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Morgenausgabe

Nr. 99

A 50

49.Jahrgang

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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, bie Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Zlustrierte Sonntagsbeilags Bolt und Zeit"..

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonntag

28. Februar 1932

Groß- Berlin 15 Pf. Auswärts 20 Pf.

Die etnipalt. Millimeterzetle 30 Bf. Reklameze le 2. M. Steine An zeigen" bas fettgebrudte Bort 20 Bf. ( zuläffig zwei fettgedrudte Worte jedes weitere Wort 10 Bf. Rabatt It, Tarif. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Millimeter geile 25 Pf. Familienanzeigen Milli­meterzeile 16 Pf. Anzeigenannahme im Sauptgeschäft Lindenstraße 3, mochentäglich von 8 bis 17 Uhr. Der Beriag behält sich das Recht der Ab lehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

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Von Ebert - zu Hitler?

Gedanken zu Eberts Todestag.

Heute vor sieben Jahren starb Friedrich Ebert , der erste Reichspräsident der deutschen Republif. Dieser Mann aus der Arbeiterflaffe hatte seit dem Sturz der Monarchie mehr als sechs Jahre an der Spize des Reiches gestanden. Nachdem er zwei Söhne auf dem Schlachtfeld hingegeben, hat er sich selbst im Dienste des deutschen Boltes verzehrt.

Die Hege, die gegen diesen Mann geführt wurde und der er schließliche erlag weil er im Kampf gegen seine Ber­leumder eine längst notwendige Operation zu lange ver­schob ist nur ein Beispiel vom Dant des Baterlandes", den die deutsche Sozialdemokratie für ihre ungeheure nationale Leistung geerntet hat. Ihr Trost tann sein, daß sie nicht für das Baterland des nationalsozialistischen Ge­findels fämpft, sondern für das Vaterland der Arbeit und des Sozialismus, das aus diesem Deutschland einmal werden foll

Ebert , der Sattlergefelle aus Heidelberg , der Führer der Sozialdemokratie, hat auf dem Platz, auf dem er in den letzten Jahren seines Lebens stand, seiner Klasse und seiner Partei Ehre gemacht. Er, der nie ein Demagoge gewesen, war auf dem Gipfel der Macht auch fein Emportömmling. Mit schlichter Selbstverständlichkeit versah er sein Amt. Als er starb, trauerten Millionen, und auch die anständigen Gegner entblößten ihr Haupt.

Hat das deutsche Bolf die Bedeutung Eberts verstanden? Nein! Denn als es galt, einen Nachfolger für ihn zu wählen, am 29. März 1925, entfielen auf Otto Braun , der der Berufenste war, Eberts Mert fortzuführen, nur 7,8 Don 26,8 Millionen Stimmen, das heißt noch nicht dreißig vom Hundert! Braun verzichtete infolgedessen zugunsten eines Sammelfandidaten der bürgerlichen Mitte, des Dr. Wilhelm Marg, der dann durch Thälmanns Sonderkandi datur ziemlich knapp gegen Herrn von Hindenburg unterlag.

Schon damals hatte sich gezeigt, daß das Bürgertum feine Persönlichkeit von mehr als Durchschnittsmaß besaß, die es dem Kandidaten der Reaktion hätte entgegenstellen tönnen. Die ausgezeichneten Eigenschaften des Dr. Wilhelm Marr stehen außer Frage, und sicher ist er ein viel mertvollerer Mensch als mancher andere, für den die Reflametrommel ge­rührt wird. Auch heute noch tönnte man ihn mit dem besten Gewissen für das höchste Amt in der Republik empfehlen ob mit befferem Erfolg als nor sieben Jahren, steht freilich dahin.

In den sieben Jahren seit damals ist das Bürgertum der Mitte an führenden Persönlichkeiten nicht reicher, son dern ärmer geworden. Weder ist es geneigt, eine Persönlich feit aus dem Lager der Sozialdemokratie auf den Schild zu heben- dazu ist die Sozialistenangst zu groß noch tann es einen eigenen Kandidaten stellen, der über das Mittelmaß hinausragt.

So wurde diesem Bürgertum der Entschluß Hindenburgs, fich zur Wahl zu stellen, ein wahres Geschent des Himmels.

aus

Das Bürgertum der Mitte fann freilich fagen, daß es bei dem reaktionärsten Teil der Bourgeoisie nicht besser aussieht. Denn geht es bei jenem tragisch zu, so ist es bei diesem schon mehr tragikomisch. Der reaftio­närfte Teil der Bourgeoisie hat in seinen eigenen Reihen feinen Mann, den er präsentieren fann. Also hat er einen feiner Klaffe davongelaufenen Anstreicher Braunau mit einem geradezu phantastischen Aufwand von Geld und Reklame zum besten Deutschen hinaufgeschwindelt. Dieser nun und das ist die Komit in der Tragik- ist nicht nur der jüngste Parteibuchbeamte", er ist auch der echte Typ des Revolutionsgewinnlers". Dieser Adolf Hitler , der jetzt, wenn es nach dem Willen des Großfapitals geht, Reichspräsident werden soll, hätte es ohne den sogenann ten Dolchstoß" vom 9. November nicht einmal zum Regie: rungsrat gebracht, der er foeben geworden ist. Nicht einmal Reserveoffizier hätte er werden fönnen, die ganze beffere Ge­fellschaft hätte sorgfältig die Türen vor ihm verschlossen- und da er in die Arbeiterbemegung, in der flaffenmäßig sein

"

Plaß gewesen wäre, nach Charakter und geistiger Beran­lagung nicht paßte, wäre ihm nichts anderes übrig geblieben, als in irgendeinem gelben Wertverein ein gänzlich unbeachte­tes Dasein zu führen. Gerade er. Adolf Hitler , verdantt alles, was er ist, dem 9. November.

Die Revolution non 1918 mar die zwangsläufige Folge

der militärischen Niederlage. Die Monarchie war nur noch ein Kadaverer mußte fortgeräumt werden, damit für das Leben der Nation Platz geschaffen wurde. Deutschland kann nicht mehr existieren ohne republikanisch- demokratische Ber fassung und ohne eine Politik, deren Ziel das friedliche Zu­fammenleben der Völker ist, kurz nicht ohne das, was das nationalsozialistische Schlagwörterbuch unter dem Namen ,, System" zusammenfaßt.

Wir verteidigen das ,, System", aber wir sehen auch seine Schattenseiten. Wir sehen als efelhafte Mißgeburt der demo fratischen Entwicklung eine schamlose Demagogie. Wir sehen die strupellosen Nuznießer des sogenannten November­verbrechens", die pomadisierten Barvenüs. Wir sind der Meinung, daß die Republik , die Demokratie, das ganze so­genannte System" einer gründlichen Entlausung bedarf. Das System" muß gereinigt werden von seinem übelsten Nebenprodukt, von der nationalsozialisti schen Bewegung.

Diese Reinigung vorzunehmen ist von heute in zwei Wochen Gelegenheit. Wir sind es Friedrich Ebert schuldig zu verhindern, daß ein Adolf Hitler auf seinem Stuhl Plaz nimmt. Und wenn wir das nur verhindern können, in dem wir Hindenburg wählen, dann wählen mir eben Hindenburg !

Welcher Republikaner . welcher Sozialist, melcher klassen­bewußte Arbeiter wünscht nicht, daß der Faschismus am 13. März eine entscheidende Niederlage erleidet?! Eine ent= scheidende Niederlage des Faschismus ist gleichbedeutend mit einem überwältigenden Sieg Hindenburgs im ersten Wahl­gang.

Also geht hin und werbt für Hindenburg ! Und tut ihr es nicht aus Liebe, so tut es aus Haß!

Kranzniederlegung der preußischen Staats­

regierung am Grabe Eberts .

Die preußische Staatsregierung hat am Grabe des Reichs­präsidenten Ebert an deffen heutigem Todestage, dem 28. Februar. einen Kranz mit Schleife in den preußischen Farben niederlegen laffen.

Der Krieg geht weiter!

Die Japaner wollen ins Innere vordringen.

London , 27. Februar.

Wie Reuter aus Tokio erfährt, verlautet dort aus zuverlässiger Quelle, daß die japanischen Kommandanten in Schanghai sich entschlossen haben, angesichts der Tat­sache, daß chinesische Verstärkungen demnächst auf dem Kampfschauplah ankommen werden, Kriegs schiffe auf Yangtfetiang einzusehen, um da durch zu verhindern, daß der Strom von den Chinesen als Aufmarschroute für die Truppen, die die 19. Armee unterstüten sollen, verwendet wird.

Granaten auf Tschapei.

Die Trümmer brennen.

Schanghai , 27. Februar.

Neuer Ostbahnkonflikt

Mufden, 27. Februar

Der Chef der japanischen Armee in Mukden, Honjo, hat das Kommando in Charbin angewiesen, für die Beförderung der Truppen nach Hailar- Tsitsitar 45 Wagen und 3 Lokomotiven an­zufordern, da dort die Lage nicht mehr sicher" set. Die Ber­waltung der Ostbahn unter Führung des sowjetrussischen In­genieurs Rudy hat dies den Japanern verweigert, da sie feinen Beschluß vom Aufsichtsrat habe. Die Japaner dringen auf ihre Forderung und erklären, daß sie feine Zeit hätten, den Beschluß des Aufsichtsrates abzuwarten.

Kämpfe an der Ostbahn.

In der Nähe von Jnanpo an der chinesischen Ostbahn sind schwere Kämpfe im Gange. Die Japaner wurden von den chinesischen Truppen gezwungen, sich zurüd zuziehen. Am Sonnabend warfen japanische Flugzeuge über Futschau 15 Bomben ab, die in einigen Teilen der Stadt Brandschaden verursachten.

Die Einwohner wurden um 5 Uhr früh rauh aus dem Schlaf geweckt, als die japanische Artillerie von neuem das schwere Feuer auf einen Gebäudebloc inmitten Tschapeis eröffnete, wo, wie die Japaner annehmen, chinesische Truppen zusammengezogen sind. Die| Mehrere Zivilpersonen wurden getötet. Der Mandschureistaat von Japans Gnaden nennt sich Man= Folge der Beschießung war wiederum ein großer Brand; riesige Rauchschwaden und hohe Flammen steigen zum Himmel empor. dich aufai Hauptstadt ist Tschungtschang. Der chinesische Erlaiser Die chinesischen Batterien antworteten, und das Granatfeuer dauert| Puji als Präsident auf Lebenszeit, führt den Titel Diktator": Tichin Tichang. mit unverminderter Stärte fort.