Morgenausgabe
Nr. 99
A 50
49.Jahrgang
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Sonntag
28. Februar 1932
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Heute vor sieben Jahren starb Friedrich Ebert , der erste Reichspräsident der deutschen Republif. Dieser Mann aus der Arbeiterflaffe hatte seit dem Sturz der Monarchie mehr als sechs Jahre an der Spize des Reiches gestanden. Nachdem er zwei Söhne auf dem Schlachtfeld hingegeben, hat er sich selbst im Dienste des deutschen Boltes verzehrt.
Die Hege, die gegen diesen Mann geführt wurde und der er schließliche erlag weil er im Kampf gegen seine Berleumder eine längst notwendige Operation zu lange verschob ist nur ein Beispiel vom Dant des Baterlandes", den die deutsche Sozialdemokratie für ihre ungeheure nationale Leistung geerntet hat. Ihr Trost tann sein, daß sie nicht für das Baterland des nationalsozialistischen Gefindels fämpft, sondern für das Vaterland der Arbeit und des Sozialismus, das aus diesem Deutschland einmal werden foll
Ebert , der Sattlergefelle aus Heidelberg , der Führer der Sozialdemokratie, hat auf dem Platz, auf dem er in den letzten Jahren seines Lebens stand, seiner Klasse und seiner Partei Ehre gemacht. Er, der nie ein Demagoge gewesen, war auf dem Gipfel der Macht auch fein Emportömmling. Mit schlichter Selbstverständlichkeit versah er sein Amt. Als er starb, trauerten Millionen, und auch die anständigen Gegner entblößten ihr Haupt.
Hat das deutsche Bolf die Bedeutung Eberts verstanden? Nein! Denn als es galt, einen Nachfolger für ihn zu wählen, am 29. März 1925, entfielen auf Otto Braun , der der Berufenste war, Eberts Mert fortzuführen, nur 7,8 Don 26,8 Millionen Stimmen, das heißt noch nicht dreißig vom Hundert! Braun verzichtete infolgedessen zugunsten eines Sammelfandidaten der bürgerlichen Mitte, des Dr. Wilhelm Marg, der dann durch Thälmanns Sonderkandi datur ziemlich knapp gegen Herrn von Hindenburg unterlag.
Schon damals hatte sich gezeigt, daß das Bürgertum feine Persönlichkeit von mehr als Durchschnittsmaß besaß, die es dem Kandidaten der Reaktion hätte entgegenstellen tönnen. Die ausgezeichneten Eigenschaften des Dr. Wilhelm Marr stehen außer Frage, und sicher ist er ein viel mertvollerer Mensch als mancher andere, für den die Reflametrommel gerührt wird. Auch heute noch tönnte man ihn mit dem besten Gewissen für das höchste Amt in der Republik empfehlen ob mit befferem Erfolg als nor sieben Jahren, steht freilich dahin.
In den sieben Jahren seit damals ist das Bürgertum der Mitte an führenden Persönlichkeiten nicht reicher, son dern ärmer geworden. Weder ist es geneigt, eine Persönlich feit aus dem Lager der Sozialdemokratie auf den Schild zu heben- dazu ist die Sozialistenangst zu groß noch tann es einen eigenen Kandidaten stellen, der über das Mittelmaß hinausragt.
So wurde diesem Bürgertum der Entschluß Hindenburgs, fich zur Wahl zu stellen, ein wahres Geschent des Himmels.
aus
Das Bürgertum der Mitte fann freilich fagen, daß es bei dem reaktionärsten Teil der Bourgeoisie nicht besser aussieht. Denn geht es bei jenem tragisch zu, so ist es bei diesem schon mehr tragikomisch. Der reaftionärfte Teil der Bourgeoisie hat in seinen eigenen Reihen feinen Mann, den er präsentieren fann. Also hat er einen feiner Klaffe davongelaufenen Anstreicher Braunau mit einem geradezu phantastischen Aufwand von Geld und Reklame zum besten Deutschen hinaufgeschwindelt. Dieser nun und das ist die Komit in der Tragik- ist nicht nur der jüngste Parteibuchbeamte", er ist auch der echte Typ des Revolutionsgewinnlers". Dieser Adolf Hitler , der jetzt, wenn es nach dem Willen des Großfapitals geht, Reichspräsident werden soll, hätte es ohne den sogenann ten„ Dolchstoß" vom 9. November nicht einmal zum Regie: rungsrat gebracht, der er foeben geworden ist. Nicht einmal Reserveoffizier hätte er werden fönnen, die ganze beffere Gefellschaft hätte sorgfältig die Türen vor ihm verschlossen- und da er in die Arbeiterbemegung, in der flaffenmäßig sein
"
Plaß gewesen wäre, nach Charakter und geistiger Beranlagung nicht paßte, wäre ihm nichts anderes übrig geblieben, als in irgendeinem gelben Wertverein ein gänzlich unbeachtetes Dasein zu führen. Gerade er. Adolf Hitler , verdantt alles, was er ist, dem 9. November.
Die Revolution non 1918 mar die zwangsläufige Folge
der militärischen Niederlage. Die Monarchie war nur noch ein Kadaverer mußte fortgeräumt werden, damit für das Leben der Nation Platz geschaffen wurde. Deutschland kann nicht mehr existieren ohne republikanisch- demokratische Ber fassung und ohne eine Politik, deren Ziel das friedliche Zufammenleben der Völker ist, kurz nicht ohne das, was das nationalsozialistische Schlagwörterbuch unter dem Namen ,, System" zusammenfaßt.
Wir verteidigen das ,, System", aber wir sehen auch seine Schattenseiten. Wir sehen als efelhafte Mißgeburt der demo fratischen Entwicklung eine schamlose Demagogie. Wir sehen die strupellosen Nuznießer des sogenannten„ Novemberverbrechens", die pomadisierten Barvenüs. Wir sind der Meinung, daß die Republik , die Demokratie, das ganze sogenannte System" einer gründlichen Entlausung bedarf. Das System" muß gereinigt werden von seinem übelsten Nebenprodukt, von der nationalsozialisti schen Bewegung.
Diese Reinigung vorzunehmen ist von heute in zwei Wochen Gelegenheit. Wir sind es Friedrich Ebert schuldig zu verhindern, daß ein Adolf Hitler auf seinem Stuhl Plaz nimmt. Und wenn wir das nur verhindern können, in dem wir Hindenburg wählen, dann wählen mir eben Hindenburg !
Welcher Republikaner . welcher Sozialist, melcher klassenbewußte Arbeiter wünscht nicht, daß der Faschismus am 13. März eine entscheidende Niederlage erleidet?! Eine ent= scheidende Niederlage des Faschismus ist gleichbedeutend mit einem überwältigenden Sieg Hindenburgs im ersten Wahlgang.
Also geht hin und werbt für Hindenburg ! Und tut ihr es nicht aus Liebe, so tut es aus Haß!
Kranzniederlegung der preußischen Staats
Die preußische Staatsregierung hat am Grabe des Reichspräsidenten Ebert an deffen heutigem Todestage, dem 28. Februar. einen Kranz mit Schleife in den preußischen Farben niederlegen laffen.
Der Krieg geht weiter!
Die Japaner wollen ins Innere vordringen.
Wie Reuter aus Tokio erfährt, verlautet dort aus zuverlässiger Quelle, daß die japanischen Kommandanten in Schanghai sich entschlossen haben, angesichts der Tatsache, daß chinesische Verstärkungen demnächst auf dem Kampfschauplah ankommen werden, Kriegs schiffe auf Yangtfetiang einzusehen, um da durch zu verhindern, daß der Strom von den Chinesen als Aufmarschroute für die Truppen, die die 19. Armee unterstüten sollen, verwendet wird.
Granaten auf Tschapei.
Die Trümmer brennen.
Neuer Ostbahnkonflikt
Mufden, 27. Februar
Der Chef der japanischen Armee in Mukden, Honjo, hat das Kommando in Charbin angewiesen, für die Beförderung der Truppen nach Hailar- Tsitsitar 45 Wagen und 3 Lokomotiven anzufordern, da dort die Lage„ nicht mehr sicher" set. Die Berwaltung der Ostbahn unter Führung des sowjetrussischen Ingenieurs Rudy hat dies den Japanern verweigert, da sie feinen Beschluß vom Aufsichtsrat habe. Die Japaner dringen auf ihre Forderung und erklären, daß sie feine Zeit hätten, den Beschluß des Aufsichtsrates abzuwarten.
Kämpfe an der Ostbahn.
In der Nähe von Jnanpo an der chinesischen Ostbahn sind schwere Kämpfe im Gange. Die Japaner wurden von den chinesischen Truppen gezwungen, sich zurüd zuziehen. Am Sonnabend warfen japanische Flugzeuge über Futschau 15 Bomben ab, die in einigen Teilen der Stadt Brandschaden verursachten.
Die Einwohner wurden um 5 Uhr früh rauh aus dem Schlaf geweckt, als die japanische Artillerie von neuem das schwere Feuer auf einen Gebäudebloc inmitten Tschapeis eröffnete, wo, wie die Japaner annehmen, chinesische Truppen zusammengezogen sind. Die| Mehrere Zivilpersonen wurden getötet. Der Mandschureistaat von Japans Gnaden nennt sich Man= Folge der Beschießung war wiederum ein großer Brand; riesige Rauchschwaden und hohe Flammen steigen zum Himmel empor. dich aufai Hauptstadt ist Tschungtschang. Der chinesische Erlaiser Die chinesischen Batterien antworteten, und das Granatfeuer dauert| Puji als Präsident auf Lebenszeit, führt den Titel Diktator": Tichin Tichang. mit unverminderter Stärte fort.