einwände, wie kann denn die Schule politisch erziehen? Soll eine politische Ueber- zeugung zwangsmäßig in allen Schulen gelehrt werden? Nichts wäre törichter als solche Forderung, Auch politische Ueberzeugungen haben letzten Endes ihre Unterlagen in der klassengegliederten Gesell- schast. Diese Klassengliederung hebt man nicht aus, indem man über sie diskutiert. Was die Schule tun kann und allein tun kann, ist, daß sie das heranwachsende Geschlecht zwingt, von der aufgenommenen Phrase zum Nachdenken zu kommen, von der Parole zur Wirklichkeit vorzudringen. Das politische Irren ist nicht das Unglück unserer Zeit, sondern daß die Lösung der Irrtümer anstatt im Kopfe, in der brachialen Gewalt sich durchzusetzen versucht. Natürlich soll nicht der Lehrer der öffentlichen Schule die Auf- gäbe haben, die Kinder für irgendeine Partei zu erziehen. Ist er ein richtiger Lehrer und ein Führer für die Jugend, so hat er eine Ueberzeugung, und diese Ueberzeugung ist fundiert in seinem Er- kennen und äußert sich in seiner Gesamthaltung, Die agitatorische Kraft, die vom überzeugten Menschen ausgeht, kann man auch dem Lehrer nicht nehmen, aber er wäre kein Lehrer, kein Erzieher, wenn er nicht gleichzeitig die stärksie innere Duldsamkeit vor dem echten Wachstum der Jugend haben würde. Sittliche Verwurzelung! Was heute an der politischen Meinung und Wertbildung der nationalsozialistischen und kommunistischen Iugendbeeinflussung uns so stark erschüttert, ist nicht nur der Mangel an objektiver Er- kenntnis, sondern vor allem der Mangel an sittlicher Verwurzelung. Wir können heute in unseren Schulen keine politischen Dogmen mehr lehren. Nicht nur die Wirtschaft ist wider- spruchsvoll, auch unser Urteilen und Werten ist es geworden, Darum muh die Schule für Ringen um neue Lebens- und Gefells ch astswerte offen fein, darum muß die Schule mehr fein als die Unter- richtsanftalt von gestern.

Aber auch die politischen Parteien können nicht darauj.. zichten, sich um die Jugend zu kümmern. Die politischen Parteien mögen es können, die nur ein loses Gefüge für heute und morgen sind Die politischen Parteien können es nicht, deren Gestaltungswille von einer geschichtlichen Aufgabe, von einer gesellschaftlichen Natur- Notwendigkeit bestimmt wird. Der überzeugte Sozialist ist nicht Sozialdemokrat für sich, sondern fühlt sich als der Träger des politischen Kampfes und des gesellschaftlichen Auf- b a u e s. Wie könnte er darauf verzichten, Pionier dieser seiner Lebensausgabe zu sein. Politik ist im Grunde genommen das Hinaus- wachsen des einzelnen aus der Enge seines egozentrischen. Lebens- kreises In früheren Zeiten war politisches Denken und Handeln das Vorrecht weniger Herrschender. Heute ist Politik allgemeine Notwendigkeit geworden, heute bedeutet politische Erziehung das Hineinwachsen, das Hcimischwerden in der werdenden Gesellschaft unserer Zeit. Auf diese Aufgaben können und wollen wir nicht verzichten. Eigentlich ist sie die Kardinalauiaabe all unserer öttent- lichen Schulen. Wir wissen, daß unsere öffentlichen Schulen heule noch nicht die Weite und Gesellschaftsverbundenheit haben, die notwendig ist, um aus ihnen Wachstumsstätten der werdende» Gesellschaft zu machen. Darum sind unsere sozialistische Kinder- wie Jugcndbewe- gung notwendig und lebendig. Dennoch aber können und werden wir nicht darauf verzichten, sorgfältig darauf zu achten, daß die öffentlichen Schulen ihren legalen Lebcnsraum nicht mißbrauchen. Dennoch werden wir nicht aufhören, auf Lehrer und Lehre, auf Schule und Schülerschaft so zu wirken, daß in diesem Rahmen politisches Wachstum, politisches Verwurzeltfein und politische Verantwortung lebendig werden. In der Zerrissenheit unserer Zeit, in der Spannung, die in Wirtschaft und Gesellschaft so leidenschaftlich geworden ist,, ist die Gefahr des politischen Miß- brauch? in den Schulen wie in der Jugenderziehung ganz sicher gegeben. Doch der Mißbrauch wird um so schlimmer, wenn Schule und Jugend scheinbar legal von der Politik ferngehalten werden, um in dem Sumpfe illegaler Romantik um s o üppiger ins Unkraut zu schießen. Man kann Feierjahre für Reparationen einlegen. man kann aber nicht auf politische Erziehung verzichten, wenn das Leben alles und alle politisiert, VauvoU der Zutunfr. Der Gedanke des Ministers Groener, die Parteien zum Verzicht auf politische Jugenderziehung zu bringen, ist eine Flucht aus dem wirklich brandenden Leven in den schützen- den Hafen seiner eigenen Tradition. Auch Herr Groener ist polittsch in der Schule erzogen worden. Diese politische Erziehung war einseitig und selbstverständlich, weil die Ideologie des Obrigkeitsstaates sie so selbstverständlich ausübte, das man gar nicht merkte, wie einseitig und wie politisch diese Erziehung war, Die Schule soll ganz sicher nicht in der Einseitigkeit dieser politischen Erziehung stecken bleiben. Eine öffentliche Schule, die Funktionäre für irgendeine Partei erzieht, hat ihren Zweck verfehlt. Wer die Erziehungsaufgabe der Schule durch Terror und Gewalt hindern will, wer die Schule mißbrauchen will für Parolen des Augenblicks und taktische Manöver, der muh mit aller Energie in seine Schranken zurückgewiesen werden. Wer aber das Leben un- serer Gegenwart hineinströmen läßt in Schule und Jugend, wer mit der Jugend klärt und ringt, wer der Jugend hilft, über Aufschrei und Augenblicksnot hinauszukommen und sich zu fühlen als B a u o o l k der Z u k u n f t, der erfüllt nur eine Ausgabe, die zwar schikanös eingeschränkt, aber niemals auf die Dauer gehindert werden kann. Darum schützt die Jugend vor politischem Mißbrauch durch gründliche politische Erziehung!

Dr. Maria Faßbenöer: Vericht über einen Roman Was ist Zeit?--- Morgen Mittag-- Abend-- Sonntag-- Montag-- Tage-- zwei drei-- fünf Tage-- Sie können vorübergehen-- mechanisch-- gewohnheitsmäßig. Aufstehen Schlafengehen da­zwischen Arbeit, Menschen-- Pflichten-- Alltag--. Erst Montag, schon Freitag. Nichts hat sich geändert--- man ist fünf Tage älter geworden, nichts ist geschehen. Aber irgend einmal im Leben werden sünf Tage zu einer un- endlich langen Zeit-- Montag ist man noch der Alte- Freitag ein anderer. In fünf Tagen rückte das Leben dicht an dicht heran. In fünf Tagen meißelte das Leben mit seiner spitzen Schärfe an deinem Schicksal. Nur fünf Tage und es war eine lange lange Zeit. Der Arzt Tomas lebt ein arbeitsreiches, anspruchsloses Leben, wie viele, viele andere. Für ein Zuhause, für eine schöne Frau tagein, tagaus, Tomas war zufrieden, er machte sich keine Ge- danken. Das Leben klappte irgendwie. Eines Tages geht ihm die Frau fort. Da hört auf einmal die Ordnung auf. Das Gebäude zwischen Morgen und Abend, zwischen Montag und Sonnabend stürzt in sich zusammen. Enttäuscht, oerzweifelt und unzurechnungsfähig vor Schmerz befindet sich Tomas auf einmal auf einem großen luxuriösen Ozean- j Kämpfer, auf dem auch seine Frau mit dem Geliebten sich befindet. In dieser schwimmenden Stadt zwischen zwei Kontinenten zieht an Tomas in fünf Tagen intensiv und eindringlich das Leben vorüber. Das Leben in seiner mannigfachen Gestalt in Dingen und Menschen verkörpert, das Leben mit seinem Oben und Unten, mit seinem Kampf um Geld. Ruhm und Liebe--- aus dieser schwimmen­den kleinen Welt vollzieht sich in fünf Tagen in der bis dahin zufriedenen, kampflosen Seele des Arztes eine ungeheure Wandlung In seine verkrampfte im Schmerz verbohrte Seele dringt das Licht der Erkenntnis des wirklichen Lebens mit seiner Wette, seinem Kampf, seinen Aufgaben-- sein eigenes Leid, feine Leidenschaft und seine Qualen und eine verlorene Liebe vereint sich mit dem großen Strom des Leides und der Leidenschaften aller, aller, die mtt ihm wissend und unwissend den aufreibenden Kampf um das bißchen Leben führen. Und als Tomas nach fünf Tagen in

New Park angelangt vor der Erfüllung des Zieles seiner Reise steht, dann will er es nicht mehr, dann ist das Ziel feiner Reife ein anderes geworden--- er ein anderer. -i-, Die Wienerin G i n a K a u s erzählt uns das alles in ihrem neuen RomanDie U e b e r f a h r t", bei Knorr und Hirth in München erschienen. Dichterisch einfach und interessant ist das Leben auf diesem Schiff geschildert. Wie flüchtig gezeichnete Schatten ziehen an uns die Menschen vorbei, aber wir erfassen sie, wir kennen sie, wir leben mit ihnen. Uns gehen all die kleinen und großen Schicksale nahe, aber am tiefsten bleibt in unserem Bewußtsein die Tatsache, daß weder Luxus und Geld, noch Schönheit und Macht imstande sind, die Fäulnis einer-herrschenden Klasse zu decken. Leer, aus- geleiert und inhaltlos ist das Leben all dieser reichen Schmarotzer in ihren Luxuskabinen, Spielsälen und Bars. Alle miteinander, jung und alt, schön und häßlich, können nur Mitleid erregen, keiner beneidet sie um ihr Geld, oder man muß schon so sein wie die arme kleine Milll Lensch, das arme Proletariermädchen aus Posen, die ihr ganzes Glück in Reichtum und schönen Kleidern sieht. Schade, daß die Arme nicht so edlen Charakter hat wie die Barm, esse Mergentheim , die zwar arm, aberadelig", also doch nicht imstande ist, sich zu verkaufen. Schade, daß sich ein so süßlicher Kitsch von edlen verarmten Baronessen in diesem Roman eingeschlichen hat. Und unwillkürlich müssen wir fragen, ob die kleine Milli Lensch nicht anders geworden wäre, wenn die sozialen Verhältnisse, in denen sie aufgewachsen ist, anders gewesen wären. Befremdend wirkt beim Lesen dieses Buches die Tatsache, daß unter all den Menschen, die an uns vorbeiziehen, unter all den mannigfaltigsten Typen, der Typ des klassenbewußten Arbeiters fehlt. Vielleicht wäre er auch auf dem Symbolischen Schiff zu finden gewesen, vielleicht bei den Maschinen und Lagerräumen, vielleicht unter den Matrosen, oder sonst irgendwo, wo gearbeitet wird. während die anderen in ihren Luruskabinen das Geld vergeuden und ihre ewigen Ferien fortsetzen. Vielleicht hätte ein solcher Mensch der Arbeit und der Zukunft etwas Farbe und Freude in dieses trübe Bild gebracht und dem Leser den bitteren Geschmack, der ihm nach der Lektüre übrig blieb, erspart. Es ist aber leider sehr schwer, aus der Perspektive der ersten Klasse diejenigen zu sehen die hinter den Maschinen stehen und die in den unsichtbar-" Räumen das Schiff über den Ozean lenken.