Morgenausgabe
Rr. 95
A 48
49.Jahrgang
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Der Borinärts" erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abenbausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend". Jllustrierte Sonntagsbellage Bolt und Zeit".
Freitag
26. Februar 1932
Groß- Berlin 10 Di Auswärts 15 Pf.
Die etuspalt. Willimetergetle 80 3. Retlamezeile 2- M Kleine Angeigen" bas fettgebrudte Bort 20 B. Guläffig zwei fettgebrudteorte jedes weitere Bort 10 Bf. Rabatt It. Larif. Borte über 15 Buchstaben zählen für awei Borte. Arbeitsmartt Milimeter. jeile 25 Bf. Familienanzeigen Mit meterzeile 16 Bf. Anzeigenannahme im Sauptgeschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ahlehnung nicht genehmer Anzeigen vorl
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Kampf gegen rechts!
Die Kanzlerrede.- Sozialdemokratischer Angriff.
Im Reichstag hat es gestern zwei Reden gegeben, die sich mit annähernd gleicher Schärfe gegen die extreme Rechte richteten: die Rede des Reichskanzlers Dr. Brüning und die Rede unseres Genossen Rozmann.
Die Angriffsrichtung gegen den Nationalsozialismus war aber auch das einzige Gemeinsame dieser beiden Reden. Die Roßmanns war gut sozialdemokratisch. Die des Reichs fanzlers war gemäßigt tonservativ.
Roßmann analysierte die nationalsozialistische Bewegung Dom Klassenkampf- Standpunkt aus richtig als einen Angriff der vornovemberlichen Mächte und des reaktionärsten Teiles der Bourgeoisie auf die demokratischen und sozialpolitischen Positionen der Arbeiterklasse.
Brüning griff den Rechtsradikalismus an als den Saboteur eines bürgerlichen Zusammenschlusses, der, - nach den sozialtonservativen Auffassungen des Redners- ja nicht unmittelbar gegen die Arbeiterklasse gerichtet sein, aber doch dem Bürgertum eine vorherrschende Stellung sichern foll. Roßmann steht mit seiner ganzen Persönlichkeit auf dem Boden der Tatsachen, die im November 1918 geschaffen und durch ihn mitgeschaffen worden sind.
Brüning bekennt sich als Anhänger jener Tradition, bie gerade durch den 9. November den stärksten Stoß erhalten hat. Er hat sich nicht freiwillig auf den Boden der neuen Tatsachen gestellt, er hat sich erst heftig geweigert, ihn zu betreten und erst allmählich sich ihm angepaßt. Das alles ist für uns feine Neuigkeit. Wir fennen die Distanz, die uns von Brüning trennt, ebenso gut wie wir die Berschiedenheit der Weltanschauungen zwischen uns und Hindenburg fennen. Beide, Brüning und Hinden burg, gehören ihrer ganzen Beranlagung nach mehr nach rechts als nach links, und das Interessanteste an der gegen wärtigen Situation ist, daß trotzdem so etwas wie eine politische Notgemeinschaft zwischen ihnen und der Sozialdemokratie entstehen konnte. Sie, die gemäßigt Konser pativen, fönnten es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren, ihre Pläße einem verantwortungslosen Rechtsradifa lismus freizumachen; sie können aber die Position gegen rechts nur halten, wenn ihnen die Sozialdemokratie dabei hilft. Auf
und Rosenberg gelangen und darum muß sie vor allem verhindern, daß der jüngste Parteibuchbeamte Deutschlands . Adolf Hitler , Reichspräsident wird.
zu ändern vermögen. Herr Brüning hat gestern und das war für uns vielleicht das einzig Positive an seiner Rede angekündigt, daß der Reichswehrerlaß über die bedingte Zulassung von Nationalsozialisten geändert werden folle, menn sich die Boraussetzungen, unter denen er zustande tam, ändern sollten. Daß diese Voraussetzungen überhaupt niemals existierten, haben die Reichstagsverhandlungen deut lich gezeigt. Die Sozialdemokratie fordert, daß daraus die Konsequenzen gezogen merden. Sie wird nicht dulden, daß die Machtmittel des Staates in die Hände der Frick, Goebbels | muß geschlagen werden!
Nach diesen Gesichtspunkten wird die sozialdemokratische Frattion heute im Reichstag ihre Entscheidungen treffen, und menn diese gefallen sind, wie vorauszusehen ist, wird der Parteivorstand die Parole zur Reichspräsidentenwahl ausgeben, die keine Ueberraschung mehr ist.
Feind ist, wer am meitesten rechts steht, und dieser Feind
Roßmann attackiert!
Das wahre Gesicht des Faschismus.
In der gestrigen Reichstagsfikung führte Abgeord, ihre hezerische Agitation betreibt. Sie beruht auf einer beispielneter Genosse Rohmann aus:
Dr. Goebbels hat das Sozialistengesez ein Schattenspiel genannt. Er weiß freilich nichts von den 1000 Jahren Zuchthaus und Gefängnis, von den unzähligen Eristenzvernichtungen und von der Bertreibung fo vieler nach Amerika , die unter den 12 Jahren dieses Schandgefeges ohne eine einzige Amnestie verhängt worden sind und die das Maß von Erbitterung erklären, in das die Arbeiterschaft der Borkriegszeit hineingetrieben wurde. Breußen behandelte bis zum Zusammenbruch die Arbeiter im Wahlrecht als Bürger minderen und mindesten Rechtes. Troß alledem ist die sozialbemo tratische Fraktion im faiserlichen Deutschland niemals auf das traurige Niveau herabgeftiegen, das wir in diesen Tagen crlebt haben. Von der antisemitischen Partei der Borkriegszeit galt das Bort:
,, Nicht deutsch, nicht treu, nicht ritterlich, nicht ehrlich,
nur ganz unglaublich dumm und das macht fie gefährlich." ( Lebhafte Zustimmung links.) Die Reden der Abgg. Goebbels , Straßer und Rosenberg haben nichts anderes gebracht, als die alten Agitationsflischees, mit denen die Hitlerpartei feit Jahren
ber anderen Geite hat aber die Arbeitertiaffe das tebbaftefte Arbeitsbeschaffung!
Interesse daran, daß dem Rechtsraditalismus der zur Macht durch möglichst starke Hindernisse verlegt wird.
Die erbitterte, leidenschaftliche Schärfe, mit der gestern der sonst so gelassene und fühle Brüning die äußerste Rechte attadierte, zeigt den tiefen Riß, der zwischen den bürgerlichen Parteien flafft. Könnten wir dem vielfach zerspaltenen Bürgertum einen geschlossenen proletarischen Blod entgegenstellen, so würden sich die Machtverhältnisse sehr bald zu dessen Gunsten wenden. Weil aber auch in diesem Fall die Beherrschten die Laster der Herrschenden angenommen haben, weil auch die Arbeiter gespalten sind, stellt sich die Situation ganz anders dar.
Es ist für die Arbeiterklasse unmöglich, zwischen den beiden einander bekämpfenden Lagern des Bürgertums nicht Partei zu ergreifen. Unsere Todfeindschaft gegen den realtionärsten Teil der Bourgeoisie zwingt uns taktisch an die Seite des gemäßigteren Teils, während umgekehrt die Kommunisten sich dauernd das Vergnügen leisten, dem reaktio= närsten Teil der Bourgeoisie Hilfsstellung zu gewähren.
Klarer von Tag zu Tag vollzieht sich der Aufmarsch für den 13. März. Er vollzieht sich mit solcher inneren Gesetzmäßigkeit, daß mehr oder weniger geschickte Reden und mehr oder weniger pikante historische Erinnerungen nichts daran
Verstaatlichung der Schwerindustrie!
Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat im Reichstag einen Gesetzentwurf zur Verstaatlichung des Bergbaues und der Eisenindustrie eingebracht. Ferner hat die Fraktion weitere Gesetzentwürfe eingebracht
zur Arbeitsbeschaffung
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zur Beseitigung der sozialen Härten der Notverordnungen
zur Wiederherstellung eines sozialen Mietrechts
Die Reichsregierung wird endlich zur Durchführung des im Dezember 1930 eingebrachten Gesetzes zur Errichtung eines Kartellamtes aufgefordert. Wir veröffentlichen den Inhalt der Gesetzentwürfe im Wirtschaftsteil.
Die Eiserne Front ruft!
Wir greifen an!
lofen Berfälschung der geschichtlichen Wahrheit über die legten 14 Jahre. In dieser Zeit soll alle Not und Elend durch die Demofratie verschuldet worden sein. Für alle jene aber, für die die politische Geschichte nicht erst mit dem November 1918 beginnt, besteht
die moralische Berpflichtung gegenüber der heranwachsenden Generation, die Frage aufzuwerfen, was eigentlich im November 1918 geschehen iff.
Damals und zum Teil schon vorher find die vier großen militärisch. fapitalistisch- absolutistischen oder halbabfolutistischen Monarchien der 3aren, der Hohenzollern , der Sultane und der Habsburger meggefegt worden. Vom Atlantischen bis zum Stillen Ozean bildete sich ein System von demokratischen Republiken. Das Bolf wollte nicht mehr Instrument größenwahnsinniger Imperatoren, der Staat follte das Instrument des Bolles sein. Es gehört schon der ganze Infantilismus( tindische Geistesschwäche) des Nationalsozialismus dazu, diesen Umschwung der Geister als Werk der„ Novemberverbrecher" hinzustellen.
Der Nationalsozialismus hat sich durch ungeheure Geschichtsfälschungen großgezogen;
fein Wahlaufruf zur Reichstagswahl 1930 behauptet: Unsere Birt schaft betätigte sich während des Krieges im Kreislauf. Das Ende des Krieges sah ein Deutschland , das an innerem Reichtum nichts verloren hatte und während des Krieges nichts davon verlieren fonnte. Bom November 1918 an aber versilberte und verflüssigte man die angesammelten Reserven und Guthaben des deutschen Bolksvermögens." Haben Sie schon vergessen, daß von 1914 bis 1918 volle 14 Millionen Menschen als Soldaten bekleidet, ernährt, transportiert, als Bermundete gepflegt werden mußten, daß ebenso lange diese 14 Millionen Menschen das deutsche Volksvermögen in Form von Patronen, Artilleriegeschossen, Handgranaten, Lor pedos und Bomben aller Art verpulvern mußten, und daß am Ende diefer blutigen Katastrophe Deutschland eine Schulb von 165 Milliarden hatte? Und da soll Deutschland an innerem Reichtum nichts verloren haben!
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Den Berlust von 2 Millionen junger Deutscher auf den Schlachtfeldern rechnen Sie nicht, daß 1,5 Millionen deutscher Frauen zu Wilwen wurden, daß 2 Millionen deutscher Kinder für ihr ferneres Leben den Bater entbehren müssen, daß Millionen Eltern die Stühe ihres Alters hinfinfen sahen, daß 1,5 millionen Menschen in ihrer Gesundheit und Kraft schwer geschädigt zurüdfamen, und daß wir nun jährlich über 1 Milliarde- es müßte viel mehr fein! an Versorgung aufbringen müssen das nennen Sie an innerem Reichtum nichts verloren"! ( Hört, hört! lints Lärm und Gelächter rechts.) Ein Volk, das einer solchen Lügenpropaganda nicht den Garaus macht, ist in tieffter Seele zu bedauern. Not und Elend kommen nicht von der Demokratie, sondern vom Kriege, der die Wirtschaft zerstört und desorganisiert hat, und von dem Mangel an einer wirklich internationalen Organisation der Arbeit und der Wirtschaft. Statt uns mit dem Köpfeeinschlagen zu drohen, sollten wir lieber nachdenken, wie an die Stelle des versagenden Systems ein neues besseres zu fetzen wäre. Niemals werden Sie den wahren Schuldigen an diesem Elend, die nationalistisch- tapitalistische Reaktion von der Berantwortung freimachen.
Recht hat Goebbels damit, wenn er sagt, Deutschland schwebe in einer latenten Gefahr des Bürgerkrieges. Wir täuschen uns nicht darüber, daß eine tonterrevolutionäre Situation hereingebrochen ist mit dem Ziel, die Massen der Werktätigen weit über das Jahr 1918 zurückzuwerfen. An diesem Bersuch haben alle Leute ein Inter effe, die im alten Obrigkeitsstaat gemohnt waren, zu herrichen und siehe 1. Bellage u befehlen, und bie ben Berlust ihrer Borherrschaft nicht per
Versammlungen: