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BERLIN  Sonnabend 27. Februar

1932

Der Abend

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Nr. 98

B 49

49. Jahrgang

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Das Ende von Harzburg  

Krach zwischen Hugenberg   und Hitler  / Tributdemagogen entlarven sich gegenseitig

Bei Hugenberg   geht der Katzenjammer um. Die Wahl­maschine der Nazis beginnt zu rollen und die Deutsch­naionalen kommen dabei unter die Räder. Herr Rosen­be erg hat gestern in einer nationalsozialistischen Versamm­lung über den ,, Bildungsdünkel" bei Hugenberg   gehöhnt, und auch sonst fehlt es nicht an Fußtritten vom Hause Hitler  . i Man rächt sich durch eine bittere Kritik an der neuen Flucht der Nazis aus dem Reichstage, und so schreibt Herr Hussong im Lokal- Anzeiger":

Kaum sind sie draußen, ist der erste Anblick, den das Haus bietet, eine Mehrheit der Schwarzroten in einer Ab­ftimmung, in der die Anwesenheit der Nationalsozialisten sie in die Minderheit gebracht hätte. Eine Sache, mit der die Sezefsionisten um Goebbels   und Straßer sich tief ins eigene Fleisch schnitten, ist es, daß jetzt zum Beispiel über ihre Köpfe hinweg ein Antrag auf Sperrung der Polizeigelder für Braun schweig glatt so durchgeht, wie er sonst abgelehnt worden wäre. Es ist zu entscheiden über einen sozialdemokratischen Antrag auf Berstaatlichung der Montanindustrie, und dabei laffen die Nationalsozialisten die deutsche   Wirtschaft glatt im Stich, liefern sie den Marristen und Bolschewisten aus. Und da laufen sie nach vier Tagen endloser Redereien ausgerechnet in der Stunde davon, in der etwas Gutes geschehen und etwas Schlimmes verhindert werden könnte. Politit nennt man das.

Geradezu zum Hohn auf sich selbst wird diese Politik, als dank der Sezession der Nationalsozialisten ein sonst mit Leichtigkeit ab­gelehnter Antrag auf Aufhebung des Groener Er lasses über die Zulassung von Nationalsozialisten zur Reichswehr  

angenommen wird.

So geht es infolge des Ausbruches der Nationalsozialisten in der entscheidenden Stunde weiter. Die gesamte Landwirtschaft tann fich bei ihnen zum Beispiel dafür bedanken, daß sie den Margisten und Bolschewisten die Durchsehung eines Antrages auf Rüd­gängigmachung der Butterzollerhöhung ermög

lichten.

Ist es schon Wahnsinn, hat es doch Methode. Gar nicht zu reden von der feirenden Schadenfreude des schwarzroten Heer­banns des gereteten Brüning, der, wenn schon in sonst nichts, so doch in seiner Schadenfreude einig, einig, einig ist."

Da scheint man im Hause Hugenberg   sehr ernstlich böse zu sein! Aber wie ist uns denn: Herr Hussong tut ja gerade so, als ob in drei Wochen nicht das Dritte Reich ausbrechen würde, das mit allen Reichstagsbeschlüssen aufräumt, er mißt plötzlich den Abstimmungen des Reichstags die größte Bedeutung bei, er schwärmt für parlamentarische Mehrheitsbildung und parlamentarische Politik! Ziemt sich solches für einen wahrhaft Gläubigen des Dritten Reichs? Wenn sich noch die Herren Schiele oder Westarp oder Treviranus so äußern würden, so wäre das verständlich aber ausgerechnet der Hauptschriftleiter des Herrn Hugenberg?

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Sein heutiger Zorn ist verständlich. Noch beim letzten Male hat er Loblieder auf die nationalsozialistische Fortlaufe­taktik gesungen, die die Deutschnationalen mitgemacht haben. Jetzt ist die Harzburger Front taputt, die Deutschnationalen distanzieren sich von dieser Taktik und Herr Hussong ver­dammt sie mit dem heiligen Eifer des Neubekehrten.

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Entlarvie Tributdemagogen.

Die Abstimmungen im Reichstag.

Nach den jetzt vorliegenden Abstimmungslisten haben in der gestrigen Reichstagssigung gegen die Mißtrauens­anträge gegen das Kabinett 288, für diese Anträge 264 Abgeordnete gestimmt. Die Mehrheit betrug also

24 Stimmen.

Gegen die Mißtrauensanträge haben geschlossen ge= stimmt: die Sozialdemokratie, das Zentrum, die Wirtschaftspartei, die Christlichsozialen, die Bayerische Volkspartei  , die Staatspartei, die Voltsnationalen und die Deutsche Bauern­partei.

Für das Mißtrauensvotum stimmten die National­fozialisten, Kommunisten, Deutschnatio­ nalen  , Deutsche Boltspartei, Landvolk( mit ( Fortlegung auf der 2. Seite.)

Hitlers Mordbanden an der Arbeit

Bewaffnete Massenüberfälle/ Schüsse aus dem Hinterhalt

München  , 27. Februar.( Eigenbericht.) In der Nacht zum Sonnabend gegen 23 Uhr verübte eine Kolonne von etwa 250 Hakenkreuzlern einen planmäßigen Ueberfall auf Reichsbanner. leute, die sich in einem ihrer Verkehrslokale in München  - Sendling   aufhielten. Bei dem Angriff, den die Polizei bei ihrer Untätigkeit sich entwickeln ließ, wurden insgesamt 30 Personen verletzt, darunter drei schwer, die dem Reichsbanner angehören. Zwei von ihnen liegen mit schweren Kopfwunden in der chirurgi­schen Klinik. Es wurden insgesamt 14 Beteiligte ver­haftet.

Die Anarchie in Braunschweig  . Braunschweig  , 27. Februar.( Eigenbericht.) Ein Nollkommando der berüchtigten SA. Schule in Kreiensen  , das im Auto herangeschafft worden war, lauerte nachts in dem Orte Harriehausen  heimkehrenden Teilnehmern einer Kundgebung der Eisernen Front in Seesen   auf. Die feigen

Keine Brotpreiserhöhung!

Erklärung der Reichsregierung.

Die Reichsregierung läßt erklären, daß eine Erhöhung des Brotpreises nicht eintreten wird.

Die Reichsgetreidegesellschaft wird durch Bereifffellung von bil­igen ruffifchen Roggen den Mehlpreis soweit fenten, daß der Brotpreis nicht verteuert wird.

Der Eid und die Eideshelfer

Hitler   nach dem Schreur auf die Weimarer Ver­faffung in der Braunschweigischen Gesandtschaft

Als die

Heckenschüßen, die wie üblich mit Schußwaffen versehen waren, standen vor einer Nazifneipe. Der Führer des Reichsbannertrupps gab ausdrücklich Befehl, keinerlei Provokation und Beschimpfung zu beachten. letzten Reichsbannerkameraden wenige Meter von der Naziwirtschaft entfernt waren, schossen die Haken­kreuzler scharf. Ein junger Reichsbannermann brach mit einem schweren Bauchschuß zusammen; er liegt hoffnungslos danieder. Eine Reihe anderer Re­publikaner wurde verwundet. Ueber den neuen Meuchel­mord der Hitlerbanden herrscht größte Erregung.

Feiger Ueberfall auf einen Kranken. Bad Wildungen  , 27. Februar.( Eigenbericht.) Ein Patient des Sanatoriums Helenenquelle in Bad Wildungen   wurde von zwei Wildunger Nationalsozia­listen namens Kramer und Rosenblath überfallen und mit einer Stahlrute und einem Spazierstock über den Kopf geschlagen, daß er besinnungslos zusammenbrach. Gegen die beiden feigen Burschen ist Strafanzeige er. stattet worden.

Der Parteibuch- Beamte.

Hitlers   Gehalt für besondere Aufträge".

Braunschweig  , 27. Februar.( Eigenbericht.) Der Volksfreund" schreibt in seiner heutigen Alugabe: Der

Regierungsrat Hitler ift ugnießer eines Gehalts von

5238 Marfjährlich geworden. Außerdem ist er mit 35 Proz. feines Gehalts fofort pensionsberechtigt. Die Arbeiterver­treter, die die Sozialdemokraten als Kreisdirektoren gestellt hatten, wurden wegen nicht akademischer Vorbildung als Parteibuch beamte von der Naziregierung ent­lassen. Wo ist die akademische Befähigung von Hitler? Die ihm zu­geschobene Regierungsratsstelle war im neuen Etat beim Titel ,, Landesvermessungsamt" gestrichen. Am Millwoch verlangte die braunschweigische Regierung im Ausschuß, daß diese Stelle deshalb wieder hergestellt werden müffe, weil die Beamten des Landesvermessungsamts unter der Last der Arbeit zusammenbrächen! Die Stelle des Regierungs­rats fei unbedingt nötig. Bergeblich verlangte der sozialdemokratische Redner, daß statt eines höheren Beamten 3 wei erwerbslofe Angestellte ins Brot kämen. Die Nazi- bürgerliche Koalition bewilligte den Regierungsrat für das Landesvermessungsamt. Schon zwei Tage später, am Freitag, wurde dieselbe Stelle der Berliner  Gesandtschaft zugeteilt. Hitler   ist Doppelverdiener. Er erhält un­fontrollierbare Einnahmen als Schriftsteller. Für diesen Mann wirft die braunschweigische Regierung für besondere Auf­träge" 5238 Mart hinaus. Was jagen die erwerbslosen An­geftellten und abgebauten Beamten hierzu?"

Eine Drohung der Reichsregierung. Schluß mit dem Bierstreit, sonst feine Steuerfenfung! Bon zuständiger Seite wird erklärt, daß die Reichsregierung entschloffen ist, den beabsichtigten Gefehentwurf, der eine Herabsehung der Biersteuer vorfieht, nicht weiter zu be­handeln, wenn der Bierstreit nicht eingestellt wird.

Diese Ankündigung ist den Gastwirtsorganisationen bereits ge­macht worden, allerdings nicht in der Form eines befristeten Ultimatums.